LG Magdeburg, Urteil vom 09.03.2011 - 36 O 160/07
Fundstelle
openJur 2012, 136267
  • Rkr:
Tenor

Die Beklagten werden verurteilt,

es unter Androhung eines vom Gericht für jeden einzelnen Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu einer Höhe von 250.000,00 Euro, ersatzweise Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr

über das Internet und/oder ohne behördliche Erlaubnis in Deutschland befindlichen Personen die Möglichkeit anzubieten und/oder zu verschaffen, gegen Entgelt Glücksspiele,

insbesondere Sportwetten zu festen Gewinnquoten, Poker, Slot-Machines, Casino-Spiele - insbesondere Roulette, Blackjack, Baccarat, Battle Cards, Casino Stud Poker, Craps, Pai Gow Poker, Hold'em Showdown, 3 Card Poker, Red Dog, Texas Holdem Bonus -,

Video-Poker - insbesondere All American, Challenge Poker, Deuces wild, Jacks or Better - Mega Bingo Keno, Hi-Lo Dealer,, Joker Poker -,

und/oder Fun Games - insbesondere Final Score, Darts, Pinball Roulette, Golden Bonanza Keno, Mega Bingo Keno, Bonus HiLo, Hi-Lo, HiLo Dealer, High-Low Game Show, Card Sharks, Mad Matterhorn, Magic Money, Hot Streak, Candy Island, Diving for Dollars, Go Bananas -

einzugehen und/oder abzuschließen durch Abschluss eines Spielvertrags mit der Beklagten zu 1.,

wenn dies geschieht, wie nachstehend wiedergegeben:

...Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.Die Kosten des Rechtsstreits werden gegeneinander aufgehoben.Das Urteil ist gegen eine Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Die Klägerin organisiert auf dem Gebiet des Bundeslandes S mit behördlicher Erlaubnis Glücksspiele, insbesondere Lotto und Sportwetten.

Die Beklagte zu 1. ist eine juristische Person nach maltesischem Recht und ansässig auf M. Auf der Internetpräsenz "m.com" bietet sie die im Tenor unter 1. angezeigten Glücksspiele an. Der Beklagte zu 2. ist der gesetzliche Vertreter der Beklagten zu 1.

Um an den von der Beklagten zu 1. offerierten Spielen teilnehmen zu können, muss der Internetnutzer aus S die Domain "m.com" aufrufen. Es erscheint eine mit deutscher Bundesflagge versehene und in deutscher Sprache gehaltene Startseite. Geht der Internetnutzer nun auf den Link "Neu anmelden und gewinnen", wird er zum Ausfüllen eines Adressfeldes aufgefordert, in dem als Voreintragung bereits Deutschland angegeben ist. Nach einer entsprechenden Registrierung erhält der neue Spieler die Möglichkeit, sein virtuelles Spielkonto - etwa durch Überweisung auf das Konto der Beklagten zu 1. oder durch Angabe der Kreditkartennummer - aufzufüllen. Nach Zahlung auf das virtuelle Spielkonto erscheinen die verschiedenen Glücksspielangebote wie Sportwetten, Casino-Spiele (sog. Tischspiele - Roulette und Würfelspiel -, Kartenspiele - Blackjack, Pocker, Baccarat, Casino War und Red Dog -), Geldspielautomaten-Simulationen und Rubbel- sowie Ratespiele.

Die Klägerin hat zunächst am 02.08.2007 Klage erhoben und beantragt, die Beklagte zu verurteilen,

1. es bei Meidung eines vom Gericht festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu einer Höhe von 250.000,00 €, ersatzweise Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs auf dem Gebiet der Bundesrepublik Deutschland ohne behördliche Erlaubnis Glücksspiele anzubieten und/oder anbieten zu lassen und/oder zu bewerben und/oder bewerben zu lassen,

insgesamt wie nachstehend wiedergegeben:

...

