VG Düsseldorf, Urteil vom 03.03.2008 - 26 K 1873/08
Fundstelle
openJur 2012, 126595
  • Rkr:
Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.

Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 100, EUR abwenden, wenn nicht das beklagte Land zuvor Si-cherheit in derselben Höhe leistet.

Tatbestand

Der Kläger ist als Finanzbeamter im Ruhestand beihilfeberechtigt. Nach vorheriger Anerkennung einer zugunsten seiner Ehefrau beabsichtigten stationären Rehabilitationsmaßnahme als beihilfefähig begab sich diese in der Zeit vom 14. August 2007 bis zum 4. September 2007 in das in der Rechtsform einer GmbH betriebene Klinische Sanatorium G in Bad L (nachfolgend Sanatorium). Das Sanatorium stellte der Ehefrau des Klägers mit Rechnung vom 3. September 2007 für 21 Pflegetage einen Tagessatz von 90, EUR und damit insgesamt 1.890, EUR in Rechnung.

Auf einen Beihilfeantrag des Klägers erkannte des Landesamt für Besoldung und Versorgung (LBV) mit Beihilfebescheid vom 22. Oktober 2007 in Anwendung von § 6 Abs. 3 Satz 1 BVO NRW nicht den der Ehefrau des Klägers berechneten Tagessatz von 90, EUR, sondern die von dem Sanatorium mit den gesetzlichen Krankenkassen vereinbarte Pauschale in Höhe von 87,30 EUR (und damit 1.833,30 EUR) an. Diese Summe kürzte das LBV in Anwendung von § 6 Abs. 3 Satz 2 BVO NRW um 30%. Auf den so ermittelten Betrag in Höhe von 1.283,31 EUR wurde dem Kläger Beihilfe in Höhe von 70% bewilligt.

Der Kläger erhob Widerspruch und trug vor, der nach der BVO vorgesehene Abzug von 30% sei rechtswidrig, weil seine Ehefrau Behandlungsleistungen im Wert von lediglich 369, EUR in Anspruch genommen habe, der tatsächliche Abzug jedoch 549,99 EUR betrage. Außerdem biete das Sanatorium den mit den gesetzlichen Krankenkassen vereinbarten Vergütungssatz in Höhe von 87,30 EUR Privatversicherten nicht an. Es liege auch eine Ungleichbehandlung vor gegenüber solchen Berechtigten, die ein Sanatorium ohne Vereinbarung mit einem Sozialversicherungsträger aufsuchten. Deren Tagespflegesätze seien nach § 6 Abs. 3 Satz 3 BVO NRW bis 104, EUR immer beihilfefähig, und zwar insoweit ohne den Abzug von 30%. Der seiner Ehefrau in Rechnung gestellte Tagessatz von 90, EUR liege jedoch unter dem Grenzbetrag von 104, EUR.

Mit Widerspruchsbescheid vom 15. Februar 2008 wies das LBV den Widerspruch des Klägers als unbegründet zurück. Die BVO NRW enthalte keine Regelung dahingehend, dass die Pauschale nach § 6 Abs. 3 Satz 1 BVO nur dann maßgeblich sei, wenn sie dem Betreffenden auch angeboten werde, sondern stelle nur eine Berechungsgrundlage dar. Die Kürzung der Pauschale nach § 6 Abs. 3 Satz 2 BVO NRW um 30% erfolge, wenn überhaupt gesondert Kosten nach § 4 Abs. 1 Nr. 1, 7 und 9 BVO NRW in Rechnung gestellt würden. Auf die Höhe dieser Kosten komme es nicht an; diese betrügen im übrigen auch 1.192,91 EUR und nicht wie behauptet 369, EUR. Der Maximalsatz von 104, EUR nach § 6 Abs. 3 Satz 3 BVO NRW, der allerdings nicht um 30% gekürzt werden könne, gelte nur für Rehakliniken ohne Preisvereinbarungen und sei daher im Falle der Ehefrau des Klägers nicht einschlägig.

Am 6. März 2008 hat der Kläger Klage erhoben.

