OVG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 02.03.2009 - 7 A 11077/08
Fundstelle
openJur 2012, 136010
  • Rkr:
Tenor

Der Antrag der Klägerin auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Koblenz vom 13. August 2008 wird abgelehnt.

Die Klägerin trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.

Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Zulassungsverfahren auf 5.000,00 € festgesetzt.

Gründe

I.

Die Beteiligten streiten um die Erteilung einer Erlaubnis zur Haltung des Staffordshire Bullterrier-Mischlings "B.".

Dem vorliegenden Verfahren ging ein entsprechender Antrag des Ehemanns der Klägerin bei der Beklagten vom 13. April 2006 voraus. Er gab hierbei an, ein Bekannter habe "B." aus Russland mitgebracht und ihm im Februar 2006 geschenkt. Mit Bescheid vom gleichen Tage untersagte die Beklagte dem Ehemann die Haltung des Hundes und gab ihm auf, das Tier beim Tierheim abzugeben. Die sofortige Vollziehung wurde angeordnet. Das Verwaltungsgericht lehnte mit Beschluss vom 14. Juni 2006 (Az.: 5 L 799/06.KO) einen Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes ab, woraufhin der Ehemann seinen Widerspruch gegen die Verfügung vom 13. April 2006 zurücknahm und den Hund einem Tierheim überließ.

Am 15. August 2006 beantragte die Klägerin bei der Beklagten, ihr eine Erlaubnis zur Haltung des Hundes "B." zu erteilen. Die Beklagte lehnte den Antrag mit Bescheid vom 12. Dezember 2006 ab, weil der Klägerin das erforderliche berechtigte Interesse fehle. Die nach erfolglosem Widerspruchsverfahren erhobene Klage wies das Verwaltungsgericht ab.

II.

Der Antrag der Klägerin auf Zulassung der Berufung ist unbegründet.

Die geltend gemachten Zulassungsgründe greifen nicht durch.

1. Es bestehen keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des erstinstanzlichen Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO). Die Klägerin kann kein berechtigtes Interesse im Sinne des § 3 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 des Landesgesetzes über gefährliche Hunde (LHundG) an der Haltung des gefährlichen Hundes "B." geltend machen, sodass sie von der Beklagten auch nicht die erstinstanzlich begehrte Neubescheidung ihres Antrags auf Erteilung einer Erlaubnis verlangen kann.

Das Landesgesetz über gefährliche Hunde dient dem Ziel, die Bevölkerung besser vor den von Hunden ausgehenden Gefahren für Leib und Leben zu schützen. Der Gesetzgeber handelt damit in Erfüllung der ihm gerade durch die Verfassung selbst auferlegten Pflicht, sich schützend und fördernd vor diese höchsten Rechtsgüter zu stellen und sie vor Eingriffen anderer zu bewahren (Art. 1 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 2 der Verfassung für Rheinland-Pfalz; vgl. VGH RP, AS 29, 23 [31]). Das Zucht-, Vermehrungs- und Handelsverbot (§ 2 Abs. 1 LHundG), die Soll-Vorschrift über die Anordnung zur Unfruchtbarmachung (§ 2 Abs. 2 LHundG) und der Erlaubnisvorbehalt zur Haltung eines gefährlichen Hundes setzen den Gesetzeszweck um, indem sie darauf abzielen, den Bestand an diesen Hunden in Rheinland-Pfalz in der Zukunft gänzlich zurückzudrängen (vgl. VGH RP, a.a.O., S. 45 ff.). In diesem Lichte muss der Begriff des berechtigten Interesses gemäß § 3 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 LHundG eng ausgelegt werden. Die Erteilung einer Erlaubnis für die Haltung eines gefährlichen Hundes kommt nur in besonders gelagerten Einzelfällen in Betracht (Beschluss des Senats vom 2. Juli 2007 - 7 B 10486/07.OVG -). Ein solcher Fall kann regelmäßig unter dem Gesichtspunkt des Tierschutzes angenommen werden, wenn ein gefährlicher Hund, der in einem Tierheim oder in einer ähnlichen Einrichtung gehalten wird (sog. Tierheimhund), an eine Privatperson abgegeben werden kann (vgl. LT-Drs. 14/3512, S. 11). Entsprechendes ist anzunehmen, wenn die Haltung in einer der genannten Einrichtungen unmittelbar bevorsteht. Es liegt jedoch auf der Hand, dass ein berechtigtes Interesse selbst bei einem sog. Tierheimhund nicht bestehen kann, wenn die Vorgaben des Landesgesetzes über gefährliche Hunde bewusst umgangen werden. Es ist rechtsmissbräuchlich, sich erst einen gefährlichen Hund zu verschaffen, um ihn dann - zur Vermeidung oder Beendigung eines Tierheimaufenthalts - legal behalten bzw. wieder aufnehmen zu können. Um die tatsächliche Wirkung des Gesetzes nicht zu beeinträchtigen, ist mit dieser Fallgestaltung in der Regel die Situation gleichzusetzen, in der ein Betroffener ohne entsprechende Erlaubnis einen gefährlichen Hund in Obhut nimmt, selbst wenn er dessen Eigenschaft nicht kennt. Durch sein Verhalten hat er nämlich objektiv einen gesetzlich missbilligten Zustand herbeigeführt. Für die hieraus folgende Verantwortlichkeit genügt die Verursachung durch den Betroffenen. Wie im Ordnungsrecht allgemein (vgl. Drews/Wacke/Vogel/Martens, Gefahrenabwehrrecht, 9. Aufl. 1985, S. 293) ist insoweit ohne Bedeutung, ob ihn ein persönliches Verschulden trifft oder er sich hinsichtlich seiner Verantwortlichkeit in einem Irrtum befindet.

