AG Herne, Urteil vom 24.11.2010 - 9 C 130/10
Fundstelle
openJur 2012, 126149
  • Rkr:
Tenor

Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an den Kläger 790,00 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 29.04.2010 zu zahlen, sowie den Kläger von Rechtsanwaltsgebühren der Rechtsanwälte O in Höhe von 272,87 € freizustellen.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits werden dem Kläger zu 56% und den Beklagten zu 44% auferlegt.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Beiden Parteien wird nachgelassen, die Vollstreckung durch die jeweils andere Partei gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120% des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht jeweils die andere Partei vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 120% des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Tatbestand

Der Kläger macht gegenüber den Beklagten Nutzungsausfall für den Zeitraum von 14 Tagen aufgrund eines Verkehrsunfalls vom 05.07.2009, für welchen die Haftung der Beklagten dem Grunde nach unstreitig ist, sowie Schadensersatz aufgrund eines Einbruches in den PKW des Klägers während der Zeit, in der sich dieser in der Reparaturwerkstatt befunden hat, geltend.

Am 05.07.2009 kam es zwischen dem Kläger und dem Beklagten zu 1), dessen Fahrzeug zum Unfallzeitpunkt bei der Beklagten zu 2) haftpflichtversichert war, auf der Bundesautobahn 2 in Richtung Hannover zu einem Verkehrsunfall. Vorgerichtlich hatten die Beklagten die Haftung dem Grunde nach zu 100% anerkannt. Seit dem Verkehrsunfall vom 05.07.2009 befand sich das Fahrzeug des Klägers bei der Werkstatt T in Berlin. Mit anwaltlichen Schreiben vom 10.07.2009 forderte der Kläger die Beklagte zu 2) zur Anerkennung ihrer Einstandspflicht auf. Wegen der Einzelheiten dieser Aufforderung wird auf das Schreiben vom 10.07.2009 (Blatt 11 der Akte) verwiesen. Zwischen dem 29. und 31.08.2009 wurde in das Fahrzeug des Klägers, welches sich zu diesem Zeitpunkt immer noch bei der Reparaturwerkstatt befand, eingebrochen. Dabei wurden u.a. die Türschlösser beschädigt, der Mercedes-Stern entwendet und die beiden rechten Türen mutwillig zerkratzt. Hierbei entstand am Fahrzeug ein Gesamtschaden von 1.289,08 €, den der Kläger beheben ließ. Von diesen Reparaturkosten übernahm die Teilkaskoversicherung des Klägers 278,78 €, so dass der Kläger einen Betrag von 1.010,30 € selbst aufwenden musste. Mit Schreiben vom 06.10.2009 bestätigte die Beklagte zu 2) die grundsätzliche Kostenübernahme für die unfallbedingten Fahrzeugschäden. Der Kläger erteilte sofort den entsprechenden Reparaturauftrag. Aufgrund anderer Aufträge konnte die Werkstatt erst 14 Tage nach Reparaturfreigabe durch die Beklagte zu 2) mit den Arbeiten beginnen. Sodann wurde während vier Tagen Ersatzteile besorgt und mit den notwenigen Arbeiten am Fahrzeug des Klägers begonnen. Es dauerte weitere fünf Tage bis das Fahrzeug durch den Lackierbetrieb abgeholt wurde. Weitere 14 Tage nahmen die Arbeiten in der Lackiererei in Anspruch. Nochmals zwei Tage nahmen die abschließenden Arbeiten in der Reparaturwerkstatt in Anspruch. Mit anwaltlichem Schreiben vom 11.02.2010 forderte der Kläger die Beklagte zu 2) zur Erstattung sämtlicher Schadenskosten in Höhe von insgesamt 3.179,29 € auf und übersandte dieser auch eine entsprechende Kostennote der Prozessbevollmächtigten des Klägers über einen Betrag von 359,50 €. Wegen der Einzelheiten dieses Aufforderungsschreibens wird auf das Schreiben vom 11.02.2010 (Blatt 16 der Akte), sowie auf die Kostennote vom 11.02.2010 (Blatt 54 der Akte) verwiesen.

Mit Schreiben vom 18.02.2010 lehnte die Beklagte zu 2) die Erstattung der Einbruchskosten ab und erkannte lediglich einen Nutzungsausfall von vier Tagen zu je 79,00 € an. Mit Ausnahme dieser Positionen erstattete die Beklagte zu 2) die geltend gemachten Schadenspositionen.

Der Kläger macht mit der Klage die verbliebenen einbruchsbedingten Reparaturkosten in Höhe von 1.010,30 € sowie weitere Nutzungsausfallentschädigung für 10 Tage zu je 79,00 € geltend. Des Weiteren begehrt er die Freistellung von den Anwaltskosten seiner Prozessbevollmächtigten in Höhe von 359,50 €.

Der Kläger beantragt,

1. die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an ihn 1.800,30 € nebst

Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz

seit dem 29.04.2010 zu zahlen,

2. die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, ihn von Rechtsanwalts-

gebühren in Höhe von 359,50 € freizustellen.

