OLG Hamm, Urteil vom 10.12.2010 - I-11 U 48/09
Fundstelle
openJur 2012, 126422
  • Rkr:
Tenor

Auf die Berufung des Klägers wird das am 05.02.2009 verkündete Urteil der Zi-vilkammer IV des Landgerichts Detmold abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Das beklagte Land wird verurteilt, an den Kläger 5.317,50 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.12.2008 zu zahlen.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Berufung des beklagten Landes wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits trägt das beklagte Land.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Gründe

(abgekürzt gemäß § 540 Abs. 1 Satz 1 ZPO)

I.

Der Kläger, der sich zwischen August 2007 und Januar 2008 sowie zwischen Februar 2008 und Juli 2008 in der vor dem 01.01.1977 errichteten Justizvollzugsanstalt (im Weiteren: JVA) Detmold in Strafhaft befand, verlangt von dem beklagten Land Nordrhein-Westfalen Zahlung einer Entschädigung wegen seines Erachtens menschenunwürdiger gemeinschaftlicher Haftunterbringung für 156 Tage (1. Zeitraum) und 168 Tage (zweiter Zeitraum).

Der Kläger war innerhalb der von dem Entschädigungsbegehren umfassten streitgegenständlichen Zeiträume nach den in der Berufungsinstanz nicht angegriffenen Feststellungen im Urteil des Landgerichts wie folgt gemeinschaftlich untergebracht:

Vom 10.08.2007 bis zum 12.08.2007 bewohnte der Kläger mit einem weiteren Mitgefangenen den Haftraum A 063, der eine Grundfläche von 14,08 qm hatte und dessen Toilettenbereich mittels einer Schamwand vom übrigen Haftraum separiert war. Vom 13.08.2007 bis zum 11.10.2007 bewohnte der Kläger mit einem weiteren Mitgefangenen den 9,06 qm großen Haftraum A 119, dessen Sanitärbereich gleichfalls über eine Schamwand verfügte. Vom 12.10.2007 bis zum 27.01.2008 war der Kläger mit einem weiteren Mitgefangenen im 9,06 qm großen Haftraum B 259 untergebracht, der über eine baulich vollständig abgetrennte Toilettenkabine nebst Aktivkohlefilteranlage verfügte. Vom 15.02.2008 bis zum 21.02.3008 bewohnte der Kläger mit einem weiteren Mitgefangenen wiederum den bis dahin unveränderten Haftraum A 063. Vom 22.02.2008 bis zum 31.07.2008 war der Kläger in 2-er-Belegung in verschiedenen baugleichen Hafträumen, die jeweils 9,06 qm groß waren und über eine Toilette mit Schamwand verfügten, untergebracht. Am 01.08.2008 wurde er in einen Einzelhaftraum verlegt.

Vom 19.09.2007 bis zum 21.09.2007, vom 09.10.2007 bis zum 17.10.2009 und vom 24.10.2007 bis zum 26.10.2007 befand sich der Kläger wegen Terminsüberstellungen bzw. wegen Aufenthalten im Justizvollzugskrankenhaus (JVK) Fröndenberg nicht in der JVA Detmold. Vom 09.01.2008 bis zum 15.01.2008 ging der Kläger werktäglich von 6.45 Uhr bis 15.45 Uhr außerhalb des Haftraumes einer Arbeitstätigkeit nach.

Am 21.11.2007 und am 17.02.2008 stellte der Kläger jeweils einen Antrag auf Einzelunterbringung an die Anstaltsleitung, woraufhin er in eine Warteliste aufgenommen wurde, nach der die Einzelhafträume vergeben wurden.

Förmliche Rechtsmittel, insbesondere Anträge nach §§ 109, 114 StVollzG, hat der Kläger nicht eingelegt.

Erstinstanzlich haben die Parteien darüber gestritten, ob der Kläger weitere anstaltsinterne Verlegungsanträge gestellt hat und ob seine Unterbringung menschenunwürdig war, auf einer schuldhaften Amtspflichtverletzung des Landes beruhte und einen geldwerten Entschädigungsanspruch nach sich zieht. Zudem hat das beklagte Land erstinstanzlich hilfsweise die Aufrechnung mit ihm gegenüber dem Kläger zustehenden Justizkostenforderungen in Höhe von 1.919,50 € erklärt.

Das Landgericht hat nach persönlicher Anhörung des Klägers und Vertretern des beklagten Landes im Kammertermin am 13.01.2009 das beklagte Land zur Zahlung einer Entschädigung in Höhe von 2.520,- € für insgesamt 180 Kalendertage verurteilt. Dabei ist das Landgericht von kalendertäglichen Entschädigungssätzen zwischen 10,- € und 20,- € ausgegangen, wobei es 10,- € für die Unterbringung des Klägers in Hafträumen mit weniger als 5 qm Grundfläche pro Gefangenem, aber baulich vollständig abgetrennter und separat entlüfteter Toilettenkabine und 20,- € bei zu kleinen Hafträumen ohne baulich vollständig abgetrennte Toilette in Ansatz gebracht hat. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, soweit dem Kläger und seinen Mitgefangenen während der gemeinschaftlichen Unterbringung nicht jeweils mindestens 5 qm Haftraumgrundfläche zur Verfügung gestanden habe und eine vollständig baulich abgetrennte Toilette nicht vorhanden gewesen sei, sei der Kläger menschenunwürdig untergebracht gewesen, was eine schuldhafte Amtspflichtverletzung des beklagten Landes darstelle. Indes greife der Haftungsausschluss des § 839 Abs. 3 BGB zugunsten des Landes ein, soweit das Entschädigungsbegehren des Klägers über einen Zeitraum von 180 Tagen hinausgehe. Nach den Angaben des Vertreters des beklagten Landes im Kammertermin seien in der JVA Detmold Wartelisten für Einzelunterbringung geführt worden, deren Existenz jedem neuen Gefangenen bei Ankunft mitgeteilt worden und auf die praktisch jeder neue Gefangene gesetzt worden sei. Zwar hätten insgesamt vier Schlichtzellen für emotional entgleiste Gefangene zur Verfügung gestanden, die im Ausnahmefall als Einzelhaftplätze hätten dienen können, wenn ein Gefangener eine für ihn positive Entscheidung der Strafvollstreckungskammer herbeigeführt hätte. Nach Erörterung einer Erhebung des Justizministers im Kammertermin, der die Kammer nicht überzeuge, habe das Land nicht bewiesen, dass eine schnelle Einzelunterbringung des Klägers auf einen Antrag nach §§ 109, 114 StVollzG möglich gewesen wäre. Vielmehr schätze die Kammer nach § 287 ZPO, dass es innerhalb von etwa sechs Monaten bei Ausschöpfung aller Möglichkeiten durch den Kläger zu einer Einzelunterbringung gekommen wäre. Bei Außerachtlassung von Unterbrechungstagen könne der Kläger daher nach der chronologischen Reihenfolge seiner gemeinschaftlichen Unterbringung eine Entschädigung für 108 Tage zu je 10,- € und 72 Tage zu je 20,- € verlangen. Der weitere Vortrag des Landes zu kurzfristigen Möglichkeiten der Einzelunterbringung aufgrund der Fluktuation der Gefangenen, Möglichkeiten der Verlegung in die JVA Münster sowie der Bevorzugung gemeinschaftlicher Unterbringung einzeln untergebrachter Gefangener sei unsubstantiiert.

