LAG Mecklenburg-Vorpommern, Urteil vom 08.03.2011 - 5 Sa 269/10
Fundstelle
openJur 2012, 23660
  • Rkr:
Tenor

1.Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichtes Neubrandenburg vom 15.09.2010 abgeändert und die Klage auf Kosten der Klägerin abgewiesen.

2.Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Die Parteien streiten um die Rechtmäßigkeit der Weisung der Beklagten vom 10. September 2009, nach der die Klägerin zukünftig in der Lokalredaktion M tätig werden sollte und nicht mehr wie bisher in der Lokalredaktion in W.

Die 1953 geborene Klägerin ist bei der Beklagten bzw. bei deren Rechtsvorgängern seit 1971 als Redakteurin beschäftigt. In dem heute noch maßgeblichen Arbeitsvertrag vom 29. Juni 1993 wurde vereinbart, dass für das Anstellungsverhältnis die gehalts- und manteltarifvertraglichen Regelungen für Redakteure und Redakteurinnen an Tageszeitungen gelten sollten. Beide Parteien sind darüber hinaus auch kraft Mitgliedschaft tarifgebunden.

Die Klägerin war bis 2004 der Hauptredaktion in N, Ressort Sonderaufgaben, zugewiesen. Unter § 4 des Arbeitsvertrages ist allerdings vereinbart: "Der Verlag behält sich unter Wahrung der Interessen des Redakteurs die Zuweisung eines anderen Arbeitsgebietes vor."

Im September 2004 versetzte die damalige Arbeitgeberin die Klägerin in die Lokalredaktion nach W. Dagegen wandte sich die Klägerin mit einem Verfahren, das sie bis zum Bundesarbeitsgericht führte. Die Klage hatte keinen Erfolg. Das BAG hat die Klage mit Urteil vom 11.04.2006 ( 9 AZR 557/05 - BAGE 118, 22 = AP Nr. 17 zu § 307 BGB = NJW 2006, 3303 = DB 2007, 289) abgewiesen.

In Folge dieser Versetzung hat die Klägerin seit September 2004 die Tätigkeit als Redakteurin in der Lokalredaktion W ausgeübt. Die letzte Rechtsvorgängerin der Beklagten ist die Kurierverlags GmbH & Co. KG, die u.a. die regionale Tageszeitung "Nordkurier" mit einer Vielzahl von Regionalausgaben herausgibt. Die Mantel-/Hauptredaktion in N erstellt die überregionalen Seiten der Tageszeitung. Für die Lokalredaktionen wurden 2007 eigene Gesellschaften gegründet, die dann im Wege des Teilbetriebsübergangs die Lokalredaktionen übernommen haben. Auf diese Weise ist das Arbeitsverhältnis der Parteien im November 2007 begründet worden.

Die Beklagte gibt den regionalen Teil "Müritz-Zeitung" des "Nordkurier" heraus. Sie verfügt über Redaktionen in W, D und M. Die Redaktion M besteht aus den Standorten M und T.

Die Klägerin verdient bei der Beklagten monatlich rund 5.000,00 Euro brutto. Sie ist Mitglied des Betriebsrates der Beklagten und sie wurde 2010 erneut in diesen gewählt.

Im Spätsommer 2009 hat sich ein Kollege der Klägerin aus der Redaktion in M das Leben genommen, was zum faktischen Zusammenbruch der Arbeitsfähigkeit der dortigen Arbeitseinheit geführt hatte. Neben vielen anderen Maßnahmen, zum Beispiel dem gemeinsamen Besuch eines Trauerseminars, wollte die Beklagte den faktischen Stillstand in M auch durch die personelle Verstärkung durch eine Redakteurin überwinden, wobei die Beklagte sich hierfür die Klägerin auserkoren hatte.

