VG Düsseldorf, Urteil vom 04.09.2012 - 14 K 5481/11
Fundstelle
openJur 2012, 129501
  • Rkr:
Tenor

Der Kostenbescheid der Beklagten vom 11.08.2011 wird aufgehoben, soweit mit diesem mehr als 236,14 Euro festgesetzt wurden. Im Übri-gen wird die Klage abgewiesen.

Die Klägerin und die Beklagte tragen die Kosten des Verfahrens je zur Hälfte.

Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Der jeweilige Kostenschuldner darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht der Kostengläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand

Der auf die Klägerin zugelassene PKW (Renault) mit dem amtlichen Kennzeichen X-XX 0000 stand am 18.04.2011 auf der E Straße in N gegenüber der Haus-Nr. 434. Dieser Bereich war im Zuge der Erneuerung der Fahrbahndecke mit den Verkehrszeichen 283 (Haltverbot) beschildert. Ein Mitarbeiter der Beklagten ließ den PKW um 12.05 Uhr abschleppen und auf den Hof der Abschleppfirma verbringen.

Mit Schreiben vom 04.05.2011 wandte sich die Beklagte auf dem Postweg an die Stadtverwaltung E1 und bat um Mitteilung der Halterdaten des Fahrzeugs. Nach einer telefonischen Nachfrage der Klägerin vom 17.05.2011 bei der Beklagten, die sich erkundigte, wo sich ihr Fahrzeug befinde, wurde der PKW am selben Tag abgeholt.

Mit Schreiben vom 24.05.2011 hörte die Beklagte die Klägerin zur beabsichtigten Auferlegung der Kosten an.

Mit Schreiben vom 30.05.2011 machte die Klägerin geltend, der PKW sei bereits vor Einrichtung der Baustelle abgestellt worden, so dass der Fahrer keinerlei Kenntnis von den Haltverbotszeichen gehabt haben könne. Zudem hätte sie weder von der Beklagten noch von der Polizei eine Mitteilung über die Abschleppmaßnahme erhalten, obwohl eine Halterermittlung jederzeit möglich gewesen sei. Der Beklagten sei bei dem Standgeld eine Teilschuld anzulasten.

Mit Kostenbescheid vom 11.08.2011 machte die Beklagte gegenüber der Klägerin die Kosten der Sicherstellung in Höhe von 85,00 Euro sowie Standgebühren in Höhe von 254,80 Euro (26 Tage à 9,80 Euro) zzgl. MwSt. in Höhe von 19 %, insgesamt also 404,36 Euro geltend und setzte eine Verwaltungsgebühr in Höhe von 100,00 Euro fest.

Die Klägerin hat am 12.09.2011 Klage erhoben. Zur Begründung trägt sie ergänzend vor, die Abschleppmaßnahme sei schon deshalb nicht erforderlich gewesen, weil ein bloßes Umsetzen möglich gewesen sei.

Die Klägerin beantragt,

den Kostenbescheid der Beklagten vom 11.08.2011 aufzuheben.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Zur Begründung weist sie darauf hin, dass bei einer Umsetzung Kosten in gleicher Höhe (mit Ausnahme der Standkosten) wie bei der Sicherstellung angefallen wären.

Mit Beschluss vom 14.05.2012 ist der Rechtsstreit der Berichterstatterin zur Entscheidung als Einzelrichterin übertragen worden.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Beklagten ergänzend Bezug genommen.

Gründe

Das Gericht kann gemäß § 101 Abs. 2 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) ohne mündliche Verhandlung entscheiden, da die Beteiligten hierzu ihr Einverständnis erteilt haben.

Die Klage hat teilweise Erfolg.

Der angefochtene Kostenbescheid der Beklagten vom 11.08.2011 ist hinsichtlich eines Teils der geltend gemachten Standkosten rechtswidrig und verletzt die Klägerin insofern in ihren Rechten, § 113 Abs. 1 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO). Im Übrigen ist der Kostenbescheid rechtmäßig.