2. dass die Beklagten gesamtschuldnerisch verpflichtet sind, der Klägerin sämtlichen Schaden zu ersetzen, der dieser seit dem 15.05.2007 aus den in Ziff. 1. beschriebenen Handlungen in S bereits entstanden ist oder künftig noch entstehen wird,

3. die Beklagten zu verurteilen, der Klägerin Auskunft zu erteilen über die Umsätze, die seit dem 15.05.2007 durch die Entgegennahme von Glücksspielen derjenigen Teilnehmer erzielt worden ist, die ihren Wohnsitz in S haben

Mit Schriftsatz vom 04.08.2010 hat die Klägerin die Klage zurückgenommen, soweit die mit der Klage geltend gemachten Ansprüche das Verhalten der Beklagten in der Zeit bis zum 31.12.2007 betrafen. Dieser Klagerücknahme und Klageänderung haben die Beklagten in der mündlichen Verhandlung nicht zugestimmt. Die Klägerin verfolgt ihr Klagebegehren nur noch hinsichtlich des Verhaltens der Beklagten in der Zeit ab dem 01.01.2008 - also nach Inkrafttreten des Glücksspielstaatsvertrages (GlüStV).

Sie beantragt nunmehr,

es unter Androhung eines vom Gericht für jeden einzelnen Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu einer Höhe von 250.000,00 Euro, ersatzweise Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr

über das Internet und/oder ohne behördliche Erlaubnis in Deutschland befindlichen Personen die Möglichkeit anzubieten und/oder zu verschaffen, gegen Entgelt Glücksspiele,

insbesondere Sportwetten zu festen Gewinnquoten, Poker, Slot-Machines,

Casino-Spiele - insbesondere Roulette, Blackjack, Baccarat, Bat-tle Cards, Casino Stud Poker, Craps, Pai Gow Poker, Hold'em Showdown, 3 Card Poker, Red Dog, Texas Holdem Bonus -,

Video-Poker - insbesondere All American, Challenge Poker, Deuces wild, Jacks or Better - Mega Bingo Keno, Hi-Lo Dealer,, Joker Poker -,

und/oder Fun Games - insbesondere Final Score, Darts, Pinball Roulette, Golden Bonanza Keno, Mega Bingo Keno, Bonus HiLo, Hi-Lo, HiLo Dealer, High-Low Game Show, Card Sharks, Mad Matterhorn, Magic Money, Hot Streak, Candy Island, Diving for Dollars, Go Bananas - einzugehen und/oder abzuschließen durch Abschluss eines Spielvertrags mit der Beklagten zu 1.,

wenn dies geschieht, wie nachstehend wiedergegeben:

...

2. es wird festgestellt, dass die Beklagten als Gesamtschuldner verpflichtet sind, der Klägerin sämtlichen Schaden zu ersetzen, der dieser dadurch entstanden ist oder noch entstehen wird, dass sie seit dem 01.01.2008 auf den Abschluss von Sportwetten zu festen Gewinnquoten und sonstigen Glücksspielen gerichtete Spielaufträge von Teilnehmern entgegengenommen haben, die ihren Wohnsitz in S haben; 3. die Beklagten werden verurteilt, der Klägerin Auskunft zu erteilen über die Umsätze, die seit dem 01.01.2008 durch die Entgegennahme von auf den Abschluss von Sportwetten zu festen Gewinnquoten und sonstigen Glücksspielen gerichteten Spielaufträgen derjenigen Teilnehmer erzielt worden sind, die ihren Wohnsitz in S haben;

Die Beklagten beantragen,

die Klage abzuweisen.

Sie behaupten, die Beklagte zu 1. sei im Besitz einer Wettkonzession der zuständigen Behörden in M, die ihr das Anbieten der von ihr betriebenen Glücksspiele erlaube.

Die Beklagte sind der Ansicht, dass der seit dem 01.01.2008 geltende Glücksspielstaatsvertrag europarechtswidrig sei: Er stelle nicht die vom Europäischen Gerichtshof geforderte kohärente Regulierung des Glücksspielmarktes dar. Das im Glücksspielvertrag aufgestellte Verbot, Glücksspiel im Internet anzubieten, könne nicht isoliert betrachtet werden. Schließlich seien auch die Regelungen über Glücksspiel im Internet nicht kohärent.

Hinsichtlich des Sach- und Streitstandes wird ergänzend auf die von den Parteien eingereichten Schriftsätze Bezug genommen.

Gründe

I.

Die Klageanträge sind zulässig.

Das Landgericht S ist gemäß § 14 II UWG örtlich zuständig, da das von der Klägerin beanstandete Spielangebot (auch) im Zuständigkeitsbereich des Landgerichts M zugänglich ist.