Aus diesem Grunde ist die Klägerin wenige Stunde vor Antritt ihres 4wöchigen Jahresurlaubs am 28. August 2009 von ihrem Chef ohne Ankündigung des Themas gebeten worden, umgehend zu einem Gespräch zu erscheinen. Das Gespräch dauerte dann höchstens 10 Minuten. Der Vorgesetzte erläuterte der Klägerin, dass man sie nach M versetzen werde. Die Klägerin war schockiert und wollte das Gespräch abbrechen oder jedenfalls eine weitere Person hinzuziehen, worauf der Vorgesetzte entgegnete, dass sei nicht nötig, es sei ohnehin alles gesagt. Während ihres Urlaubs hat die Klägerin dann auch noch die schriftliche Versetzungsverfügung vom 10. September 2009 erhalten, deren Wirksamkeit Gegenstand des vorliegenden Rechtsstreits ist.

Zuvor hatte die Beklagte den bei ihr gebildeten Betriebsrat über die beabsichtige Maßnahme unterrichtet; eine förmliche Beteiligung nach § 99 BetrVG ist im Hinblick auf § 118 Absatz 1 BetrVG nicht erfolgt. Der Betriebsrat hat mit seinem Schreiben vom 10. September 2009 Bedenken gegen die Maßnahme geltend gemacht. In dem Schreiben heißt es auszugsweise wörtlich:

"1.Da die [Klägerin] nur Stunden vor ihrem Sommerurlaub über Ihr Ansinnen informiert wurde und derzeit im Ausland weilt, war dem Betriebsrat ein klärendes Gespräch mit der Betroffenen nicht möglich. Das heißt, etwaige Nachteile konnten von uns nicht ausreichend abgewogen werden.

2.Der Betriebsrat sieht seine Arbeit insoweit beeinträchtigt, als dass mit dieser Versetzung eines Betriebsratsmitgliedes seine bisherige gleichmäßige Präsenz in allen drei Lokalausgaben beendet wird. Dies betrifft insbesondere den Standort W als Sitz des Verlages mit der weitaus größten Mitarbeiterzahl an einem Standort."

Mit außergerichtlichem Schreiben der Prozessbevollmächtigten der Klägerin vom 1. Oktober 2009 wurde die Beklagte ersucht, die Gründe für die Versetzung mitzuteilen. In dem außergerichtlichen Antwortschreiben vom 2. Oktober 2009 haben die Prozessbevollmächtigten der Beklagten auf die Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts in dem Vorverfahren verwiesen, die der Klägerin bestens bekannt sei wie die redaktionellen Notwendigkeiten bei der jetzigen Versetzung.

Mit ihrer Klage, Eingang beim Arbeitsgericht Neubrandenburg im Oktober 2009, begehrt die Klägerin die gerichtliche Feststellung, dass die streitige Versetzungsmaßnahme unwirksam ist.

Das Arbeitsgericht hat der Klage mit Urteil vom 15. September 2009 stattgegeben, den Streitwert auf 5.000,00 Euro festgesetzt und in der Hauptsache wie folgt erkannt:

"Es wird festgestellt, dass die Versetzung der Klägerin aus der Lokalredaktion W in die Lokalredaktion M zum 28.09.2009 unwirksam ist."

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes vor dem Arbeitsgericht wird auf dieses Urteil Bezug genommen.

Mit der Berufung, die vorliegend keinen formellen Bedenken unterliegt, verfolgt die Beklagte das Ziel der Klagabweisung weiter.

Sie trägt dazu vor, sie habe ihr Leistungsbestimmungsrecht zur Änderung des Arbeitsorts nach § 106 Satz 1 GewO wirksam ausgeübt. Die Zuweisung zur Lokalredaktion M wäre aufgrund des Todes des Redakteurs zwingend erforderlich geworden. Sie sei dabei auf die besonderen Kenntnisse der Klägerin als langjährig erfahrene Redakteurin angewiesen, um diesen Verlust zumindest ansatzweise aufzufangen. Insbesondere aufgrund ihrer langjährigen Erfahrung und Betriebszugehörigkeit sei die Besetzung der Stelle durch sie geradezu prädestiniert. Sie verfüge über ein ausgeprägtes journalistisches Fachwissen und sei in allen fachlichen Themen und Gebieten branchenübergreifend einsetzbar. Auch wäre sie in besonderem Maße persönlich geeignet, mit einer so schwierigen Situation umzugehen. Diese psychologische Stärke wäre unverzichtbar gewesen in der konkreten Situation und auch dringend erforderlich, um die Redakteure in M und T zu begleiten.