Vor diesem Hintergrund ist ein berechtigtes Interesse der Klägerin im Sinne des § 3 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 LHundG an der Hundehaltung nicht anzuerkennen. Ihr Ehemann hat "B." aufgenommen, ohne über die erforderliche Haltererlaubnis zu verfügen. Dies ist zwischen den Beteiligten unstreitig. Ob dem Ehemann der Klägerin die Eigenschaft des Hundes bekannt war, ist nicht erheblich, sodass es, anders als die Klägerin meint, keiner weiteren Sachverhaltserforschung bedurfte. Erhielte nun die Klägerin eine Erlaubnis zur Haltung von "B.", würde der Hund in den gemeinsamen Haushalt der Eheleute aufgenommen. Üblicherweise ist die Aufnahme eines Hundes für die erwachsenen Familienmitglieder des Haushalts mit einer nicht unerheblichen Bestimmungsmacht über das Tier sowie Betreuungsaufgaben verbunden. Davon wäre auch vorliegend auszugehen; anderes wird im Zulassungsantrag nicht geltend gemacht. Selbst wenn rechtlich nur die Klägerin Halterin wäre, hätte ihr Ehemann tatsächlich noch so weitgehende Einflussmöglichkeiten, dass der Wille des Gesetzes umgangen würde. Etwas anderes gilt deshalb vorliegend auch nicht mit Blick auf den schlechten Gesundheitszustand des Hundes.

2. Die Rechtssache weist über die Ausführungen zu 1. hinaus keine besonderen tatsächlichen oder rechtlichen Schwierigkeiten auf (§ 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO).

3. Der Rechtssache kommt keine grundsätzliche Bedeutung zu (§ 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO). Die von der Klägerin als grundsätzlich bedeutsam angesehenen Fragen zur Relevanz des Verschuldens, dessen Zurechenbarkeit und des Tierschutzes lassen sich ohne die Durchführung eines Berufungsverfahrens beantworten.

4. Schließlich legt die Klägerin keinen Verfahrensmangel gemäß § 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO dar (§ 124 a Abs. 4 Satz 4 VwGO). Der Zulassungsantrag zeigt nicht auf, gegen welche Verfahrensvorschrift das Verwaltungsgericht verstoßen haben sollte. Soweit ihr Vortrag, das Verwaltungsgericht habe dem Tierschutz und dem schlechten Gesundheitszustand von "B." mit keinem Wort und keiner Erwägung Rechnung getragen, als Rüge eines Verstoßes gegen das rechtliche Gehör zu verstehen sein sollte, führte auch dies nicht zur Berufungszulassung. Das Verwaltungsgericht hat die Belange des Tierschutzes in seine rechtlichen Ausführungen ausdrücklich einbezogen (Bl. 7 ff. UA). Auf den Gesundheitszustand kommt es - abgesehen davon, dass er im Tatbestand der angefochtenen Entscheidung wiederholt erwähnt wird (Bl. 2, 3 und 4 UA) - nicht entscheidend an.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Festsetzung des Wertes des Streitgegenstandes beruht auf §§ 47, 52 Abs. 2 GKG.

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