OLG Düsseldorf, Urteil vom 08.05.2012 - I-24 U 195/11
Fundstelle
openJur 2012, 129174
  • Rkr:
Tenor

Auf die Berufung der Klägerin wird das am 28. Juli 2011 verkündete Urteil der 11. Zivilkammer des Landgerichts Duisburg - Einzelrichter - abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Es wird festgestellt, dass der Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin jeglichen Schaden zu ersetzen, der ihr deshalb entstanden ist oder entstehen wird, weil der Beklagte die Mieträumlichkeiten im Dachgeschoss einschließlich Spitzboden im Mietobjekt K. Straße 3-5 in D. nicht bis zum Ablauf des 31. Dezember 2010, sondern erst am 31. März 2011 geräumt und an die Kläge-rin herausgegeben hat.

Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Beklagte.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Streitwert für das Berufungsverfahren: 7.520,00 EUR

Gründe

Die zulässige Berufung der Klägerin hat in der Sache Erfolg. Ihre Feststellungsklage ist zulässig und begründet.

1.

a) Das gemäß § 256 Abs. 1 ZPO erforderliche rechtliche Interesse liegt bei Schadensersatzfeststellungsklagen schon dann vor, wenn künftige Schadensfolgen - sei es auch nur entfernt - möglich, ihre Art, ihr Umfang und sogar ihr Eintritt aber noch ungewiss sind (BGH, NJW 1991, 2707; VersR 1974, 284; 1972, 459, 460; 1967, 256, 257). Die Möglichkeit eines Schadenseintritts ist zu verneinen, wenn aus der Sicht des Klägers bei verständiger Würdigung kein Grund besteht, mit dem Eintritt eines derartigen Schadens wenigstens zu rechnen (vgl. BGH, NJW 2001, 1431).

Dass die Feststellungsklage orientiert an diesen Grundsätzen zulässig ist, hat bereits das Landgericht zutreffend festgestellt. Sie ist im Übrigen auch dann zulässig, wenn man davon ausgeht, dass bei reinen Vermögensschäden bereits die Zulässigkeit der Feststellungsklage von der Wahrscheinlichkeit eines auf die Verletzungshandlung zurückzuführenden Schadenseintritts abhängt (vgl. dazu BGH, BGH, NJW 2006, 830 m.N.). Denn eine derartige Wahrscheinlichkeit ist hier gegeben (vgl. dazu unter 2.).

b) Die Zulässigkeit der Feststellungsklage erfordert ferner ein Interesse an der alsbaldigen Feststellung des Rechtsverhältnisses. Dieses ist gegeben, wenn dem Recht des Klägers oder der Rechtslage eine gegenwärtige Gefahr der Unsicherheit droht und das erstrebte Urteil geeignet ist, diese Gefahr zu beseitigen (vgl. nur BGH, NJW 2010, 1877 m.w.N.; st.Rspr.). Auch diese Voraussetzungen sind hier erfüllt, da der Beklagte eine Schadensersatzpflicht schon dem Grunde nach bestreitet.

c) Die Feststellungsklage ist auch nicht deshalb unzulässig, weil die Klägerin möglicherweise zwischenzeitlich in der Lage wäre, ihren Schadensersatz zu beziffern. Wird eine bezifferte Leistungsklage erst nachträglich möglich, wird eine ursprünglich zulässige Feststellungsklage nicht unzulässig (vgl. BGH, NJW 1978, 210; 1984, 1552; OLG Koblenz, WM 1993, 1241; Zöller/Greger, ZPO, 29. Auflage, § 256 Rn. 7c).

2.

Die Feststellungsklage ist auch begründet.

a) Ein zulässiger Feststellungsantrag ist begründet, wenn die sachlichen und rechtlichen Voraussetzungen eines Schadensersatzanspruchs vorliegen, also ein haftungsrechtlich relevanter Tatbestand gegeben ist, der zu möglichen künftigen Schäden führen kann (BGH, NJW-RR 2007, 601; BGH, NJW 2001, 1431). Ob darüber hinaus im Rahmen der Begründetheit eine gewisse Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts zu verlangen ist (vgl. dazu BGH, a.a.O.), bedarf unter den Umständen des Streitfalls keiner abschließenden Entscheidung. Denn der Eintritt eines Schadens auf Seiten der Klägerin war hier mindestens wahrscheinlich.