Auch nach einer zusätzlich vorgenommenen Auswahl zwischen mehreren Redakteuren wäre die besondere Qualifikation der Klägerin ausschlaggebend bei der Besetzung der Stelle der für den Arbeitgeber wichtigen Lokalredaktion in M gewesen.

Überwiegende Interessen der Klägerin hätten dem nicht entgegengestanden. Die Kilometerdifferenz vom Wohnort der Klägerin nach M im Verhältnis zu dem Einsatzort W liege bei etwa 2 km. Auch beeinträchtige die Versetzung die Tätigkeit der Klägerin im Betriebsrat nicht, denn die Klägerin sei nicht daran gehindert, zu den Sitzungen und zu der sonstigen Betriebsratsarbeit sich an den Sitz der Beklagten nach W zu begeben. Insoweit stehe die Klägerin gleich mit allen andern Mitgliedern des Betriebsrats, die an den Außenstandorten in M (mit T) oder in D tätig sind.

Der vom Gericht angeregte Kompromissvorschlag einer lediglich befristeten "Abordnung" der Klägerin würde das von ihr eingeleitete und aus mehreren Bausteinen bestehende Krisenmanagement zur Erlangung von Stabilität und Sicherheit in der Redaktion M und T die Grundlage entziehen und in sich zerfallen lassen. Dies könne weder im Interesse der Klägerin sein, noch im Interesse des bestehenden Betriebsrates. An der streitigen Versetzung müsse daher festgehalten werden.

Die Beklagte beantragt, das arbeitsgerichtliche Urteil abzuändern und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Die Klägerin verteidigt das Urteil des Arbeitsgerichts.

Die Klägerin empört sich darüber, dass ihr die streitige Maßnahme erst wenige Stunden vor Antritt ihres Jahresurlaubs angekündigt worden sei; dies könne und müsse man als "Akt der seelischen Grausamkeit" ansehen. Schon dies zeige, dass die Maßnahme billigem Ermessen nicht entsprechen könne. Die Versetzung sei vielmehr willkürlich erfolgt und deshalb unwirksam.

Keines der Argumente, die die Beklagte für die Versetzung ins Feld führe, sei stichhaltig; daraus müsse gefolgert werden, die Argumente seien nur vorgeschoben.

Soweit die Beklagte behaupte, es habe das Bedürfnis bestanden, die durch den Tod eines Kollegen in M entstandene Lücke zu schließen, hätte dieses Bedürfnis zumindest nicht im Zeitpunkt der Versetzungsentscheidung bestanden. Denn im Zuge eines Redakteur-Tausches wäre der bald darauf verstorbene Redakteur von Juni 2009 bis einschließlich August 2009 gar nicht in der Lokalredaktion M tätig gewesen.

Es sei auch nicht richtig, dass es am leichtesten gefallen wäre, jemanden aus der Redaktion in W nach M zu versetzen, da die Redaktion in W die größte Redaktion der Beklagten sei. Denn das von der Beklagten zum Beleg vorgelegte Organigramm spiegele nicht die tatsächliche personelle Situation zum Entscheidungszeitpunkt wider. Tatsächlich seien in allen drei Teilredaktionen die Anzahl der Redakteure nahezu identisch verteilt gewesen.

Der Vortrag der Beklagten zu ihrer fachlichen Einschätzung erfülle sie mit Stolz. Jedoch wäre die Behauptung falsch, dass es unter den anderen Kollegen und Kolleginnen bei der Beklagten keine gäbe mit vergleichbaren fachlichen Fähigkeiten. Jeder ausgebildete Redakteur mit einem gewissen Maß an beruflicher Erfahrung in einer Lokalredaktion könne sein journalistisches Fachwissen themenübergreifend einsetzen.

Auch die überaus positive Bewertung ihrer Sozialkompetenz durch die Beklagte freue sie. Dieser Vortrag könne jedoch nicht sachgerecht zur Begründung der Auswahlentscheidung herangezogen werden, und auch in der Lokalredaktion M mit der Außenstelle in T wäre ein ebenso menschlich wie psychologisch befähigter Mitarbeiter zugegen. Sowohl diese Gründe als auch die fehlende Berücksichtigung ihrer persönlichen Belange, machten die Willkür bei der getroffenen Entscheidung deutlich.