Der Leistungsbescheid findet seine Ermächtigungsgrundlage in § 77 des Verwaltungsvollstreckungsgesetzes Nordrhein-Westfalen (VwVG NRW) und § 20 Abs. 2 Nr. 8 der Ausführungsverordnung zum VwVG vom 8.12.2009 (VO VwVG NRW) i.V.m. § 24 Nr. 13 des Ordnungsbehördengesetzes NRW (OBG NRW) i.V.m. § 46 Abs. 3 Satz 1 und 3 des Polizeigesetzes NRW (PolG NRW). Hiernach hat der Ordnungspflichtige die durch eine rechtmäßige Abschleppmaßnahme entstandenen Kosten zu ersetzen.

Die Sicherstellung des Fahrzeugs der Klägerin an sich war hier rechtmäßig. Eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit gemäß § 14 OBG NRW als Voraussetzung für das polizeiliche Eingreifen bestand vorliegend. Im Zeitpunkt des Einschreitens lag ein Verstoß gegen § 41 Abs. 1 i.V.m. Zeichen 283 der Straßenverkehrsordnung (StVO) vor, denn das Fahrzeug der Klägerin war im Zeitpunkt der Abschleppmaßnahme - soweit unstreitig - im Bereich eines Haltverbotszeichens 283 abgestellt.

Die Sicherstellung war auch verhältnismäßig. Sie war erforderlich, denn eine die Klägerin weniger beeinträchtigende Maßnahme kam nicht in Betracht. Der Aufenthaltsort des Fahrers war unstreitig nicht bekannt. Eine Versetzung im Sichtbereich hätte, soweit nur die Abschleppmaßnahme selbst betroffen ist, zu den gleichen Kosten geführt wie eine Sicherstellung. Im Übrigen ist nicht ersichtlich, dass sich in der Nähe des Abstellortes überhaupt ein geeigneter anderweitiger Parkplatz befunden hat. Bei dem von der Klägerin angeführten angrenzenden Parkplatz handelte es sich ersichtlich um einen Privatparkplatz. Auf dem Foto in dem beigezogenen Verwaltungsvorgang ist zu erkennen, dass die einzelnen Stellplätze durch Sperren gesichert sind, so dass eine Versetzung auf diesen Parkplatz nicht in Betracht kam.

Die Maßnahme selbst war auch im Übrigen angemessen und hat zu keinen Nachteilen geführt, die zu dem angestrebten Erfolg erkennbar außer Verhältnis standen. Die Sicherstellung als solche belastete die Klägerin mit den von der Beklagten veranschlagten Abschleppkosten in Höhe von 85,00 Euro zzgl. 19 % MwSt (= 101,15 Euro). Die Höhe des zu zahlenden Geldbetrages ist geringfügig. Die Belastungen stehen zu dem Zweck der Maßnahme, den Rechtsverstoß zu beseitigen und die Bauarbeiten an dem betreffenden Straßenabschnitt zu ermöglichen, in keinem Missverhältnis, nachdem der Beklagte mehr als 48 Stunden seit der Aufstellung des Verkehrszeichens zugewartet hatte. Eine Frist von 48 Stunden ist nach der Rechtsprechung des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen, der sich die Kammer angeschlossen hat, regelmäßig ausreichend, um Fahrzeughalter vor überraschenden Abschleppmaßnahmen mit dem erwähnten Folgeaufwand zu bewahren. Diese Vorlaufzeit deckt typische kürzere Abwesenheitszeiten - wie etwa an Wochenenden - ab.

Vgl. Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen (OVG NRW) , Beschluss vom 13.09.2004 - 5 E 785/04 - und Beschluss vom 23.05.1995 - 5 A 2092/93 -; vgl. auch Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 11.12.1996 - 11 C 15/95 -; juris.

