OLG Hamm, Urteil vom 18.11.2010 - I-27 U 26/10
Fundstelle
openJur 2012, 126193
  • Rkr:
Tenor

Die Berufung des beklagten Landes gegen das am 21. Januar 2010 verkündete Urteil der 4. Zivilkammer des Landgerichts Arnsberg wird zurückgewiesen.

Das beklagte Land trägt die Kosten der Berufung.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Das beklagte Land kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 120 % des jeweils zu voll-streckenden Betrages leistet.

Die Revision wird zugelassen.

Gründe

I.

Der Kläger ist Insolvenzverwalter über das Vermögen der Fa. X GmbH (nachstehend Insolvenzschuldnerin). Er macht gegenüber dem beklagten Land Ansprüche aufgrund einer Insolvenzanfechtung geltend.

Es bestand eine umsatzsteuerliche Organschaft zwischen der Insolvenzschuldnerin (= Organgesellschaft) und der Einzelfirma X (= Organträger). Die Insolvenzschuldnerin erteilte dem Finanzamt T2 eine Einzugsermächtigung für ihr Geschäftskonto bei der Sparkasse T2. Das beklagte Land zog für Umsatzsteuerforderungen per Lastschrift am 13.07.07 einen Betrag in Höhe von 10.714,95 €, am 14.08.07 einen Betrag in Höhe von 15.257,56 € und schließlich am 13.09.07 einen Betrag in Höhe von 14.232,73 € ein. Steuerschuldner dieser Forderungen war jeweils der Organträger, wobei die Umsatzsteuerzahllast bei der Insolvenzschuldnerin verursacht worden waren.

Der Insolvenzantrag über das Vermögen der Insolvenzschuldnerin wurde am 02.10.2007 gestellt. Am 11.10.2007 wurde der Kläger zum vorläufigen Insolvenzverwalter bestellt. Dies teilte der Kläger dem Finanzamt T2 mit Schreiben vom 15.10.2007 mit und stimmte zugleich den Belastungsbuchungen zu. Das Insolvenzverfahren wurde am 01.12.2007 eröffnet.

Der Kläger erklärte mit Schreiben vom 25.01.2008 die Insolvenzanfechtung wegen eines Betrages in Höhe von 55.351,41 €. Das Finanzamt T2 erkannte die Anfechtung wegen eines Betrages in Höhe von 14.845,17 € an und wies die Anfechtungsansprüche im Übrigen zurück.

Der Kläger hat die Ansicht vertreten, die Zahlungen seien anfechtbar erfolgt. Die Anfechtung sei gem. § 132 InsO gegeben, da eine fremde Schuld getilgt worden sei und es sich um eine unmittelbare Gläubigerbenachteiligung handele. Die Anfechtung sei zudem gem. § 130 I 1 Nr. 2 InsO begründet. Die Genehmigung der Lastschrift sei erst nach dem Eröffnungsantrag erfolgt. Hierdurch sei eine Gläubigerbenachteiligung eingetreten. Das Finanzamt sei auch Insolvenzgläubiger. Auf die Fälligkeit oder Durchsetzbarkeit des Anspruchs gegenüber der Insolvenzschuldnerin komme es insoweit nicht an. Es sei unerheblich, dass die Zahlungen überwiegend aus dem eingeräumten Kreditrahmen erfolgt seien, da eine Gläubigerbenachteiligung auch bei Zahlung aus einer geduldeten Kontoüberziehung gegeben sei. Der Kläger hat seinen Anspruch hilfsweise auf § 812 BGB gestützt.

Das beklagte Land hat die Auffassung vertreten, dass es an einer unmittelbaren Gläubigerbenachteiligung fehle, da die Insolvenzschuldnerin die Ausgleichsforderung des Organträgers erspart habe. Weiter könne die Insolvenzanfechtung nicht auf §§ 130, 131 InsO gestützt werden, da die Insolvenzschuldnerin nicht Steuerschuldnerin gewesen sei. Sie sei vor Erlass eines Haftungsbescheides keine Haftungsschuldnerin. Eine Anfechtung gem. § 134 InsO sei nicht gegeben, da der Organträger solvent sei.