Bei der Abwägung der Interessen hätte die Beklagte in jedem Fall berücksichtigen müssen, dass sie als Mitglied des Betriebsrates in der Lokalredaktion W präsent gewesen sei. Der Betriebsratsvorsitzende wäre zu der Zeit in D und das weitere Mitglied in M bzw. T tätig gewesen. Die Auswirkungen für die Betriebsratstätigkeit seien durch die Beklagte nicht berücksichtigt worden.

Hinsichtlich ihrer persönlichen Belange habe keine Berücksichtigung gefunden, dass sie aufgrund einer in den Schriftsätzen konkret beschriebenen familiärer Belastungssituation selbst seinerzeit psychisch labil gewesen wäre. Durch Freitod ihres Kollegen, der auch ihr sehr nahe gegangen wäre, sei ihre persönliche Belastungssituation noch erheblich vergrößert worden. Durch das Herausreißen aus ihrem gewohnten Arbeitsumfeld in Folge der Versetzung trete eine dritte schwere psychische Belastung hinzu. Diese Umstände hätten in der Summe auch zu ihrer zeitweiligen Arbeitsunfähigkeiten beigetragen.

Im Wege des gerichtlichen Vergleiches hätte sie sich vorstellen können, für bis zu zwei Jahre in M zu arbeiten. In dieser Zeit hätte man die größten Probleme in M überwinden können, so dass auch kein Anlass bestanden hätte, sie dort länger einzusetzen. Das habe das Arbeitsgericht in seiner Entscheidung zutreffend hervorgehoben.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die im Berufungsrechtszug gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung Bezug genommen.

Gründe

Die Berufung ist begründet. Die von der Klägerin begehrte Feststellung kann nicht getroffen werden, denn die streitige Versetzungsmaßnahme mit der schriftlichen Weisung vom 10. September 2009 begegnet im Ergebnis keinen durchgreifenden rechtlichen Bedenken. Daher lässt das Gericht offen, ob der Feststellungsantrag in der gestellten Fassung zulässig ist.

1.Zutreffend ist der Ausgangspunkt, den das Arbeitsgericht in dem angegriffenen Urteil eingenommen hat. Ob die Beklagte berechtigt war, den der Klägerin zugewiesenen Ort der Arbeit zu ändern, richtet sich nach § 106 Satz 1 GewO.

Nach dieser Vorschrift kann der Arbeitgeber den Ort der Arbeitsleistung nach billigem Ermessen näher bestimmen, soweit dieser nicht durch den Arbeitsvertrag, Bestimmungen einer Betriebsvereinbarung, eines anwendbaren Tarifvertrages oder gesetzliche Vorschriften festgelegt ist.

Vorliegend ist das Direktionsrecht der Beklagten nicht durch Arbeitsvertrag oder Tarifvertrag eingeschränkt. - Der Arbeitsort ist - was zwischen den Parteien nicht in Streit steht - weder in dem Anstellungsvertrag vom 29. Juni 1993 noch danach durch beiderseitige Absprache vertraglich festgeschrieben worden. Die vertraglichen Abreden der Parteien ohne Festlegung des Arbeitsortes stehen auch in Einklang mit § 2 des MTV für Redakteurinnen und Redakteure an Tageszeitungen, der nach § 15 des Arbeitsvertrages vom 29. Juni 1993 auf das Arbeitsverhältnis der Parteien Anwendung findet. Nach der Tarifvorschrift haben Redakteurinnen zwar einen Anspruch auf eine schriftlichen Arbeitsvertrag, dort ist aber lediglich das Arbeitsgebiet und nicht der Arbeitsort der Redakteurin festzulegen. Das hat das Bundesarbeitsgericht in dem Vorprozess der Parteien ausführlich begründet (BAG 11. April 2006 - 9 AZR 557/06 - BAGE 118, 22 = AP Nr. 17 zu § 307 BGB = NJW 2006, 3303 = DB 2007, 289); darauf wird Bezug genommen.