Dagegen richten sich sowohl das beklagte Land als auch der Kläger mit ihren Berufungen.

Das beklagte Land verfolgt seinen Klageabweisungsantrag in vollem Umfang weiter, wobei es indes die erstinstanzlich erklärte Hilfsaufrechnung mit ihm gegenüber dem Kläger zustehenden Justizkostenforderungen nicht mehr aufrechterhält. Es bestreitet insbesondere eine menschenunwürdige Haftunterbringung des Klägers und meint, eine solche sei jedenfalls mangels körperlicher oder psychischer Schäden beim Kläger nicht entschädigungspflichtig. Zudem hält es die in Ansatz gebrachten Entschädigungssätze für überhöht. Ferner wendet sich das beklagte Land mit näheren Ausführungen gegen den Vorwurf des Organisationsverschuldens und hält weiterhin den Haftungsausschluss gemäß § 839 Abs. 3 BGB für vollumfänglich eingreifend, da der Kläger es schuldhaft versäumt habe, Rechtsmittel einzulegen. Insbesondere trägt das beklagte Land in Widerspruch zum eigenen - unstreitigen - erstinstanzlichen Vortrag, dass der Kläger am 21.11.2007 und am 17.02.2008 jeweils Verlegungsanträge an die Anstaltsleitung gestellt habe, nunmehr vor, dass er zu keinem Zeitpunkt einen Antrag auf Einzelunterbringung gestellt habe. In diesem Zusammenhang wiederholt und vertieft das beklagte Land seinen Vortrag, bereits auf ein bloßes Rechtsmittel hin, insbesondere auf einen bloßen Antrag nach §§ 109, 114 StVollzG, wäre der Kläger noch vor einer Entscheidung der Strafvollstreckungskammer (im Weiteren: StVK) binnen weniger als zwei Wochen menschenwürdig untergebracht worden. Zudem komme es entgegen der vom Landgericht vertretenen Ansicht allein auf eine individuelle, allein auf den Kläger bezogene Einzelfallbetrachtung an. Zudem vertieft das Land mit weiteren Ausführungen seinen Vortrag zu den Austrittszahlen und freien Einzelhafträumen zwischen August 2007 und August 2008 mit näheren Ausführungen.

Das beklagte Land beantragt,

unter Abänderung des erstinstanzlichen Urteils die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Der Kläger beantragt ferner,

unter teilweiser Abänderung des angefochtenen Urteils das beklagte Land zur

Zahlung weiterer 2.797,50 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über

dem Basiszinssatz seit dem 21.08.2008 zu verurteilen.

Das beklagte Land beantragt,

diese Berufung zurückzuweisen.

Der Kläger verteidigt das erstinstanzliche Urteil, soweit ihm eine Entschädigung zugesprochen wurde.

Mit seiner Berufung, die er nach teilweiser Berufungsrücknahme im Senatstermin am 10.12.2010 lediglich noch nach Maßgabe des PKH-Beschlusses des Senats vom 05.11.2010 in Höhe weiterer 2.797,50 € aufrecht erhält, verfolgt er sein Entschädigungsbegehren wegen menschenunwürdiger Haftunterbringung weiter. Er wiederholt und vertieft seinen erstinstanzlichen Vortrag. Es sei nicht einzusehen, wieso das Landgericht davon ausgehe, dass ein gerichtliches Verfahren dazu geführt hätte, dass die JVA dem Kläger "an der Warteliste vorbei" vor anderen Gefangenen den Vorzug gegeben hätte.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den vorgetragenen Inhalt der gewechselten Schriftsätze nebst den überreichten Anlagen sowie die tatsächlichen Feststellungen des Landgerichts in seinem angefochtenen Urteil verwiesen. Der Senat hat den Vertreter des beklagten Landes persönlich angehört. Wegen des Ergebnisses der Parteianhörung wird auf den Berichterstattervermerk zum Senatstermin am 10.12.2010 Bezug genommen.

II.

Die zulässige Berufung des Klägers hat auch in der Sache Erfolg und führt zur Verurteilung des beklagten Landes in der aus dem Tenor ersichtlichen Höhe nebst Zinsen, wohingegen die gleichfalls zulässige Berufung des beklagten Landes in der Sache lediglich in geringem Umfang zur Höhe im Hinblick auf den vom Landgericht nicht vorgenommenen pauschalen Abzug wegen der Arbeitstätigkeit des Klägers Erfolg hat.

