OLG Hamburg, Urteil vom 08.07.2010 - 6 U 114/06
Fundstelle
openJur 2010, 745
  • Rkr:
Verfahrensgang
  • vorher: Az. 415 O 137/04

(Leitsätze: RiOLG Dr. Thomas Hinrichs)

Tenor

Auf die Berufung der Klägerinnen wird das Urteil des Landgerichts Hamburg, Kammer 15 für Handelssachen, Geschäfts-Nr. 415 O 137/04, vom 24.04.2006, geändert und insgesamt wie folgt neu gefasst:

Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerinnen zu 1) bis 4) jeweils EUR 38.430,04 zuzüglich 5 % Zinsen seit dem 01.02.2002 zu zahlen.

Die weitergehende Klage wird abgewiesen.

Von den Kosten des Rechtsstreits in 1. Instanz haben die Klägerinnen jeweils 10,5 % und die Beklagte 58 % zu tragen.

Die weitergehende Berufung der Klägerinnen wird zurückgewiesen.

Die Anschlussberufung der Beklagten wird zurückgewiesen.

Von den Kosten des Rechtsstreits in 2. und in 3. Instanz haben die Klägerinnen jeweils 10,5 % und die Beklagte 58 % zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die jeweilige Schuldnerin kann jeweils die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die vollstreckende Gläubigerin jeweils vorher Sicherheit in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

I.

Die Klägerinnen sind nach ihrem Vortrag zu gleichen Teilen (25 %) Transportversicherer der P...GmbH in Hamburg (im Folgenden: Absenderin). Sie nehmen die Beklagte, die einen Paketbeförderungsdienst betreibt, wegen des Verlustes von Transportgut aus abgetretenem Recht der Warenempfängerin auf Schadensersatz in Anspruch.

Die Absenderin verkaufte im September 2001 an die Firma A. E. ... S.P.R.L., Rue V... H... 51, Brüssel (S...k), Belgien (im Folgenden: Empfängerin), Festplatten und Speichermodule zum Gesamtkaufpreis von € 269.744,54. Die Käuferin zahlte vereinbarungsgemäß den Kaufpreis im voraus.

Die Beklagte sollte die aus 48 Kartons bestehende Sendung nach Belgien transportieren, wobei auf den im sog. EDI-Verfahren elektronisch erzeugten Frachtbriefen in der Rubrik „Empfänger“ angegeben war:

Kontakt: „A. E.... à disposition

Tel.: + 3...4

W...n, 156

...

D

Belgien

Bei der vorgenannten Anschrift handelt es sich sowohl um ein Zustellcenter der Fa. U. Belgien N.V. als auch um deren Sitz. Die Geschäftsadresse der Empfängerin war der Beklagten nicht bekannt gegeben worden.

Die Beklagte ließ am 14. September 2001 bei der Absenderin 51 Pakete abholen. Darunter befanden sich die Sendung für die Empfängerin, die in zwei U.-Express-Sendungen zu 3 bzw. 2 Packstücken und in zwei U.-Standard-Sendungen zu 19 bzw. 24 Packstücken aufgeteilt waren (insgesamt 48 Pakete).

Mit Schreiben vom 01.02.2002 wandte sich die Absenderin unter Angabe der U.-Nachforschungsnummern an die Beklagte und teilte mit, dass die Sendungen an das U. Center in Diegem adressiert gewesen seien und die Ware dort zur Abholung durch den Kunden bereitgestellt werden sollte. Die Waren seien von den U. Mitarbeiterinnen N. und P. in Empfang genommen und quittiert worden. Die Absenderin machte weiter Angaben zum Inhalt der Sendungen sowie zu den Rechnungsbeträgen (Anlage K 9).

Die Klägerinnen haben in 1. Instanz behauptet, die Sendung habe jedenfalls die Empfängerin, die später in Insolvenz fiel, nicht erreicht. Sie haben außerdem bestritten, dass die Pakete in dem Zustellcenter von U. Belgien in Diegem angeliefert worden seien. Zur Aufnahme der Lieferanschrift sei es auf Veranlassung der Beklagten gekommen, weil diese der Empfängerin nicht unmittelbar habe zustellen können, sondern sich ihrer Schwesterfirma habe bedienen müssen. Diese habe sich bei der Empfängerin telefonisch nach der Zustellzeit erkundigen und dann dort abliefern wollen. In einem Vertragsverhältnis zu U. Belgien habe weder die Absenderin noch die Empfängerin gestanden.

Die Klägerinnen haben weiter behauptet, sie hätten den Insolvenzverwalter der Empfängerin in Höhe des Warenwertes und somit in Höhe von jeweils € 67.055,81, insgesamt € 268.223,24 entschädigt (Anlage K 7). An diesen hätte zuvor ihre Versicherungsnehmerin (die Absenderin) ihre Schadensersatzansprüche abgetreten (Anlage K 6), der sie seinerseits im Zusammenhang mit der Regulierung an ihren Assekuradeur übertragen habe (Anlage K 8).

Die Klägerinnen haben in 1. Instanz beantragt,

die Beklagte zu verurteilen,
an die Klägerin zu 1)€ 67.055,81
an die Klägerin zu 2)€ 67.055,81
an die Klägerin zu 3)€ 67.055,81
an die Klägerin zu 4)€ 67.055,81
insgesamt also€ 268.223,24
zuzüglich 5 % seit 1. 2. 2002 zu zahlen.

Die Beklagte hat in 1. Instanz beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte hat in 1. Instanz behauptet, sie habe am 17. und 18. September die 48 für die Empfängerin bestimmten Pakete bei ihrer Schwestergesellschaft in Belgien abgeliefert. Die Beklagte hat die Ansicht vertreten, dass sich damit ihr Beförderungsauftrag erschöpft habe. Im Übrigen seien die Pakete später auch von der Empfängerin abgeholt worden.

Die Beklagte hat weiter die Aktivlegitimation der Klägerinnen sowie Inhalt und Wert der Pakete bestritten und sich auf die Einrede der Verjährung berufen.

Die Beklagte hat sich auf ein Mitverschulden der Absenderin unter dem Gesichtspunkt der Adressierung der Sendung berufen.

Das Landgericht hat – nachdem die Beklagte auf die Vernehmung des Zeugen D. verzichtet hat – die Zeugin N. im Wege der Rechtshilfe zu der Frage vernommen, ob die 48 Pakete bei der belgischen Schwestergesellschaft der Beklagten abgeliefert wurden (Protokoll der Zeugenvernehmung vom 20.10.2005 = Bl. 111 f. d.A.; Übersetzung Bl. 144 f. d.A.).