2.Entgegen der Auffassung der Klägerin und des Arbeitsgerichts genügt die streitige Versetzungsmaßnahme auch noch den Anforderungen billigen Ermessens im Sinne von § 106 GewO.

a) Nach § 106 Satz 1 GewO hat der Arbeitgeber sein Weisungsrecht nach billigem Ermessen auszuüben. Durch die Beklagte sind bei der Ausübung ihres Direktionsrechts - was sich aus dem Arbeitsvertrag ergibt - zusätzlich die Interessen des Redakteurs zu wahren. Beide Anforderungen meinen im Grund dasselbe (BAG 11. April 2006 aaO) und können daher gemeinsam geprüft werden.

Für die Ausübung des Direktionsrechts und die Leistungsbestimmung kommt es darauf an, ob die wesentlichen Umstände des Falles abgewogen und die beiderseitigen Interessen angemessen berücksichtigt worden sind. Die Beurteilung unterliegt der gerichtlichen Kontrolle gemäß § 315 Absatz 3 Satz 2 BGB.

Bei der vorzunehmenden Abwägung ist allein auf die Verhältnisse zum Zeitpunkt der Ausübung des Direktionsrechts abzustellen (BAG 17. August 2010 - 9 AZR 401/09 - NZA 2011, 161 = ZTR 2011, 90), es kommt nicht auf die tatsächliche nachträgliche Entwicklung an. Maßgeblich sind außerdem allein die objektiven Verhältnisse (BAG 14. Oktober 2008 - 9 AZR 511/07 - AP Nr. 41 zu § 1 Altersteilzeit = DB 2009, 2159 = ZTR 2009, 306). Das bedeutet, es kommt nur auf die Gesichtspunkte an, die für und wider die streitige Maßnahmen sprechen, und auf deren spezifisches Gewicht. Unerheblich ist dagegen, wer diese Gesichtspunkte zu welchem Zeitpunkt erstmals als entscheidungsrelevant erkannt oder gar ausgesprochen hat. Auch Gesichtspunkte, auf die sich eine der Parteien erstmals im Rechtsstreit beruft, sind daher bei der Entscheidung des Gerichts zu berücksichtigen.

b) Wegen dieses objektiven Maßstabes kann dem Arbeitsgericht nicht gefolgt werden, wenn es meint, von den Mängeln bei der Anhörung der Klägerin auf fehlendes billiges Ermessen bei der Ausübung des Direktionsrechts schließen zu können. Es drängt sich vorliegend zwar gerade zu auf, dass die die Art und Weise, in der die Beklagte die Anhörung der Klägerin zu der beabsichtigten Maßnahme durchgeführt hat, nicht geeignet war, die Argumente, die die Klägerin gegen diese Maßnahme ins Feld führen würde, ans Tageslicht zu befördern. Darauf kommt es aber auch nicht an. Wenn die Beklagte nicht an den Argumenten der Klägerin interessiert ist, geht sie zwar das Risiko ein, später bei einem Rechtsstreit mit Argumenten konfrontiert zu werden, die ausreichend gewichtig und schlechterdings nicht widerlegbar sind. Sie verletzt damit aber nicht ohne Hinzutreten weiterer Umstände, die hier nicht ersichtlich sind, die Grundsätze des billigen Ermessens.

c) Ein Verstoß gegen billiges Ermessen im Sinne von § 106 GewO ist nicht erkennbar.

Die streitige Maßnahme beruht auf einem sachlichen Anlass. Die Beklagte hatte durch den tragischen Freitod des Kollegen der Klägerin allen Anlass, durch eine personelle Maßnahme die Funktionsfähigkeit der Redaktion am Standort M wieder herzustellen. Das hat auch das Arbeitsgericht richtig erkannt und auch die Klägerin hat dagegen keine durchgreifenden Einwände vorgebracht. Für diese Bewertung kommt es insbesondere nicht darauf an, ob der verstorbene Kollege zuletzt vorübergehend an eine andere Redaktion abgeordnet war, denn sein Stammarbeitsplatz war bis zuletzt M und gerade den dortigen Kolleginnen und Kollegen ist sein Tod besonders nahe gegangen. Zwischen den Parteien ist insoweit auch unstreitig, dass die Klägerin sowohl in fachlicher als auch in persönlicher Hinsicht in besonderem Maße geeignet ist, ihre Arbeitsleistung in einem so schwierigen Umfeld zu erbringen und zu der von allen erhofften alsbaldigen Überwindung der Krisensituation konstruktiv beizutragen.