1)

Die Haftbedingungen, unter denen der Kläger nach den in der Berufungsinstanz nicht angegriffenen Feststellungen des erstinstanzlichen Urteils in den streitgegenständlichen Zeiträumen gemeinschaftlich untergebracht war, entsprachen nicht den an eine menschenwürdige Haftunterbringung zu stellenden Anforderungen stellen daher im Rahmen des nach § 839 Abs. 3 BGB i.V.m. Art. 34 GG gegebenen Entschädigungsanspruchs eine schuldhafte Amtspflichtverletzung dar. a)

Eine Amtspflichtverletzung des beklagten Landes ergibt sich indes nicht bereits aus dem Umstand der gemeinschaftlichen Unterbringung des Klägers als solcher. Wie der Senat bereits in seinem Urteil vom 18.03.2009 (11 U 88/08, VersR 2009, 1666 ff. = StV 2009, 262 ff.) näher dargelegt hat, ergibt sich eine dem beklagten Land vorzuwerfende Amtspflichtverletzung indes nicht bereits daraus, dass der Kläger überhaupt gemeinschaftlich untergebracht war. Auch wenn § 18 Abs. 1 Satz 1 StVollzG grundsätzlich eine Einzelunterbringung von Strafgefangenen während der Ruhezeiten vorsieht, ist nach § 201 Nr. 3 StVollzG davon abweichend in Justizvollzugsanstalten, mit deren Errichtung vor dem Inkrafttreten des Strafvollzugsgesetzes am 01.01.1977 begonnen wurde und wozu auch die JVA Detmold gehört, während der Ruhezeiten eine gemeinschaftliche Unterbringung von Gefangenen gestattet, solange die räumlichen Verhältnisse der Anstalt dies erfordern. Die Vorschrift verfolgt damit das Ziel, in den vor dem genannten Zeitpunkt errichteten Anstalten die Anwendung des § 18 Abs. 1 Satz 1 StVollzG zu suspendieren, wodurch verhindert werden soll, dass Strafgefangene in diesen Anstalten ohne eine Einschränkungsmöglichkeit im Einzelfall einen einfachgesetzlichen Anspruch auf Einzelunterbringung erfolgreich geltend machen können (BGH, NJW 2006, 306, 309). Der Wirksamkeit des § 201 Nr. 3 Satz 1 StVollzG steht dabei nicht entgegen, dass es sich bei der Bestimmung um ein Zeitgesetz handelt, der Zeitpunkt des Außer-Kraft-Tretens hierin aber nicht bestimmt wird. Denn die fehlende Befristung liegt innerhalb des Gestaltungsermessens des Gesetzgebers und wird von sachlichen Erwägungen getragen (vgl. BGH, NJW 2006, 306, 309)

Kann nicht jedem Gefangenen ein Einzelhaftraum zur Verfügung gestellt werden, hat die JVA im Anwendungsbereich des § 201 Nr. 2 StVollzG das ihr im Rahmen ihrer Organisationshoheit zustehende Ermessen in zwei Stufen auszuüben: Zunächst ist zu klären, ob dem Gefangenen aus besonderen Gründen ein Einzelhaftraum zugewiesen werden kann bzw. muss. Ist dies nicht der Fall, ist zu klären, mit wie vielen und welchen Gefangenen er in einer Zelle untergebracht wird. Das bei beiden Entscheidungen eröffnete Ermessen ist dabei an nachvollziehbaren und mit dem Strafvollzugsgesetz in Einklang stehenden Kriterien auszurichten (OLG Celle, NJW 2004, 2766).

Dass dem beklagten Land bereits, unter diesem Gesichtspunkt eine Amtspflichtverletzung vorzuwerfen ist, hat weder der Kläger vorgetragen noch ist dies sonst ersichtlich. Auch der Kläger macht nicht geltend, dass (schon) die Entscheidung, ihn gemeinschaftlich unterzubringen und/oder die Auswahl der Gefangenen, mit denen er zusammen untergebracht wurde, ermessensfehlerhaft getroffen worden sei.

b)

Dem beklagten Land ist indes als Amtspflichtverletzung vorzuwerfen, dass die gemeinschaftliche Unterbringung des Klägers in den streitgegenständlichen Zeiträumen unter haftraumbezogenen Bedingungen erfolgte, die menschenunwürdig waren, was einen Verstoß gegen Art. 1 und 2 Abs. 1 GG sowie zugleich gegen Art. 3 EMRK begründet.

Unabhängig davon, dass nach verbreiteter und vom Senat geteilter Auffassung je nach Lage des Einzelfalls allein schon die gemeinschaftliche Unterbringung eines Gefangenen mit anderen Mitgefangenen gegen die Menschenwürde des betroffenen Strafgefangenen verstoßen kann (vgl. dazu: Urteil des Senats vom 18.03.2009 zu 11 U 88/08 unter Ziff. 2.2.1., veröffentlicht u.a. in: VersR 2009, 1666 ff. = StV 2009, 262 f. m.w.N.), ist eine gemeinschaftliche Haftunterbringung nach ständiger, den Parteien bekannter Rechtsprechung des Senats, von der abzuweichen der der Streitfall keine Veranlassung gibt, jedenfalls dann als menschenunwürdig und damit als eine entschädigungspflichtige Amtspflichtverletzung anzusehen, wenn den gemeinschaftlich untergebrachten Gefangenen wie dem Kläger nach den gemäß § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO bindenden Feststellungen des landgerichtlichen Urteils in den streitgegenständlichen Zeiträumen - mit Ausnahme der Unterbringung in Haftraum A 063 - im Haftraum eine Grundfläche von weniger als 5 qm pro untergebrachtem Gefangenen zur Verfügung steht. Gleiches gilt bei ungenügender sanitärer Ausstattung des Haftraums mangels vollständiger baulicher Abtrennung der im Haftraum angebrachten Toilette, worunter auch die Abtrennung mittels einer Schamwand gehört, insbesondere bei Fehlen einer gesonderten Entlüftung (vgl. dazu: Urteil des Senats vom 18.03.2009, a.a.O., unter Ziff. 2.2.2. m.w.N.), und erst recht im Falle der Kumulation dieser Kriterien.

c)