Soweit die Klägerin ihr Unterlassungsbegehren auf die Bestimmungen des Glücksspielstaatsvertrags stützt, liegt eine Klageänderung in Form der Klageerweiterung vor. Diese Klageerweiterung ist bereits vor Umstellung der Anträge im Schriftsatz vom 04.08.2010 erfolgt, denn schon im Schriftsatz vom 06.02.2008 hat sich die Klägerin auf die Rechtslage nach dem Inkrafttreten des Glücksspielstaatsvertrages berufen und auf diese Weise zumindest konkludent den Streitgegenstand auch auf ein Verhalten der Beklagten nach diesem Zeitpunkt erweitert. Es kann dahinstehen, ob die Beklagte bereits mit dem in ihren Schriftsätzen vorgenommenem Eingehen auf die ab dem 01.01.2008 geltende Rechtslage eine Zustimmung erteilt hat, denn die Klageänderung ist sachdienlich. Sachdienlichkeit ist in der Regel anzunehmen, wenn mit der geänderten Klage die noch bestehenden Streitpunkte mit erledigt werden können und ein neuer Prozess vermieden wird (Zöller, ZPO, 28. Auflage, Rn. 13 zu § 263). Die Zurückweisung der Klageerweiterung würde dazu führen, dass ein neuer Prozess um das Auftreten der Beklagten im Internet ab dem 01.01.2008 geführt werden müsste, obwohl alle hierfür wesentlichen Fragen bereits im vorliegenden Verfahren angesprochen worden sind.

Das für die Zulässigkeit des jeweiligen Klageantrags zu 3. erforderliche Feststellungsinteresse nach § 256 ZPO ergibt sich daraus, dass der Klägerin eine Leistungsklage vor Ablauf der kurzen Verjährungsfrist nicht möglich ist.

II.

Die Klage ist unbegründet, soweit sie auf Unterlassung, Auskunft und Feststellung der Schadensersatzpflicht für das Wettbewerbsverhalten der Beklagten bis zum 31.12.2007 zielt. Im Übrigen ist die Klage begründet.

1. Das Verhalten der Beklagten im Jahr 2007 stellt keinen Wettbewerbsverstoß gemäß §§ 3 I 1, 4 Nr. 11, 8 UWG dar, denn dieses Verhalten war nicht unlauter. Der Internetauftritt im Jahr 2007 erfolgte nämlich, nachdem das Bundesverfassungsgericht am 28.03.2006 die Verfassungs- und Europarechtswidrigkeit des in den deutschen Bundesländern und insbesondere auch in S errichteten staatlichen Wettmonopols in seiner gesetzlichen und tatsächlichen Ausgestaltung festgestellt hatte (BVerfGE 115, 276 ff.). Die Zuwiderhandlung gegen eine verfassungs- und europarechtswidrige Marktverhaltensregel kann nicht als unlauteres Verhalten bewertet werden (BGH, Urteil vom 14.02.2008, Rn. 15 ff., zitiert nach juris).

2. Die Klage ist begründet, soweit sie sich gegen ein Verhalten der Beklagten ab dem 01.01.2008 richtet.

a) Die Klägerin hat gegen die Beklagten gemäß §§ 3 I, 4 Nr. 11, 8 UWG einen Anspruch darauf, dass diese es unterlassen, über das Internet in Deutschland befindlichen Personen die Möglichkeit anzubieten oder zu verschaffen, die im Tenor benannten Glücksspiele anzubieten und/oder anbieten zu lassen und/oder zu bewerben und/oder bewerben zu lassen.