Die von der Klägerin gegen ihre Versetzung ins Feld geführten Argumente sind sachbezogen, haben jedoch kein durchschlagendes Gewicht.

Soweit die Klägerin konkret auf Schwierigkeiten aus ihrem eigenen familiären Umfeld hinweist, ist eine Verschlechterung der Situation der Klägerin durch die streitige Maßnahme nicht erkennbar. Man darf davon ausgehen, dass die Klägerin mit dem Hinweis auf die Probleme im familiären Umfeld darauf hinweisen will, dass sie so viel Zeit wie möglich dort verbringen muss und will, um zur Überwindung der Probleme beizutragen. Da sie auf der anderen Seite den Umfang der Zusammenarbeit mit der Beklagten nicht in Frage stellt, kann es also im Wesentlichen nur um die Fahrzeiten von der Wohnung zur Arbeit und zurück gehen. Da die Klägerin aber nach wie vor ihren Wohnsitz in N hat, ist es vom Zeitaufwand für die Fahrten zur Arbeit und wieder nach Hause her gesehen, gleichgültig, ob die Klägerin in W oder in M arbeitet.

Soweit die Klägerin mit dem Argument der Belastung aus dem familiären Umfeld auf ihre eigene Situation im Sinne einer besonderen Belastung aufmerksam machen will, ist das ebenfalls ein sachlich zu berücksichtigender Gesichtspunkt. Es kann allerdings nicht festgestellt werden, dass die Belastung der Klägerin durch ihre Familie seinerzeit ein Ausmaß erreicht hatte, das der Versetzung hinderlich entgegen stand.

d) Es hält sich auch noch im Rahmen des billigen Ermessens, dass die Beklagte sich die Klägerin als die zu versetzende Person ausgewählt hat, obwohl es wohl auch andere Redakteure oder Redakteurinnen gegeben hätte, die man ebenfalls hätte versetzen können.

Die Beklagte hat sich insoweit darauf berufen, dass jemand aus der Redaktion in W versetzt werden sollte, da man dort infolge der Größe der Redaktion den Abgang am besten hätte verkraften können. Je größer eine Organisationseinheit ist, desto leichter ist es möglich, durch kleinere Verschiebung der Arbeitsaufgaben und kleinere Änderungen der Arbeitsabläufe den Ausfall eines Beschäftigten zu verkraften. Der Gesichtspunkt ist nachvollziehbar und er hat auch den nötigen Sachbezug. - Die von der Klägerin dagegen erhobenen tatsächlichen Einwendungen greifen nicht durch. Es mag zwar zutreffen, worauf die Klägerin beharrt, dass auf der betrieblichen Hierarchieebene, auf der sich die Klägerin befindet, an allen drei Standorten der Beklagten (W, M und D) in etwa gleich viel Redakteure tätig waren. Da aber auch die Führungsmannschaft der Beklagten ihren Sitz in W hat, ist die dortige Redaktion insgesamt gesehen trotzdem größer. Daher fällt es dort leichter, den Weggang der Klägerin zu verkraften, weil man notfalls einen Teil der Aufgaben der Klägerin auch durch Arbeitnehmer, die über der Klägerin stehen, wahrnehmen lassen kann.

Soweit die Klägerin weitere Kollegen und Kolleginnen namentlich benannt hat, die auch für eine Versetzung in Betracht gekommen wären, folgt daraus noch nicht notwendig, dass die der Klägerin gegenüber ausgesprochene Maßnahme unbillig war. Dafür hätte es des Vortrages weiterer Umstände bedurft, aus denen das Gericht schließen könnte, dass es sich der Beklagten hätte aufdrängen müssen, statt der Klägerin eine dieser Personen zu versetzen; jedenfalls hätte es des Vortrages bedurft, welche Vorteile sich für die Beklagte aus der Versetzung dieser anderen Personen hätte ergeben sollen, oder weshalb es den genannten Person leichter gefallen wäre, die schwierige Aufgabe in M zu übernehmen. Derartigen Vortrag hat die Klägerin nicht geleistet, obwohl dieser Gesichtspunkt Gegenstand der mündlichen Verhandlung war. Sie hat immer nur argumentiert, diese Personen wären in gleicher Weise geeignet gewesen, die Aufgabe zu übernehmen. Wenn es aber mehrere Personen gibt, die für die Maßnahme mehr oder wenig gleichermaßen in Betracht kommen, genügt es noch billigem Ermessen, wenn der Arbeitgeber für seine Maßnahme eine dieser Personen auswählt. Das hat er hier getan.