Das Landgericht hat der Klage - bis auf einen Teil der Zinsforderung - stattgeben. Die Genehmigung der Lastschrift sei gem. §§ 129, 130 InsO anfechtbar. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes einschließlich der erstinstanzlichen Anträge der Parteien wird auf den Tatbestand und die Entscheidungsgründe des erstinstanzlichen Urteils (Bl. 108 f. d.A.) verwiesen.

Das beklagte Land wendet sich mit der Berufung gegen das Urteil des Landgerichts. Zur Begründung führt es im Wesentlichen aus, die angefochtene Entscheidung stehe im Widerspruch zur Entscheidung des Bundesfinanzhofes vom 23.09.2009 (XII R 43/08). Das beklagte Land sei kein Insolvenzgläubiger gewesen. Es fehle an einer unmittelbaren Haftung der Insolvenzschuldnerin als Organgesellschaft. Ein Haftungsbescheid sei nicht erlassen worden. Zudem müsse der Kläger vorrangig die Anfechtung gegenüber dem Organträger geltend machen. Eine Schenkungsanfechtung scheide aus, da die Steuerforderung gegenüber der Einzelfirma werthaltig gewesen sei. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Berufungsbegründung vom 11.03.2010 (Bl. 129 f. d.A.) sowie den Schriftsatz vom 05.07.2010 (Bl. 166 f. d.A.) Bezug genommen.

Das beklagte Land beantragt,

unter Abänderung des erstinstanzlichen Urteils die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Der Kläger verteidigt die Entscheidung des Landgerichts und nimmt dazu Bezug auf seinen erstinstanzlichen Vortrag. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Berufungserwiderung vom 21.06.2010 (Bl. 155 f. d.A.) sowie den Schriftsatz vom 12.07.2010 (Bl. 172 f. d.A.) Bezug genommen.

II.

Die Berufung des beklagten Landes ist unbegründet. Die Kammer hat zu Recht und mit zutreffender Begründung der Klage stattgegeben. Dem Kläger steht gem. §§ 129, 130, 143 InsO ein Anfechtungsanspruch in Höhe von 40.205,24 € nebst Zinsen zu.

1.

Der Kläger hat die Genehmigung der Lastschriften erfolgreich angefochten.

a.

In der Genehmigung der Lastschriften liegt eine Rechtshandlung im Sinne von § 129 InsO. Erst durch die Genehmigung ist Erfüllung hinsichtlich der Umsatzsteuerschuld eingetreten. Die erteilte Einzugsermächtigung konnte noch nicht zur Erfüllung führen und stellt somit noch keine Rechtshandlung im Sinne von § 129 InsO dar. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes tritt erst mit der Genehmigung der Belastung durch den Schuldner die Erfüllung der Schuld ein (BGH NJW 2008, 63). Diese Genehmigung liegt in der Zustimmung des vorläufigen Insolvenzverwalters mit Schreiben vom 15.10.2007.

b.

In der Erfüllung der Umsatzsteuerschuld liegt auch eine eigene Leistung der Insolvenzschuldnerin gegenüber dem Finanzamt. Die Insolvenzschuldnerin hat mit der Genehmigung die fremde Umsatzsteuerschuld des Organträgers getilgt. Es kann dahin stehen, ob mit der angefochtenen Rechtshandlung zugleich eine Leistung der Insolvenzschuldnerin gegenüber dem Organträger verbunden war. Denn anfechtungsrechtlich ist bei der Tilgung einer fremden Schuld regelmäßig von einer Rechtshandlung des Tilgenden auszugehen (BGH NJW-RR 2004, 983).

2.

Das beklagte Land ist weiterhin Insolvenzgläubiger. Soweit das beklagte Land unter Berufung auf die Entscheidung des Bundesfinanzhofes vom 23.09.2009 (BFH DStR 2009, 2670) die Auffassung vertritt, es sei zu keinem Zeitpunkt Insolvenzgläubiger der Insolvenzschuldnerin sondern nur Gläubiger des Organträgers gewesen, kann sich der Senat dem nicht anschließen.

