AG Lüdenscheid, Beschluss vom 21.04.2009 - 5 F 650/07
Fundstelle
openJur 2012, 127275
  • Rkr:
Tenor

Der Beschwerde des Rechtsanwalts X vom 21.11.2008 gegen den Beschluss vom 19.11.2008 wird nicht abgeholfen.

Die Sache wird dem Oberlandesgericht Hamm zur Entscheidung über das Rechtsmittel vorgelegt.

Gründe

Die Beschwerde ist zulässig (§ 32 RVG), aber unbegründet.

Die Wertsetzung beruht auf § 48 GKG. Wie dessen Abs. 2 Satz 1 zeigt, richtet sich in einer Ehesache als nicht vermögensrechtlicher Streitigkeit der Wert nicht lediglich nach dem Einkommen der Parteien, sondern nach allen Umständen des Einzelfalles. Das in 3 Monaten erzielte Nettoeinkommen der Eheleute ist gem. § 48 Abs. 3 Satz GKG nur maßgeblich für die Einkommensverhältnisse der Parteien als einem von mehreren in § 48 Abs. 2 Satz 1 GKG beispielhaft geführten Aspekten für die Wertbestimmung (Bundesverfassungsgericht NJW 2005, 2980; OLG Hamm FamRZ 2004, 1297; OLG Dresden FamRZ 2003, 1677, 1678; OLG Oldenburg, 14 WF 236/08, Beschluss vom 26.01.2009; ständige Rechtsprechung des erkennenden Gerichts, vgl. FamRZ 2007, 750). Die Ermittlung des Wertes ist dabei keine mathematische Rechenoperation (ständige Rechtsprechung des erkennenden Gerichts; und ebenso: OLG Hamm, 12 WF 458/94, Beschluss vom 13.03.1995). Die Würdigung der gesamten dem Gericht bekannten Tatsachen rechtfertigt es, in Ausübung des bestehenden Ermessens für die Scheidung an dem Wert von 2.000,-- Euro festzuhalten.

Schon diese Ausführungen belegen, dass das Gericht abweichend von dem seitens der Beschwerde zitierten Fall gemäß Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts nicht pauschal den Verfahrenswert auf 2.000,-- Euro festgesetzt hat, zumal ohnehin nur dem Antragssteller - und diesem gegen Raten - Prozesskostenhilfe bewilligt worden ist. Auf die Frage, ob die Kammerentscheidung des Bundesverfassungsgerichts insoweit überzeugt, kommt es daher nicht an.

Zum gem. § 40 GKG maßgeblichen Zeitpunkt der Verfahrenseinleitung betrug das Einkommen für den Antragssteller nach dessen eigenen Angaben 600,-- Euro. Er lebt zudem in außerordentlich bescheidenen Verhältnissen, was neben diesen Einnahmen auch daran deutlich wird, dass er für Wohnkosten lediglich 100,-- Euro aufbringt. Die Einkünfte der Antragsgegnerin sind nicht bekannt. Wie dem Versicherungsverlauf in der Auskunft der DRV vom 15.10.2008 zu entnehmen ist, hat sie jedoch seit 01.01.2005 durchgehend Arbeitslosengeld II bezogen, gelegentlich begleitet von Einnahmen aus einer geringfügigen versicherungsfreien Beschäftigung. Diese betrugen in dem Zeitraum 01.04.2007 bis 31.10.2007 1.230,44 Euro, d. h. durchschnittlich 175,78 Euro monatlich. Wie auch in dem Schriftsatz des Antragsstellers vom 12.09.2007 zu entnehmen ist, lebt zumindest ein Kind der Antragsgegnerin bei dieser, was dazu führt, dass die damit verbundene Unterhaltslast in Höhe von 300,-- Euro pauschal vom Einkommen abzuziehen ist, so dass insoweit nichts Anrechenbares verbleibt.

Das von der Antragsgegnerin im Zeitraum 01.03.2007 bis 31.10.2007 bezogene Arbeitslosengeld II belief sich auf 1.640,-- Euro, d. h. monatlich 205,-- Euro.

Dieses Einkommen ist indessen unbeachtlich, weil es sich um Transferzahlungen handelt, die nach zutreffender herrschender Ansicht in Rechtsprechung und Literatur für die Verfahrenswertberechnung nicht heranzuziehen sind (vgl. die Übersicht im Bundesverfassungsgericht NJW 2006, 1581, 1582). Diese Auffassung ist verfassungsrechtlich unbedenklich (Bundesverfassungsgericht a. a. O.)und wird noch dadurch untermauert, dass das Arbeitslosengeld II Ausdruck der Bedürftigkeit und nicht der Leistungsfähigkeit einer Partei ist (OLG Dresden NJW-RR 2007, 1161). Mangels einsetzbaren Einkommen des Antragsgegnerin ergibt sich damit ein Verfahrenswert von 2.000,-- Euro.

Hilfsweise wird darauf hingewiesen, dass selbst für den Fall der Zugrundelegung des Einkommens auch der Antragsgegnerin als Ausgangswert lediglich ein mit dem Faktor 3 zu multiplizierender Wert von 980,78 Euro heranzuziehen wäre, der einen Ausgangsbetrag von 2.942,34 Euro rechtfertigte. Bei diesem Wert handelt es sich indessen nicht um den Verfahrenswert, sondern um denjenigen, der in Relation zu den weitergehenden Umständen gem. § 48 GKG zu setzen ist (ständige Rechtsprechung des erkennenden Gerichts, siehe oben; s. auch OLG Hamm 12 WF 156/98, Beschluss vom 22.12.1998; 12 WF 39/01, Beschluss vom 08.06.2001; OLG Hamm 10 WF 170/06, Beschluss vom 10.11.2006).