Die Beklagten beantragen,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagten sind der Ansicht, dem Kläger stehe ein weitergehender Schadensersatzanspruch nicht zu. Hinsichtlich des Einbruchsschadens scheide eine Haftung der Beklagten aus, da der Einbruch in das klägerische Fahrzeug ein vorsätzliches Fehlverhalten Dritter darstelle, welches den Zurechnungszusammenhang durchbreche. Auch ein weitergehender Nutzungsausfall stehe dem Kläger nicht zu, da eine Reparaturzeit von vier Tagen vorliegend ausreichend gewesen sei, um den unfallbedingt entstandenen Schaden am klägerischen Fahrzeug beseitigen zu lassen.

Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.

Gründe

Die zulässige Klage ist nur im tenorierten Umfang begründet.

Dem Kläger steht ein Anspruch auf Entschädigung wegen der entgangenen Nutzungsmöglichkeit seines Fahrzeuges für 14 Tage zu je 79,00 € gegen die Beklagten gemäß §§ 7 Abs. 1 StVG, 823 Abs. 1, 249 BGB, 115 VVG zu. Dies ergibt einen Gesamtbetrag in Höhe 1.106,00 €, von welchem die vorprozessual von der Beklagten zu 2) gezahlten 316,00 € abzuziehen sind.

Grundsätzlich steht dem Geschädigten eine Entschädigung für die entgangene Nutzungsmöglichkeit seines Fahrzeuges für die erforderliche Reparaturzeit oder für die Zeit zu, die erforderlich ist, um sich ein gleichwertiges Ersatzfahrzeug zu beschaffen. Erforderlich im Sinne von § 249 Abs. 1 BGB sind diejenigen Aufwendungen, die ein verständiger Fahrzeugführer in der besonderen Lage des Geschädigten machen würde. Dem Eigentümer eines privat genutzten Fahrzeuges, der durch einen Eingriff die Möglichkeit zur Nutzung verliert, steht ein Anspruch auf Ersatz seines Nutzungsausfallschadens zu, wenn er sich keinen Ersatzwagen anmietet. Diese Voraussetzungen sind hier erfüllt. Durch den Verkehrsunfall vom 05.07.2009 hat der Kläger die Möglichkeit zur Nutzung seines Fahrzeuges verloren. Das Fahrzeug befand sich seit dem Unfallzeitpunkt in der Reparaturwerkstatt. Der Kläger hat keinen Ersatzwagen angemietet.

Ein Verstoß gegen die ihm gemäß § 254 BGB obliegende Schadensminderungspflicht des Klägers liegt hier nicht vor. Eine Verletzung der Schadensminderungspflicht kann dem Geschädigten bei Verzögerung der Reparatur nur dann vorgehalten werden, wenn bei wirtschaftlicher Betrachtung deren Durchführung unter zusätzlicher Berücksichtigung des Nutzungsausfallschadens erkennbar unvernünftig ist. Dafür ist hier nichts ersichtlich. Die Erteilung des Reparaturauftrages durch den Kläger war hier nicht wirtschaftlich unbedacht, da etwaige Verzögerungen der Reparatur nicht von Anfang an absehbar waren. Es kann dahinstehen, ob die Reparaturwerkstatt damals versäumte, einen anderen Lackierbetrieb mit der Durchführung der Lackierarbeiten zu beauftragen oder Ersatzteile bei einem anderen Lieferanten zu bestellen. Der Kläger muss sich ein solches etwaiges Verschulden der Reparaturwerkstatt nicht zurechnen lassen. Die von vom Geschädigten zur Mängelbeseitigung beauftragten Drittunternehmer sind regelmäßig nicht seine Erfüllungsgehilfen im Verhältnis zum Schädiger (vgl zu diesem Komplex OLG München, Urteil vom 07.07.2006, 10 U 2270/06, juris). Ein Auswahlverschulden des Klägers ist vorliegend bei der Reparaturvergabe an die Werkstatt nicht ersichtlich. Es darf nicht außer Acht gelassen werden, dass den Kenntnis- und Einwirkungsmöglichkeiten des Geschädigten bei der Schadensregulierung regelmäßig Grenzen gesetzt sind, vor allem, sobald er einen Reparaturauftrag erteilt und das zu reparierende Objekt in die Hände von Fachleuten gibt. Etwaige Verzögerungen während der Reparaturdauer gehen nicht zu seinen Lasten. Es kann dahinstehen, ob der Kläger hier Nutzungsausfallentschädigung für mehr als 14 Tage geltend machen kann. Zumindest entbehrte der Kläger das Fahrzeug reparaturbedingt für 14 Tage. Die Höhe der Nutzungsentschädigung beträgt 79,00 €/Tag.