Der Bundesfinanzhof hat in seiner Entscheidung vom 23.09.2009 ausgeführt, das Finanzamt sei kein Insolvenzgläubiger der Organgesellschaft, wenn zwar eine Haftung der Organgesellschaft für die Steuerschulden des Organträgers gemäß § 73 AO in Betracht komme, die Haftungsvoraussetzungen jedoch nicht erfüllt seien. Der Haftungsanspruch setze voraus, dass die Haftungsinanspruchnahme bei der gebotenen Ermessensausübung überhaupt in Betracht komme. Nach § 219 Abs. 1 S. 1 AO dürfe ein Haftungsschuldner auf Zahlung nur in Anspruch genommen werden, soweit die Vollstreckung in das bewegliche Vermögen des Steuerschuldners ohne Erfolg geblieben oder anzunehmen sei, dass die Vollstreckung aussichtslos sein würde. Könne aber ein Haftungsanspruch bei sachgerechter Ermessensausübung nur verfolgt werden, wenn die Steuerschuld beim Steuerschuldner nicht realisiert werden könne, so sei notwendigerweise auch der Haftungsanspruch selbst subsidiär, wenn feststehe, dass der Steuerschuldner zur Zahlung in der Lage sei. Soweit die Solvenz des Organträgers gegeben sei, bestehe kein Haftungsanspruch des Finanzamtes gegen die Organgesellschaft. Das Finanzamt habe daher im Ergebnis nicht die Stellung eines Insolvenzgläubigers.

Der Bundesfinanzhof berücksichtigt dabei jedoch nicht, dass die Eigenschaft als Insolvenzgläubiger nach zivilrechtlichen und nicht nach steuerrechtlichen Maßstäben zu bestimmen ist. Während das Steuerrecht die Frage der Entstehung und Höhe der Forderung regelt, bestimmt das Insolvenzrecht deren Einordnung und Behandlung in der Insolvenz, wobei zwischen der Begründung, der Entstehung und der Fälligkeit der Steuerforderung zu unterscheiden ist (Uhlenbruck - Sinz, InsO, 13. Auflage, § 38 Rn. 67).

Wer zu den Insolvenzgläubigern gehört, bestimmt sich nach §§ 38, 39 InsO (Uhlenbruck - Hirte, a.a.O., § 130 Rn. 25). Danach ist derjenige Insolvenzgläubiger, der zur Zeit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens einen begründeten Vermögensanspruch gegen den Schuldner hat.

Eine Steuerforderung ist immer dann Insolvenzforderung im Sinne von § 38 InsO, wenn der Lebenssachverhalt, der zur Entstehung der Steuerforderung führt, vom Schuldner bereits vor der Verfahrenseröffnung verwirklicht worden ist oder die nach dem Gesetz maßgebenden Besteuerungsmerkmale erfüllt sind. Auf die steuerrechtliche Entstehung der Forderung im Sinne von § 38 AO, also die vollständige Verwirklichung des Tatbestandes, an den das Gesetz die Leistungspflicht knüpft, kommt es im Insolvenzverfahren ebenso wenig an wie auf deren Fälligkeit (OLG Köln, Beschluss vom 14.12.2005, ZInsO 2006, 1329; Uhlenbruck - Sinz, InsO, a.a.O., § 38 Rn. 67).

Der Bundesfinanzhof hat in einem Urteil vom 27.08.1975 (BFHE 117, 176) - damals noch zur Konkursordnung - ausgeführt, dass es für die "Begründung" einer Forderung im Sinne des § 3 Abs. 1 KO genüge, dass bei Eröffnung des Konkurses das der späteren Forderung zugrunde liegende Grundverhältnis, welches die Grundlage des späteren Anspruches bildet, bereits gegeben und deshalb im Zeitpunkt der Eröffnung des Konkursverfahrens bereits ein "Grund" für die spätere Entstehung des Anspruchs gelegt sei. Auch Steuerforderungen könnten im Sinne des § 3 Abs. 1 KO bereits "zur Zeit der Eröffnung des Konkursverfahrens begründet" sein, selbst wenn sie im steuerrechtlichen Sinne noch nicht entstanden sind.