Die Dauer der am 28.04.2003 geschlossenen und durch Urteil vom 19.11.2008 seit 15.01.2009 rechtskräftig geschiedenen Ehe der Parteien ist mit weniger als 6 Jahren deutlich unterdurchschnittlich. Die Sach- und Rechtslage ist sehr einfach gewesen. Die Ehe ist auf Antrag des Ehemannes in dem ersten dazu anberaumten Termin geschieden worden. Die Termindauer betrug ca. 5 Minuten.

Die Verfahrensdauer hat vom maßgeblichen Zeitpunkt der Zustellung des Scheidungsantrages am 12.11.2007 bis zur Rechtskraft der Scheidung am 15.01.2009 nur 1 Jahr und 2 Monate gedauert. Im Hinblick auf die Scheidung hat es von vornherein keine tatsächlichen oder rechtlichen Probleme gegeben. Die entgegenstehende Auffassung des Beschwerdeführers ist abwegig. Die Auflage des Gerichts vom 23.08.2008 betraf im wesentlichen den unvollständigen Vortrag betreffend die subjektiven Voraussetzungen für die Bewilligung von Prozesskostenhilfe. Der Sache nach zielte sie auf die Vervollständigung des zuvor lediglich pauschalen Vorbringens zu einem Versöhnungsversuchs.

Die entsprechende Antwort in dem Schriftsatz vom 12.09.2007 beschränkte sich auf wenige Zeilen und kann nicht ernsthaft als Aspekt herangezogen werden, die Einfachheit der Sach- und Rechtslage in Frage zu stellen. Gleiches gilt für den Umstand, dass es sich bei dem Antragsteller um einen iranischen Staatsbürger gehandelt hat. Eine sprachliche Verständigung mit diesem war völlig unproblematisch. Irgendwelche materiellrechtlichen oder prozessualen Konsequenzen aus diesem Umstand hat der Beschwerdeführer nicht zum Anlass genommen, dazu ein Wort schriftlich oder mündlich zu verlieren. Die relevanten Anknüpfungspunkte dazu sind vom Gericht in dem Urteil vom 19.11.2008 dargestellt worden, ohne dass sich daraus irgendwelche Schwierigkeiten ergeben hätten.

Schließlich ist auch die "Langatmigkeit" des Versorgungsausgleichsverfahrens für den Beschwerdeführer nicht mit einem Aufwand verbunden gewesen, der es rechtfertigen könnte, an das Vorliegen einer ansatzweise komplizierten Sach- und Rechtslage auch nur zu denken. Insbesondere hat er sich insoweit jeglicher schriftlicher Erklärungen, etwa eines Antrags gem. § 1587 e BGB, enthalten und sich darauf beschränkt, mit Schriftsatz vom 03.03.2008 mitzuteilen, dass das Konto des Antragsstellers geklärt ist.

Zudem ist für diese Folgesache ein eigener Wert festgesetzt worden, so dass sie betreffende Tätigkeiten für den Wert der Scheidungssache irrelevant sind.

Schließlich sind auch die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse der Parteien deutlich unterdurchschnittlich. Beide haben Einnahmen im Bereich des Existenzminimums.

Zusammenfassend weist die Scheidung nach allem deutlich unterdurchschnittliche Merkmale auf, so dass ein prozentualer Abschlag von dem Einkommenswert vorzunehmen ist, der bis zu 40 % betragen darf (vgl. OLG Hamm, 12 WF 346/97, Beschluss vom 10.11.1997 nebst vorausgegangener Stellungnahme der Verwaltungsabteilung des OLG Hamm vom 23.09.1997 und außerdem in ständiger Rechtsprechung; zur grundsätzlichen Praxis von Abschlägen siehe auch OLG Hamm, 10 WF 170/06 a. a. O.; OLG Zweibrücken FamRZ 2002, 255; OLG Koblenz FamRZ 1999, 1678; OLG Dresden FamRZ 2003, 1677, 1678; Lappe NJW 2000, 1148, 1149). Der hier vorzunehmende Abschlag führte wiederum zu dem hier festgesetzten Wert.

Schließlich sei angemerkt, dass Verfahrenswerte von bis zu 4.000,-- Euro kaum noch denkbar wären, wenn jegliche Sozialleistung als Einkommen in Ansatz gebracht und sodann schematisch zur Verfahrenswertfestsetzung herangezogen würde. Soweit das OLG Frankfurt NJW-RR 2008, 310, 311 unter Auseinandersetzung mit der diesseitigen Position darauf hinweist, das sei als Folge der Steigerung der Lebenshaltungskosten hinzunehmen, überzeugt das nicht. Wenn der Gesetzgeber über Jahre hinweg im Rahmen seiner ständigen Gesetzeskorrekturen an diesem Basiswert festgehalten hat und ihn auch über den 01.09.2009 hinaus fortbestehen lässt (vgl. OLG Oldenburg a. a. O.) muss diesem Wert auch Relevanz für die Praxis zukommen. Das wäre indessen nicht der Fall, wenn man den Standpunkt einnähme, staatliche Transferleistungen seien als Einkommen in Ansatz zu bringen.

Lüdenscheid, 21.04.2009

Amtsgericht - Familiengericht -

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