Der Senat nimmt im Übrigen auf die Darstellung der tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil Bezug (§ 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO).

Das Landgericht hat in seinem Urteil vom 24.04.2006 eine Haftung der Beklagten gemäß Art. 17 Abs. 1 CMR nur für den Verlust eines Paketes bejaht. Das Landgericht ist davon ausgegangen, dass die Beklagte nicht hat beweisen können, dass das Paket mit der Kontrollnummer 1Z 663 911 68 4263 820 4 bei ihrer belgischen Schwestergesellschaft eingetroffen sei. Das Landgericht ist nach Auswertung der Anlagen B 1, K 4, K 5 und K 9 davon ausgegangen, dass sich in diesem Paket 20 Festplatten HDD-40,0-IBM im Wert von € 2.372,33 befunden hätten. Das Landgericht hat insoweit eine unbeschränkte Haftung gemäß Art. 29 CMR angenommen, weil zu vermuten sei, dass der Schaden durch vorsätzliches oder leichtfertiges Verhalten im Bewusstsein des wahrscheinlichen Schadenseintritts verursacht worden sei, nachdem die Beklagte zu den näheren Umständen des Verlustes keinerlei Vortrag gehalten habe. Das Landgericht hat die Beklagte daher verurteilt, an jede der Klägerinnen € 593,08 nebst Zinsen in Höhe von 5 % seit dem 01.02.2002 gemäß Art. 27 Abs. 1 CMR zu zahlen.

Im Übrigen hat das Landgericht die Klage abgewiesen. Das Landgericht ist nach Beweisaufnahme davon ausgegangen, dass die übrigen 47 Pakete bei der belgischen Schwestergesellschaft der Beklagten abgeliefert worden seien. Es hat die Auffassung vertreten, dass die Obhut der Beklagten mit Ablieferung bei ihrer belgischen Schwestergesellschaft beendet war.

Hinsichtlich der Einzelheiten wird auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils Bezug genommen.

Gegen das ihren Prozessbevollmächtigten am 02.05.2006 zugestellte Urteil des Landgerichts richtet sich die am 16.05.2006 eingelegte und am 30.06.2006 begründete Berufung der Klägerinnen. Die Beklagte hat mit Schriftsatz vom 12.07.2006 unselbständige Anschlussberufung eingelegt und begründet.

Die Klägerinnen haben zum einen beanstandet, dass das Landgericht aufgrund der – aus Sicht der Klägerinnen nichtssagenden – Aussage der Zeugin C. nicht von einer Anlieferung der Pakete bei der belgischen Schwestergesellschaft der Beklagten hätte ausgehen dürfen. Sie haben zum anderen die Ansicht vertreten, dass mit der behaupteten Ablieferung bei der belgischen Schwestergesellschaft der Beklagten ohnehin eine Ablieferung im Sinne des Art. 17 Abs. 1 CMR nicht erfolgt sei.

Die Klägerinnen haben beantragt,

unter Aufhebung des erstinstanzlichen Urteils die Beklagte zu verurteilen,
an die Klägerin zu 1)€ 66.462,73,
an die Klägerin zu 2)€ 66.462,73,
an die Klägerin zu 3)€ 66.462,73,
an die Klägerin zu 4)€ 66.462,73,
insgesamt also € 265.850,92 zuzüglich 5 % seit 1. 2. 2002 zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Berufung der Klägerinnen zurückzuweisen.

Sie hat weiter im Wege der Anschlussberufung beantragt,

unter Abänderung des Urteils des Landgerichts Hamburg vom 24.04.2006 (Az. 415 O 137/04) die Klage abzuweisen.

Die Beklagte hat weiter Inhalt und Wert des unstreitig in Verlust geratenen Pakets bestritten. Sie hat sich weiter auf ein Mitverschulden wegen Unterlassens der Wertangabe berufen.

Die Klägerinnen haben beantragt,

die Anschlussberufung zurückzuweisen.

Der Senat hat durch Urteil vom 11.01.2007 der Berufung der Klägerinnen stattgegeben und die Beklagte unter Änderung des erstinstanzlichen Urteils verurteilt, an jede der Klägerinnen weitere € 66.462,73 zuzüglich 5 % Zinsen seit dem 1. Februar 2002 zu zahlen. Der Senat hat die Anschlussberufung der Beklagten zurückgewiesen.

Der Senat ist dabei davon ausgegangen, dass eine die Haftung ausschließende Ablieferung noch nicht bei Anlieferung der Pakete bei der belgischen Schwestergesellschaft der Beklagten vorliege. Eine tatsächliche Aushändigung an die Empfängerin habe die Beklagte nicht vorgetragen. Der Beweisantritt „Zeugnis des Geschäftsführers der Empfängerin“ stelle einen unzulässigen Ausforschungsbeweis dar. Der Senat hat den Anspruch der Klägerinnen nicht aufgrund eines etwaigen Mitverschuldens der Absenderin gekürzt. Ein solches etwaiges Mitverschulden habe sich nicht ausgewirkt, weil der Schaden in einem Bereich entstanden sei, für den die Beklagte keine besonderen Sicherungsmaßnahmen vorgesehen habe.

Hinsichtlich der Einzelheiten wird auf die Gründe des Urteils des Senats vom 11.01.2007 (Bd. I, Bl. 228 ff.) Bezug genommen.

Gegen dieses Urteil des Senats hat die Beklagte zunächst Nichtzulassungsbeschwerde und nach Zulassung der Revision durch Beschluss des BGH vom 21.02.2008 Revision eingelegt mit dem Antrag, das Urteil des Senats vom 11.01.2007 aufzuheben und die Berufung der Klägerinnen gegen das Urteil des Landgerichts Hamburg vom 24.04.2006 zurückzuweisen, hilfsweise die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen. Die Klägerinnen haben beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Der BGH hat durch Urteil vom 02.04.2009 (I ZR 16/07) das Urteil des Senats vom 11.01.2007 aufgehoben und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung zurückverwiesen.

Der BGH hat zwar die Auffassung des Senats bestätigt, dass die bloße Anlieferung des Gutes bei der belgischen Schwestergesellschaft der Beklagten noch nicht zu einer haftungsbefreienden Ablieferung im Sinne von Art. 17 Abs. 1 CMR geführt habe. Der Senat hätte aber den von der Beklagten angetretenen Beweis für eine Abholung der Ware durch die Empfängerin „Zeugnis des Geschäftsführers der Empfängerin“ nicht übergehen dürfen. Der BGH hat für das wiedereröffnete Berufungsverfahren darauf hingewiesen, dass ein Mitverschulden der Versenderin wegen Unterlassens eines Hinweises auf die Gefahr eines ungewöhnlich hohen Schadens in Betracht komme, das sich die Klägerinnen zurechnen lassen müssten.