e) Das Berufungsgericht vermag sich schließlich nicht dem Argument der Klägerin und des Arbeitsgerichts anzuschließen, dass die Versetzung unbillig ist, weil es auch ein milderes Mittel zu ihr gegeben hätte, nämlich die nur vorübergehende Abordnung nach M für ein oder zwei Jahre.

Das Berufungsgericht hat bereits in tatsächlicher Hinsicht Zweifel, ob eine Abordnung, die nach der Struktur des Problems in T ja mindestens ein bis zwei Jahre hätte andauern müssen, gegenüber der tatsächlich ausgesprochenen Versetzung eine mildere Maßnahme wäre. Denn erfahrungsgemäß ist es immer die Startphase an einem neuen Arbeitsplatz, die so unkalkulierbar ist und daher im Regelfall als eine besondere Herausforderung begriffen wird. Beginnt man erst einmal Wurzeln am Arbeitsplatz zu schlagen, wird vieles einfacher. Muss man dann aber nach 2 Jahren schon wieder wechseln, ist das möglicherweise belastender als die einmalige Versetzung auf Dauer. - Interessanterweise hat ja auch nicht die Klägerin sich darauf berufen, es sei weniger einschneidend, sie nur vorübergehend abzuordnen. Dies war vielmehr das Argument des Arbeitsgerichts, dem sich die Klägerin dann im Berufungsrechtszug erst angeschlossen hat. Da es auf eine objektive Sicht der Dinge ankommt, also darauf, wie die Beteiligten dieses Berufskreises die in Rede stehenden Maßnahmen bewerten würden, kann jedenfalls nicht festgestellt werden, dass es eine klare Reihenfolge in der Bewertung gibt; der eine kommt mit der dauerhaften Versetzung besser zurecht, der andere mit der nur vorübergehenden Abordnung.

Das Berufungsgericht hält es aber auch für falsch, den offensichtlich dem Kündigungsschutzrecht entlehnten Gedanken der Verhältnismäßigkeit in der dort praktizierten Schärfe auf das auf § 106 GewO fußende Recht der Versetzung zu übertragen. Das Einkommen aus dem Arbeitsverhältnis bildet in aller Regel die Existenzgrundlage für den Arbeitnehmer, häufig sogar für seine ganze Familie. Das ist der Grund, weshalb das Bundesarbeitsgericht seit nunmehr gut 25 Jahren bei jeder ordentlichen Kündigung, auf die das Kündigungsschutzgesetz anwendbar ist, und bei jeder außerordentlichen Kündigung prüft, ob die Kündigung wirklich das letzte Mittel war, um dem Problem des Arbeitgebers wirksam zu begegnen. Bei Direktionsmaßnahmen im Allgemeinen und bei Versetzungsmaßnahmen im Besonderen sind die Interessen des Arbeitnehmers bei weitem nicht so existentiell berührt, wie bei Kündigungen, denn das Arbeitsverhältnis als Einkommensquelle wird nicht in Frage gestellt. Diese unterschiedliche Bewertung der Interessen in der Konfliktsituation wird auch vom Gesetzgeber so gesehen. Während die Kündigung ausschließlich und nur dann in Betracht kommt, wenn ein wichtiger Grund vorliegt oder einer der drei engmaschigen Gründe aus § 1 KSchG, ist der Arbeitgeber bei einer Versetzung eben "nur" an den Maßstab des billigen Ermessens gebunden, der im Regelfall dazu führt, dass mehrere oder gar viele Maßnahmen zur Behebung eines konkreten Problems alle gleichzeitig noch billigem Ermessen entsprechen können.