Er trägt vor, bereits der Ansatz des zwischen dem Sanatorium und einem Sozialversicherungsträger vereinbarten pauschalierten Vergütungssatzes in Höhe von 87,30 EUR sei rechtswidrig. Dieser voll pauschalierte Vergütungssatz beruhe auf einer Vereinbarung des Sanatoriums mit den gesetzlichen Krankenversicherungen und werde laut Auskunft des Sanatoriums nur gesetzlich versicherten Patienten angeboten. Seine Frau habe diesen Satz nicht in Anspruch nehmen können.

Die pauschale Kürzung um 30% sei ebenfalls nicht gerechtfertigt. Sie werde beispielsweise nicht erhoben bei Sanatorien ohne Pauschalvereinbarung. Außerdem läge der seiner Frau in Rechnung gestellte Tagessatz mit 90, EUR unterhalb der Grenze des § 6 Abs. 3 Satz 3 BVO NRW von 104, EUR. Dies stelle sich als Ungleichbehandlung gegenüber denjenigen Patienten dar, die ein Sanatorium ohne Pauschale aufsuchten.

Der Kläger beantragt,

das beklagte Land zu verpflichten, ihm auf die Rechnung des Klinischen Sanatoriums G GmbH in Bad L vom 3. September 2007 eine weitere Beihilfe in Höhe von 424,68 EUR zu gewähren und die Bescheide des Landesamtes für Besoldung und Versorgung vom 22. Oktober 2007 und vom 15. Februar 2008 aufzuheben, soweit sie diesem Begehren entgegen stehen.

Das beklagte Land verteidigt seine Entscheidung und beantragt,

die Klage abzuweisen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und des beigezogenen Verwaltungsvorgangs der Beklagten verwiesen.

Gründe

Die zulässige Verpflichtungsklage auf Gewährung weiterer Beihilfe ist unbegründet. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Gewährung weiterer Beihilfe zu der Rechnung des Klinischen Sanatoriums G GmbH in Bad L vom 3. September 2007, § 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO.

Dass das Landesamt für Besoldung und Versorgung die dem Kläger zustehende Beihilfe in zutreffender Anwendung von § 6 Abs. 3 Sätze 1 und 2 der Verordnung über die Gewährung von Beihilfen in Krankheits-, Geburts und Todesfällen (Beihilfenverordnung BVO , hier in der ab dem 1. Januar 2007 geltenden Fassung der Änderung durch Verordnung vom 22. November 2006, GV NW S. 596) NRW errechnet und bewilligt hat, bestreitet der Kläger nicht. Die vom Kläger erhobenen Bedenken an der Wirksamkeit von § 6 Abs. 3 BVO NRW teilte die Kammer nicht.

Regelungszweck des § 6 Abs. 3 BVO NRW ist es, in Ausfüllung der Ermächtigung durch § 88 Satz 5 LBG NRW die Beihilfefähigkeit der Aufwendungen für den Aufenthalt u.a. in Sanatorien bei stationären Rehabilitationsmaßnahmen auch unabhängig von deren Notwendigkeit und Angemessenheit zu beschränken. Gegen diese vom Gesetzgeber zugelassene Beschränkung ist unter Fürsorgeerwägungen nichts einzuwenden. Während der Dauer des Aufenthaltes in einer stationären Rehabilitation werden nämlich häusliche Aufwendungen insbesondere für Verpflegung eingespart.

Zur Erreichung des Zieles "Beschränkung der Beihilfefähigkeit der Aufwendungen" unterscheidet der Verordnungsgeber ersichtlich zwischen solchen Einrichtungen, die mit den Sozialversicherungsträgern Preisvereinbarungen (Pauschalen) getroffen haben (Sätze 1 und 2), und Einrichtungen, die mit den Sozialversicherungsträgern keine Preisvereinbarung getroffen haben (Satz 3), und knüpft daran unterschiedliche Berechnungswege, die aber denselben Zweck (Kürzung der Aufwendungen) verfolgen.

Einrichtungen ohne Preisvereinbarung i.S.d. § 6 Abs. 3 Satz 3 BVO NRW sind solche, die gesetzlich Versicherte überhaupt nicht aufnehmen und sich statt dessen ausschließlich an Privatversicherte (oder nichtversicherte Selbstzahler) wenden.

Vgl. Mohr/Sabolewski, Kommentar zum Beihilfenrecht, Stand Januar 2008 B I § 6 Anm. 1, wonach eine Einrichtung ohne Preisvereinbarung mit einem Sozialversicherungsträger eine solche ist, in der gesetzliche Versicherte nicht aufgenommen werden.