Hinsichtlich der Einzelheiten wird auf die Entscheidungsgründe des genannten BGH-Urteils Bezug genommen (Bd. II, Bl. 62 ff.).

Die Klägerinnen tragen im wiedereröffneten Berufungsverfahren vor, dass der Absenderin kein Mitverschulden vorzuwerfen sei. Die Absenderin habe seit 1985 einige 1000 Pakete im Jahr über die Beklagte versandt. Die Sendungen hätten einen Wert von 20.000,- € bis mehreren 100.000,- € gehabt, wobei die Sendungen auf mehrere Pakete verteilt gewesen wären. Die Beklagte habe den grundsätzlichen Wert der Sendungen gekannt. Dem Kundenbeauftragten der Beklagten sei bekannt gewesen, dass die Absenderin ausschließlich hochwertige Computerteile (Festplatten, Speicher und Prozessoren) versandt habe.

Die Klägerinnen bestreiten, dass die als Anlage B 2 von der Beklagten vorgelegten Geschäftsbedingungen diejenigen seien, die 2001 gegolten hätten.

Die Klägerinnen beantragen,

unter Aufhebung des erstinstanzlichen Urteils die Beklagte zu verurteilen,
an die Klägerin zu 1) € 66.462,73,
an die Klägerin zu 2)€ 66.462,73,
an die Klägerin zu 3)€ 66.462,73,
an die Klägerin zu 4)€ 66.462,73,
insgesamt also € 265.850,92 zuzüglich 5 % seit 1. 2. 2002 zu zahlen.

Der Senat geht dabei davon aus, dass die Zahlung weiterer € 265.850,92 gemeint ist (vgl. bereits Ziff. II 3 der Entscheidungsgründe des Urteils des Senats vom 11.01.2007).

Die Beklagte beantragt,

die Berufung der Klägerinnen zurückzuweisen.

Die Beklagte konkretisiert ihren Beweisantritt für die Abholung der Ware durch die Empfängerin durch namentliche Benennung des Geschäftsführers des Empfängers, P. M., L...n T...t 51, / 5G / 1, 1090 Brüssel, Belgien.

Die Beklagte beruft sich auf ein Mitverschulden der Absenderin wegen der Gefahr eines ungewöhnlich hohen Schadens. Bei zwei Paketen im Wert von jeweils mehr als € 66.000,- handele es sich um Verbotsgut. Hätte die Beklagte den Wert der Pakete gekannt, hätte sie die Beförderung abgelehnt und der Schaden wäre nicht entstanden.

Die Beklagte behauptet, dass die hier entscheidenden Punkte der Beförderungsbedingungen (Wertgrenze, Haftungsbegrenzung) seit Jahren unverändert seien.

Hinsichtlich des weiteren Vortrags beider Parteien wird ergänzend auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Der Senat hat Beweis erhoben durch Vernehmung der Zeugen E., P. und B.. Hinsichtlich des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die Protokolle vom 25.02.2010 (Bd. III, Bl. 291 ff.) und 17. 6. 2010 (Bd. III, Bl. 340 ff.) Bezug genommen.

Der Senat hat ferner versucht, den Zeugen M. zu erreichen und zu bitten, zum Termin vom 25.02.2010 zu kommen. Das unter der von der Beklagten angegebenen Anschrift des Zeugen versandte Schreiben (allerdings versehentlich mit der Postleitzahl 190 Bruxelles statt 1090 Bruxelles) ist als unzustellbar mit dem Vermerk „ONTVANGT DE BRIEFWISSELING NIET (MEER) OP HET AANGEDUIDE ADRES / NE REÇOIT PAS/PLUS LE COURRIER A L’ADRESSE INDIQUEE“ zurückgekommen. Der Senat hat der Beklagten durch im Termin vom 25.02.2010 verkündeten Beschluss (zugestellt als Teil des Protokolls am 02.03.2010) eine Frist von 4 Wochen zur Angabe einer ladungsfähigen Anschrift gesetzt. Die Beklagte hat innerhalb der – zweimal verlängerten – Frist die ladungsfähige Anschrift des Zeugen nicht mitteilen können. Eine Vernehmung des Zeugen ist deshalb unterblieben.

II.

1. Der Senat geht davon aus, dass die Zurückweisung der Anschlussberufung der Beklagten rechtskräftig ist. Die Anschlussberufung der Beklagten ist im Urteil des Senats vom 11.01.2007 zurückgewiesen worden. Im Revisionsantrag der Beklagten wird nur die Zurückweisung der Berufung der Klägerinnen gegen das Urteil des Landgerichts Hamburg vom 24.04.2006 begehrt. Im Tatbestand des BGH-Urteils vom 02.04.2009 wird ausgeführt, dass die Beklagte die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils begehrt. Auch die Streitwertfestsetzung des BGH für die Revisionsinstanz (265.850,92 € = 4 x 66.462,73 €) entspricht dem Wert der Berufung und nicht der Anschlussberufung. Da nach dem Urteilstenor des BGH-Urteils vom 02.04.2009 das Urteil des Senats vom 11.01.2007 aber ohne Einschränkung aufgehoben worden ist, sieht sich der Senat veranlasst, zur Klarstellung die Anschlussberufung der Beklagten im Urteilstenor zurückzuweisen. Dies beruht aber nicht auf einer erneuten Sachprüfung, sondern auf der eingetretenen Rechtskraft.

2. Die Berufung der Klägerinnen gegen das Urteil des Landgerichts Hamburg vom 24.04.2006 ist nur zum Teil begründet.

Die Beklagte haftet dem Grunde nach auch wegen der bei ihrer belgischen Schwestergesellschaft angelieferten weiteren 47 Pakete gem. Art. 17 Abs. 1 CMR auf Wertersatz.

Wie bereits im Urteil vom 11.01.2007 ausgeführt, folgt der Senat dem Landgericht darin, dass sich die Aktivlegitimation der Klägerinnen – unabhängig von der streitigen Frage ihrer Transportversicherereigenschaft – jedenfalls aus Art. 13 Abs. 1 Satz 2 CMR, § 398 BGB ergibt, da der Insolvenzverwalter die nach Art. 13 Abs. 1 Satz 2 CMR der Empfängerin zustehenden Ersatzansprüche an den die Klägerinnen vertretenden Assekuradeur abgetreten hat. Die Aktivlegitimation der Klägerinnen ist zwischen den Parteien im Berufungsverfahren auch nicht mehr im Streit.