An dieser Abstufung der rechtlichen Bindung des Arbeitgebers und damit auch an der Abstufung der Kontrolldichte durch das Arbeitsgericht ist festzuhalten. § 106 GewO fordert lediglich, dass die Maßnahme des Arbeitgebers noch billigem Ermessen entspricht. Sie fordert damit nicht stets den optimalen Ausgleich zwischen Arbeitnehmer- und Arbeitgeberinteressen. Erst dann, wenn sich einem objektiven Beobachter aufdrängen muss, dass der Arbeitgeber hier zu einer Maßnahme gegriffen hat, die deutlich über das Ziel, welches er mit ihr verfolgt, hinausschießt, und die Maßnahme den Arbeitnehmer damit sozusagen unnötig belastet, kann sie gegen billiges Ermessen verstoßen. Davon kann hier aber keine Rede sein.

3. Mit der streitigen Maßnahme hat die Beklagte auch nicht gegen andere Gesetze verstoßen.

a) Das Berufungsgericht hat geprüft, ob in der Maßnahme der Beklagten eine feindliche Haltung gegenüber der Klägerin zum Ausdruck kommt, ob sich also hinter der Fassade der sachlichen Begründbarkeit der Maßnahme ein Versuch verbirgt, die Klägerin rechtswidrig zu schädigen.

Das Gericht hat sich zu dieser Prüfung ernsthaft veranlasst gesehen, da die Art und Weise, wie man die Klägerin in die Entscheidungsfindung eingebunden hat, und wie man dann versucht hat, ihr die schwierige Maßnahme näher zu bringen, Erstaunen wenn nicht gar Entsetzen in der Kammer ausgelöst hat. Gemessen am Maßstab der guten Führung eines Unternehmens ("good governance") kann man die Ankündigung und Umsetzung der Maßnahme gegenüber der Klägerin nur als eine katastrophale Fehlleistung der betroffen Führungsperson bezeichnen, die jegliches Gespür für die positive Kraft einer konstruktiven und offenen Kommunikation vermissen lässt.

Von dieser katastrophalen Fehlleistung des Vorgesetzten kann aber nicht auf eine feindliche Einstellung des Vorgesetzten oder gar der Beklagten gegenüber der Klägerin geschlossen werden. Dazu hätte es der Feststellung weiterer Umstände bedurft, mit denen man den Anfangsverdacht einer feindlichen Einstellung hätte erhärten können. Solche Umstände sind nicht vorgetragen und auch nicht ersichtlich. Auch der Umgang der Parteien in der mündlichen Verhandlung hat dem Gericht nicht den Eindruck vermittelt, dass es zwischen den handelnden Personen Feindschaften gibt. Auch der Vorprozess der Parteien wirkt nach Überzeugung des Gerichts nicht mehr belastend im Arbeitsverhältnis fort, zumal den ja auch die Beklagte gewonnen hatte und die Klägerin sich in ihr Schicksal gefügt hat und mit der Arbeit in der Redaktion in Waren sich in diesem Sinne inzwischen auch angefreundet hatte.

b) Die Maßnahme ist auch nicht wegen mangelhafter Beteiligung des Betriebsrats unwirksam. Das hat das Arbeitsgericht zutreffend begründet. Darauf wird Bezug genommen. Die Klägerin hat eine mangelhafte Beteiligung im Berufungsrechtszug auch nicht gerügt.

Die Maßnahme verstößt im Übrigen auch nicht gegen § 103 Absatz 3 BetrVG. Danach bedarf eine Versetzung, die zum Verlust des Amtes als Betriebsrat führen würde, der vorherigen Zustimmung des Betriebsrats. Diese Situation ist hier nicht gegeben, denn die Versetzungsmaßnahme spielt sich innerhalb des Betriebes ab, für den der Betriebsrat gewählt wurde, dem die Klägerin angehört. Sie ist auch nach der Versetzung noch berechtigt Mitglied des für die Beklagte gebildeten Betriebsrats geblieben.

II. Die Kosten des Rechtsstreits hat die Klägerin als die unterlegene Partei zu tragen (§ 91 ZPO).

Die gesetzlichen Voraussetzungen für die Zulassung der Revision aus § 72 ArbGG liegen nicht vor.