Auf dieser Grundlage war eine Steuerforderung des Finanzamtes T2 gegenüber der Insolvenzschuldnerin hinsichtlich der Umsatzsteuerschuld bei Insolvenzeröffnung bereits begründet im Sinne von § 38 InsO, auch wenn noch kein Haftungsbescheid erlassen worden war.

Aus der umsatzsteuerlichen Organschaft ergibt sich, dass sowohl die Organgesellschaft als auch der Organträger Steuerschuldner sind. Der Organträger ist persönlicher Steuerschuldner gem. § 33 I AO für die Umsatzsteuer aus den Umsätzen der Organgesellschaft. Die Organgesellschaft ihrerseits haftet nach §§ 73, 219 AO subsidiär für solche Steuern des Organträgers, für welche die Organschaft zwischen ihnen steuerlich von Bedeutung ist (OLG Köln ZInsO 2006, 1329). Allein der Umstand, dass die Organgesellschaft nur subsidiär haftet, lässt jedoch die Stellung des Finanzamtes als Insolvenzgläubiger nicht entfallen. Das Oberlandesgericht Köln hat in dem vorgenannten Beschluss vom 14.12.2005 zutreffend ausgeführt, dass Organträger und Organgesellschaft gem. § 44 AO auch dann als Gesamtschuldner haften, wenn die Finanzbehörde den einen als Steuerschuldner, den anderen dagegen als Haftungsschuldner in Anspruch nehmen kann (BGH BB 1993, 22).

Dem kann weiter nicht entgegen gehalten werden, dass ein Haftungsbescheid noch nicht ergangen und die Finanzbehörde entsprechend auch die vorhergehende Ermessensentscheidung noch nicht getroffen hat. Richtig ist, dass das Finanzamt die Voraussetzungen für den Erlass eines Haftungsbescheides vorab noch gesondert hätte prüfen müssen. Dieser Gesichtspunkt berührt aber nicht die Gesamtschuld als solche, sondern nur deren Geltendmachung im Verwaltungsverfahren. Daher ist der Haftungsanspruch gem. § 38 InsO begründet, wenn das Schuldverhältnis vor Verfahrenseröffnung bestand, selbst wenn sich hieraus eine Forderung erst nach Verfahrenseröffnung ergibt. Nur der Schuldrechtsorganismus, der die Grundlage des Anspruchs bildet, und nicht schon die Forderung selbst braucht vor Verfahrenseröffnung entstanden zu sein (OLG Köln ZInsO 2006, 1329 m.w.N.).

Der Bundesfinanzhof hat in einer Entscheidung vom 15.10.1996 dazu ausgeführt, dass ein Haftungsanspruch bereits mit der Erfüllung der Voraussetzungen der Haftungsnorm unabhängig von dem Erlass des Haftungsbescheids entsteht. Denn für die Entstehung des Haftungsanspruchs als abstrakten, materiellrechtlichen Anspruchs aus dem Steuerschuldverhältnis bedürfe es nicht des Erlasses eines Haftungsbescheids. Der Haftungsbescheid konkretisiere lediglich den bereits entstandenen Haftungsanspruch und bilde die Grundlage für die Verwirklichung dieses Anspruchs, so dass der Haftungsbescheid ebenso wie der Steuerbescheid keine konstitutive, sondern nur deklaratorische Bedeutung habe. Dem steht nach der damaligen Auffassung des Bundesfinanzhofes nicht entgegen, dass die Entscheidung der Finanzbehörde über die Geltendmachung der Haftung auf zwei Stufen zu treffen ist. Bereits die Prüfung auf der ersten Stufe, ob die tatbestandlichen Voraussetzungen der Haftung erfüllt sind, beantworte die Frage nach der Entstehung des Haftungsanspruchs; auf der zweiten Stufe der Ermessensausübung habe die Finanzbehörde sodann zu entscheiden, ob und ggf. welchen der Haftungsschuldner, gegen den der Haftungsanspruch materiellrechtlich gegeben ist, sie durch Haftungsbescheid in Anspruch nehmen will (BFH DStR 1997, 241).

