LG Hamburg, Urteil vom 06.02.2009 - 324 O 160/08
Tenor

I. Die Beklagte zu 1) wird verurteilt, es bei Meidung eines vom Gericht fu?r jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes und fu?r den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann, einer Ordnungshaft oder einer Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, zu vollziehen an der Gescha?ftsfu?hrung der Beklagten (Ordnungsgeld im Einzelfall ho?chstens EUR 250.000,00, Ordnungshaft insgesamt ho?chstens zwei Jahre)

zu unterlassen

1. in Bezug auf die Kla?gerin zu vero?ffentlichen und/oder zu verbreiten und/oder vero?ffentlichen und/oder verbreiten zu lassen:

„(...) ein Resu?mee u?ber Bu?cherkritiken der großen deutschen Zeitungen, das an Internetbuchha?ndler wie A. (...) verkauft wird“;

2. durch die Formulierung

„des ‚ P., der seit mehr als sechs Jahren das deutschsprachige Feuilleton ‚scannt’ (...), mit einem virtuellen Schleppnetz, dessen Beute der P. anschließend nach Verwertbarkeit sortiert“

den Eindruck zu erwecken, die Kla?gerin bediene sich zur Vorauswahl der Artikel ihrer Presseschauen eines automatisierten Systems.

II. Die Beklagte zu 2) wird verurteilt, es bei Meidung eines vom Gericht fu?r jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes und fu?r den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann, einer Ordnungshaft oder einer Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, zu vollziehen an der Gescha?ftsfu?hrung der Beklagten (Ordnungsgeld im Einzelfall

ho?chstens EUR 250.000,00, Ordnungshaft insgesamt ho?chstens zwei Jahre)

zu unterlassen

1. in Bezug auf die Kla?gerin zu vero?ffentlichen und/oder zu verbreiten und/oder vero?ffentlichen und/oder verbreiten zu lassen:

„(...) ein Resu?mee u?ber Bu?cherkritiken der großen deutschen Zeitungen, das an Internetbuchha?ndler wie A. (...) verkauft wird“;

2. durch die Formulierung

„des ‚ P., der seit mehr als sechs Jahren das deutschsprachige Feuilleton ‚scannt’ (...), mit einem virtuellen Schleppnetz, dessen Beute der P. anschließend nach Verwertbarkeit sortiert“

den Eindruck zu erwecken, die Kla?gerin bediene sich zur Vorauswahl der Artikel ihrer Presseschauen eines automatisierten Systems.

III. Die Beklagte zu 1) wird verurteilt, in der nach Rechtskraft dieser Entscheidung na?chst folgenden, fu?r den Druck noch nicht abgeschlossenen Ausgabe der „ F.“ die nachfolgende Richtigstellung ohne Weglassungen und Einschu?be zu vero?ffentlichen, wobei die Schriftgro?ße des Wortes „Richtigstellung“ der Schriftgro?ße der Worte „Absurde Diktatur“ („ F.“ Nr. 148 vom 29. Juni 2007, Seite 42 unten rechts) zu entsprechen hat:

Richtigstellung

In der F. Nr. 148 vom 29. Juni 2007 schrieben wir auf Seite 42 unter der U?berschrift „Die Gedanken der anderen“ u?ber T. C. als Mitbegru?nder des Unternehmens P. und die von diesem betriebene Internetseite:

„Nach der Verleihung des Grimme-Online-Preises wurde C. damit zitiert, dass er es sich gut vorstellen ko?nne, eigene Rezensionen anzubieten. Es blieb bei der Vorstellung.“

Hierzu stellen wir richtig:

Das Unternehmen P. vero?ffentlicht auf seiner Internetseite sowohl

eigene Rezensionen als auch Rezensionen von C..

Die Redaktion

IV. Im U?brigen wird die Klage abgewiesen.

V. Die Gerichtskosten und die außergerichtlichen Kosten der Kla?gerin haben die Kla?gerin zu 10/17, die Beklagte zu 1) zu 5/17 und die Beklagte zu 2) zu 2/17 zu tragen.

Die außergerichtlichen Kosten der Beklagten zu 1) haben die Kla?gerin zu 8/13 und die Beklagte zu 1) zu 5/13 zu tragen.

Die außergerichtlichen Kosten der Beklagten zu 2) haben die Kla?gerin und die Beklagte zu 2) je zur Ha?lfte zu tragen.

VI. Das Urteil ist hinsichtlich Ziffern I. und II. jeweils gegen Sicherheitsleistung in Ho?he von EUR 10.000,00 vorla?ufig vollstreckbar. Im Kostenpunkt ist das Urteil fu?r die Kla?gerin und fu?r die Beklagte zu 1) gegen Sicherheitsleistung in Ho?he von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorla?ufig vollstreckbar.

Fu?r die Beklagte zu 2) ist das Urteil vorla?ufig vollstreckbar. Die Kla?gerin kann die Vollstreckung der Beklagten zu 2) durch Sicherheitsleistung in Ho?he von 110 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte zu 2) vor der Vollstreckung Sicherheit in Ho?he von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet;

und beschließt: Der Streitwert wird auf EUR 85.000,- festgesetzt.

Tatbestand

Die Klägerin nimmt die Beklagten jeweils auf Unterlassung einer Wortberichterstattung und die Beklagte zu 1) darüber hinaus auf Abdruck einer Richtigstellung in Anspruch.

Die Klägerin bietet unter www. P..de Zusammenfassungen von Feuilletonartikeln deutschsprachiger Zeitungen an und erstellte für die Internetseite www. e..net eine Presseschau. Die Beklagte zu 1) verlegt die Tageszeitung „ F.“. In deren Ausgabe vom 29. Juni 2007 veröffentlichte sie auf Seite 42 unter der Überschrift „Die Gedanken der anderen“ einen Artikel über die Klägerin. Darin hieß es unter anderem:

„ C. ist der Gründer des ‚ P., der seit mehr als sechs Jahren das deutschsprachige Feuilleton ‚scannt’, wie es auf Denglisch heißt, mit einem virtuellen Schleppnetz, dessen Beute der P. anschließend nach Verwertbarkeit sortiert: (...)
(...) und dort ‚ein Resümee über Bücherkritiken der großen deutschsprachigen Zeitungen’, das an Internetbuchhändler wie A. und B..de verkauft wird. (...)
[in Bezug auf die Erstellung des Newsletters „ e.“], dass einige Korrespondenten von Deutschland aus arbeiten, von wo aus der Blick ins ausländische Feuilleton schwerfällt. Man schaut halt mangels Zeitung auf die mageren Internetangebote. Und schon ist der hohe Anspruch dahin. (...)
Nach der Verleihung des Grimme-Online-Preises wurde C. damit zitiert, dass er es sich gut vorstellen könne, eigene Rezensionen anzubieten. Es blieb bei der Vorstellung. (...)“

Der Artikel wurde außerdem von der Beklagten zu 2) unter www. F..net veröffentlicht. Wegen der Einzelheiten der Berichterstattungen wird auf Anlagen K 1 und K 7 Bezug genommen.

Die Klägerin verkauft seit März 2005 keine Rezensionsnotizen mehr an A..de, beliefert allerdings den Internetbuchhändler B..de. Ihre Mitarbeiter bedienen sich zur Vorauswahl der in D.schauen aufzunehmenden Artikel keines automatisierten Systems. Sie bietet seit 2000 eigene Buchrezensionen auf ihrer Internetseite an. Ihr Mitbegründer C. veröffentlicht regelmäßig Beiträge auf der Internetseite (vgl. Anlage B 4).

Die Klägerin erstellte aufgrund eines Vertrages mit der Bundeszentrale für politische Bildung den Newsletter „ e.“. Hierfür lasen die Korrespondenten der Klägerin nicht alle von ihnen ausgewerteten Zeitungen in der jeweiligen Print-Ausgabe, sondern griffen teilweise auf so genannte E-papers (elektronische Faksimiles der jeweiligen Print-Ausgaben) oder auf Online- bzw. HTML-Ausgaben der Zeitungen bzw. Zeitschriften zu. Laut Vertrag waren sie verpflichtet, „eine täglich fundierte Presseauswertung aus den einzelnen europäischen Ländern auf die Website der bpb“ zu stellen und hierfür insbesondere „aus jedem europäischen Land (mindestens aber den EU-Ländern) [...] zumindest das kulturelle und politische Feuilleton, aber auch die Leitartikel und wesentlichen Kommentare der führenden Zeitungen und/oder Zeitschriften [zu lesen] (mindestens zwei je Land)“ (Anlage K 11).

Die Klägerin war verpflichtet, für P. die Tageszeitungen „ R.“ und „ G. W.“ auszuwerten. Der von Deutschland aus tätige Korrespondent nahm Zugriff auf die frei zugänglichen HTML-Ausgaben dieser Zeitungen, wobei dort im Falle der „ R.“ nur ausgewählte Artikel aus der Print-Ausgabe erschienen und im Falle der „ G. W.“ Kommentare und Hintergrundberichte häufig nicht zeitlich mit der Print-Ausgabe, sondern erst nachmittags oder am folgenden Tag veröffentlicht wurden. Für Ö. wertete die Klägerin gemäß ihrer vertraglichen Verpflichtung die Zeitungen „ D.“ und „ <leer> S.“ aus. Sie legte dabei nicht die Print-Ausgaben zugrunde, wobei für „ D.“ nur ein Online-Angebot zur Verfügung stand, in dem nicht alle Artikel der Print-Ausgabe veröffentlicht werden (vgl. Anlagenkonvolut B 6). Für E. wertete die Klägerin die Online-Ausgaben der Zeitungen „ P.“ und „ E.“, für L. „ L.“ und für L. „ D.“ aus, wobei diese inhaltlich von den jeweiligen Print-Ausgaben abwichen. Die von der Klägerin ausgewerteten drei reinen Online-Zeitungen der baltischen Staaten beschränkten sich größtenteils auf die Übernahme von Nachrichtenagenturmeldungen; die größte und meistgelesene unter ihnen („ d..lv“) beschäftigte seit 2005 nur eine Journalistin. Für die S. erhielt der zuständige Redakteur der Klägerin die Print-Ausgaben der „ P.“ und der „ S.“ zugesandt, hinsichtlich der „ P.“ jeweils mit einem Tag Verspätung.

Die Klägerin erwirkte wegen der streitgegenständlichen Berichterstattungen gegen die Beklagte zu 1) die einstweilige Verfügung der Kammer vom 8. August 2007 (Az. 324 O 647/07; Anlage K 4) und gegen die Beklagte zu 2) die einstweilige Verfügung der Kammer vom 9. August 2007 (Az. 324 O 727/07; Anlage K 8). Die Beklagten gaben hinsichtlich der vorliegend angegriffenen Äußerungen keine Abschlusserklärungen ab (Anlage K 9).

Die Klägerin trägt vor, sie habe mit Zustimmung der Bundeszentrale für politische Bildung in den baltischen Ländern mangels großer Qualitätszeitungen die reinen Internetmedien ausgewertet, die nicht „magerer“, sondern „fetter“ als die wenigen, fast gar nicht gelesenen Tageszeitungen seien. Zur Auswertung der darüber hinaus von ihr gelesenen Zeitungen „ P.“, „ E.“, „ L.“ und „ D.“ sei sie nicht verpflichtet gewesen.

Nach der Verleihung des Grimme Online Awards im Jahre 2003 habe der Mitbegründer C. der Klägerin wiederholt selbst verfasste Artikel und Rezensionen auf den Internetseiten der Klägerin veröffentlicht. Die Klägerin nimmt insoweit Bezug auf Anlage K 18. Im Übrigen beziehe sich die diesbezüglich angegriffene Äußerung erkennbar auf die Klägerin, nicht auf deren Gründer.

Die Klägerin meint, dass der Durchschnittsleser den Begriff „scannen“ zwingend mit einem automatisierten Vorgang in Zusammenhang bringe, und verweist insoweit auf Auszüge aus einem Internet-Wörterbuch (Anlagen K 21 und K 22). In Verbindung mit dem Begriff „Schleppnetz“ (im Sinne des Fangs einer großen Beute, die dann erst individuell gesichtet und ausgewertet werde) bringe der Leser auch den Begriff „virtuell“ (künstlich) mit einem mechanischen, automatischen bzw. computergesteuerten Vorgang in Verbindung.

Unter Abänderung des gegenüber der Beklagten zu 1) zunächst begehrten Richtigstellungstextes und unter Aufgabe eines zwischenzeitlich mit Schriftsatz vom 29. August 2008 angekündigten diesbezüglichen Hilfsantrags beantragt die Klägerin nunmehr,

I. die Beklagte zu 1) zu verurteilen, es bei Meidung eines vom Gericht für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000 Euro, ersatzweise Ordnungshaft, oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, letztere zu vollziehen an der Geschäftsführung, zu unterlassen, in Bezug auf die P. M. GmbH zu veröffentlichen und/oder zu verbreiten und/oder veröffentlichen und/oder verbreiten zu lassen,
1a) „Man schaut halt mangels Zeitung auf die mageren Internetangebote.“
1b) „(...) ein Resümee über Bücherkritiken der großen deutschen Zeitungen, das an Internetbuchhändler wie A. (...) verkauft wird“.
und
2. durch die Formulierung
„des ‚ P., der seit mehr als sechs Jahren das deutschsprachige Feuilleton ‚scannt’ (...), mit einem virtuellen Schleppnetz, dessen Beute der P. anschließend nach Verwertbarkeit sortiert“
den Eindruck zu erwecken, die Klägerin bediene sich zur Vorauswahl der Artikel ihrer Presseschauen eines automatisierten Systems.
II. die Beklagte zu 2) zu verurteilen, es bei Meidung eines vom Gericht für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000 Euro, ersatzweise Ordnungshaft, oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, letztere zu vollziehen an der Geschäftsführung, zu unterlassen, in Bezug auf die P. M. GmbH zu veröffentlichen und/oder zu verbreiten und/oder veröffentlichen und/oder verbreiten zu lassen,
1a) „Man schaut halt mangels Zeitung auf die mageren Internetangebote.“
1b) „(...) ein Resümee über Bücherkritiken der großen deutschen Zeitungen, das an Internetbuchhändler wie A. (...) verkauft wird“.
und
2. durch die Formulierung
„des ‚ P., der seit mehr als sechs Jahren das deutschsprachige Feuilleton ‚scannt’ (...), mit einem virtuellen Schleppnetz, dessen Beute der P. anschließend nach Verwertbarkeit sortiert“
den Eindruck zu erwecken, die Klägerin bediene sich zur Vorauswahl der Artikel ihrer Presseschauen eines automatisierten Systems.
III. die Beklagte zu 1) zu verurteilen, in der nächst folgenden, für den Druck noch nicht abgeschlossenen Ausgabe der „ F.“ die nachfolgende Richtigstellung ohne Weglassungen und Einschübe zu veröffentlichen, wobei die Schriftgröße des Wortes „Richtigstellung“ der Schriftgröße der Worte „Die Gedanken der anderen“ zu entsprechen und die Fundstelle einfachen Fettdruck aufzuweisen hat.
Richtigstellung
In der F. Nr. 148 vom 29. Juni 2007 schreiben wir auf Seite 42 unter der Überschrift „Die Gedanken der anderen“ über das Unternehmen P. M. GmbH und die von ihm betriebene Internetseite www. P..de:
„... des ‚ P., der seit mehr als sechs Jahren das deutschsprachige Feuilleton ‚scannt’ (...), mit einem virtuellen Schleppnetz (...), dessen Beute der P. anschließend nach Verwertbarkeit sortiert.“
Hierzu stellen wir richtig:
Der hierdurch erweckte Eindruck, die P. M. GmbH bediene sich auf der Internetseite www. P..de eines automatisierten Systems zur Vorauswahl von Artikeln seiner Presseschauen, ist falsch. Es gibt kein solches automatisiertes System.
Weiterhin schreiben wir über T. C. als Mitbegründer des Unternehmens P. und die von diesem betriebene Internetseite:
„Nach der Verleihung des Grimme-Online-Preises wurde C. damit zitiert, dass er sich gut vorstellen könne, eigene Rezensionen anzubieten. Es blieb bei der Vorstellung.“
Hierzu stellen wir richtig:
Das Unternehmen P. veröffentlicht auf seiner Internetseite sowohl
eigene Rezensionen als auch Rezensionen von C..
Schließlich schreiben wir in Bezug auf die e.-Presseschau, die
von der P. M. GmbH erstellt wird:
„(...) dass einige Korrespondenten von Deutschland aus arbeiten, von wo der Blick ins ausländische Feuilleton schwerfällt. Man schaut halt mangels Zeitung auf die mageren Internetangebote.“
Hierzu stellen wir richtig:
Alle Korrespondenten der e.-Presseschau haben Zugang zum Inhalt der Printausgaben aller ausgewerteten Zeitungen, da ihnen entweder die Druckausgaben vorliegen oder sie über das Internet die online veröffentlichten Printausgabe einsehen können. Der erweckte Eindruck, die Korrespondenten würden nicht im Inhalt der Printausgabe recherchieren, ist falsch.
Die Redaktion

Die Beklagten beantragen,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagten rügen hinsichtlich des Vortrags der Klägerin, dass ihr Mitbegründer C. selbst Artikel und Rezensionen auf der Internetseite der Klägerin veröffentlicht habe, Verspätung und bestreiten mit Nichtwissen, dass er diese Beiträge selbst verfasst habe. Die aus Anlage K 18 ersichtlichen Beiträge seien Interviews und Berichte, aber keine Rezensionen.

Die Beklagten meinen, die Behauptung, dass die Klägerin A..de auch gegenwärtig mit Rezensionen beliefere, habe keine persönlichkeitsrechtlich relevanten Auswirkungen.

Wegen des weiteren Parteivortrags wird auf die zur Akte gereichten Schriftsätze und Anlagen sowie auf die Protokolle der mündlichen Verhandlungen vom 20. Juni 2008 und 21. November 2008 verwiesen.

Gründe

I. Die zula?ssige Klage ist nur teilweise begru?ndet.

1. Der Kla?gerin stehen gegen beide Beklagten die jeweils geltend gemachten Unterlassungsanspru?che gema?ß §§ 823 Abs. 1, 1004 Abs. 1 S. 2 BGB analog in Verbindung mit Artt. 2 Abs. 1, 19 Abs. 3 GG nur im aus dem Tenor ersichtlichen Umfang zu.

a) Die Vero?ffentlichung der mit den Antra?gen zu I.1.b) bzw. II.1.b) angegriffenen Berichterstattung verletzt das allgemeine Unternehmensperso?nlichkeitsrecht der Kla?gerin, soweit darin die Behauptung enthalten ist, die Kla?gerin verkaufe Resu?mees u?ber Bu?cherkritiken an den Internetbuchha?ndler A..de. Insoweit stellte die angegriffene Passage bereits zum Zeitpunkt ihrer Vero?ffentlichung eine unwahre Tatsachenbehauptung dar, deren Verbreitung die Kla?gerin nicht hinzunehmen hat. Auch juristische Personen ko?nnen sich auf den Schutz vor Unwahrheiten, etwa bei Verletzung ihres sozialen Geltungsanspruchs, berufen (vgl. Burkhardt in Wenzel, Das Recht der Wort- und Bildberichterstattung, 5. Aufl. 2003, Kap. 5, Rz. 77). Die Schwelle zur Verletzung des Unternehmensperso?nlichkeitsrechtes ist vorliegend, ohne dass hier zu hohe Anforderungen gestellt werden du?rfen, u?berschritten, da es fu?r die Außenwirkung und insbesondere die gescha?ftlichen Chancen der Kla?gerin eine Rolle spielen kann, ob Dritte annehmen, dass sie (auch) an A..de Rezensionen vera?ußert. Abgesehen davon besteht fu?r die Wiederholung einer unwahren Tatsachenbehauptung kein berechtigtes Informationsinteresse.

Soweit mit diesen Unterlassungsantra?gen daru?ber hinaus die gesamte A?ußerung bezu?glich des Verkaufs an Internetbuchha?ndler angegriffen wird, sind sie allerdings unbegru?ndet. Denn die Kla?gerin vera?ußert Bu?cherkritiken an den Internetbuchha?ndler B..de; die angegriffene A?ußerung ist also nicht insgesamt, sondern nur in Bezug auf A..de unwahr.

b) Auch hinsichtlich der mit den Antra?gen zu I.2. bzw. II.2. angegriffenen Passage steht der Kla?gerin wegen Verletzung ihres Unternehmensperso?nlichkeitsrechts der jeweils geltend gemachte Unterlassungsanspruch zu. Die Vero?ffentlichung dieser Passage verletzt das allgemeine Unternehmensperso?nlichkeitsrecht der Kla?gerin. Es ist davon auszugehen, dass zumindest ein erheblicher Teil der Leserschaft der Beklagten die A?ußerung so versteht, dass die Kla?gerin bei der Vorauswahl der Artikel ihrer Presseschauen ein automatisiertes System genutzt habe. Maßgeblich fu?r die Deutung einer Aussage ist weder die subjektive Absicht des sich A?ußernden noch das subjektive Versta?ndnis des von der A?ußerung Betroffenen, sondern der Sinn, den sie nach dem Versta?ndnis eines unvoreingenommenen und versta?ndigen Durchschnittspublikums hat. Fern liegende Deutungen sind auszuscheiden; im Falle der Mehrdeutigkeit ist von einem mehrdeutigen Inhalt auszugehen (BVerfG, 1 BvR 1696/98 vom 25.10.2005, Absatz-Nr. 31 – „Stolpe“).

Vorliegend liegt bei der Lektu?re der A?ußerung der Eindruck im Sinne einer verdeckten Tatsachenbehauptung nicht fern, dass die Kla?gerin tatsa?chlich die Feuilletons deutschsprachiger Zeitungen oder Zeitschriften „scanne“ oder in anderer Weise eine computergestu?tzte bzw. automatische Vorauswahl treffe und dass erst im zweiten Schritt ihre Mitarbeiter die Vorauswahl sortierten und verwertbare Artikel auswa?hlten. Dieser Eindruck kann insbesondere durch die Verwendung der Begriffe „scannen“ und „virtuell“ erweckt werden, welche dem Leser aus dem Bereich der EDV-Technik bzw. -Simulation bekannt sind. Dieser mo?gliche Eindruck ist unwahr, so dass die Kla?gerin die erneute Verbreitung (ohne Klarstellung) nicht hinzunehmen hat.

c) Die den Unterlassungsanspruch nach § 1004 Abs. 1 Satz 2 BGB auslo?sende Wiederholungsgefahr ist jeweils indiziert, da zu vermuten ist, dass ein einmal erfolgter rechtswidriger Eingriff wiederholt werden wird (vgl. BGH, Urteil vom 08.02.1994, NJW 1994, 1281, 1283). Diese Vermutung haben die Beklagten nicht widerlegt.

2. Die weiteren Unterlassungsantra?gen zu I.1.a) bzw. II.1.a), mit denen die Kla?gerin die A?ußerung angreift, man schaue halt mangels Zeitung auf die mageren Internetangebote, sind nicht begru?ndet. Die A?ußerung beinhaltet zum einen die tatsa?chliche Behauptung, dass die Kla?gerin statt der jeweiligen Print-Ausgaben die Internetangebote von Zeitungen auswerte. Diese Behauptung ist – zwar nicht fu?r jede Zeitung, aber fu?r mehrere der ausgewerteten Zeitungen – zutreffend, so dass insoweit keine Verletzung des Unternehmensperso?nlichkeitsrechts der Kla?gerin vorliegt.

Aber auch soweit die A?ußerung den Zusatz „mageren“ beinhaltet, stehen der Kla?gerin die geltend gemachten Unterlassungsanspru?che nicht zu. Diese A?ußerung stellt eine Meinungsa?ußerung dar und genießt damit grundsa?tzlich den Schutz der Meinungsfreiheit aus Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG. Der Begriff „mager“ hat aus der Sicht des durchschnittlichen Rezipienten im Kontext keine so eindeutige Bedeutung, dass er einer objektiven Kla?rung bzw. Beweiserhebung zuga?nglich wa?re, somit also von einer Tatsachenbehauptung auszugehen wa?re. Vielmehr handelt es sich um eine Bewertung der von der Kla?gerin ausgewerteten Internetangebote. Fu?r diese Bewertung liegen ausreichende Anknu?pfungstatsachen vor. Zwar bleiben die von der Kla?gerin ausgewerteten Internet-Ausgaben nicht in allen Fa?llen inhaltlich hinter den jeweiligen Print-Ausgaben zuru?ck. Da sich schon aus dem Artikel der Beklagten ergibt, dass nicht alle, sondern nur einige Korrespondenten der Kla?gerin von Deutschland aus arbeiteten, genu?gt es aber, dass es einige Publikationen gibt, bei denen die von den Korrespondenten gelesenen Online-Ausgaben dauerhaft weniger Artikel umfassen als die jeweiligen Print-Ausgaben (etwa fu?r P. die „ R.“ und fu?r O?. „ D.“) oder bei denen manche Artikel erst mit Verzo?gerung in den Online-Ausgaben vero?ffentlicht werden (etwa die polnische „ G. W.). Darauf, ob die Kla?gerin in den baltischen La?ndern abweichend von der vertraglichen Regelung (Anlage K 11) nicht die Printmedien, sondern reine Online-Zeitungen auswerten sollte, kommt es angesichts der genannten Fa?lle nicht mehr an. Unterstellt man eine derartige Sonderregelung, ist im U?brigen auch insoweit die angegriffene Bewertung als „mager“ vom Schutz der Meinungsfreiheit gema?ß Art. 5 Abs. 1 GG gedeckt, denn in den von der Kla?gerin ausgewerteten baltischen Online-Medien werden unstreitig gro?ßtenteils nur Nachrichtenagenturmeldungen u?bernommen.

3. Der von der Kla?gerin gegen die Beklagte zu 1) gerichtete Antrag auf Abdruck einer Richtigstellung ist nur teilweise – im aus dem Tenor ersichtlichen Umfang – gema?ß §§ 823 Abs. 1, 1004 Abs. 1 S. 2 BGB analog begru?ndet.

a) Bei der Passage u?ber die von C. gea?ußerte Vorstellung, eigene Rezensionen anzubieten, handelt es sich um eine Tatsachenbehauptung, die in beiden mo?glichen Versta?ndnisvarianten unwahr ist. Zum einen bietet die Kla?gerin selbst schon seit 2000 eigene Buchrezensionen an. Zum anderen hat auch C. selbst nach der Verleihung des Grimme Online Awards im Jahre 2003 Rezensionen auf der Internetseite der Kla?gerin vero?ffentlicht. Nachdem die Beklagte unter Bezugnahme auf einen von ihr vorgelegten Auszug aus der Internetseite der Kla?gerin (Anlage B 4) selbst vorgetragen hat, dass C. regelma?ßig Beitra?ge auf P..de vero?ffentlicht, kann sie den Vortrag der Kla?gerin, dass C. die auf Anlage B 4 erwa?hnten und im Einzelnen mit Anlage K 18 vorgelegten Beitra?ge selbst verfasst habe, nicht mehr mit Nichtwissen bestreiten. Ohnehin zielt die angegriffene Passage letztlich auf die Behauptung, auf der Internetseite der Kla?gerin wu?rden nur fremde (bereits vero?ffentlichte) Rezensionen resu?miert; tatsa?chlich wurden dort aber seit 2000 origina?re Beitra?ge neu vero?ffentlicht, darunter auch solche von C.. Unter C. Artikeln finden sich Rezensionen von Filmen und zumindest ein Beitrag (mit dem Titel „Let’s Talk European!“), der nach Einscha?tzung der Kammer (auch ohne die Erforderlichkeit der Einholung eines Sachversta?ndigengutachtens) als Buchrezension im weiteren Sinne bezeichnet werden kann.

Die Verpflichtung zum Abdruck der aus dem Tenor ersichtlichen Richtigstellung ist gerechtfertigt, da diese geboten erscheint, um einer noch fortbestehenden Ansehensminderung von erheblichem Gewicht entgegenzuwirken. Denn die Behauptung, die Kla?gerin und/oder ihr Mitbegru?nder C. vero?ffentlichten trotz Anku?ndigung keine eigenen Rezensionen auf der Internetseite der Kla?gerin, ist geeignet, den Ruf der Kla?gerin nachhaltig zu beeintra?chtigen. Im Kontext der Berichterstattung dient sie dazu, den Vorwurf, die Kla?gerin bediene sich ausschließlich der „Gedanken der anderen“ und C. lebe „schon lange nicht mehr von der eigenen scho?pferischen Leistung im kulturellen Sinne“, zu untermauern. Dieser Vorwurf betrifft zentral das Gescha?ftsmodell der Kla?gerin, welches letztlich mit der „schwelenden Urheberrechtsdebatte“, auf die die Beklagte zu 1) auch Bezug nimmt, stehen und fallen du?rfte. Angesichts der scharfen Kritik seitens der Beklagten zu 1) besteht ein berechtigtes Interesse der Kla?gerin an einer Richtigstellung der der Kritik zugrunde gelegten Fakten.

Soweit die aus Ziffer III. des Tenors ersichtliche Abdruckanordnung hinter der begehrten Abdruckanordnung zuru?ckbleibt, beruht dies auf der Beru?cksichtigung des Gebotes der Waffengleichheit und der Verha?ltnisma?ßigkeit.

b) Der daru?ber hinausgehende Richtigstellungsantrag, mit dem die Kla?gerin die A?ußerung u?ber den „’ P.(s)’, der seit mehr als sechs Jahren das deutschsprachige Feuilleton ‚scannt’ (...) mit einem virtuellen Schleppnetz, dessen Beute der P. anschließend nach Verwertbarkeit sortiert“ angreift, ist nicht begru?ndet. Anders als beim Unterlassungsanspruch (vgl. oben 1.b) kann ein Richtigstellungsanspruch nicht damit begru?ndet werden, dass eine A?ußerung neben einem zutreffenden wahren Eindruck einen nicht fern liegenden unzutreffenden Eindruck erweckt. Vielmehr mu?ssen bei mehrdeutigen A?ußerungen angesichts der weit reichenden Folgen des Richtigstellungsanspruchs fu?r den A?ußernden und zur Vermeidung negativer Auswirkungen auf die generelle Ausu?bung des Grundrechts der Meinungsfreiheit Deutungen ausgeschlossen werden, welche die Sanktion nicht zu rechtfertigen vermo?gen (vgl. BVerfG, Beschluss vom 19. Dezember 2007, 1 BvR 967/05, Juris Rz. 32f.), mit anderen Worten: Bei der angegriffenen Deutung muss es sich um einen so genannten zwingenden Eindruck handeln.

Der Eindruck, dass sich die Kla?gerin zur Vorauswahl von Artikeln ihrer Presseschauen, eines automatisierten Systems bediene, dra?ngt sich fu?r den durchschnittlichen, unvoreingenommenen Leser nicht zwingend auf. Dadurch, dass der Begriff „scannen“ in Anfu?hrungszeichen gesetzt ist, und durch den Einschub „wie es auf Denglisch heißt“, wird fu?r mindestens einen erheblichen Teil der Leser deutlich, dass die Beklagte zu 1) nicht behaupten will, dass die Kla?gerin das Feuilleton tatsa?chlich im technischen Sinne scanne. Vielmehr ist fu?r den Leser der Eindruck mo?glich, dass die Beklagte zu 1) den Begriff „scannen“ (wie auch den Begriff des „virtuellen Schleppnetzes“) im u?bertragenen Sinne gebraucht, wobei die Begriffe „ P.“ und „Schleppnetz“ erkennbar wortspielerisch miteinander in Verbindung gesetzt werden. Im Kontext der gesamten Berichterstattung liegt fu?r den Leser das Versta?ndnis, dass die Mitarbeiter der Kla?gerin Feuilletontexte lesend „u?berfliegen“ und dann im Einzelnen eine Auswahl treffen, mindestens genauso nahe wie das Versta?ndnis, dass bei diesen Vorga?ngen ein automatisiertes System genutzt werde.

c) Schließlich ist der geltend gemachte Richtigstellungsanspruch auch nicht begru?ndet, soweit er sich gegen die A?ußerung u?ber den Blick auf die mageren Internetangebote richtet. Einer Berichtigungsforderung sind nur nachweislich unwahre Tatsachenbehauptungen zuga?nglich (vgl. nur Gamer in Wenzel, a.a.O., Kap. 13 Rz. 13 und 17). Wie oben unter Ziffer 2. ausgefu?hrt, ist die angegriffene Passage nicht unwahr, da die Kla?gerin tatsa?chlich in mehreren Fa?llen auf die Internet-Ausgaben von Zeitungen zugriff; im U?brigen entha?lt die A?ußerung mit „mager“ eine (zula?ssige) Bewertung.

II. Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 91, 92 Abs. 1 Satz 1 ZPO. Die Entscheidung u?ber die vorla?ufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 11, 709 Satz 1 und 2, 711 ZPO. Die Festsetzung des Streitwerts folgt aus § 3 ZPO (je EUR 8.000,00 pro angegriffener A?ußerung unter Ziffern I.1.a), I.2, II.1.a) und II.2 des Antrages; je EUR 4.000,00 pro angegriffener A?ußerung unter Ziffern I.1.b) und II.1.b) des Antrages; je EUR 15.000,00 pro mit dem Antrag zu III. angegriffener A?ußerung).