Die Tatsache, dass das Fahrzeug vor Aufstellung der Verkehrszeichen abgestellt worden ist und der Fahrer deshalb von dem Haltverbot keine Kenntnis haben konnte, führt nicht zur Unverhältnismäßigkeit der Maßnahme. Auf ein Verschulden des Betroffenen kommt es nicht an. Die Klägerin selbst trägt grundsätzlich das Risiko, dass sich an der Parksituation ihres Fahrzeugs im öffentlichen Straßenraum nachträglich etwas ändert. Sofern bei einer Abschleppmaßnahme - wie hier - die Frist von 48 Stunden zwischen der Aufstellung der Verkehrszeichen und der Maßnahme eingehalten wird, dürfen die Kosten der Abschleppmaßnahme regelmäßig dem Fahrzeughalter bzw. dem Fahrzeugführer auferlegt werden.

Rechtswidrig ist hingegen, dass die Beklagte der Klägerin die entstandenen Standkosten in voller Höhe auferlegt hat. Die Standgebühren von insgesamt 254,80 Euro zzgl. 19 % MwSt. (= 303,21 Euro) sind in dieser Höhe angefallen, weil die Klägerin nicht rechtzeitig über die Abschleppmaßnahme und den Standort des Fahrzeugs informiert worden ist. Diese Tatsache ist der Beklagten anzulasten. Der Beklagten obliegt es, den Fahrer bzw. Halter eines Fahrzeugs im Anschluss an eine durchgeführte Abschleppmaßnahme umgehend zu benachrichtigen, um demjenigen die Möglichkeit zu geben, sein Fahrzeug wiederzuerlangen und gleichzeitig die Kosten möglichst gering zu halten. Die Beklagte hat hier erst am 04.05.2011 und damit 16 Tage nach der Maßnahme überhaupt versucht, an die Halterdaten des Fahrzeugs zu gelangen und dies auch noch auf dem normalen Postweg, obwohl eine zeitnähere Bearbeitung per Fax oder auch Telefon sich hier dringend angeboten hätte. Der Klägerin ist durch die versäumte Mitteilung über den Standort des Fahrzeugs die Möglichkeit genommen worden, den PKW schnellstmöglich abzuholen und so die Standkosten zu reduzieren. Aus zahlreichen anderen Abschleppfällen anderer Behörden ist bekannt, dass auch bei auswärtigen Fahrzeugen entweder über die zur Amtshilfe verpflichtete Polizeibehörde oder jedenfalls über eine Nachfrage bei dem zuständigen Straßenverkehrsamt per Fax oder auch Telefon die Halterdaten unschwer binnen weniger Tage zu beschaffen sind. Das Gericht sieht deshalb Standkosten lediglich in Höhe von 29,40 Euro zzgl. 19 % MwSt (= 34,99 Euro), d.h. für drei Tage, als angemessen an. Die Klägerin hat, nachdem sie Kenntnis vom Standort ihres Fahrzeugs hatte, den PKW am selben Tage abgeholt, so dass davon auszugehen ist, dass sie dies auch bei rechtzeitiger Benachrichtigung getan hätte.

Gegen die von der Beklagten weiterhin festgesetzte Verwaltungsgebühr in Höhe von 100,00 Euro bestehen hingegen weder dem Grunde noch der Höhe nach rechtliche Bedenken. Die Gebühr findet ihre Rechtsgrundlage in § 77 VwVG NRW und § 15 Abs. 1 Nr. 7 VO VwVG NRW i.V.m. § 24 Nr. 13 OBG NRW und § 46 Abs. 1 und 3 PolG NRW. Nach diesen Bestimmungen kann die Ordnungsbehörde als Vollstreckungsgläubigerin von dem Pflichtigen für eine (rechtmäßige) Abschleppmaßnahme eine Verwaltungsgebühr erheben. Die Sicherstellung war, wie oben dargelegt, rechtmäßig. Bezüglich der Höhe der Gebühr bestehen keine Bedenken. Sie liegt im mittleren Bereich des Gebührenrahmens von 25,00 bis 150,00 Euro und ist bereits mehrfach auf ihre Berechtigung hin überprüft worden.

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 154 Abs. 1, 155 Abs. 1 Satz 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 11, 711 ZPO.