Das Oberlandesgericht Köln hat in dem vorgenannten Beschluss vom 14.12.2005 zutreffend betont, dass es bei einer Steuerforderung genügt, wenn der zugrunde liegende zivilrechtliche Sachverhalt, der zur Entstehung der Steueransprüche führt, vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens verwirklicht worden ist oder die nach dem Gesetz maßgebenden Besteuerungsmerkmale erfüllt sind. Dagegen ist es ohne Bedeutung, ob und wann die Steuer festgesetzt wird und sie zu entrichten, also fällig ist. Der Haftungsanspruch entsteht bereits mit dem Steueranspruch gegen den Organträger, für den die Organgesellschaft, vorliegend die Schuldnerin, haftet. Die Finanzbehörde kann bei der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des nachrangig Haftenden ihre Haftungsforderung als aufschiebend bedingt anmelden, und es wird die Quote nur für den Ausfallbetrag berechnet (OLG Köln ZInsO 2006, 1329 m.w.N.). Dieser Auffassung hat sich auch das Oberlandesgericht Nürnberg in seinem Beschluss vom 09.03.2009 (OLG Nürnberg ZInsO 2010, 207) angeschlossen.

Der Senat schließt sich der Auffassung der Oberlandesgerichte Köln und Nürnberg an. Auf dieser Grundlage war das beklagte Land im Zeitpunkt der Eröffnung des Insolvenzverfahrens schon Insolvenzgläubiger im Sinne von § 38 InsO. Die Insolvenzschuldnerin haftete aus der steuerrechtlichen Organschaft zumindest subsidiär für die Umsatzsteuerschuld. Damit war der Lebenssachverhalt, der zur Entstehung der Steuerforderung führt, bereits vor der Verfahrenseröffnung verwirklicht worden. Das beklagte Land hätte die Steuerforderung als aufschiebend bedingt für den Ausfall zur Tabelle anmelden können.

3.

Die Genehmigung der Lastschriften führte zu einer mittelbaren Gläubigerbenachteiligung. Dabei ist nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes (NJW 2009, 3362) nicht von Bedeutung, dass die Zahlungen überwiegend aus dem eingeräumten Kreditrahmen und zum geringen Teil aus einer Überschreitung dieses Rahmens erfolgt sind.

4.

Es kann dahinstehen, ob man die Genehmigungen der Lastschriften als kongruente oder inkongruente Deckung bewertet. Denn auch die strengeren Voraussetzungen der Anfechtung einer kongruenten Deckung gem. § 130 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 InsO, von der auch der Kläger selbst ausgeht, liegen vor. Der Kläger genehmigte die Lastschriften nach dem Eröffnungsantrag mit Schreiben vom 15.10.2010. Spätestens mit diesem Schreiben hatte das Finanzamt aber auch Kenntnis vom Eröffnungsantrag.

5.

Die Insolvenzanfechtung ist nicht wegen einer vorrangigen Anfechtung gegenüber dem Organträger ausgeschlossen. Einen Grundsatz, wonach der Insolvenzverwalter immer zuerst gegen einen solventen Organträger im Rahmen der Insolvenzanfechtung vorgehen müsse, gibt es, entgegen der Auffassung des Bundesfinanzhofes im Urteil vom 23.09.2009, nicht.

a.

Dabei kann es dahinstehen, ob der Kläger im vorliegenden Fall auch einen Insolvenzanfechtungsanspruch gegenüber dem Organträger erfolgreich hätte geltend machen können.

b.