Wie bereits im Urteil vom 11.01.2007 ausgeführt, haftet die Beklagte gemäß Art. 17 Abs. 1 CMR auch wegen der weiteren 47 Pakete auf Wertersatz, da der insoweit darlegungs- und beweisbelasteten Beklagten nicht der Nachweis gelungen ist, dass sie diese Pakete an die Empfängerin abgeliefert hat.

Zwar sieht der Senat keinen Anlass, die Tatsachenfeststellung des Landgerichts bezüglich der Anlieferung der Pakete bei der belgischen Schwestergesellschaft der Beklagten in Zweifel zu ziehen. Die bloße Anlieferung der Pakete bei der belgischen Schwestergesellschaft der Beklagten stellt aber keine die Haftung ausschließende Ablieferung dar.

Eine Ablieferung im Sinne des Art. 17 CMR setzt nicht nur die bloße Ankunft des Gutes an der vom Absender angegebenen Ablieferungsstelle (Art. 6 Abs. 1 lit. d CMR), sondern auch die unmittelbare Besitzerlangung durch den Empfänger voraus (vgl. HansOLG Hamburg, TranspR 1997, 101; Koller, Transportrecht, 6. Aufl., Art. 17 CMR, Rn. 6). Dabei reicht es aus, wenn der Frachtführer den Gewahrsam über das beförderte Gut aufgibt und den Empfänger mit dessen Willen und Einverständnis in Stand setzt, die tatsächliche Gewalt über das Frachtgut auszuüben. Diese Voraussetzungen waren durch die bloße Anlieferung der Pakete bei der belgischen Schwestergesellschaft der Beklagten nicht erfüllt, denn weder aus den Transportaufträgen noch aus dem Vortrag der Beklagten ergibt sich, dass die belgische Schwestergesellschaft der Beklagten von der Empfängerin bevollmächtigt worden war, als Dritter die Fracht mit befreiender Wirkung entgegenzunehmen. Allein der Umstand, dass es sich bei der in den Frachtpapieren genannten Ablieferungsstelle um die Anschrift eines Zustellcenters der belgischen Schwestergesellschaft der Beklagten handelt, konnte die Beklagte nicht glauben lassen, dass die Empfängerin bereit sein sollte, das Risiko eines Warenverlustes jedenfalls vor Benachrichtigung vom Wareneingang zu tragen (vgl. Art. 15, 17 Abs. 1 CMR). Der Hinweis in den Frachtpapieren, dass die Empfängerin telefonisch zu kontaktieren sei, richtete sich allein an die Beklagte als die von der Absenderin beauftragte Frachtführerin. Mit diesem Hinweis hat die Absenderin deutlich werden lassen, dass allein die Anlieferung bei der belgischen Schwestergesellschaft der Beklagten noch keine Ablieferung darstellen, sondern dass die Ware dort bis zu ihrer Abholung gelagert werden sollte. Weder aus dem Vortrag der Beklagten noch aus den Umständen ihrer Beauftragung ergibt sich, dass und warum die Absenderin bereit gewesen sein sollte, das von ihr nicht steuerbare Risiko eines Warenverlustes im Lager der belgischen Schwestergesellschaft der Beklagten zu übernehmen. Aus diesem Grunde kann die Beklagte mit ihrem Einwand, für sie habe (ebenfalls) keinerlei Veranlassung bestanden, für ein etwaiges Fehlverhalten ihrer belgischen Schwestergesellschaft einzustehen, nicht gehört werden. Mangels anderweitiger eindeutiger Angaben auf den Frachtbriefen und mangels eines Anscheins- oder Duldungsvollmachtstatbestandes hat die Beklagte für den Grundsatz einzustehen, dass eine Ablieferung erst dann eingetreten ist, wenn der Empfänger oder ein von ihm bevollmächtigter Dritter in die Lage versetzt wird, die tatsächliche Gewalt über das Gut auszuüben.

Der BGH hat in seinem Urteil vom 02.04.2009 diese Wertung des Senats nicht beanstandet. Der Senat hält an ihr fest.

Die Beklagte hat auch nicht beweisen können, dass die Sendung tatsächlich an die Empfängerin ausgehändigt worden ist. Dem Beweisantritt der Beklagten (Zeugnis des Geschäftsführers der Empfängerin) ist zwar grundsätzlich nachzugehen, wie sich aus dem Urteil des BGH vom 02.04.2009 ergibt. Der Senat hat deshalb versucht, den im Schriftsatz der Beklagten vom 16.10.2009 namhaft gemachten Zeugen P. M. zu erreichen und ihn zu bitten, freiwillig zum anberaumten Termin vom 25.02.2010 zu kommen (vorbehaltlich einer Vernehmung im Wege der internationalen Rechtshilfe). Wie sich aus der Rücksendung des an den Zeugen gerichteten Schreibens und dem Vermerk der Nichtzustellbarkeit ergibt, ist die von der Beklagten angegebene Anschrift des Zeugen nicht (mehr) zutreffend. Nachdem die Beklagte trotz Fristsetzung (mit zweimaliger Verlängerung) eine Anschrift des Zeugen nicht angeben konnte, ist sie gemäß § 356 ZPO mit dem Beweismittel ausgeschlossen. Anderen Beweis hat die Beklagte nicht angetreten. Insbesondere fehlen schriftliche Unterlagen für eine Aushändigung des Gutes an die Empfängerin.

Der Umfang des von der Beklagten zu leistenden Wertersatzes richtet sich nach Art. 23 Abs. 1, 2 CMR. Wie der Senat bereits in seinem Urteil vom 11.01.2007 ausgeführt hat, folgt er dem Landgericht darin, dass Inhalt und Wert der 47 Pakete anhand der als Anlage K 5 zur Akte gereichten Rechnungen ermittelt werden können. Das generelle Bestreiten des Inhalts der Pakete seitens der Beklagten führt nicht zu einer anderen Beurteilung. Die Auffassung der Beklagten, nach der Rechtsprechung des BGH (TranspR 2003, 156) setze das Vorliegen eines Anscheinsbeweises voraus, dass Rechnung und Lieferschein den Paketinhalt ausweisen müssten, trifft nicht zu. Der BGH hat in der genannten Entscheidung ausdrücklich erklärt, dass „im gewerblichen Bereich nach der allgemeinen Lebenserfahrung eine hohe Wahrscheinlichkeit dafür spreche, dass an den gewerblichen Kunden exakt die bestellten und sodann berechneten Waren versandt wurden“. Das Vorhandensein eines den Paketinhalt bestätigenden Lieferscheins wird seitens des BGH in der angeführten Entscheidung nicht verlangt. Inzwischen hat der BGH auch ausdrücklich entschieden, dass der Tatrichter sich die Überzeugung von der Richtigkeit des Vortrags des Absenders zum Inhalt eines Pakets auch dann bilden kann, wenn nur eines der Dokumente (Rechnung oder Lieferschein) vorliegt (BGH TranspR 2007, 110, zitiert nach juris, Tz. 24; BGH TranspR 2008, 163, zitiert nach juris, Tz. 35; BGH TranspR 2010, 73, zitiert nach juris, Tz. 20). Konkrete Einwände, die gegen den Vortrag der Klägerinnen zum Inhalt und Wert der Pakete sprechen, hat die Beklagte nicht vorgebracht.

Die Beklagte hat gegen diese Wertung des Senats auch weder im Revisionsverfahren noch nach Wiedereröffnung des Berufungsverfahrens Einwände erhoben.

Wie der Senat bereits im Urteil vom 11.01.2007 ausgeführt hat, ist die Schadensersatzpflicht der Beklagten nicht nach Art. 23 Abs. 3 CMR beschränkt. Vielmehr haftet sie nach Art. 29 CMR grundsätzlich unbeschränkt, weil der Schaden durch vorsätzliches oder leichtfertiges Verhalten im Bewusstsein des wahrscheinlichen Schadenseintritts (§ 435 HGB) verursacht worden ist. Dieses qualifizierte Verschulden ist jedenfalls zu vermuten, weil die Beklagte zu den näheren Umständen der nicht erfolgten Ablieferung der Pakete keinen Vortrag gehalten hat. Grundsätzlich hat zwar der Anspruchsteller die Voraussetzungen für ein qualifiziertes Verschulden darzulegen und zu beweisen. Der Frachtführer ist aber aufgrund des unterschiedlichen Informationsstandes der Vertragsparteien nach Treu und Glauben gehalten, soweit möglich und zumutbar zu den näheren Umständen des Schadensfalls eingehend vorzutragen. Insbesondere hat er substantiiert darzulegen, welche Sorgfalt er konkret aufgewendet hat. Kommt er dem nicht nach, kann daraus nach den Umständen des Einzelfalls der Schluss auf ein qualifiziertes Verschulden gerechtfertigt sein (vgl. BGH TranspR 2008, 113, zitiert nach juris, Tz. 30). Solcher Vortrag der Beklagten fehlt. Es fehlt insbesondere jeder Vortrag dazu, was mit den Paketen geschehen ist, nachdem sie durch die Mitarbeiter der belgischen Schwestergesellschaft der Beklagten Pascale D. und N. entgegengenommen worden sind. Auch aus der Vernehmung der Zeugin C. ergibt sich insoweit nichts. Nach den obigen Ausführungen zum Zeitpunkt der Ablieferung muss sich die Beklagte mangels Ablieferung ein etwaiges Fehlverhalten der für ihre belgische Schwestergesellschaft tätigen Mitarbeiter (Art. 3 CMR) entgegenhalten lassen.

Die Beklagte ist dieser Wertung des Senats im Revisionsverfahren und im wiedereröffneten Berufungsverfahren auch nicht mehr entgegengetreten.

Aufgrund der verschärften Haftung greift die erstinstanzlich erhobene Einrede der Verjährung nicht ein. Zutreffend hat das Landgericht auf die dreijährige Verjährungsfrist des Art. 32 Abs. 1 CMR und auf die durch die Klageinreichung eingetretene Hemmung dieser Frist hingewiesen.

Die Klägerinnen müssen sich aber ein Mitverschulden der Absenderin zurechnen lassen. Ein Mitverschulden des Absenders kommt auch dann in Betracht, wenn sich der Frachtführer qualifiziertes Verschulden vorwerfen lassen muss (vgl. BGH NJW 2003, 3626, zitiert nach juris, Tz. 41; BGH TranspR 2008, 113, zitiert nach juris, Tz. 37; BGH TranspR 2008, 406, zitiert nach juris, Tz. 23).

Es liegt allerdings kein Mitverschulden wegen fehlender Wertdeklaration vor. Der Absender kann zwar in einen gemäß § 254 Abs. 1 BGB beachtlichen Selbstwiderspruch geraten, wenn er trotz Kenntnis, dass der Spediteur die Sendung bei richtiger Wertangabe mit größerer Sorgfalt behandelt, von einer Wertdeklaration absieht und bei Verlust gleichwohl vollen Schadensersatz verlangt. Hätte der Versender die sorgfältigere Behandlung von Wertpaketen durch den Spediteur kennen müssen, kann auch das für ein zu berücksichtigendes Mitverschulden ausreichen. Denn gemäß § 254 Abs. 1 BGB ist ein Mitverschulden bereits dann anzunehmen, wenn diejenige Sorgfalt außer Acht gelassen wird, die ein ordentlicher und verständiger Mensch zur Vermeidung eigenen Schadens anzuwenden pflegt. Von einem Kennenmüssen der Anwendung höherer Sorgfalt bei korrekter Wertangabe kann im Allgemeinen ausgegangen werden, wenn sich aus den Beförderungsbedingungen des Transporteurs – hier aus Ziff. 9.4 der AGB der Beklagten (Anlage B 2) – ergibt, dass er für diesen Fall bei Verlust oder Beschädigung des Gutes höher haften will. Denn zur Vermeidung der versprochenen höheren Haftung werden erfahrungsgemäß höhere Sicherungsstandards gewählt (BGH TranspR 2003, 317, zitiert nach juris, Tz. 16; TranspR 2006, 210, zitiert nach juris, Tz. 18, BGH TranspR 2008, 117, zitiert nach juris, Tz. 37).

Wie der Senat bereits in seinem Urteil vom 11.01.2007 ausgeführt hat, hat sich ein Mitverschulden der Absenderin insoweit nicht schadensursächlich ausgewirkt. Abhanden gekommen ist die streitgegenständliche Sendung nämlich erst nach ihrer Anlieferung im Zustellcenter der belgischen Schwestergesellschaft der Beklagten. Die Pakete sind dort am 17./18.09.2001 angeliefert worden. Aus dem Vortrag der insoweit darlegungs- und beweispflichtigen Beklagten ergibt sich nichts dafür, dass im Falle einer entsprechenden Wertdeklaration ein Verlust der Pakete durch besondere Kontrollen hätte vermieden werden können. Nach dem Vortrag der Beklagten (S. 5 und 6 der Klagerwiderung = Bd. I, Bl. 15 und 16 d.A.) trifft sie (nur) insoweit weitergehende Sicherungsmaßnahmen, als Wertpakete im Transportfahrzeug gesondert gelagert werden, sie bei der Anlieferung im Abholcenter der Beklagten einzeln ausgesondert und separat dem zuständigen Einsatzleiter übergeben werden; weitergehende Sicherungsmaßnahmen insbesondere im Falle der hier vorliegenden Zwischenlagerung bei einer ausländischen Schwestergesellschaft macht die Beklagte nicht geltend. Wenn ein Transporteur bei einem Auslandstransport nur am Beginn des Transports besondere Sicherungsmaßnahmen ergreift, die transportierten Pakete aber erst später im Ausland in Verlust geraten, ist die unterlassene Wertdeklaration nicht kausal für den eingetretenen Schaden (vgl. BGH TranspR 2008, 394, zitiert nach juris, Tz. 17). Die Beklagte macht auch gar kein Mitverschulden wegen unterlassener Wertdeklaration mehr geltend, wie sich aus S. 2 ihres Schriftsatzes vom 10.11.2009 (Bd. III, Bl. 251 d.A.) ergibt.

Ein Mitverschulden ist der Absenderin aber wegen fehlenden Hinweises auf einen drohenden ungewöhnlich hohen Schaden anzulasten. Dieses Mitverschulden kann auch dann in Betracht kommen, wenn ein Mitverschulden wegen unterlassener Wertdeklaration sich mangels Kausalität nicht auswirkt (vgl. BGH TranspR 2008, 394, zitiert nach juris, Tz. 18, i.V.m. Tz. 17).

Eine solche Hinweispflicht nimmt der BGH an, wenn der Wert eines Pakets 5.000,- € übersteigt, also etwa den zehnfachen Betrag der Haftungshöchstgrenze von 1.000,- DM gemäß den Beförderungsbedingungen der Beklagten (vgl. BGH TranspR 2008, 117, zitiert nach juris, Tz. 40). Die Klägerinnen haben zwar bestritten, dass die von der Beklagten als Anlage B 2 vorgelegten Geschäftsbedingungen die damals gültigen der Beklagten waren. Dass es eine Haftungshöchstgrenze in den allgemeinen Geschäftsbedingungen der Beklagten gab, ist nach Auffassung des Senats durch die Aussage des Zeugen P. bewiesen (S. 6 des Protokolls vom 25.02.2010). Dieser hat zwar ausgesagt, dass in den Geschäftsbedingungen zu Zeit der Geltung der DM noch eine Haftungsgrenze von 510, DM bestanden hätte. Dann würde der 10-fache Betrag der Haftungsgrenze sogar nur ca. 2.500,- € betragen. Der Senat geht allerdings davon aus, dass sich der Zeuge geirrt hat. In Anlage B 2 ist ausdrücklich von 1.000 DM die Rede (Ziff. 9.2). Die Umrechnung in Euro würde den Betrag von 510 (oder 511) ergeben. Man kann auch nicht davon ausgehen, dass die Beklagte sich die Aussage des Zeugen insoweit zu Eigen gemacht hat. Der Prozessbevollmächtigte der Beklagten hat im Termin den Zeugen auf seinen Irrtum hingewiesen. Abgesehen von diesem Irrtum hält der Senat die Aussage des Zeugen, dass es eine Haftungsgrenze gegeben habe, für glaubhaft. Der Senat geht davon aus, dass die einschlägige Haftungsgrenze 1.000,- DM betragen hat (was auch dem Sachverhalt entspricht, der in vielen BGH-Urteilen, die offensichtlich die Beklagte betreffen, wiedergegeben wird). Ein Hinweis auf einen drohenden ungewöhnlich hohen Schaden ist daher ab einem Wert eines Pakets von 5.000,- EUR erforderlich. Maßgebend ist der Wert des Pakets und nicht der der Sendung (BGH TranspR 2008, 400, zitiert nach juris, Tz. 18; BGH TranspR 2010, 143, zitiert nach juris, Tz. 14).

Im vorliegenden Fall hatten 5 Pakete einen Wert von mehr als 5.000,- €. Wie sich aus Anlage K 9 ergibt, befanden sich in 3 Paketen 220 Speichermodule PCX133, 128 und 256 MB mit einem Gesamtwert von € 44.891,17 (vgl. auch Bl. 1 der Anlage K 4 und Bl. 1 und 2 der Anlage K 5). Auf jedes Paket entfällt damit ein Wert von 14.963,72 €. Wie sich aus Anlage K 9 weiter ergibt, befanden sich in 2 Paketen 600 Prozessoren Intel Pentium 3 mit einem Gesamtwert von € 133.242,70 (vgl. auch Bl. 4 der Anlage K 4 und Bl. 7 und 8 der Anlage K 5). Auf jedes Paket entfällt damit ein Wert von € 66.621,35. Der Wert der restlichen 43 Pakete lag unter 5.000,- EUR. Bei den Paketen mit 380 Festplatten Seagate betrug der Wert eines einzelnen Paketes 1.824,99 € (34.674,75 €: 19). Bei den Paketen mit

480 Festplatten IBM 40 GB betrug der Wert eines einzelnen Paketes 2.372,33 € (56.935,92 €: 24). Hinsichtlich eines der zuletzt genannten Pakete hat bereits das Landgericht vollen Ersatz zugesprochen.

Hinsichtlich der 19 Pakete im Gesamtwert von 34.674,75 € und der 24 Pakete im Gesamtwert von 56.935,92 € (zusammen 91.610,67 €) gab es keine Hinweispflicht der Absenderin, so dass die Beklagte vollen Wertersatz schuldet, weil ein Abzug wegen Mitverschuldens nicht in Betracht kommt.

Hinsichtlich der 3 Pakete mit einem Warenwert von jeweils € 14.963,72 geht der Senat von einem Mitverschulden der Absenderin von 20 % aus. Das beruht auf folgenden Erwägungen:

Bei Abwägung der Verschuldensanteile kommt es ganz wesentlich auf den Wert des transportierten Paketes an, aber auch auf die Reichweite des bei wertdeklarierten Sendungen gesicherten Bereichs (BGH TranspR 2008, 362, zitiert nach juris, Tz. 25). Der letzte Gesichtspunkt (Reichweite des gesicherten Bereichs) spielt auch dann eine Rolle, wenn ein Mitverschulden wegen unterlassener Wertdeklaration mangels Kausalität nicht greift. Dies ergibt sich aus dem soeben zitierten Urteil des BGH (TranspR 2008, 362), weil der BGH dort die Kausalität des Mitverschuldens wegen unterlassener Wertdeklaration verneint hat (a.a.O., Tz. 18), gleichwohl das Kriterium der Reichweite des gesicherten Bereichs auch im Rahmen der Mitverschuldensbeurteilung bei fehlendem Hinweis auf einen drohenden ungewöhnlich hohen Schadens berücksichtigt (a.a.O., Tz. 25).

Wenn es nur auf den Wert der Pakete (€ 14.993,72) ankommen würde, läge eine Mitverschuldensquote zu Lasten der Klägerinnen in Höhe von 25 % nahe (so auch der Vergleichsvorschlag des Gerichts). Der BGH hat in Fällen, in denen der Schaden zwischen 24.000,- und 28.000,- € pro Paket lag, ausgeführt, dass (noch) nicht davon ausgegangen werden könne, dass das Mitverschulden 50 % übersteige (vgl. TranspR 2008, 362, zitiert nach juris, Tz. 26). Ein Schaden von 15.000,- € liegt etwa zwischen dem Wert von 5.000, €, ab dem überhaupt erst ein Hinweis erfolgen muss, und dem Wert, bei dem der BGH möglicherweise eine Mitverschuldensquote von 50 % annimmt, so dass sich eine Mitverschuldensquote von 25 % anbieten würde.

Unter Berücksichtigung des Ergebnisses der nach dem Vergleichsvorschlag des Senats durchgeführten Beweisaufnahme muss die Mitverschuldensquote aber nach Auffassung des Senats reduziert werden. Wie sowohl der Zeuge E. als auch – noch konkreter – der Zeuge B. ausgesagt haben, hatte die Absenderin ständigen Kontakt mit dem Kundenberater der Beklagten. Der Kundenberater – Herr Z. – habe gewusst, dass die Absenderin regelmäßig sehr teure Ware verschicke. Herr Z. sei auch in die Ausarbeitung von Sicherungsmaßnahmen mit eingebunden gewesen (S. 4 des Protokolls vom 25.02.2010 = Bl. 294 und S. 3 des Protokolls vom 17.06.2010 = Bl. 342). Der Senat hält diese Bekundungen der Zeugen für glaubhaft. Der Zeuge B. hat den regelmäßigen Mindestwert eines Pakets mit 4.000,- bis 5.000,- DM beziffert (S. 5 des Protokolls vom 17.06.2010). Da die Beklagte – die sich das Wissen des von ihr eingesetzten Kundenberaters Zorn zurechnen lassen muss – wusste, dass die Absenderin generell nur teure Ware versandte, musste sie damit rechnen, dass der Wert eines Pakets in Einzelfällen auch über der „Hinweisgrenze“ von 5.000,- EUR liegen könnte. Das ändert zwar nichts daran, dass die Absenderin nach Auffassung des Senats die Beklagte dann auf die Gefahr eines ungewöhnlich hohen Schadens hätte hinweisen müssen, wenn in Einzelfällen ein Paket deutlich mehr wert war als die vom Zeugen B. angegebene Mindestgrenze. Hier lag der Wert eines Pakets mit ca. 15.000,- EUR etwa sechsmal so hoch wie der vom Zeugen B. angegebene Mindestwert eines von der Absenderin versandten Paketes. Wenn auch das Mitverschulden der Absenderin nach wie vor besteht, ist es aber nicht so hoch anzusetzen, wenn sie davon ausgehen darf, dass die Beklagte grundsätzlich weiß, dass die Absenderin wertvolle Pakete versendet.

Bei der Gesamtwürdigung ist auch zu berücksichtigen, dass die Reichweite des gesicherten Bereichs bei wertdeklarierten Sendungen nicht sehr ausgeprägt ist. Wie sich aus der Aussage des von der Beklagten benannten Zeugen P. (Security Supervisor bei der Beklagten) ergibt, wird ein Wertpaket im Abholzentrum einer besonderen Prüfung unterzogen (Verschluss, Absender- und Empfängerangaben, Entfernen von Wertangaben auf dem Paket selbst). Es findet auch eine besondere Dokumentation statt (Scannen). Das Paket wird dem Fahrer nur gegen Unterschrift übergeben (S. 6 und 7 des Protokolls vom 25.02.2010, Bl. 296 f. d.A.). Ein getrennter Transport fand aber nicht statt (S. 8 des Protokolls vom 25.02.2010, Bl. 298). Zu einer besonderen Behandlung im Empfangszentrum konnte der Zeuge nichts sagen. Er hat vielmehr bekundet, dass eine besondere Information des Empfangszentrums bei wertdeklarierten Paketen nicht möglich war, wenn ein Versand ins Ausland erfolgte (S. 6 des Protokolls, Bl. 296). Da der „gesicherte Bereich“ nur einen Teil des Transportweges umfasste, das Mitverschulden des Absenders aber umso größer ist, je größer der „gesicherte Bereich“ ist (vgl. BGH TranspR 2008, 362, zitiert nach juris, Tz. 25), hält der Senat insgesamt eine Mitverschuldensquote zu Lasten der Klägerinnen von 20 % für angemessen.

Die Klägerinnen können sich insoweit nicht auf mangelnde Kausalität berufen. Der Zeuge P. hat zwar ausgesagt, dass in der grundsätzlichen Behandlung kein weiterer Unterschied gemacht wurde, je nachdem, ob diese nun 5.000,- DM oder noch mehr wert waren (S. 7 des Protokolls vom 25.02.2010, Bl. 297). Nach der BGH-Rechtsprechung fehlt die Ursächlichkeit des Mitverschuldens nur dann, wenn der Transporteur trotz des Hinweises auf den ungewöhnlich hohen Wert des Gutes keine besonderen Maßnahmen ergriffen hätte. Ohne besonderen Sachvortrag des Anspruchstellers ist im Regelfall davon auszugehen, dass der Frachtführer bei einem Hinweis auf einen ungewöhnlich hohen Wert des Transportgutes entweder besondere Sicherungsmaßnahmen ergriffen oder den Transportauftrag abgelehnt hätte (BGH TranspR 2008, 394, zitiert nach juris, Tz. 20). Diese Vermutung gilt auch dann, wenn ein Mitverschulden wegen unterlassener Wertdeklaration mangels Kausalität ausscheidet (vgl. BGH a.a.O., Tz. 17). Daraus ist zu folgern, dass die vom BGH postulierte Vermutung auch dann gilt, wenn es auch bei höheren (deklarierten) Paketwerten keine generell vorgesehenen Sicherungsvorkehrungen gibt. Die Vermutung besteht daher trotz der Aussage des Zeugen P., da dieser sich nur zur grundsätzlichen Verfahrensweise bei wertdeklarierten Paketen geäußert hat. Es ist nämlich nicht ausgeschlossen und sogar zu vermuten, dass die Mitarbeiter der Beklagten bei einem besonders erteilten Hinweis doch noch größere Sorgfalt hätten walten lassen.

Die Beklagte haftet dann zu 80 % für den entstandenen Schaden, somit in Höhe von € 35.912,94.

Hinsichtlich der beiden Pakete im Wert von jeweils 66.621,35 € geht der Senat von einer Mitverschuldensquote zu Lasten der Klägerinnen von 80 % aus.

Nach der oben zitierten Rechtsprechung des BGH (TranspR 2008, 362, zitiert nach juris, Tz. 26) kommt ein Mitverschulden des Absenders von ca. 50 % in Betracht bei einem Wert eines Paketes von 24.000,- bis 28.000,- €. Bei einem Wert von 66.621,35 € muss der Mitverschuldensanteil der Klägerin dann deutlich über 50 % liegen. Andererseits ist – wie ausgeführt – auch der Beklagten ein qualifiziertes Verschulden vorzuwerfen.

In Betracht käme allerdings sogar ein 100 %-iges Mitverschulden der Absenderin, wenn sie positiv gewusst hätte, dass die Beklagte bestimmte Güter nicht befördern will, und sich bewusst hierüber hinweggesetzt hätte (vgl. BGH TranspR 2008, 362, zitiert nach juris, Tz. 26). Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme hat der für das Tagesgeschäft verantwortliche Mitarbeiter der Absenderin, der Zeuge B. durchaus gewusst, dass die Beklagte Pakete mit einem Wert von mehr als 50.000,- USD nicht transportieren wollte. Der Senat geht aber davon aus, dass die Absenderin sich nicht bewusst über das Verbot hinwegsetzen wollte. Nach den Angaben des Zeugen B. gab es Arbeitsanweisungen an die Lagerarbeiter, die Kartons so zu packen, dass der Wert der Ware diese Grenze nicht überstieg. Es seien insoweit auch stichprobenweise Kontrollen gemacht worden. Der Zeuge schilderte allerdings das Problem, dass zum Teil Prozessoren so verpackt waren, dass man sie nicht oder nur unter Inkaufnahme einer Beschädigung hätte auseinanderreißen können (S. 4 des Protokolls vom 17.06.2010 = Bl. 343 d.A.). Wie sich aus Anlage K 9 ergibt, handelte es sich bei dem Inhalt der fraglichen 2 Pakete um Prozessoren. Es kommt hinzu, dass die von der Beklagten genannte Wertgrenze in US-Dollar ausgedrückt ist, was für eine Beurteilung, ob diese Grenze überschritten ist, zunächst eine Umrechnung in Euro erforderlich macht. Nach den Zeitreihen der Deutschen Bundesbank betrug der Devisenkurs im September 2001 1 EUR = 0,9111 USD. Der Wert von 66.621,35 EUR entsprach also 60.698,71 USD. Das liegt zwar deutlich über der Grenze von 50.000,- USD, andererseits aber auch nicht so eindeutig, dass man zwingend davon ausgehen muss, dass den für die Verpackung zuständigen Mitarbeitern der Absenderin das Überschreiten der Grenze tatsächlich bewusst gewesen ist. Das Überschreiten der Grenze hätte der Absenderin nach Auffassung des Senats zwar auffallen müssen, wenn nicht den Lagerarbeitern, dann den für die Kontrolle Verantwortlichen. Das ist aber nur ein Fahrlässigkeitsvorwurf. Dass sich die Mitarbeiter der Absenderin bewusst über die Wertgrenze hinweggesetzt hätten, hat die Beklagte – die für die Voraussetzungen eines Mitverschuldens darlegungs- und beweispflichtig ist – nicht beweisen können.

Der BGH hat ein 100 %-iges Mitverschulden eines Absenders allerdings auch in Fällen für möglich gehalten, in denen sich der Absender nicht bewusst über die Wertgrenze hinweggesetzt hat, ab der der Frachtführer Ware nicht mehr befördern will. Dies hat er etwa in einem Fall angenommen, in dem der geltend gemachte Schaden 187.625,81 € betrug (TranspR 2007, 405, zitiert nach juris, Tz. 33). In dem dort entschiedenen Fall betrug der Wert des Pakets also mehr als das Dreifache der Wertgrenze. Dies ist mit dem vorliegenden Fall, in dem die Wertgrenze um etwas mehr als 20 % überschritten wird, nicht vergleichbar.

Der BGH hat zwar weiter entschieden, dass eine Haftung des Transporteurs, die über die Wertgrenze hinausgeht, ab der er Güter nicht mehr befördern will, im Falle des Mitverschuldens wegen unterlassenen Hinweises auf die Gefahr eines ungewöhnlich hohen Schadens in der Regel zu verneinen sei (TranspR 2007, 405, zitiert nach juris, Tz. 33). Diese Problematik stellt sich hier aber nicht. Wenn man ein Mitverschulden der Absenderin von 80 % annimmt, haftet die Beklagte nur in Höhe von 20 % = € 13.324,27 pro Paket (zum damaligen Umrechnungskurs 12.139,74 USD), also erheblich unterhalb der genannten Wertgrenze.

Bei einer Haftung der Beklagten von 20 % ergibt sich eine Summe von 2 x 13.324,27 € = 26.648,54.

Insgesamt muss die Beklagte daher den Schaden in Höhe von 154.172,15 € (91.610,67 € + 35.912,94 € + 26.648,54 €) ersetzen, wobei auf jede der Klägerinnen ein Viertel, also 38.430,04 € entfällt (der ausgeurteilte Gesamtbetrag erhöht sich aufgrund der notwendigen Rundung um 1 Cent auf 154.172,16 €). Der bereits vom Landgericht ausgeurteilte Betrag ist hierin enthalten. Wie oben ausgeführt, war der Rechtsstreit, soweit das Landgericht der Klage stattgegeben hat, bereits rechtskräftig entschieden, da die Beklagte gegen

die Zurückweisung der Anschlussberufung keine Revision eingelegt hat. Dass der bereits vom Landgericht ausgeurteilte Betrag in dem aus dem Urteilstenor ersichtlichen Gesamtbetrag enthalten ist, beruht darauf, dass der Senat das landgerichtliche Urteil abgeändert und insgesamt neu gefasst hat.

Der Zinsanspruch beruht auf Art. 27 CMR.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 ZPO.

Die Entscheidung über die Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Die Revision war nach Klärung der Rechtsfragen im BGH-Urteil vom 02.04.2009 nicht zuzulassen.