aa) Zwischen der Klägerin und der Beklagten zu 1. besteht ein Wettbewerbsverhältnis in Bezug auf entgeltlichen Sportwetten und Lotterien, da diese Dienstleistungen von beiden Parteien offeriert werden. Aber auch hinsichtlich der weiteren Glücksspielangebote der Beklagten zu 1. besteht ein Wettbewerbsverhältnis im Sinne von § 2 I Nr. 3 UWG. Voraussetzung für ein Mitbewerberverhältnis ist, dass zwischen den Vorteilen, die jemand durch eine Maßnahme für sein Unternehmen oder das eines Dritten zu erreichen sucht, und den Nachteilen, die ein anderer dadurch erleidet, eine Wechselbeziehung in dem Sinne besteht, dass der eigene Wettbewerb gefördert und der fremde Wettbewerb beeinträchtigt werden kann (Köhler/Bornkamm, 28. Aufl. 2010, § 2 UWG, Rn. 99 m. w. N.). Ein solcher Zusammenhang besteht jedenfalls dann, wenn Unternehmer versuchen, die gleichen oder gleichartige Waren oder Dienstleistungen innerhalb desselben Abnehmerkreises abzusetzen (a. a. O., Rn 97 a). Der Markt für Sportwetten, Lotterien und Casinospiele ist als ein einheitlicher Markt anzusehen, denn es handelt sich jeweils um Spiele, deren Ausgang vom Zufall abhängt und die es dem Teilnehmer ermöglichen, einen Gewinn zu machen. Aus diesem Grund ist anzunehmen, dass auch bezüglich der von der Klägerin nicht angebotenen Casinospiele eine den Lotterien und entgeltlichen Sportwetten vergleichbare Dienstleistung vorliegt.

bb) Das Angebot von entgeltlichen Sportwetten, entgeltlichen Casinospielen und sonstigen Glücksspielen durch die Beklagte zu 1. im Internet verstößt gegen das in § 4 IV GlüStV normierte Verbot, öffentliche Glücksspiele im Internet zu veranstalten oder zu vermitteln.Die verletzten Vorschriften des GlüStV sind Regelungen des Marktverhaltens zum Schutze der Verbraucher, deren Verletzung den Vorwurf der Unlauterkeit begründet (vgl. Köhler/Bornkamm, a. a. O., § 4 UWG, Rn 11.178 m. w. N.).

Dieses Verbot findet Anwendung. Es ist über § 1 des Glücksspielgesetzes des Landes S (GlüG LSA) in der Fassung vom 18.12.2007 in geltendes Landesrecht transformiert worden, denn nach dieser Bestimmung trifft das Landesgesetz nur ergänzende Regelungen zu dem zwischen den Ländern vereinbarten Glücksspielstaatsvertrag.

Das Verbot, Glücksspiele im Internet anzubieten, ist verfassungsgemäß und nicht europarechtswidrig.

Auch wenn das Verbot des Veranstaltens und Vermittelns öffentlicher Glücksspiele im Internet nach § 4 IV GlüStV in das Grundrecht auf Berufsfreiheit nach Art. 12 I 1 GG eingreift, liegt keine Verfassungswidrigkeit vor, da dieser Eingriff nach Art. 12 I 2 GG gerechtfertigt ist.

Sowohl das Veranstalten als auch das Vermitteln von Glücksspielen steht als berufliche Tätigkeiten unter dem Schutz des Grundrechts der Berufsfreiheit nach Art. 12 I 1GG (für den Bereich der Sportwetten, BVerfG, Urteil vom 28.03.2006, Rn,. 82 ff., zitiert nach juris mit weiteren Einzelheiten). Doch ist dieses Grundrecht auf Berufsfreiheit nach Art. 12 I 2 GG zulässigerweise durch den Glücksspielstaatsvertrag und die begleitenden Ausführungsgesetze der Länder eingeschränkt worden.

Das Internetverbot verfolgt ein zulässiges Ziel. Nach § 1 GlüStV dienen die Bestimmungen des Glücksspielstaatsvertrages der Verhinderung von Glücksspielsucht, der Begrenzung des Spielangebots, dem Jugend- und Spielerschutz sowie dem Schutz vor Betrug und Begleitkriminalität. Hierbei handelt es sich nach dem grundlegenden Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 28.03.2006 jeweils um legitime Ziele (BVerfG, Urteil vom 28.03.2006, Rn. 98 ff., zitiert nach juris).

Das in § 4 IV GlüStV ausgesprochene Verbot stellt ein geeignetes Mittel zur Erreichung der legitimen Ziele dar, denn es verhindert gerade in einem Bereich, der einerseits für die potentiellen Spieler leicht zugänglich und andererseits nur schwer kontrollierbar ist, den Zugang zum Glücksspiel und trägt so zur Begrenzung des Angebots, der Verhinderung von Spielsucht und dem Schutz vor Betrug Rechnung. Das Bundesverfassungsgericht hat im Beschluss vom 14.10.2008 (Rn. 40, zitiert nach juris) hierzu treffend ausgeführt:

"Das Verbot der Veranstaltung und Vermittlung öffentlicher Glücksspiele im Internet (§ 4 Abs. 4 GlüStV) ist geeignet, problematisches Spielverhalten einzudämmen. Das Spielen per Internet ist durch ein hohes Maß an Bequemlichkeit sowie durch eine zeitlich unbeschränkte Verfügbarkeit des Angebots gekennzeichnet. Hinzu kommt ein im Vergleich zur Abgabe des Lottoscheins in der Annahmestelle höherer Abstraktionsgrad, der geeignet ist, das virtuelle Glücksspiel in der Wahrnehmung des Spielers aus seinem Bedeutungszusammenhang herauszulösen und insbesondere die Tatsache des Einsatzes - und möglichen Verlustes von Geld - in den Hintergrund treten zu lassen. Die Möglichkeiten des Internet-Glücksspiels zu beschneiden, bedeutet, die Umstände der Teilnahme für den Einzelnen zu erschweren und ihm den Vorgang des Spielens bewusster zu machen. Hierdurch kann einem Abgleiten in problematisches Spielverhalten entgegenwirkt werden. Hinzu kommt, dass nach wie vor erhebliche Bedenken bestehen, ob sich bei einer Teilnahme an Glücksspielen per Internet der im Rahmen der Suchtprävention besonders wichtige Jugendschutz effektiv verwirklichen lässt (vgl. BVerfGE 115, 276 <315>). Auch zur Vermeidung derartiger Präventionslücken ist das Internetverbot das geeignete Mittel."

An der Erforderlichkeit des Internetverbots bestehen unter Berücksichtigung der Einschätzungsprärogative des Gesetzgebers keine Zweifel (vgl. auch hierzu die Ausführungen des Bundesverfassungsgerichts, Beschluss vom 14.10.2008, Rn. 48, zitiert nach juris). Auch ist das Verbot, Glücksspiel im Internet zu anzubieten, angesichts des mit hohen Rang versehenen Interesses an einem Schutz der Bevölkerung vor den negativen Folgen eines solchen Angebots verhältnismäßig (BverfG, a. a. O.,, Rn. 59, zitiert nach juris).

Das im Glücksspielstaatsvertrag aufgenommene Verbot des Angebots von Glücksspiel im Internet und die Umsetzung durch die Ausführungsgesetze der Länder sind mit dem in Art. 49 EGV gewährleisteten Recht auf freien Dienstleistungsverkehr vereinbar. Zwar stellen solche Verbote eine Einschränkung des nach Art. 49 EG gewährleisteten freien Dienstleistungsverkehrs dar und beschränken außerdem die Freiheit der Einwohner des betreffenden Mitgliedstaats, über das Internet Dienstleistungen in Anspruch zu nehmen, die in anderen Mitgliedstaaten angeboten werden. Solche Beschränkungen der Dienstleistungsfreiheit zum "Schutz der Empfänger dieser Dienstleistungen und allgemeiner der Verbraucher" sind jedoch mit EU-Recht vereinbar sind, da solche Ziele zu den zwingenden Gründen des Allgemeininteresses gehören (EuGH, Urteil vom 08.09.2010, C 46/08 - Carmen Media, Rn. 45, zitiert nach juris). Auch das Verbot des Anbietens von Glücksspielen kann "in Anbetracht der Besonderheiten, die mit dem Anbieten von Glücksspielen über das Internet verbunden sind, als durch das Ziel der Bekämpfung von Betrug und anderen Straftaten gerechtfertigt angesehen werden" (EuGH, Urteil vom 08.09.2009, C 42/07- Liga Portuguesa, Leitsatz 2, zitiert nach juris). Ausdrücklich hat der EuGH in diesem Urteil festgestellt, dass eine Maßnahme, mit der jedes Anbieten von Glücksspielen über das Internet verboten wird, grundsätzlich als geeignet angesehen werden kann, die legitimen Ziele der Vermeidung von Anreizen zu übermäßigen Ausgaben für das Spielen und der Bekämpfung der Spielsucht sowie des Jugendschutzes zu verfolgen, auch wenn das Anbieten solcher Spiele über herkömmliche Kanäle zulässig bleibt (EuGH, Urteil vom 08.09.2009, C 42/07 - Liga Portuguesa, Rn. 105, zitiert nach juris).

Der EuGH verlangt allerdings, dass bei Beschränkungen von Spieltätigkeiten aus zwingenden Gründen des Allgemeininteresses gewährleistet sein muss, dass die Wetttätigkeit in kohärenter und systematischer Weise begrenzt wird (EuGH, Urteil vom 06.11.2003, C 243/01 - Gambelli, Rdnr. 67, zitiert nach juris). Das Kohärenzgebot ist erfüllt. Die Kammer hat bei ihrer der Prüfung allein das Verbot des Anbietens von Glücksspiel im Internet in den Blick genommen. Das Internetverbot ist nämlich ein abschließend geregelter Bereich mit einer eigenständigen Regelung. Dass eine solche isolierte Betrachtung auch aus europarechtlicher Sicht zulässig ist, zeigen die Ausführungen des EuGH im Urteil vom 08.09.2009 - Liga Portuguesa -, in dem der Internetbereich als abgrenzbarer Bereich angesehen wird, der gesondert geregelt werden kann. Entsprechend hat der EuGH in einer aktuelleren Entscheidung zu § 4 IV GlüStV (Urteil vom 08.09.2010, C 46/08 - Carmen Media, Rn. 102 ff.) zum Glücksspiel im Internet neben dem Betrugpotentials auch auf "anders gearteten und größeren Gefahren für den Schutz der Verbraucher und insbesondere von Jugendlichen" hingewiesen und damit den eigenständigen Regelungscharakter dieses Verbotes betont.

Das Verbot des Anbietens von Glücksspielen im Internet ist eine kohärente und systematische Regelung. Das Kohärenzgebot dient der Verhinderung willkürlicher oder rechtsmissbräuchlicher Vorgehensweise bei der Regulierung des Glücksspielmarktes. So mag der Vorwurf von Kritikern des Glücksspielstaatsvertrages, die dort wiedergegebenen Ziele der Bekämpfung der Glücksspielgefahren seien nicht konsequent verwirklicht, durchaus zutreffen. Diese Kritik lässt sich aber auf das in § 4 IV GlüStV aufgestellte Internetverbot nicht übertragen, denn dieses richtet sich an alle - inländische wie ausländische, öffentliche und private - Betreiber von Glücksspielen.

Die von den Beklagten benannten, zur Zeit eventuell bestehenden Möglichkeiten, unter Nutzung des Internets Glücksspiel zu betreiben, rechtfertigen - sofern sie überhaupt bestehen - den Vorwurf einer willkürlichen und rechtsmissbräuchlichen Vorgehensweise nicht und stellen daher keine inkohärente Regelung dar. Selbst wenn diese Angebote rechtlich zulässig wären und das allgemeine Internetverbot nach § 4 IV GlüStV auf sie keine Anwendung finden könnte, bietet sich noch das Bild einer inkohärenten Regelung. Im Einzelnen:

(1) Es ist bereits umstritten, ob nach der Geltung des Glücksspielstaatsvertrages Pferdewetten im Internet angeboten werden dürfen (zweifelnd: OVG Lüneburg, Beschluss vom 11.11.2010, Rn. 32, zitiert nach juris; verneinend: VG Hamburg, Urteil vom 04.11.2010, Rn. 6, zitiert nach juris). Es kann dahinstehen, ob diese - sich auf den sich aus Art. 31 GG ergebenden Vorrang der bundesrechtlichen Regelung der Pferdewetten stützende - Ansicht überhaupt zutrifft. Der Vorwurf einer uneinheitlichen Regelung kann mit Blick auf die im Verhältnis zu anderen Glücksspielarten marginale Bedeutung (weitere Einzelheiten: OVG Lüneburg, Beschluss vom 11.11.2010, Rn. 32, zitiert nach juris) nicht erhoben werden; darüber hinaus ist die Anreizwirkung in diesem - ein Spezialwissen voraussetzenden Gebiet - als eher gering zu werten (vgl. OLG Frankfurt, Urteil vom 04.06.2009, Rn. 75, zitiert nach juris).