Wenn ein Anfechtungsanspruch gegenüber dem Organträger gegeben sein sollte, so wären dieser und das beklagte Land Gesamtschuldner im Sinne von § 426 BGB. Der Bundesgerichtshof hat in einer Entscheidung vom 29.11.2007 (BGH NJW 2008, 1067) ausgeführt, dass bei zwei Anfechtungsansprüchen, die gleichstufig nebeneinander stehen, eine Gesamtschuld gem. § 426 I BGB vorliegt. In diesem Fall ist es Sache des Insolvenzverwalters, welchen Anfechtungsschuldner er in Anspruch nehmen will.

c.

Der klagende Insolvenzverwalter muss nicht vorrangig den Organträger in Anspruch nehmen. Denn eine Gesamtschuld scheidet nicht wegen fehlender Gleichstufigkeit aus. Der Bundesfinanzhof hat sich in seiner Entscheidung auf zwei Urteile des Bundesgerichtshofes berufen. Auch insoweit vermag die Begründung den Senat nicht zu überzeugen. Denn es ist zu beachten, dass der Bundesgerichtshof die eigentliche Frage der Vorrangigkeit der Anfechtung gegenüber dem Organträger bislang nicht entschieden hat. Entgegen der Auffassung des beklagten Landes und des Bundesfinanzhofes ergibt sich diese Wertung auch nicht aus anderen Entscheidungen des Bundesgerichtshofes:

(1) Soweit der Bundesgerichtshof in einem Anweisungsfall (Schuldner weist Dritten an, an Gläubiger zu zahlen) eine Gesamtschuld zwischen dem Dritten und dem Schuldner ablehnt, fehlt es bereits an einer Rechtshandlung gegenüber dem Dritten, so dass nur die Leistung an den Empfänger angefochten werden konnte (BGH NJW 1999, 3636). Hier kommt aber, wie vorstehend ausgeführt, eine Anfechtung gegenüber dem Finanzamt und gegenüber dem Organträger in Betracht.

(2) In einer weiteren Entscheidung hat der Bundesgerichtshof ausgeführt, dass die Anfechtung des Insolvenzverwalters des Schuldners von Sozialversicherungsbeiträgen gegenüber dem Sozialversicherungsträger der Anfechtung des Insolvenzverwalters des zahlenden Dritten gegen den Sozialversicherungsträger vorgeht (BGH NJW 2008, 655). Dort sind also die Anfechtungsrechte verschiedener Insolvenzverwalter und die Frage der Gesamtgläubigerschaft behandelt worden. Der Bundesgerichtshof hat dazu ausgeführt, dass es für eine Gesamtgläubigerschaft an einer Norm fehle. Die Frage der hier relevanten Gesamtschuldnerschaft ist nicht behandelt. Diese ergibt sich aus § 426 BGB.

6.

Schließlich kann dem Kläger nicht der Einwand des widersprüchlichen Verhaltens gem. § 242 BGB entgegen gehalten werden. Hat der nur mit einem Zustimmungsvorbehalt ausgestattete vorläufige Insolvenzverwalter der Erfüllung einer Altverbindlichkeit zugestimmt, steht das einer Anfechtbarkeit grundsätzlich nicht im Wege. Eine Anfechtung wäre nur ausgeschlossen, wenn ein Vertrauenstatbestand geschaffen worden wäre (Uhlenbruck - Hirte, a.a.O., § 129 Rn. 17 m.w.N.). Das ist hier aber nicht ersichtlich.

7.

Der Zinsanspruch besteht nach §§ 143 Abs. 1 S. 2 InsO, 819 Abs. 1, 818 Abs. 4, 288 Abs. 1 BGB in der geltend gemachten Höhe ab Eröffnung des Insolvenzverfahrens (BGH NJW-RR 2007, 557).

8.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 709, 711 ZPO.

9.

Die Revision ist gem. § 543 II Nr. 1 ZPO zuzulassen. Die Sache hat grundsätzliche Bedeutung. Die Fragen, ob das beklagte Land überhaupt Insolvenzgläubiger ist und ob ein Rangverhältnis zwischen der Anfechtung gegenüber dem beklagten Land und dem Organträger besteht, sind vom Bundesgerichtshof noch nicht entschieden. Der Senat weicht mit seiner Entscheidung in diesen zwei Punkten von der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofes ab.

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