AG Neubrandenburg, Beschluss vom 11.06.2011 - 5 IN 581/04
Fundstelle
openJur 2012, 137003
  • Rkr:

Der selbstständig tätige Schuldner ist bereits während der Wohlverhaltensphase verpflichtet, die sich gemäß § 295 Abs. 2 InsO ergebenden Beträge an den Treuhänder zu zahlen. Eine Verletzung dieser Obliegenheit führt zur Versagung der Restschuldbefreiung.

Tenor

In dem Insolvenzverfahren über das Vermögen des

- Schuldners -

wird dem Schuldner die Restschuldbefreiung gemäß § 296 InsO versagt.

Gründe

Das Insolvenzverfahren über das Vermögen des Schuldners wurde am 17.8.2004 eröffnet. Nach Durchführung des Schlusstermins wurde dem Schuldner durch Beschluss vom 11.10.2006 die Restschuldbefreiung angekündigt.

Mit Schreiben vom 25.06.2008 wurde der Schuldner durch das Gericht aufgefordert, seine aktuellen wirtschaftlichen Verhältnisse darzulegen. Es erfolgte keine Reaktion des Schuldners.

Mit Schreiben vom 27.03.2009 erfolgte eine erneute Aufforderung an den Schuldner, Auskunft über seine Erwerbstätigkeit und die Einkünfte zu erteilen.

Die Versagungsantragstellerin beantragte mit Schreiben vom 31.03.2009 die Versagung der Restschuldbefreiung, da der Schuldner seine Pflicht zur Offenlegung der wirtschaftlichen Verhältnisse verletzt. In seiner Stellungnahme zum Versagungsantrag vom 14.04.2009 teilt der Schuldner nur mit, dass er die BWA 2007 und 2008 an den Treuhänder übersandt habe bzw. übersenden werde.

Der Treuhänder bestätigt mit Schreiben vom 30.04.2009 den Eingang der BWA 2006 - 2008 und teilt mit, dass der Schuldner während der Wohlverhaltensphase bisher keine Zahlungen geleistet habe. Der Schuldner sei mehrfach auf § 295 Abs. 2 InsO hingewiesen worden.

Mit Schreiben vom 13.05.2009 ergänzt die Versagungsantragstellerin den Antrag auf Versagung der Restschuldbefreiung hinsichtlich des Versagungsgrundes (§ 295 Abs. 2 InsO) der Glaubhaftmachung der Beeinträchtigung der Gläubigerbefriedigung.

In seiner Stellungnahme zum Versagungsantrag vom 25.05.2009 teilt der Schuldner mit, dass es sich nur um eine vorläufige BWA für 2008 handelt. Auf den Vorhalt, keine Beträge an den Treuhänder gezahlt zu haben, erklärt der Schuldner nur, dass er als Selbständiger nicht mit einem Angestellten gleich gesetzt werden könne und auch keine Freibeträge für ihn gelten, er sei vielmehr einem Geschäftsführer gleich gestellt. Der umfangreiche sonstige Vortrag des Schuldners steht in keinem Zusammenhang mit der Erfüllung der Obliegenheiten des § 295 InsO oder dem Versagungsantrag der Versagungsantragstellerin.

Der Antrag der Versagungsantragstellerin auf Versagung der Restschuldbefreiung ist fristgemäß sowie zulässig und begründet. Der Schuldner übt seit Ankündigung der Restschuldbefreiung eine selbständige gewerbliche Tätigkeit als Immobilienmakler aus.

Gemäß § 295 Abs. 2 InsO hat der Schuldner während der Wohlverhaltensphase die Insolvenzgläubiger durch Zahlungen an den Treuhänder so zustellen, als wenn er ein angemessenes Dienstverhältnis eingegangen wäre. Auf diese Pflicht wurde der Schuldner durch den Treuhänder hingewiesen.

Der Schuldner hat die betriebswirtschaftlichen Auswertungen für die Jahre 2006 bis 2008 vorgelegt, jedoch keine Zahlungen an den Treuhänder geleistet.

Der Schuldner hat während der Wohlverhaltsphase gemäß § 295 Abs. 1 Ziffer 1 InsO eine Erwerbsobliegenheit. Im vorliegenden Fall war der Schuldner verpflichtet, eine Erwerbstätigkeit entsprechend seiner Qualifikation aufzunehmen. Er hätte sich um eine Anstellung im Bereich der Immobilienwirtschaft bemühen müssen. Die Erwerbsobliegenheit kann der Schuldner aber auch durch Aufnahme einer selbständigen Tätigkeit erfüllen. Er muss sich dann jedoch so behandeln lassen, als wenn er ein angemessenes Dienstverhältnis in dieser Branche eingegangen wäre. Als Vergleichsmaßstab für Einkünfte aus einem angemessenen Dienstverhältnis eignen sich die Tarifverträge für die Wohnungs- und Immobilienwirtschaft. Die Versagungsantragstellerin hat durch die Vorlage von zwei Vergütungstarifverträgen glaubhaft gemacht, dass der Schuldner bei einer abhängigen Beschäftigung im Bereich der Wohnungs- und Immobilienwirtschaft ein monatliches Nettoeinkommen deutlich über dem Pfändungsfreibetrag (beim Schuldner sind keine Unterhaltspflichten zu berücksichtigen) erzielt hätte. Der Schuldner hätte als abhängig Beschäftigter monatlich ca. 900,-€ an den Treuhänder abführen müssen. Da sich der Schuldner nicht um eine abhängige Beschäftigung bemüht sondern eine selbständige Tätigkeit aufgenommen hat, musste er gem. § 295 Abs. 2 InsO den für einen abhängig Beschäftigten pfändbaren Betrag an den Treuhänder zahlen.

Seit Ankündigung der Restschuldbefreiung wären dies bisher ca. 27 000,- €. Zahlungen an den Treuhänder wurden durch den Schuldner bisher nicht geleistet. Der Schuldner hat die Gläubiger nicht so gestellt, als wenn er ein angemessenes Dienstverhältnis eingegangen wäre. Es mag dahingestellt sein, ob der Schuldner in Mecklenburg/Vorpommern bei einer Anstellung im Bereich Wohnungs- und Immobilienwirtschaft tatsächlich das im Vergütungstarifvertrag ausgewiesene Gehalt erzielt hätte. Es ist aber sehr wahrscheinlich, dass ein Gehalt oberhalb der für den Schuldner zutreffenden Pfändungsfreigrenze erzielt worden wäre. Durch den Verstoß gegen § 295 Abs. 2 InsO ist die Befriedigung der Gläubiger beeinträchtigt worden. Bei Abführung der dem pfändbaren Einkommen entsprechenden monatlichen Beträge hätte der Treuhänder bereits zweimal eine Auszahlung an die Gläubiger vornehmen können (§ 292 InsO). Auf Grund der Verletzung der Obliegenheit durch den Schuldner haben die Gläubiger in der Wohlverhaltensphase noch keine Zahlungen erhalten. Das schuldhafte Verhalten führte zu einer wirtschaftlich messbaren Beeinträchtigung der Befriedigung der Gläubiger.

Der Vortrag des Schuldners steht einer Versagung der Restschuldbefreiung nicht entgegen. Die Versagung der Restschuldbefreiung ist auch nicht unverhältnismäßig, da der Schuldner ausdrücklich auf seine Pflicht gemäß § 295 Abs. 2 InsO hingewiesen wurde und die Beeinträchtigung der Befriedigung der Gläubiger nicht unwesentlich ist.

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