(2) Soweit von der Beklagten vorgetragen wird, den Inhabern von DDR-Lizenzen sei das Anbieten von Glücksspielen im Internet erlaubt, ist festzustellen, dass auch diese Frage in der Rechtsprechung bislang nicht eindeutig geklärt ist (verneinend VG Dresden, Beschluss vom 31.08.2010, und VG Chemnitz, Beschluss vom 02.12.2010, von der Klägerin als Anlage CBH 93 eingereicht). Die von der Beklagten in dem nach der mündlichen Verhandlung eingereichten Schriftsatz referierten Auszüge aus der Gesetzgebungsgeschichte machen deutlich, dass eine Regelung der DDR-Lizenzen aus dem Glücksspielstaatsvertrag herausgenommen wurde, um eine umfassendere und unangreifbarere Regelung zu finden. Die Ministerpräsidenten waren sich einig, dass die DDR-Lizenzen aufgehoben werden sollten, so dass auch hier der Vorwurf einer willkürlichen und rechtsmissbräuchlichen Vorgehensweise nicht erhoben werden kann.

(3) Auch der Hinweis der Beklagten auf das sog. X-Angebot lässt die Kammer nicht an der Kohärenz des Internetverbots zweifeln. Bei genauer Betrachtung des als Anlage B 108 beigefügten Angebots ergibt sich nicht, dass hierüber ein Angebot zum Spiel im Internet ermöglicht wird. Das Angebot lässt erkennen, dass nach den Bedingungen der Veranstalter vor einer Spielteilnahme eine schriftliche Willenserklärung des Spielers per Post übersandt werden muss. Es soll an dieser Stelle dahingestellt sein, ob der Abschluss eines solchen Abonnementvertrages mit der Möglichkeit die Spielscheine online zu versenden, bereits als eine Umgehung des Glücksspielstaatsvertrages zu werten ist. Festzuhalten ist jedenfalls, dass die Notwendigkeit, zuvor eine schriftliche Erklärung abzusenden, den vom Bundesverfassungsgericht benannten Gefahren des Glücksspiels im Internet entgegenwirkt und den Anreiz erheblich verringert. Sollte dieses Angebot jedoch als Umgehung zu werten sein, so ist zu erwarten, dass die gerichtliche Kontrolle zu einem Verbot dieses Angebots führen wird.

(4) In Bezug auf die von den Beklagten angesprochene Spielmöglichkeit über sog. Jack-Points (Lottospiele in Annahmestellen mithilfe von Internet-Terminals) geht die Kammer davon aus, dass diese Form der Spielteilnahme nicht unter § 4 IV GlüStV fällt, denn insoweit handelt es sich nicht um Glücksspiele "im Internet", wie sie von der Regelung des § 4 IV GlüStV erfasst sind. Nach dem Wortlaut des § 4 IV GlüStV ist das Veranstalten und Vermitteln "im Internet" verboten, nicht aber die Übermittlung "über" Internetleitungen (VG Hamburg, Urteil vom 04.11.2010, Rn. 64, zitiert nach juris). Diese Auslegung entspricht auch Sinn und Zweck des Internetverbots. Die vom BVerfG und EuGH erwähnten Gefahren des Glücksspielangebots im Internet bestehen bei dieser Praxis nicht, denn der Nutzer muss, um das Angebot anzunehmen, sich in die reale Welt begeben und unterliegt somit einer gewissen sozialen Kontrolle. Auch ist nicht anzunehmen, dass dieses Verfahren, welches nur einen anderen Weg der Übermittlung wählt, geeignet ist, einen höheren Anreiz für unkontrollierte Spielsucht zu bieten.

cc) Es kann dahinstehen, ob die Beklagte zu 1. über eine maltesische Genehmigung für das angebotene Glückspiel besitzt, denn selbst wenn eine solche Genehmigung vorliegen würde, ist diese durch die im Glücksspielstaatsvertrag zulässigerweise vorgenommene Marktbeschränkung in Deutschland ohne Bedeutung.

b) Der Anspruch auf Schadensersatz ergibt sich aus § 9 S. 1 UWG.

c) Die Klägerin kann zudem aus §§ 242, 259 BGB von der Beklagten verlangen, dass diese über ihre Verletzungshandlungen Rechnung zu legt, damit die Klägerin in die Lage versetzt wird, ihren Schadenersatzanspruch zu beziffern,

d) Der Beklagte zu 2. haftet als Organ der Beklagten zu 1. im Umfang von deren Verurteilung für deren Handlungen.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 I Satz 1 ZPO. Bei der Bemessung des jeweiligen Obsiegens und Verlierens ist die Kammer von der Gleichwertigkeit der beiden Wettbewerbshandlungen ausgegangen. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus § 709 ZPO.