Der Anspruch des Klägers auf Verzugszinsen ergibt sich aus den §§ 280 Abs. 1, Abs. 2, 286, 288 BGB. Die Beklagten befanden sich aufgrund des anwaltlichen Schreibens vom 11.02.2010, in welchem sie zur Erstattung sämtlicher Schadenspositionen unter Fristsetzung zum 25.02.2010 aufgefordert wurden, seit dem 26.02.2010 in Verzug. Der Kläger beantragt Verzugszinsen seit dem 29.04.2010. An diesen Antrag ist das Gericht gebunden. Mehr darf dem Kläger gemäß § 308 Abs. 1 ZPO nicht zugesprochen werden. Die Zinshöhe ergibt sich aus § 288 BGB.

Ein darüber hinaus gehender Anspruch auf Ersatz der einbruchsbedingten Reparaturkosten in Höhe von noch 1.010,30 € steht dem Kläger gegen die Beklagten jedoch nicht zu.

Die einbruchsbedingten Reparaturkosten stellen einen Schaden dar, welcher den Beklagten nicht zuzurechnen ist. Der Verkehrsunfall vom 05.07.2009 ist zwar für den Schaden, aus dem der Kläger seinen Anspruch herleitet, ursächlich. Allerdings beruht der einbruchsbedingte Schaden auf einem vorsätzlichen dazwischentreten eines Dritten, welches den Zurechnungszusammenhang unterbricht. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes kann dann, wenn ein Schaden zwar bei rein naturwissenschaftlicher Betrachtung mit der Handlung des Schädigers in einem kausalen Zusammenhang steht, dieser Schaden jedoch entscheidend durch ein völlig ungewöhnliches und unsachgemäßes Verhalten einer anderen Person ausgelöst worden ist, die Grenze überschritten sein, bis zu der dem Erstschädiger Zweiteingriff und dessen Auswirkungen als haftungsausfüllender Folgeschaden seines Verhaltens zugerechnet werden können. Hat sich im Zweiteingriff nicht mehr das Schadensrisiko des Ersteingriffs verwirklicht, sondern war dieses Risiko vielmehr schon gänzlich abgeklungen und besteht deshalb zwischen beiden Eingriffen bei wertender Betrachtung nur ein äußerlicher, gleichsam zufälliger Zusammenhang, dann kann vom Erstschädiger billigerweise nicht verlangt werden, dem Geschädigten auch für die Folgen des Zweiteingriffs einstehen zu müssen (vgl. BGH NJW 1997, 865, 866 m.w.N.). Diese Voraussetzungen liegen hier vor. Der Einbruch in das Fahrzeug des Klägers stellt keine Verwirklichung des Schadensrisikos des Verkehrsunfalls vom 05.07.2009 dar. Dies folgt zum einen aus der zeitlichen Komponente. Der streitgegenständliche Verkehrsunfall hat sich am 05.07.2009 ereignet, während sich der Einbruch in das klägerische Fahrzeug in der Zeit zwischen dem 29. und dem 31.08.2009 ereignet hat. Dabei übersieht das Gericht nicht, dass sich das Fahrzeug des Klägers ohne den Verkehrsunfall vom 05.07.2009 nicht bei der Reparaturwerkstatt befunden hätte, wo letztlich auch in das Fahrzeug eingebrochen wurde. Auch die Tatsache, dass das Fahrzeug des Klägers sonst nicht unbewacht für eine längere Zeit auf der Straße abgestellt wird, sondern nachts entweder in einer Tiefgarage oder auf einem bewachten Bundeswehrgelände steht, ändert nach Auffassung des Gerichts nichts daran, dass es zwischen den beiden Eingriffen lediglich einen zufälligen Zusammenhang gibt. Der Einbruch in das klägerische Fahrzeug stellt vielmehr die Verwirklichung des allgemeinen Lebensrisikos dar.

Des Weiteren hat der Kläger gegen die Beklagten einen Anspruch auf Freistellung von den Rechtsanwaltsgebühren ihrer Prozessbevollmächtigten in Höhe von 272,87 € aus den §§ 7 StVG, 823 Abs. 1, 249 BGB, 115 VVG. Die Kosten der Rechtsverfolgung sind vom Schadensersatzanspruch gemäß § 249 Abs. 1 BGB umfasst (vgl. Palandt/Grüneberg, 69. Aufl. 2010, § 249 Rn. 57). Der Freistellungsanspruch besteht der Höhe nach jedoch nur insoweit, als von den Prozessbevollmächtigten des Klägers berechtigterweise Ansprüche geltend gemacht worden sind. Diese beliefen sich nach den vorstehenden Ausführungen lediglich auf 2.209,07 €, da die einbruchsbedingten Reparaturkosten berechtigterweise nicht geltend gemacht werden konnten. Ersatzfähig ist daher eine 1,3 Geschäftsgebühr nach Nr. 2300 VVRVG aus einem Wert bis zu 2.500,00 €. Diese beträgt 209,30 € (1,3 x 81,00 €). Zuzüglich 20,00 € Entgelt für Post und Telekommunikationsdienstleistungen sowie 19% Umsatzsteuer errechnen sich Gebühren in Höhe von 272,87 €

Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf den §§ 92 Abs. 1, 708 Nr. 11, 711 ZPO.