In Anknüpfung an diese Unterscheidung, die sich zur Überzeugung der Kammer auch auf die Kostenstruktur und damit die Preisgestaltung einer Einrichtung auswirkt, hat der Verordnungsgeber unterschiedliche, aber jeweils für sich geeignete Wege gewählt, um die Beihilfefähigkeit der Aufwendungen jeweils zu beschränken.

Soweit der Kläger der Ansicht ist, bereits § 6 Abs. 3 Satz 1 BVO NRW sei rechtswidrig, weil seine Frau Leistungen des Sanatoriums nicht zu dem Preis erhalten könne, zu dem die Leistungen den gesetzlichen Krankenversicherungen angeboten werden, teilt die Kammer seinen Ausgangspunkt nicht. Die Argumentation des Klägers beruht auf der Prämisse, der Verordnungsgeber müsse die notwendigen Aufwendungen in einem Sanatorium vollumfänglich als beihilfefähig anerkennen. Diese Prämisse geht aber fehlt. § 88 Satz 5 LBG NRW ermächtigt den Verordnungsgeber vielmehr ausdrücklich zu Beschränkungen auch notwendiger und angemessener Aufwendungen. Es kommt daher nicht darauf an, dass die Ehefrau des Klägers die Leistungen des Sanatoriums nicht zu einem Preis erlangen kann, zu dem sie den Sozialversicherungsträgern (nach dem Sachleistungsprinzip der GKV nicht den gesetzlich Versicherten) auf Grund der mit diesen getroffenen Vereinbarung angeboten werden (und sie danach in vollem Umfang beihilfefähig wären). Eine darin liegende Ungleichbehandlung gegenüber gesetzlich Versicherten ist durch einen sachlichen Grund gerechtfertigt. Das System der Beihilfe unterscheidet sich wesentlich vom Prinzip der GKV.

Auch gegen die Regelung in § 6 Abs. 3 Satz 2 BVO NRW ist nichts einzuwenden. Sie besagt, dass die Pauschale nach Satz 1 dann weiter zu kürzen ist, wenn dem Beihilfeberechtigten oder dem Angehörigen gesonderte Kosten für bestimmte medizinische Leistungen in Rechnung gestellt werden. Sachlicher Grund für den in § 6 Abs. 3 Satz 2 BVO NRW nur für Einrichtungen mit Pauschalvereinbarungen mit Sozialversicherungsträgern vorgesehenen Abzug von 30% ist ersichtlich, dass die Pauschale nach § 6 Abs. 3 Satz 1 BVO eine solche ist, die neben den Aufwendungen für Unterkunft und Verpflegung auch Aufwendungen für medizinische Behandlungen einschließt. Soweit nach § 6 Abs. 3 Satz 2 BVO NRW diese Pauschale um 30% zu kürzen ist, wenn neben den Kosten für Unterkunft und Verpflegung gesondert Leistungen nach § 4 Abs. 1 Nr. 1, 7 und 9 BVO NRW (= ärztliche Behandlungen, Arzneimittel und Heilbehandlungen) in Rechnung gestellt werden, ist dies sachlich gerechtfertigt. Es handelt sich um einen pauschalierenden Abzug dafür, dass gegenüber gesetzlich Versicherten diese Leistungen im Rahmen der Pauschale bereits mit abgegolten sind und der Leistungserbringer (Einrichtung) gegenüber nicht gesetzlich Versicherten einen "Aufschlag" verlangt. Auch dieser Abzug ist auf der Basis des § 88 Satz 5 LBG NRW zulässig, weil er die Beihilfe dem Grunde nach nicht in Frage stellt. Auf die konkrete Höhe der Aufwendungen für medizinische Leistungen kommt es daher nicht an, wiewohl diese im Fall der Ehefrau des Klägers nach der Darstellung im Widerspruchsbescheid auch höher lagen als der Betrag, der sich durch Abzug von 30% von dem mit der GKV vereinbarten Tagessatz ergibt.