Ungeachtet der seitens des beklagten Landes hiergegen erhobenen Einwände ist dem beklagten Land ein relevantes Verschulden in Gestalt eines Organisationsverschuldens anzulasten. Es ist nicht nachvollziehbar, dass und weshalb das beklagte Land aus von ihm nicht zu vertretenden Gründen außerstande gewesen ist, Haftbedingungen wie die dem Kläger zugemuteten Haftbedingungen durch rechtzeitig veranlasste bauliche und/oder organisatorische Maßnahmen abzuwenden. Der hierzu gehaltene Vortrag des Landes, das unter eingehender Darlegung unter anderem auf von ihm in der Vergangenheit unternommene Anstrengungen zur Behebung vorhandener Missstände verweist, belegt gerade im Gegenteil, dass ein Mangel an geeigneten, den Anforderungen der Menschenwürde entsprechenden Haftplätzen durchaus bekannt war, und rechtfertigt so den Vorwurf eines erheblichen - weil jedenfalls als "vorsatznah" einzustufenden (so ausdrücklich: BGH, NJW-RR 2010, 167) - Organisationsverschuldens, wobei zur weiteren Begründung auf die Ausführungen im Urteil des Senats vom 18.03.2009 (a.a.O. unter Ziff. 2.5.1.) Bezug genommen wird, die der Bundesgerichtshof mit Urteil vom 11.03.2010 (veröffentlicht u.a. in MDR 2010, 743) nicht beanstandet hat.

d)

Die vor dem Hintergrund der mit Ausnahme der Unterbringung in Haftraum A 063 vom Entschädigungsbegehren des Klägers umfassten Zeiträumen zu geringen Haftraumgrundfläche und der mit Ausnahme der Zeit vom 18.10.2007 bis zum 27.01.2008 nicht den Anforderungen der Art. 1 und 2 Abs. 1 GG genügenden Sanitärausstattung gegebene Verletzung der Menschenwürde des Klägers war auch von solchem Gewicht, wie dies ein geldwerter Entschädigungsanspruch erfordert.

Der Senat hält dabei auch in Ansehung der vom beklagten Land angeführten, insoweit abweichenden Rechtsprechung der Oberlandesgerichte Köln und Düsseldorf (vgl. etwa Urteil des OLG Düsseldorf vom 25.08.2010 zu I-18 U 21/10) - weiterhin - daran fest, dass der Eintritt physischer und/oder psychischer Schäden in Fällen der hier in Rede stehenden Art grundsätzlich nicht Voraussetzung für die Zuerkennung einer Entschädigung ist.

Wie der Senat bereits in seinem Urteil vom 18.03.2009 (a.a.O. unter Ziff. 2.5.1.) dargelegt hat, ist der vom Kläger geltend gemachte Schaden einerseits kein Vermögensschaden, andererseits auch kein bloßes Schmerzensgeld im Sinne des § 253 Abs. 2 BGB (BGH, NJW 2005, 58, 59). Vielmehr geht es um den Ausgleich einer Verletzung der Menschenwürde (Art. 1 GG) und des aus Art. 1 und 2 Abs. 1 GG hergeleiteten allgemeinen Persönlichkeitsrechts. Die Zubilligung einer Geldentschädigung in bestimmten Fällen der Beeinträchtigung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts gründet sich auf den Gedanken, dass ohne einen solchen Anspruch Verletzungen der Würde und Ehre des Menschen häufig ohne Sanktion blieben, mit der Folge, dass der Rechtsschutz der Persönlichkeit verkümmern würde (BGH, a.a.O.). Anders als beim Schmerzensgeldanspruch steht bei dem Anspruch auf eine Geldentschädigung wegen einer Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts der Gesichtspunkt der Genugtuung des Opfers im Vordergrund.

Würde man hingegen - wie dem Vortrag des beklagten Landes zu entnehmen - (zusätzlich) das Erfordernis körperlicher und/oder seelischer Beeinträchtigungen zur Voraussetzung eines Entschädigungsanspruchs fordern, führte dies dazu, dass neben der eigenständigen Verletzung der Rechtsgüter der Menschenwürde und des Persönlichkeitsrechts die Verletzung eines weiteren Rechtsgutes, nämlich der Gesundheit, hinzutreten muss. Das schränkte den zu gewährleistenden Schutz der Menschenwürde und des allgemeinen Persönlichkeitsrechts unangemessen ein. Zum anderen käme dann den für den Senat ausschlaggebenden Aspekten der Sanktion und Prävention kein nennenswertes Gewicht mehr zu. Insoweit ist nämlich zu berücksichtigen, dass die Justizvollzugsorgane mit der menschenunwürdigen Unterbringung gegen eine Kardinalpflicht verstoßen (BGH, NJW-RR 2010, 167). Deshalb bedarf es spürbarer Auswirkungen, um das beklagte Land dazu anzuhalten, künftig weitere Verstöße gegen die im Schutzauftrag aus Art. 1 Satz 2 GG wurzelnde Kardinalpflicht, Gefangene menschenwürdig zu behandeln, zu vermeiden und nicht länger fortdauern zu lassen. Dies gilt insbesondere vor dem Hintergrund, dass trotz der vom beklagten Land mit Schriftsatz seiner Bevollmächtigen vom 06.05.2009 vorgetragenen Bemühungen um eine Verbesserung der Situation in den Haftanstalten bis heute weiterhin viele Gefangene in Hafträumen untergebracht sind, die den Anforderungen an eine menschenwürdige Unterbringung widersprechen, wie dem Senat u.a. bereits aus den mündlichen Verhandlungen in Parallelverfahren am 08.09.2010 betreffend die JVA Detmold und die JVA Münster, am 22.09.2010 betreffend die JVA Hagen und am 29.09.2010 betreffend die JVA Werl erfahren hat. Auch wenn solche, gemeinschaftlichen Unterbringungen in Hafträumen mit zu geringer Grundfläche und/oder mit unzureichender sanitärer Ausstattung möglicherweise deshalb nicht entschädigungspflichtig sind, weil sie mit Zustimmung des jeweiligen Betroffenen erfolgen und dann nicht (mehr) auf einer Amtspflichtverletzung beruhen, verbleibt es dabei, dass die Art der Unterbringung objektiv gegen die Menschenwürde des betroffenen Häftlings verstößt und sie wegen der Unantastbarkeit und Unverzichtbarkeit der Menschenwürde verfassungswidrig ist. Bei dieser Sachlage würde die Sanktionslosigkeit einer - wie hier - auf einer Amtspflichtverletzung beruhenden und aus dargelegten Gründen von einem erheblichen Verschulden getragenen Verletzung der Menschenwürde die Besorgnis begründen, dass der dem Staat gemäß Art. 1 Abs. 1 Satz 2 GG obliegende Schutzauftrag auch weiterhin nicht die gebotene Umsetzung erfährt.