Der Beklagte hat unstreitig die von der Klägerin nach Beendigung des Mietverhältnisses gesetzte letzte Räumungsfrist (31. Dezember 2010) verstreichen lassen und ist erst im März 2011 aus den vermieteten Räumen ausgezogen. Die Klägerin konnte in dieser Situation von dem Beklagten nicht nur Nutzungsentschädigung für die Zeit bis zur Rückgabe verlangen (§ 546 a Abs. 1 BGB), sondern auch Ersatz eines etwaigen weitergehenden Schadens beanspruchen (vgl. § 546 a Abs. 2 BGB). Als solcher kommt insbesondere ein von dem Mieter gemäß § 286 i.V.m. § 280 Abs. 1 BGB zu ersetzender Verzugsschaden in Betracht, der darin bestehen kann, dass der Vermieter aufgrund der verspäteten Rückgabe nicht in der Lage war, das Mietobjekt zeitnah weiter zu vermieten. Dass der Klägerin ein derartiger Schaden hier entstanden ist, ist unabhängig davon hinreichend wahrscheinlich, ob, wie es die Klägerin behauptet, sie bereits im Dezember 2010 einen neuen Mietvertrag über die Räumlichkeiten abgeschlossen hat. Denn dem Vermieter ist der Abschluss eines Nachfolgevertrages mit kalendermäßig bestimmtem Mietbeginn nicht zuzumuten, wenn - wie hier - zunächst ungewiss ist, wann der säumige Mieter die Sache zurückgibt. Er braucht sich nicht der Gefahr auszusetzen, sich dem Nachfolgemieter gegenüber schadensersatzpflichtig zu machen (vgl. Wolf/Eckert/Ball, Handbuch des gewerblichen Miet-, Pacht- und Leasingrechts, 10. Auflage, Rdn. 1144). Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze ist es als hinreichend wahrscheinlich anzusehen, dass die Klägerin das Objekt früher hätte vermieten können, wenn der Beklagte das Mietobjekt pflichtgemäß zum 31. Dezember 2010 geräumt hätte, und ihr damit ein Schaden entstanden ist.

b) Ob die Klägerin hat beweisen können, dass sie bereits im Dezember 2010 einen neuen Mietvertrag über das Objekt hat abschließen können, ist vor dem Hintergrund der vorstehenden Erwägungen unerheblich. Dies gilt auch unter Berücksichtigung der Behauptung des Beklagten, er hätte das Mietobjekt bei Kenntnis von einem solchen Vertragsschluss bis zum 31. Dezember 2010 geräumt. Denn die Räumungsverpflichtung des Beklagten, wegen deren Verletzung er sich möglicherweise schadensersatzpflichtig gemacht hat, bestand unabhängig davon, ob die Klägerin bereits einen Nachmieter gefunden hatte.

Angemerkt sei allerdings, dass der Senat die Beweiswürdigung des Landgerichts zu der Frage, ob die Klägerin am 3. Dezember 2010 tatsächlich einen Folgemietvertrag geschlossen hat, in jeder Hinsicht teilt.

c) Mit seinem mit Schriftsatz vom 18. März 2012 erhobenen Mitverschuldenseinwand vermag der Beklagte nicht durchzudringen. Von einer Neuvermietung im Dezember geht der Senat nicht aus, so dass ein hierauf gestütztes Mitverschulden schon deshalb nicht in Betracht kommt. Es kann daher auch offen bleiben, ob die Klägerin gegen Treu und Glauben verstoßen hat, weil sie den Beklagten nicht über die angeblich erfolgte Weitervermietung informiert hat. Ein Schadensersatzanspruch kann im Streitfall eben nicht nur auf eine bereits erfolgte Weitervermietung gestützt werden (so aber in dem von dem Beklagten herangezogenen Fall OLG München, Urteil vom 17. März 1989, 21 U 3209/88, ZMR 1989, 224); vielmehr hätte das Objekt unabhängig davon bei rechtzeitigem Auszug möglicherweise früher weitervermietet werden können. In diesem Zusammenhang ist schon der Vortrag des Beklagten widersprüchlich, wenn er einerseits behauptet, früher ausgezogen zu sein, wenn er von Weitervermietung gewusst hätte (Bl. 365 GA), und andererseits (Bl. 364 GA) vorträgt, die Klägerin habe gewusst, dass er nicht habe früher ausziehen können. Zudem kommt es aus den in dem Beschluss vom 28. Februar 2012 genannten Gründen auf die etwaige Weitervermietung nicht an, weil der Beklagte unabhängig davon gehalten war, das Objekt zum Jahresende 2010 zu räumen.

Insofern ist auch ein potentieller Schaden der Klägerin ersichtlich. Die Klägerin wird, wenn sie ihren Schadensersatzanspruch als Leistungsklage weiter verfolgt, allerdings darzulegen haben, wann und zu welchem Mietzins ihr bei rechtzeitigem Auszug konkret eine Weitervermietung möglich gewesen wäre. Bei einem um 3 Monate verspäteten Auszug ist es aber jedenfalls wahrscheinlich, dass hierdurch auch die Weitervermietung verzögert worden ist.

II.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO.

Es besteht kein Anlass, die Revision zuzulassen, § 543 Abs. 2 ZPO.