Eine strukturelle Ungleichbehandlung der Ehefrau des Klägers gegenüber solchen Beihilfeberechtigten, die eine Einrichtung ohne Preisvereinbarung aufsuchen, ist nicht erkennbar, weil ein unterschiedlicher Sachverhalt vorliegt. Einrichtungen ohne Preisvereinbarung i.S.d. § 6 Abs. 3 Satz 3 BVO NRW sind wie ausgeführt solche, die gesetzlich Versicherte überhaupt nicht aufnehmen und sich statt dessen ausschließlich an Privatversicherte oder nicht krankenversicherte Selbstzahler wenden. Gerade weil sie sich ausschließlich an Selbstzahler oder Privatversicherte wenden, haben sie typischerweise auch nicht nur eine andere Kosten-, sondern auch eine andere Preisstruktur. Sie konkurrieren nicht mit Einrichtungen, die gesetzlich Versicherte aufnehmen, sondern mit anderen "Privatanbietern". Diese Konkurrenz wird wiederum typischerweise auf dem Gebiet des Komfort- und Ausstattungsstandards ausgetragen und führt deshalb zwangsläufig zu höheren Preisen. Einrichtungen, die sich ausschließlich an Selbstzahler/Privatversicherte wenden, werden aller Voraussicht nach (je nach Komfortstandard deutlich) höhere Tagespreise als Einrichtungen haben, die Vereinbarungen mit Sozialversicherungsträgern geschlossen haben. Ist die Preisgestaltung nicht vergleichbar, so bestehen keine Bedenken dagegen, dass der Verordnungsgeber in dem einen Fall (Leistungserbringer mit Pauschalvereinbarung) sich an der (relativen) Vereinbarung mit Dritten orientiert, in dem anderen Fall (Leistungserbringer nur für Selbstzahler/Privatversicherte) er eine absolute Höchstgrenze bestimmt. Denn auch im letztgenannten Fall beabsichtigt der Verordnungsgeber ersichtlich eine Kürzung des beihilfefähigen Aufwandes. Die Kammer erachtet es als Prämisse des Verordnungsgebers zu § 6 Abs. 3 Satz 3 BVO NRW, dass Einrichtungen ohne Pauschalvereinbarung mit einem Sozialversicherungsträger ihre Leistungen im Durchschnitt zu Tagessätzen erbringen, die jenseits der Kappungsgrenze von 104, EUR pro Tag liegen und es deshalb im Anwendungsdurchschnitt des § 6 Abs. 3 Satz 3 BVO NRW regelmäßig zu einem Selbstbehalt der Beihilfeberechtigten kommt.

Es unterscheiden sich daher nur die Berechungsmodi zur Kürzung des beihilfefähigen Aufwandes; dass der beihilfefähige Aufwand überhaupt gekürzt wird, ergibt sich in dem einen (Einrichtung mit Pauschalvereinbarung, die ihre Pauschale aber Privaten nicht "1 zu 1" anbietet) wie dem anderen (Einrichtung ohne Pauschalvereinbarung mit einem Tagespreis von durchschnittlich jenseits 104, EUR) Sachverhalt. Ein sachlicher Grund für die unterschiedliche Berechnung der Kürzung liegt darin, dass im Falle des § 6 Abs. 3 Satz 1 und 2 BVO NRW an eine bereits getroffene Vereinbarung Dritter angeknüpft werden kann, während im Falle des § 6 Abs. 3 Satz 3 BVO NRW andere Kriterien erforderlich sind. Soweit sich in Anwendung dieser unterschiedlichen Berechnungsmodi unterschiedliche Eigenanteile ergeben, ist dies hinzunehmen. Jedem Beihilfeberechtigten steht es frei, eine Einrichtung nach Kostengesichtspunkten auszuwählen.

Der Vortrag des Klägers ergibt keine Anhaltspunkte für eine sachlich nicht gerechtfertige Ungleichbehandlung im Einzelfall. Er beruht auf einer nicht verifizierbaren Hypothese. Welchen Tagespflegesatz das Sanatorium, in dem sich seine Ehefrau des Klägers aufgehalten hat, einem Privatpatienten berechnen würde, wenn es keine Vereinbarung mit einem Sozialversicherungsträger i.S.d. § 6 Abs. 3 Satz 1 BVO NRW getroffen hätte, kann nicht fest gestellt werden.

Die Klage war daher mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen. Die weiteren Nebenentscheidungen beruhen auf den §§ 167 Abs. 2 und 1 VwGO, 708 Nr. 11, 711, 709 Satz 2 ZPO.

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