Zwar ist die Zubilligung einer Geldentschädigung andererseits nicht zwangsläufige Folge einer Menschenrechtsverletzung, sondern erfordert daneben, dass die sogenannte Erheblichkeitsschwelle überschritten ist (Senat, Urteil vom 18.03.2009, aaO. zu Ziffer 2.5.1.). Hiervon kann indes im Falle menschenunwürdiger gemeinschaftlicher Haftunterbringung in der Regel ausgegangen werden, wenn die hierin liegende Verletzung der Menschenwürde und des Persönlichkeitsrechts - wie im Streitfall - von einiger Dauer war, wobei der Senat einen Zeitraum von (mindestens) 14 Tagen für notwendig hält, um eine die Erheblichkeitsschwelle überschreitende Unterbringung anzunehmen (vgl. Senat, Beschluss vom 14.09.2009, 11 W 89/09). Denn dann liegt eine Rechtsverletzung von beachtlichem Gewicht vor, die regelmäßig nach einer Entschädigung verlangt, weil auf andere Weise -namentlich durch eine bloße nachträgliche Feststellung der Rechtswidrigkeit der beanstandeten Unterbringung- dem Betroffenen keine ausreichende Genugtuung für die erhebliche Verletzung seiner nach Art. 1 Abs. 1 Satz 1 GG unantastbaren Menschenwürde zuteil würde und überdies - wie dargelegt - andernfalls der dem Staat nach Art. 1 Abs. 1 Satz 2 GG obliegende Schutz der Menschenwürde verkümmern würde, bliebe deren Verletzung sanktionslos.

e)

Der zu konstatierende Verstoß gegen die Menschenwürde des Klägers beruhte auch auf der seitens des beklagten Landes begangenen Amtspflichtverletzung.

f) Der Haftungsausschluss nach § 839 Abs. 3 BGB greift nicht ein.

(1)

Wie der Senat bereits in seinem Urteil vom 18.03.2009 (a.a.O. unter Ziff. 2.4) im Einzelnen dargelegt hat, tritt nach § 839 Abs. 3 BGB die Ersatzpflicht nicht ein, wenn es der Verletzte vorsätzlich oder fahrlässig unterlassen hat, den Schaden durch Gebrauch eines Rechtsmittels abzuwenden. Es handelt sich dabei um eine besondere Ausprägung des Mitverschuldensprinzips, das in seiner allgemeinen Form in § 254 BGB niedergelegt ist. Die Bestimmung geht davon aus, dass nur demjenigen Schadensersatz zuerkannt werden kann, der sich in gehörigem und ihm zumutbarem Maß für seine eigenen Belange eingesetzt und damit den Schaden abzuwenden bemüht hat (vgl. BGH, NJW 1971, 1694, 1695). Es soll nicht erlaubt sein, den Schaden entstehen oder größer werden zu lassen, um ihn schließlich gewissermaßen als Lohn für eigene Untätigkeit, dem Beamten oder dem Staat in Rechnung zu stellen (BGH, NJW 1971, 1694, 1695). Der Betroffene hat kein freies Wahlrecht zwischen dem primären Rechtsschutz und der sekundären Geltendmachung von Entschädigungsansprüchen (BVerfG, NJW 2000, 1402). Anders als § 254 BGB führt die Regelung in § 839 Abs. 3 BGB bei jeder Form schuldhafter Mitverursachung zum völligen Anspruchsverlust (MünchKomm/Papier, BGB, 4. Auflage, § 839 Rn. 329).

Rechtsmittel i.S.d. § 839 Abs. 3 BGB sind dabei alle Rechtsbehelfe im weitesten Sinne, die sich unmittelbar gegen ein bereits erfolgtes, sich als Amtspflichtverletzung darstellendes Verhalten richten und darauf abzielen und geeignet sind, einen Schaden dadurch abzuwenden oder zu mindern, dass dieses schädigende Verhalten beseitigt oder berichtigt wird (BGH, NJW 2003, 1208, 1212 und NJW-RR 2004, 706; Palandt/Sprau, BGB, 69. Aufl., § 839 Rn. 69). Dazu gehören insbesondere auch Gegenvorstellungen, Erinnerungen, Beschwerden und Dienstaufsichtsbeschwerden (BGH, NJW 1974, 639, 640) oder Verlegungsanträge an die Anstaltsleitung sowie Anträge nach §§ 109, 114 StVollzG.

Die Nichtergreifung eines zur Verfügung stehenden Rechtsmittels ist nach ständiger Rechtsprechung des Senats regelmäßig als schuldhaft anzusehen. Wird bewusst davon abgesehen, bestehende Rechtsmittel zu ergreifen, liegt hierin ein vorsätzliches Unterlassen. Selbst wenn dem Gefangenen das Rechtsmittelsystem unbekannt gewesen sein sollte, ist ihm gleichwohl Fahrlässigkeit anzulasten, da ihn insoweit eine Erkundigungspflicht durch Nachfrage bei fachkundigen Mitarbeitern in der Anstalt (Sozialarbeiter, Betreuungspersonal) oder bei Mitgefangenen trifft, zur Not auch die Hilfe eines Rechtsanwalts in Anspruch zu nehmen ist, was dem Kläger auch nicht unzumutbar war, wie der erstinstanzlich mit anwaltlicher Hilfe gefertigte Prozesskostenhilfeantrag nebst Klageentwurf zeigt (vgl. dazu: Urteil des Senats vom 18.03.2009, a.a.O. unter Ziff. 2.4.2.2.).

Etwas anderes kann indes dann in Betracht kommen, wenn dem Gefangenen auf einen von ihm gestellten Verlegungsantrag von Bediensteten der JVA vermittelt worden ist, jedes Bemühen um eine sofortige Verlegung in Einzelunterbringung sei aussichtslos. Besteht bei einer solchen Sachlage kein Anhalt dafür, an der Richtigkeit dieser Auskunft zu zweifeln, ist es regelmäßig nicht zumutbar, weitere Rechtsmittel einzulegen (BGH, Beschlüsse vom 29.01.2009 und vom 12.03.2009 - jeweils zu III ZR 182/08).

Die Kausalität zwischen der Nichteinlegung eines zumutbaren Rechtsmittels und dem Schadenseintritt ist dabei in der Regel zu bejahen, wenn über den Rechtsbehelf voraussichtlich zugunsten des Geschädigten entschieden worden wäre; sie ist zu verneinen, wenn die schädigende Amtspflichtverletzung durch den Rechtsbehelf nicht mehr hätte beseitigt oder berichtigt werden können. Maßgeblich ist grundsätzlich, wie die Behörde oder das Gericht richtigerweise hätte entscheiden müssen. Eine Ausnahme von diesem Grundsatz gilt nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes, der der Senat folgt, nur dann, wenn eine Verwaltungsbehörde zur Überprüfung ihres eigenen Handelns veranlasst werden soll (BGH, NJW 1986, 1924) oder wenn es um die (hypothetische) Entscheidung eines Gerichts geht und ersichtlich eine einigermaßen zuverlässige Beurteilung, wie richtigerweise zu entscheiden gewesen wäre, nicht ohne Weiteres möglich ist (BGH, NJW 2003, 1308, 1313; BGH, Urteil vom 11.03.2010 - III ZR 124/09 - = VersR 2010, 811 f. = MDR 2010, 743 f.).

(2)

Bei Anwendung dieser Grundsätze ist im Streitfall ein Haftungsausschluss nach

§ 839 Abs. 3 BGB wegen schuldhaften Versäumens eines Rechtsmittels für die vom

Entschädigungsbegehren des Klägers umfassten Zeiträume nicht gegeben, wobei im

Ergebnis dahinstehen kann, ob der Kläger es schuldhaft unterlassen hat, sich mit

einem (früheren) Rechtsmittel gegen seine gemeinschaftliche Haftunterbringung zur

Wehr zu setzen. Denn dass der Kläger hierdurch eine frühere Beendigung seiner zu

beanstandenden gemeinschaftlichen Unterbringung hätte erreichen können, lässt

sich nicht mit hinreichender Sicherheit feststellen, was zu Lasten des insoweit

darlegungs- und beweisbelasteten Landes geht.

aa) Hinsichtlich des ersten streitgegenständlichen Zeitraums zwischen dem 10.08.2007 und dem 27.01.2008 gilt Folgendes:

Selbst wenn man unter Bezugnahme auf die Ausführungen zu Ziff. II. 3) a) aa) des

Senatsbeschlusses vom 05.11.2010, auf die zur Vermeidung von Wiederholungen

verwiesen wird, davon ausgeht, dass der Kläger nicht nur - wie unstreitig ist -

keine förmlichen Rechtsmittel nach den §§ 109, 114 StVollzG gegen seine gemeinschaftliche Haftunterbringung eingelegt, sondern (vor dem 21.11.2007) auch keinen anstaltsinternen Antrag auf Verlegung in einen Einzelhaftraum gestellt

hat, wobei dies nach Ansicht des Senats das vom Kläger zunächst zu erwartende

Rechtsmittel gewesen wäre, da die sofortige Einleitung eines gerichtlichen

Verfahrens weder zumutbar noch angezeigt ist, kommt es darauf an, wie seitens der

JVA Detmold auf einen derartigen - fiktiven - Verlegungsantrag reagiert worden

wäre bzw. binnen welcher Zeitspanne auf einen (nachfolgenden) Antrag nach § 109

bzw. § 114 StVollzG gegebenenfalls eine Entscheidung der zuständigen

Strafvollstreckungskammer hätte herbeigeführt werden können, falls allein die

Antragstellung nach §§ 109, 114 StVollzG noch nicht zu einer Beendigung der

beanstandeten Gemeinschaftsunterbringung des Klägers unter

menschenunwürdigen Bedingungen geführt hätte.

Die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass der Betroffene den Schaden durch

Einlegung eines Rechtsmittels hätte abwenden können, trägt das in Anspruch

genommene beklagte Land (vgl. BGH, NJW 1986, 1924, 1925). Damit ist es Sache

des beklagten Landes darzulegen und zu beweisen, dass und in welcher Form eine

alternative (Einzel- oder Gemeinschafts-)Unterbringung des Klägers unter

menschenwürdigen Haftbedingungen möglich gewesen und auch erfolgt wäre, wenn

er unmittelbar zu Beginn seiner beanstandeten gemeinschaftlichen Unterbringung

einen anstaltsinternen Verlegungsantrag bzw. (nachfolgend) einen Antrag nach

den §§ 109, 114 StVollzG an die StVK gestellt hätte.

Abzustellen ist insoweit nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (Urteil vom 18.03.2010, III ZR 124/09 = VersR 2010, 811 f. = MDR 2010, 743 f.) und entgegen der vom Senat in seinem Urteil vom 18.03.2009 (a.a.O., Ziff. 2.4.2.3) vertretenen Auffassung, an der der Senat nicht mehr festhält, auf eine allein auf die Person des Klägers fokussierte, individuelle Betrachtungsweise und nicht etwa darauf, ob das beklagte Land zur fraglichen Zeit in der Lage gewesen wäre, allen Gefangenen, die in gleicher Weise wie der Kläger menschenunwürdig untergebracht waren, einen menschenwürdigen Haftraum zur Verfügung zu stellen.

