OLG Rostock, Beschluss vom 05.08.2010 - 1 Ss 61/10 I 60/10
Fundstelle
openJur 2010, 750
  • Rkr:
Tenor

Dem Angeklagten wird für das Revisionsverfahren Rechtsanwalt Jürgen C. in B. gemäß § 140 Abs. 2 StPO als notwendiger Verteidiger beigeordnet.

Gründe

I.

Der in dieser Sache sowohl im erstinstanzlichen wie auch im Berufungsverfahren unverteidigte Angeklagte hat sich erstmals zur Einlegung und Begründung seiner Revision gegen das nach § 329 Abs. 1 StPO gegen ihn ergangene Verwerfungsurteils der Hilfe eines Wahlverteidigers bedient. Dieser hat zugleich mit der Rechtsmittelbegründung seine Beiordnung als Pflichtverteidiger beantragt und für diesen Fall die Niederlegung des Wahlmandats erklärt. Das Landgericht hat darüber keine Entscheidung getroffen. Die Generalstaatsanwaltschaft ist dem Antrag mit Vorlage der Akten an das Oberlandesgericht mit ausführlicher Begründung beigetreten.

II.

1. Die Voraussetzungen des § 140 Abs. 2 StPO für eine notwendige Verteidigung liegen aus den von der Generalstaatsanwaltschaft zutreffend dargelegten Gründen vor.

2. Für die Entscheidung über den Antrag auf Beiordnung eines Pflichtverteidigers, auch wenn dieser erst für das Revisionsverfahren gestellt wurde, wäre bis zu dem in § 347 Abs. 2 StPO bestimmten Zeitpunkt gemäß § 141 Abs. 4 erster Halbsatz, zweite Alternative StPO noch der Vorsitzende der Berufungsstrafkammer zuständig gewesen (vgl. OLG Hamm NJW 63, 1513; BGH DAR 98, 175; BGHR StPO § 141 Bestellung 3; BGH bei Becker NStZ-RR 2001, 257, 260). Mit der Vorlage der Akten durch die Generalstaatsanwaltschaft mit einem zugleich gestellten Antrag nach § 349 Abs. 2 StPO ist das Verfahren indes beim Revisionsgericht anhängig geworden, weshalb auch die Zuständigkeit zur Entscheidung über den unerledigt gebliebenen Beiordnungsantrag nach § 141 Abs. 4 erster Halbsatz StPO nunmehr auf den Vorsitzenden des Strafsenats übergegangen ist (so bei Notwendigkeit der Bestellung eines weiteren Pflichtverteidigers im bereits anhängigen Revisionsverfahren auch BGH NStZ 97, 48; krit. dazu - wenn auch wohl eher wegen der Begründung in der Sache - Meyer-Goßner StPO 53. Aufl. § 141 Rdz. 6; KK-Laufhütte StPO 6. Aufl. § 141 Rdz. 12). Das gilt bei dieser Fallkonstellation unabhängig davon, ob es nach § 350 StPO zu einer Revisionshauptverhandlung kommen wird oder nicht (arg.: § 141 Abs. 2 StPO).

Der Senat folgt insoweit nicht der Ansicht des OLG Stuttgart (StV 2000, 413), wonach in derartigen Fällen die Sache zur Nachholung der unterbliebenen Entscheidung nochmals an das Vorgericht zurückzugeben ist, denn dieses hat infolge der anderweitig eingetretenen Rechtshängigkeit der Sache seine Zuständigkeit verloren. Durch eine gleichwohl noch dort getroffene (nachgeholte) Entscheidung über den Beiordnungsantrag würde der Angeklagte insoweit seinem gesetzlichen Richter entzogen (Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG).