LG Paderborn, Urteil vom 26.11.2009 - 3 O 170/09
Fundstelle
openJur 2012, 127723
  • Rkr:
Tenor

hat die 3. Zivilkammer des Landgerichts Paderborn

auf die mündliche Verhandlung vom 26.11.2009

durch die Richterin am Landgericht …, die Richterin am Landgericht … und den Richter …

für Recht erkannt:

Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin aus der Berufsunfähigkeitszusatzversicherung zu Lebensversicherung Nr. 217958371 über den 01.02.2010 hinaus, jedoch längstens bis zum 01.02.2033, die Rentenzahlung als bedingungsmäßige Leistung wegen Berufsunfähigkeit zu erbringen.

Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages.

Tatbestand

Die Klägerin begehrt die Feststellung, dass eine Rentenzahlungspflicht aus einer Berufsunfähigkeitszusatzversicherung bis zum Ablauf der Hauptversicherung - einer Kapitallebensversicherung - besteht.

Die Klägerin schloss im Jahr 1979 bei der ….. eine Kapitallebensversicherung mit Berufsunfähigkeitszusatzversicherung ab. Mit Schreiben vom 18.07.1986 unterbreitete die …. durch den Versicherungsvertreter …, gewerblich niedergelassen in …., der Klägerin ein Änderungsangebot. Dieses nahm die Klägerin am 02.10.1986 an. Der Vertrag wurde durch die Beklagte mit Versicherungsschein vom 06.11.1986 bestätigt. Die Berufsunfähigkeitszusatzversicherung sollte im Falle der Berufsunfähigkeit von mindestens 50% sowohl eine Rente ausschütten (jährlich 60.000,00 DM = 30.677,98 €), als auch die Freistellung von der Beitragszahlung für die Haupt- und die Zusatzversicherung sicherstellen. Nach 1986 gab es zwischen den Parteien keine weiteren vertragsändernden Abreden.

Die Beitragszahlung der Kapitallebensversicherung läuft spätestens am 01.02.2033 ab. Da das Gewinnanteil-Guthaben zur Abkürzung der Versicherungsdauer verwendet wird, wird der Ablauf der Hauptversicherung vorgezogen (sog. G-Klausel). Der genaue Ablauftermin steht folglich noch nicht fest. 1986 wurde der als Termin der 01.02.2010 prognostiziert.

Weiterhin enthielt sowohl das Änderungsangebot vom 18.07.1986 als auch der Versicherungsschein vom 06.11.1986 einen mit dem *-Zeichen gekennzeichneten Zusatz, der eine Beitragsreduktion der monatlichen Zahlungen ab dem 01.02.2010 aus Gründen des Ablaufs der Berufsunfähigkeitszusatzversicherung vorsah. Hinsichtlich des genauen Wortlauts des Änderungsangebotes und des Versicherungsscheins wird auf die Anlagen K2 (Bl. 12 d. A.) und K3 (Bl. 13 d. A.) verwiesen.

Der Berufsunfähigkeitszusatzversicherung lagen allgemeine (Versicherungs-) Bedingungen zugrunde, wobei streitig ist, ob für den im Jahr 1986 geänderten Vertrag die Bedingungen des ursprünglich geschlossenen Vertrages aus dem Jahr 1979 gelten sollten oder ob für den Änderungsvertrag Bedingungen aus dem Jahr 1985 herangezogen werden müssen und wie deren Regelungsgehalt bezüglich des Erlöschens der bedingungsmäßigen Leistungen auszulegen ist. Hinsichtlich des genauen Wortlauts der allgemeinen Versicherungsbedingungen aus den Jahren 1979 und 1985 wird auf die Anlagen K4 (Bl. 14 d. A.) und B5 (Bl. 80 d. A.) sowie insbesondere auf § 1 Ziff. 4 der Bedingungen bzw. § 1 Ziff. 3 der Bedingungen verwiesen.

Seit 1988 ist die ehemals selbstständig tätige Klägerin berufsunfähig. Aufgrund dieser Berufsunfähigkeit erhält die Klägerin bis heute aus der Berufsunfähigkeitszusatzversicherung von der Beklagten die vertraglich vereinbarte Berufsunfähigkeitsrente. Weiterhin ist sie von der Beitragspflicht hinsichtlich der Haupt- und Zusatzversicherung befreit.

Im Jahr 1993 wurde die ….. einschließlich des streitgegenständlichen Vertrages von der Beklagten übernommen.

Die Klägerin ist der Ansicht, die Rentenzahlungspflicht aus der Berufsunfähigkeitszusatzversicherung ende in Koppelung mit der Hauptversicherung spätestens am 01.02.2033 und nicht bereits automatisch mit Ablauf der Berufsunfähigkeitszusatzversicherung am 01.02.2010. Das Ablaufdatum 01.02.2033 beziehe sich sowohl auf die Haupt- als auch auf die Zusatzversicherung bzw. zumindest auf die Rentenzahlungspflicht aus der Zusatzversicherung, da - was unstreitig ist - auf dem Versicherungsschein unter Ablauf der Versicherung lediglich der 01.02.2033 eingetragen sei. Dieses Ablaufdatum 01.02.2033 sei auch durch den Versicherungsschein vom 06.11.1986 bestätigt worden. Auf Nachfrage im Jahr 2008 durch den Zeugen …… habe der den Vertrag betreuende Versicherungsmitarbeiter der Beklagten den Ablauftermin 01.02.2033 fernmündlich bestätigt.

Sie ist der Auffassung, der mit dem *-Zeichen gekennzeichnete Textblock des Änderungsangebotes vom 18.07.1986, der unstreitig im Zusammenhang mit der Beitragshöhe das Ablaufdatum 01.02.2010 in Bezug auf die Berufsunfähigkeitszusatzversicherung enthält, entfalte mangels Bezugspunkt keinerlei rechtliche Wirkung. Dieser Abschnitt stehe im Widerspruch zum Aussage- und Regelungsgehalt des Änderungsangebotes. Es handle sich vielmehr um einen vergessenen Textbaustein.

Aus § 1 Ziff. 4 der einbezogenen Bedingungen für die Berufsunfähigkeitszusatzversicherung ergebe sich, dass die Rente nicht gewährt werde, wenn - unstreitig - die Berufsunfähigkeit wegfalle, wenn - ebenfalls unstreitig - der Versicherte sterbe oder wenn die Beitragszahldauer der Hauptversicherung ablaufe. Daraus ergebe sich im Umkehrschluss, dass für das Nichtvorliegen der Ausschlussvoraussetzungen eine Leistungspflicht der Beklagten bestehe. Dies gelte hinsichtlich der Rentenzahlungspflicht selbst dann, wenn die Beitragszahlung für die Hauptversicherung ab dem 01.02.2010 wiederaufgenommen werden müsse. Denn der Wegfall der Rentenzahlungspflicht sei im Gegensatz zur Beitragsbefreiung nicht geregelt.

Im Übrigen ist sie der Ansicht, das Landgericht Paderborn sei gemäß § 215 Abs. 1 VVG n.F. zuständig. Zumindest sei jedoch eine Zuständigkeit nach § 48 Abs. 1 VVG a.F. gegeben.

Die Klägerin beantragt,

festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, ihr aus der Berufsunfähigkeitsversicherung zu Lebensversicherung Nr. 217958371 über den 01.02.2010 hinaus, jedoch längstens bis zum 01.02.2033, die bedingungsgemäßen Leistungen wegen Berufsunfähigkeit zu erbringen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie rügt die örtliche Zuständigkeit des Landgerichts Paderborn. Sie ist der Ansicht, das Landgericht Stuttgart sei zuständig, da § 215 VVG n.F. auf Altverträge nicht anwendbar sei.

Die Beklagte ist der Auffassung, als Ablaufdatum der Berufsunfähigkeitszusatzversicherung sei der 01.02.2010 vereinbart worden. Dies ergebe sich direkt aus dem Änderungsangebot vom 18.07.1986 und dem darauf erstellten Versicherungsschein vom 06.11.1986. Mit Beendigung der Berufsunfähigkeitszusatzversicherung entfalle dann sowohl die Beitragsbefreiung für Haupt- und Nebenversicherung als auch die Rentenzahlung. Im Übrigen dürfe die Versicherungsdauer einer Berufsunfähigkeitszusatzversicherung nicht über das Renteneinstiegsalter von 65 Jahren hinausgehen. Eine solche Vereinbarung wäre aus versicherungsaufsichtsrechtlichen Gründen nicht möglich gewesen, da ein dieser Praxis entsprechender Geschäftsplan nicht durch das Bundesaufsichtamt für Versicherungswesen genehmigt worden wäre. Es sei auch treuwidrig, sich trotz eigener handschriftlicher Ergänzungen über 20 Jahre still zu verhalten und erst jetzt ohne vorherige Nachfragen von der Unwirksamkeit einiger Textpassagen auszugehen. Die Beklagte ist zudem der Ansicht, der Klageantrag sei insgesamt zu unbestimmt.

Sie behauptet, nach Abschluss des neuen Versicherungsvertrages seien auch neue allgemeine (Versicherungs-) Bedingungen - Stand April 1985 - vereinbart worden. In dieser Hinsicht ist sie der Ansicht, diese seien auch ohne Einhalten der Erfordernisse des § 2 Abs. 1 Nr. 1, 2 AGBG a.F. aufgrund des § 23 Abs. 3 AGBG a.F. Vertragsbestandteil geworden.

Das Gericht hat Beweis erhoben durch die Vernehmung der Zeugen …. und …. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Sitzungsprotokoll vom 03.09.2009 (Bl. 109 d. A.) Bezug genommen.

Gründe

Die zulässige Feststellungsklage ist begründet.

1.

Der Klageantrag muss in Übereinstimmung mit der Antragsbegründung insofern ausgelegt werden, dass es ausschließlich um die Rentenleistung geht, soweit im Antrag von bedingungsgemäßen Leistungen wegen Berufsunfähigkeit die Rede ist (vgl. S. 6 des Protokolls vom 03.09.2009, Bl. 111 d. A.).

2.

Die Klage ist zulässig.

a) Das Landgericht Paderborn ist örtlich zuständig. Ob § 215 VVG n.F. gemäß Art. 1 EGVVG auch auf Altverträge anwendbar ist, kann dahingestellt bleiben. Denn nach § 48 VVG a.F. ist der Gerichtsstand ebenfalls Paderborn. Nach dieser Vorschrift ist bei Vermittlung des Versicherungsvertrages durch einen Versicherungsvertreter das Gericht örtlich zuständig, wo dieser zur Zeit der Vermittlung seine gewerbliche Niederlassung hatte. Der Zeuge …., der der Klägerin den (Änderungs-)Vertrag 1986 in seiner Eigenschaft als Versicherungsvertreter vermittelt hat, hatte zum damaligen Zeitpunkt seine gewerbliche Niederlassung in …... Dieser Ort liegt innerhalb des Landgerichtsbezirks Paderborn.

b) Der Klageantrag genügt den Erfordernissen des § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO. Zwar ist die Beklagte der Ansicht, der Antrag trage den Gegebenheiten des Vertrages nicht Rechnung und sei deshalb unzulässig. Dies überzeugt jedoch nicht. Selbst die Klägerin behauptet nicht, dass ihr eine Berufsunfähigkeitsrente definitiv bis zum 01.02.2033, also bis zum Erreichen des 80. Lebensjahres gezahlt werden müsse. Durch die Formulierung "spätestens" und den Bezug auf die konkrete Kapitallebensversicherung wird deutlich, dass lediglich die Feststellung einer Kopplung der Laufzeiten von Hauptversicherung und Rentenzahlungsverpflichtung begehrt wird. Gerade weil noch nicht feststeht, wann die vereinbarte Versicherungssumme erreicht wird, kann kein konkretes Datum genannt werden.

c) Das nach § 256 Abs. 1 ZPO erforderliche Feststellungsinteresse besteht. Indem sich die Beklagte mit den Schreiben vom 08.12.2008 und 13.02.2009 gegenüber der Klägerin auf den Standpunkt stellte, die Geldrente ende unabhängig der Laufzeit der Hauptversicherung am 01.02.2010, besteht Unklarheit über das Rechtsverhältnis der Rentenzahlungspflicht. Es kann der Klägerin nicht zugemutet werden, nach Ablauf der unstreitigen Versicherungsdauer der Berufsunfähigkeitszusatzversicherung auf Zahlung der bedingungsmäßigen Versicherungsleistungen zu klagen. Vielmehr besteht das Interesse, vor allem da es sich um wiederkehrende, monatliche Zahlungen handelt, die Zahlungspflichten für die Zukunft zu klären. Die Möglichkeit einer Klage auf künftige Leistungen steht einer Feststellungsklage nicht entgegen (so Zöller/Greger, ZPO, 27. Aufl., § 256 Rdnr. 8 m.w.N.).

3.

Die Klage ist begründet. Die Beklagte ist verpflichtet, der Klägerin aus der Berufsunfähigkeitszusatzversicherung zur Lebensversicherung Nr. 217958371 über den 01.02.2010 hinaus, jedoch längstens bis zum 01.02.2033, die bedingungsgemäßen Leistungen wegen Berufsunfähigkeit in Form von Rentenzahlungen zu erbringen. Einen solchen Anspruch hat die Klägerin aus dem am 02.10.1986 angenommenen Vertragsänderungsangebot vom 18.07.1986. Die Parteien haben sich auf die Koppelung der Laufzeit von Hauptversicherung und Rentenzahlungspflicht geeinigt.

Eine solche Einigung ist im vorliegenden Fall durch Auslegung nach den Grundsätzen der §§ 133, 157 BGB anzunehmen. Verträge sind demnach so auszulegen, wie Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte unter Berücksichtigung des wirklichen Willens der Parteien es erfordern. Grundsätzlich hat sich die Auslegung dabei am Wortlaut der Willenserklärungen zu orientieren. Hier sind vor allem die Vertragsurkunden vom 18.07.1986 und 06.11.1986 einschließlich der allgemeinen Bedingungen der Berufsunfähigkeitszusatzversicherung, die im Rahmen des ursprünglich geschlossenen Versicherungsvertrages im Jahr 1979 einbezogen worden sind, heranzuziehen.

a) Es kann zwar nicht festgestellt werden, dass die Berufsunfähigkeitszusatzversicherung als solche mit allen Rechten und Pflichten über den 01.02.2010 hinaus läuft und dementsprechend die bedingungsgemäße Rentenzahlungspflicht begründet.

Die Zusatzversicherung erlischt einerseits nach § 9 Ziff. 1 S. 2 der einbezogenen allgemeinen Versicherungsbedingungen, wenn der Versicherungsschutz aus der Hauptversicherung endet. Folglich bildet die Berufsunfähigkeitszusatzversicherung mit der Hauptversicherung in der Hinsicht eine Einheit, dass die Zusatzversicherung nicht ohne die Hauptversicherung bestehen kann.

Andererseits ist jedoch die Möglichkeit vorgesehen, dass die Zusatzversicherung vor der Hauptversicherung enden kann. Dies wird aus den Urkunden vom 18.07.1986 und 06.11.1986 deutlich. Denn in beiden Urkunden findet sich ein Textbaustein, der das Ablaufdatum der Berufsunfähigkeitszusatzversicherung enthält. Bei dem mit dem *-Zeichen versehenen Textabschnitt des Änderungsangebotes vom 18.07.1986 handelt es sich nicht um einen vergessenen Textbaustein. Dies ergibt sich daraus, dass sich dieser Teil eindeutig auf die Höhe der Beitragszahlung von Haupt- und Nebenversicherung bezieht. Es wird in diesem Textbaustein eine konkrete, zum Vertrag passende monatliche Beitragssumme im Rahmen einer Beitragsanpassung aus Gründen des Ablaufs der Berufsunfähigkeitszusatzversicherung zum 01.02.2010 genannt.

Auf dem Versicherungsschein vom 06.11.1986 wird die Zuordnung demnach noch deutlicher, da sich hier das *-Zeichen hinter der Beitragshöhe wiederfindet und dadurch ein konkreter Bezugspunkt aufgezeigt wird. Auch durch den auf den streitgegenständlichen Textbaustein folgenden Abschnitt auf dem Änderungsvertrag vom 18.07.1986 wird deutlich, dass die Hauptversicherung und die Berufsunfähigkeitszusatzversicherung unterschiedliche Laufzeiten haben. Dort heißt es:

"Wenn bei Berufsunfähigkeit der Versicherungsnehmer von der Beitragszahlung befreit wird, muss dennoch nach Ablauf der Berufsunfähigkeitszusatzversicherung die Beitragszahlung für die Hauptversicherung wieder aufgenommen werden, auch wenn weiterhin Berufsunfähigkeit besteht."

Aus Sicht des objektiven Empfängerhorizontes kann entgegen der Auffassung der Klägerin damit nicht das maximale Ablaufdatum 01.02.2033 auf beide Versicherungen bezogen werden. Es macht - der Auffassung der Beklagten folgend - wenig Sinn, trotz einer Beitragsreduzierung von annähernd 40 Prozent den vollen Schutz einer Berufsunfähigkeitszusatzversicherung weiterlaufen zu lassen. Dementsprechend endet die Berufsunfähigkeitszusatzversicherung laut Urkunde mit dem Änderungsangebot vom 18.07.1986 am 01.02.2010. Somit lebt die Beitragspflicht für die Hauptversicherung - die Kapitallebensversicherung - bis zum Zeitpunkt des Erreichens der festgelegten Versicherungssumme (250.000,00 DM = 127.824,93 €) wieder auf.

b) Nichtsdestotrotz ist die Beklagte verpflichtet, der Klägerin aus der Berufsunfähigkeitszusatzversicherung zur Lebensversicherung Nr. 217958371 über den 01.02.2010 hinaus auch nach Ablauf der Berufsunfähigkeitszusatzversicherung Rentenzahlungen in Höhe von jährlich 60.000,00 DM (= 30.667,98 €) bis zum Ablauf der Hauptversicherung - der Kapitallebensversicherung - zu erbringen.

Zwar findet sich weder im Rahmen des Änderungsangebotes noch des geänderten Versicherungsscheins eine Individualabrede hinsichtlich der Laufzeit der Rentenzahlung im Fall des Eintritts von Berufsunfähigkeit. Eine Regelungslücke liegt jedoch nicht vor, da aufgrund der wirksam einbezogenen allgemeinen Bedingungen für die Berufsunfähigkeitszusatzversicherungen, die schon im Rahmen des ursprünglich geschlossenen Versicherungsvertrages im Jahr 1979 einbezogen worden sind, insoweit eine eindeutige Konkretisierung der Laufzeit der Rentenzahlung existiert.

aa) In diesem Zusammenhang haben sowohl die Beklagte als auch die Klägerin unterschiedliche allgemeine Bedingungen der Berufsunfähigkeitszusatzversicherung vorgelegt. Der Anspruch auf Beitragsbefreiung und Rente erlischt nach § 1 Ziff. 3 der Bedingungen für die Berufsunfähigkeitszusatzversicherung (Stand April 1985), die von der Beklagten vorgelegt wurden, wenn der Grad der Berufsunfähigkeit unter 50 Prozent sinkt, der Versicherte stirbt oder die Zusatzversicherung abläuft. Demgegenüber erlischt der Anspruch auf Beitragsbefreiung und Rente gemäß § 1 Ziff. 4 der Bedingungen, die von der Klägerin vorgelegt wurden und die diese unstreitig mit Abschluss des ursprünglich geschlossenen Versicherungsvertrages im Jahr 1979 von der Beklagten überreicht bekommen hat, wenn der Grad der Berufsunfähigkeit unter 50 Prozent sinkt, der Versicherte stirbt oder die Hauptversicherung abläuft.

Bei den Bedingungen der Berufsunfähigkeitszusatzversicherung handelt es sich um Allgemeine Geschäftsbedingungen im Sinne der §§ 1 ff. AGBG. Die allgemeinen Versicherungsbedingungen mit Stand April 1985 sind im Gegensatz zu denen im Jahr 1979 überreichten Bedingungen nicht gemäß § 2 AGBG a.F. wirksam in den Änderungsvertrag aus dem Jahr 1986 einbezogen worden.

Denn der Klägerin sind diese zu dem Änderungszeitpunkt neuen allgemeinen Versicherungsbedingungen in der Fassung von April 1985 erst nach Abschluss des geänderten Versicherungsvertrages im Zusammenhang mit der Erstellung der neuen Versicherungspolice zugesendet worden sind. Nach § 2 Abs. 1 AGBG können allgemeine Geschäftsbedingungen nur dann Bestandteil eines Vertrages werden, wenn der Verwender - hier die Beklagte - bei Vertragsabschluss auf diese hinweist oder beim Verbraucher - hier die Klägerin - zumindest die Möglichkeit der Kenntnisnahme besteht. Im vorliegenden Fall sind weder der Klägerin vor Annahme des Änderungsangebotes am 02.10.1986 die neuen Bedingungen vorgelegt worden, noch hätte sie Einblick in diese nehmen können.

Ihre Geltung ergibt sich auch nicht aus § 23 Abs. 3 AGBG a.F. Zwar findet diese Bestimmung vorliegend grundsätzlich Anwendung, da der in Frage stehende Versicherungsvertrag vor Inkrafttreten des 3. DurchfG/EWG (31.12.1994) abgeschlossen worden ist, also zu einem Zeitpunkt, als Versicherungsbedingungen noch genehmigungspflichtig waren. Aus § 23 Abs. 3 AGBG a.F. folgt für den vorliegenden Fall indessen nur, dass die allgemeine Versicherungsbedingungen auch ohne die Bekanntmachungserfordernisse des § 2 Abs. 1 Nr. 1 und 2 AGBG a.F. Vertragsbestandteil werden. Nicht jedoch kann aus dieser Bestimmung abgeleitet werden, dass vorliegend die im Zeitpunkt der Annahme des Änderungsangebotes geltenden Bedingungen automatisch Vertragsinhalt wurden (vgl. dazu auch OLG Frankfurt, Urteil vom 07.05.1997, Az. 3 U 250/97, VersR 1998, 1540). Zwar mag nach § 23 Abs. 3 AGBG a.F. damit eine erleichterte Einbeziehung zum Zeitpunkt der Vertragsänderung gegolten haben. Unter Gesichtspunkten des Vertrauensschutzes kann dieses aber nicht gelten, wenn die Verbraucherin bereits allgemeine Versicherungsbedingungen vorliegen hat und auf deren Basis mit der Verwenderin ein bestehenden Vertrag abgeändert wird. Dies gilt insbesondere dann, wenn wie im hier vorliegenden Fall sich die Änderungen allein auf die Höhe des Versicherungsschutzes und nicht auf die sonstigen Vertragsmodalitäten beziehen.

Dass möglicherweise die konkret verwendeten Versicherungsbedingungen mit der hier gefunden Auslegung durch das Bundesaufsichtsamt für Versicherungswesen nicht genehmigungsfähig waren, ändert nichts an dessen Einbezug, da zwischen der Klägerin und der Aufsichtsbehörde keinerlei (vertragliche oder öffentlicherechtliche) Beziehung bestand.

bb) Ein durchschnittlicher Versicherungsnehmer wird bei verständiger Würdigung, aufmerksamer Durchsicht und Berücksichtigung des Sinnzusammenhangs (vgl. zu diesem Ansatz bei der Auslegung Allgemeiner Versicherungsbedingungen BGHZ 123, 83 = NJW 1993, 2369) - auch unter Berücksichtigung des Inhalts des Änderungsangebotes vom 18.07.1986 und des Versicherungsscheins vom 06.11.1986 - § 1 Nr. 4 der allgemeinen Versicherungsbedingungen als Regelung dazu ansehen, wann die Rentenzahlung nicht mehr gewährt wird. Da dort nur drei Fälle genannt sind, nämlich dass die Berufsunfähigkeit wegfällt, dass der Versicherte stirbt oder dass die Beitragszahlungsdauer der Hauptversicherung abläuft, wird der Versicherungsnehmer zu dem Schluss kommen, dass die im Änderungsvertrag angegebene jährliche Berufsunfähigkeitsrente lediglich von diesen Voraussetzungen abhängig ist.

Das im Versicherungsschein genannte Datum des "Ablaufs" der Berufsunfähigkeitsversicherung kann damit nur Bedeutung haben für die Frage, bis wann der Versicherungsfall Berufsunfähigkeit eintreten kann und wie lange ohne Eintritt des Versicherungsfalls Berufsunfähigkeitsversicherungsbeiträge zu leisten sind, nicht aber für die Frage, bis wann Rente gewährt wird, wenn vor Ende der Beitragspflicht für die Berufsunfähigkeitszusatzversicherung der Versicherungsfall eingetreten ist und die Hauptversicherung über diesen Zeitpunkt hinaus weiterläuft. Dies gilt umso mehr, als § 1 Nr. 4 der allgemeinen Versicherungsbedingungen am Ende den Blick gerade auf die Dauer der Hauptversicherung lenkt (vgl. OLG Hamm, Urteil vom 07.07.2004, Az. 20 U 132/03, VersR 2004, 1587).

Auch macht eine derartige Regelung durchaus Sinn; denn die Berufstätige - insbesondere eine Selbstständige - war zum Zeitpunkt des hier in Rede stehenden Vertragsschlusses im Falle einer relativ früh eintretender Berufsunfähigkeit kaum abgesichert. Sie hatte ein starkes Interesse, Berufsunfähigkeitszusatzversicherungsleistungen bis zum Auszahlung der Kapitallebensversicherung, also gegebenenfalls auch über das 65. Lebensjahr hinaus zu erhalten, da sie gerade nicht durch die gesetzliche Rentenversicherung oder Pensionszahlung abgesichert war bzw. ist.

Jedenfalls ist - auch unter Berücksichtigung des Inhalts des Antrags und des Versicherungsscheins - § 1 Nr. 4 der allgemeinen Versicherungsbedingungen zu der hier in Rede stehenden Frage zumindest unklar im Sinne von § 5 AGBG a.F. und deshalb eine Auslegung im vorgenannten Sinne zu Lasten der Beklagten vorzunehmen.

cc) Den Gegenbeweis, dass die Rentenzahlungspflicht definitiv mit der Berufsunfähigkeitszusatzversicherung enden sollte, hat die Beklagte dagegen nicht geführt. Zwar hat der Zeuge ….. bekundet, dass zum damaligen Zeitpunkt die Berufsunfähigkeitsrente grundsätzlich nur bis zum Ende des 55. Lebensjahres gewährt wurde. Diese gängige Praxis der Versicherung ändert jedoch nichts an dem durch Vertragsauslegung gefundenen Ergebnis. Denn eine dahingehende, an diese Praxis angelehnte Individualabrede, die gemäß § 4 AGBG a.F. Vorrang genießen würde, kann nicht festgestellt werden. Bezogen auf den konkreten Fall hat der Zeuge gerade nicht ausgesagt, dass über die Rentenleistung und deren Laufzeit im Rahmen der Berufsunfähigkeitszusatzversicherung gesprochen worden ist. In diesem Zusammenhang ist es letztlich auch irrelevant, wie der Zeuge selbst die Vertragsklausel verstanden hat.

4.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO.

5.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 709 ZPO.

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