In Anbetracht der bindenden und mit der Berufung nicht angegriffenen Feststellungen des Landgerichts, dass wegen der permanenten Überbelegung der JVA Detmold praktisch jeder neue Gefangene, der einen Antrag auf einen Einzelhaftplatz stellte, auf die Warteliste aufgenommen wurde, nach der die Einzelhaftplätze vergeben wurden, ist ungeachtet des Vortrags des beklagten Landes zu den Möglichkeiten einer Einzelunterbringung (Gefangenenfluktuation, freie Schlichtzellen, Verlegungsbereitschaft einzeln untergebrachter Gefangener, Verlegung in Einzelhafträume der JVA Münster) bei lebensnaher Betrachtung davon auszugehen, dass der Kläger gleichfalls zunächst lediglich in die Warteliste - von deren Bestehen das Landgericht für den streitgegenständlichen Zeitraum ausgegangen ist, ohne dass das beklagte Land dagegen Einwände erhebt - eingetragen worden wäre, wenn er unmittelbar nach Beginn seiner menschenunwürdigen Unterbringung einen solchen anstaltsinternen Verlegungsantrag gestellt hätte. Des Weiteren ist nach den gleichfalls in der Berufungsinstanz nicht angegriffenen Feststellungen im erstinstanzlichen Urteil, die sich mit den in zahlreichen vergleichbaren Parallelverfahren erworbenen Kenntnissen des Senats decken, davon auszugehen, dass dem Kläger auf seine Antragstellung hin seitens der JVA Detmold seine Aufnahme in die Warteliste sowie sein entsprechender "Ranglistenplatz" mitgeteilt worden wären.

Nach dem Vortrag des beklagten Landes in dem vor dem Senat anhängigen und einen gleichgelagerten Sachverhalt betreffenden Parallelverfahren zum Aktenzeichen I-11 U 51/09, der von seinem Vortrag in hiesigem Verfahren abweicht, ist ferner naheliegend, dass diese Warteliste, die streng historisch nach dem Eingangsdatum der Verlegungsanträge als nachvollziehbarem Kriterium geführt wurde, ungeachtet eines parallel dazu gestellten Antrags nach den §§ 109, 114 StVollzG an die StVK eingehalten wurde, sofern kein - hier auch nach dem Vortrag des beklagten Landes nicht gegebener - Ausnahmefall in Gestalt einer die Einzelunterbringung anordnenden rechtskräftigen Entscheidung der StVK vorlag.

Zu der Dauer der Wartezeit der auf der Warteliste befindlichen Anwärter für einen Einzelhaftraum fehlen für den streitgegenständlichen Zeitraum indes verlässliche Angaben des beklagten Landes und damit eine gesicherte Grundlage für die Annahme, dass der Kläger seine beanstandete Gemeinschaftsunterbringung durch Einlegung eines Rechtsmittels im Sinne des § 839 Abs. 3 BGB vor Ablauf des streitgegenständlichen Zeitraums hätte beenden können. Das insoweit darlegungs- und beweisbelastete Land hat keine konkrete (Maximal-)Dauer bis zu einer Verlegung des Klägers in einen Einzelhaftraum nach einem sofortigen (hypothetischen) anstaltsinternen Verlegungsantrag angegeben. Insoweit hat der Prozessbevollmächtigte des beklagten Landes in dem Parallelverfahren I-11 U 293/09 (Land NRW ./. A) im Senatstermin am 10.12.2010 ausdrücklich erklärt, wobei sich die Prozessbevollmächtigten der Parteien mit deren Verwertung in sämtlichen Parallelverfahren einverstanden erklärt haben, hinsichtlich der hypothetischen Dauer bis zu einer Verlegung in einen Einzelhaftraum könnten lediglich Durchschnittswerte angegeben werden, da insoweit keine Aufzeichnungen in der JVA Detmold geführt würden. Unter Berücksichtigung des im Senatstermin am 08.09.2010 erklärten Vortrags des Landes zu einer Wartezeit von durchschnittlich sechs Monaten - mit dessen Verwertung in sämtlichen Parallelverfahren sich die Prozessbevollmächtigten der Parteien gleichfalls einverstanden erklärt haben - ist damit jedenfalls nicht auszuschließen, dass es nach seiner Aufnahme in die Warteliste mindestens 180 Tage und damit über den abzüglich der Abwesenheitszeiten des Klägers nur 156 Tage umfassenden ersten streitgegenständlichen Zeitraum vom 10.08.2007 bis zum 27.01.2008 hinaus gedauert hätte, bis der Kläger in einen Einzelhaftraum verlegt worden wäre. Damit fehlt es für die Annahme einer früheren Beendigung der menschenunwürdigen gemeinschaftlichen Unterbringung des Klägers auf einen früheren (fiktiven) anstaltsinternen Verlegungsantrag hin an einer sicheren Grundlage.

Vielmehr ist nach den nicht angegriffenen Feststellungen im erstinstanzlichen Urteil davon auszugehen, dass der Kläger seine ihm bei anstaltsinterner Antragstellung mitgeteilte Aufnahme in die Warteliste nebst "Ranglistenplatz" als eine der bestehenden Belegungssituation angemessene Reaktion der JVA ansehen durfte und danach keine Veranlassung hatte anzunehmen, er könne mit einem (nachfolgenden) Antrag an die StVK schneller eine menschenwürdige Haftunterbringung erreichen, ohne sich dem Vorwurf eines schuldhaften Versäumnisses im Sinne des § 839 Abs. 3 BGB auszusetzen. Denn einem Gefangenen, der auf einen anstaltsinternen Verlegungsantrag hin in die anstalts- oder abteilungsbezogene Warteliste für Einzelhaftraumanwärter eingetragen wird, ist die Einlegung - weiterer - Rechtsmittel gegen seine Unterbringung - insbesondere in Form förmlicher Anträge an die StVK nach §§ 114, 109 StVollzG - nach Ansicht des Senats nicht zumutbar. Die Aufnahme in die Warteliste, die auf Grundlage der Eingangsdaten der Verlegungsanträge geführt wird und der damit auf Grundlage eines nachvollziehbaren Kriteriums eine Steuerungsfunktion zukommt, suggeriert dem Gefangenen, dass faktisch keine andere Möglichkeit besteht, als über diese Liste einen Einzelhaftraum zu erhalten. Andernfalls wäre das Führen einer solchen Liste sinnlos. Auf die Zuverlässigkeit dieses Erklärungswertes darf der Gefangene sich grundsätzlich verlassen, jedenfalls dann, wenn - wie hier - mit der Aufnahme in die Warteliste keine zusätzlichen Erklärungen, z.B. zu Umgehungsmöglichkeiten über die Sprechstunde der Anstaltsleitung oder auch über Anträge nach §§ 109, 114 StVollzG, verbunden sind.

Vor diesem Hintergrund bedarf es jedenfalls im Streitfall keiner weiteren Aufklärung mehr dazu, welche Möglichkeiten einer anderweitigen Unterbringung des Klägers unter menschenwürdigen Haftbedingungen in der JVA Detmold oder alternativ auch in einer anderen Anstalt überhaupt bestanden hätten und wie die JVA Detmold auf eine einem (fiktiven) Antrag nach §§ 109, 114 StVollzG stattgebende Entscheidung der zuständigen Strafvollstreckungskammer reagiert hätte. Unerheblich ist weiter, dass sich nach der Stellungnahme des Präsidenten des LG Detmold vom 17.12.2008 nicht einmal sagen lässt, ob ein die Unterbringungssituation betreffender Eilantrag eines Gefangenen nach § 114 StVollzG überhaupt sachlich beschieden und nicht wegen unzulässiger Vorwegnahme der Hauptsache zurückgewiesen worden wäre und wie lange andernfalls ein Beschwerdeverfahren nach § 109 StVollzG im Einzelfall gedauert hätte.

bb)

Hinsichtlich des zweiten, 168 Tage umfassenden streitgegenständlichen Zeitraums nach Rückverlegung des Klägers in die JVA Detmold vom 15.02.2008 bis zum 31.07.2008 gelten dieselben Erwägungen. Es ist nicht mit der erforderlichen Sicherheit feststellbar, dass ein bereits am 15.02.2008 gestellter Antrag auf Verlegung in einen Einzelhaftraum an die Anstaltsleitung die beanstandete menschenunwürdige Gemeinschaftsunterbringung vor dem Ablauf von mindestens 180 Tagen und damit vor ihrer tatsächlichen Beendigung durch die Einzelunterbringung des Klägers am 01.08.2008 (nach 168 Tagen) beendet hätte.

Die Tatsache, dass der Kläger - unstreitig - erst am 15.02.2008 der JVA Detmold wieder zugeführt wurde, ist dahin zu berücksichtigen, dass die zwischenzeitliche Verlegung des Klägers eine Zäsur darstellte, die den Kläger - wie dem Senat aus gleichgelagerten Parallelverfahren bekannt ist und wovon hier mangels gegenteiligen Vortags des beklagten Landes auszugehen ist - seine bis dahin erreichte Stellung auf der Warteliste kostete, was das Landgericht nicht berücksichtigt hat.

g)

Nach ständiger, den Parteien bekannter Rechtsprechung des Senats, von der abzuweichen keine Veranlassung besteht, ist beim Zusammentreffen von Überbelegung und nicht menschenwürdigen Anforderungen entsprechender Sanitärausstattung grundsätzlich ein kalendertäglicher Entschädigungssatz in Höhe von 20,- € angemessen. Bei ausreichender Haftraumgrundfläche und unzureichender Sanitärausstattung steht dem Gefangenen eine kalendertägliche Entschädigung in Höhe von 15,- € zu, während bei lediglich zu geringer Haftraumgrundfläche, aber ausreichender Sanitärausstattung eine kalendertägliche Entschädigung von 10,- € in Ansatz zu bringen ist.

Für die Zeiten der Arbeitstätigkeit des Klägers ist ferner grundsätzlich ein pauschaler Abzug in Höhe von 25 % vorzunehmen (vgl. z.B.: Senatsbeschluss vom 21.07.2010 zu I-11 U 204/09 - st. Rspr. des Senats).

Vor diesem Hintergrund hat das Landgericht die kalendertäglichen Entschädigungssätze in Übereinstimmung mit den vom Senat zugrunde zu legenden Entschädigungssätzen grundsätzlich richtig bemessen. Indes hat es keinen Abschlag für die Arbeitstätigkeit des Klägers vorgenommen. Danach ergibt sich ein Entschädigungsanspruch des Klägers in Höhe von insgesamt 5.317,50 €, der sich wie folgt berechnet:

Zeitraum Haftraum Grundfläche Belegung Toilette 25 % Abzug

10.8.07 - 12.8.07 (3 Tage) A 063 14,08 qm 2-er Schamwand nein 45,- €

13.8.07 - 18.9.07 (37 Tage) A 118 9,06 qm 2-er Schamwand nein 740,- €

22.9.07 - 8.10.07 (17 Tage) A 188 9,06 qm 2-er Schamwand nein 340,- €

18.10.07 - 23.10.07 (6 Tage) B 259 9,06 qm 2-er Toilette i.O. nein 60,- €

27.10.07 - 8.1.08 (74 Tage) B 259 9,06 qm 2-er Toilette i.O. nein 740,- €

9.1.08 - 15.1.08 (7 Tage) B 259 9,06 qm 2-er Toilette i.O. ja 52,50 €

16.1.08 - 27.1.08 (12 Tage) B 259 9,06 qm 2-er Toilette i.O. nein 120,- €

15.2.08 - 21.2.08 (7 Tage) A 063 14,08 qm 2-er Schamwand nein 105,- €

22.2.08 - 31.7.08 ( 161Tage) div. Je 9,06 qm 2-er Schamwand nein 3.220,- €

5.317,50 €

2)

Gegen den vom Landgericht zuerkannten Zinsanspruch des Klägers erhebt die Berufung des beklagten Landes keine sachlichen Einwände (vgl. dazu: Zöller-Geimer, ZPO, 29. Aufl., § 520 Rn. 38 mit Verweis auf BGH, NJW 1994, 1656 f.).

3)

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 97 Abs. 1, 92 Abs. 2 Nr. 1, 516 Abs. 3 Satz 1 ZPO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit gründet sich auf §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO.

Die gesetzlichen Voraussetzungen für eine Zulassung der Revision gemäß § 543 Abs. 2 ZPO liegen nicht vor. Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung und die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erfordert nicht eine Entscheidung des Berufungsgerichts.