AG Brühl, Urteil vom 15.11.2010 - 23 C 257/10
Fundstelle
openJur 2012, 126001
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Tenor

Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin eine Stimmrechtsvollmacht für die Wohnungseigentümerversammlungen und Umlaufbeschlüsse der WEG AStraße, in V, gültig bis zur Eigentumsumschreibung an die Klägerin des dem Beklagten gehörenden hälftigen Miteigentumsanteil von 1/3 aus dem Grundbesitz Gemarkung D, Flur 5, Flurstück 170 verbunden mit dem hälftigen Sondereigentum an der Wohnung im Aufteilungsplan bezeichnet mit der Nummer 1, Grundbuchblatt ... des Amtsgerichts Brühl von D, zu erteilen. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Beklagte.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des aufgrund des Urteils zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Tatbestand

Die Parteien sind Eigentümer einer Eigentumswohnung in der Wohnungseigentümergemeinschaft A-Straße in V. Eigentümer der anderen beiden Eigentumswohnungen sind die Eheleute T. Jeder der Wohnungen ist 1/3 Miteigentumsanteil an dem Gesamtobjekt zugeordnet. In der Teilungserklärung ist unter Abschnitt VI festgelegt, dass jeder Wohnungseigentümer für die Entscheidung in der Wohnungseigentümergemeinschaft eine Stimme hat. Ist Miteigentümer eine Personenmehrheit, kann diese ihr Stimmrecht nur gemeinsam ausüben.

Unter dem 19.08.2004 vereinbarten die Parteien anlässlich ihrer Ehescheidung, dass der Beklagte seinen hälftigen Miteigentumsanteil an der Eigentumswohnung an die Klägerin übertragen sollte unter der Voraussetzung, dass er im Gegenzug auch im Außenverhältnis von gemeinsamen Verbindlichkeiten für die Eigentumswohnung freigestellt wird. Desweiteren verpflichtete sich die Klägerin, den Beklagten im Innenverhältnis von der Inanspruchnahme aus den gemeinsamen Verbindlichkeiten freizustellen. Zudem enthielt der Vertrag die Regelung, dass Besitz, Nutzungen und andere Vorteile sowie die Lasten, Verkehrssicherungspflichten und Gefahr mit sofortiger Wirkung auf die Klägerin übergehen sollten. Eine Regelung hinsichtlich des Stimmrechts in der Wohnungseigentümergemeinschaft enthielt der Vertrag nicht. Wegen der Einzelheiten der Vereinbarung wird auf die Anlage K2, Bl. 22 - 30 d.A., Bezug genommen. Bislang ist der Beklagte im Außenverhältnis noch nicht von den gemeinsamen Verbindlichkeiten freigestellt worden, eine Übertragung des Eigentums noch nicht erfolgt. Die Klägerin trägt sämtliche mit der Eigentumswohnung zusammenhängenden Lasten. Der Beklagte erteilte dem jeweils hälftigen Miteigentümer der übrigen beiden Wohnungen, Herrn T, eine Stimmrechtsvollmacht für seine Stimme in den Wohnungseigentümerversammlungen.

Mit anwaltlichen Schreiben vom 01.02. und 17.03.2010 forderte die Klägerin den Beklagten auf, ihr eine Stimmrechtsvollmacht bis zur Eigentumsübertragung zu erteilen, wofür ihr 489,45 EUR in Rechnung gestellt wurden.

Die Klägerin ist der Ansicht, dass es gegen Treu und Glauben verstoße sowie Sinn und Zweck der Vereinbarung mit dem Beklagten widerspreche, wenn ihr keine Stimmrechtsvollmacht erteilt werde.

Die Klägerin beantragt,

1. den Beklagten zu verurteilen, an die Klägerin eine Stimmrechtsvollmacht für die Wohnungseigentümerversammlungen und Umlaufbeschlüsse der WEG A-Straße, V, gültig bis zur Eigentumsumschreibung an die Klägerin des dem Beklagten gehörenden hälftigen Miteigentumsanteil von 1/3 aus dem Grundbesitz Gemarkung D, Flur 5, Flurstück 170 verbunden mit dem hälftigen Sondereigentum an der Wohnung im Aufteilungsplan bezeichnet mit der Nummer 1, Grundbuchblatt ... des Amtsgerichts Brühl von D, zu erteilen;

2. den Beklagten zu verurteilen, an die Klägerin 489,45 EUR an außergerichtlichen Anwaltskosten zu zahlen.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er ist der Ansicht, dass er bis zur Eigentumsübertragung und der externen Freistellung von den gemeinsamen Verbindlichkeiten auch über sein Stimmrecht verfügen müsse. Eigentum und Stimmrecht seien untrennbar miteinander verbunden. Die Klägerin sei wegen der noch nicht erfolgten Freistellungen ihren Verpflichtungen aus dem Vertrag noch nicht nachgekommen.

Wegen der weiteren Einzelheiten zum Sach- und Streitstand wird auf die zu den Akten gereichten Schriftsätze und Urkunden Bezug genommen.

Gründe

Die Klage ist hinsichtlich des Klageantrags zu 1) begründet und hinsichtlich des Klageantrags zu 2) unbegründet.

Der Klägerin steht der geltend gemachte Anspruch auf Erteilung einer Stimmrechtsvollmacht aus dem zwischen den Parteien unter dem 19.08.2004 geschlossenen Vertrag zu.

Aufgrund der Regelung der vollen Kostentragung und auch der alleinigen Nutzungsmöglichkeit der Eigentumswohnung durch die Klägerin im Innenverhältnis zum Beklagten ergibt eine Auslegung des Vertrags, dass der Klägerin der geltend gemachte Anspruch auf Erteilung einer Stimmrechtsvollmacht durch den Beklagten zusteht. Die Klägerin trägt aufgrund der Vereinbarung mit dem Beklagten im Innenverhältnis allein die Folgen der in der Wohnungseigentümerversammlung getroffenen Beschlüsse. Es belastet die Klägerin aufgrund dessen unbillig, wenn sie aufgrund der Regelung, dass Stimmen für gemeinschaftliches Eigentum nur einheitlich abgegeben werden können und ansonsten unwirksam sind, nicht allein über die Stimmabgabe in der Eigentümerversammlung entscheiden kann und der Beklagte, obwohl er im Innenverhältnis von sämtlichen Verpflichtungen freigestellt ist, eine den Interessen der Klägerin entsprechende Stimmabgabe verhindern kann.

Dem Anspruch der Klägerin steht nicht entgegen, dass nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zum Nießbrauch ein Auseinanderfallen von Eigentum und Stimmrecht im Außenverhältnis grundsätzlich nicht in Betracht kommt (s. dazu grundlegend BGH, Beschluss vom 07.03.2002, Az. V ZB 24/01, zit. nach Juris). In derselben Entscheidung hat der BGH klargestellt, dass im Einzelfall im Innenverhältnis eine Verpflichtung des Wohnungseigentümers gegenüber dem Nießbraucher bestehen kann, bei der Stimmabgabe seine Interessen zu berücksichtigen, nach seinen Weisungen zu handeln oder ihm eine Stimmrechtsvollmacht zu erteilen. Fehlt es an einer ausdrücklichen Vereinbarung, so ist nach dieser Entscheidung für das Entstehen und den Umfang einer solchen Verpflichtung insbesondere die Regelung der Kosten des nießbrauchsbelasteten Wohnungseigentums maßgeblich. So kommt etwa eine Verpflichtung des Wohnungseigentümers zur Vollmachtserteilung in Betracht, wenn der Nießbraucher sämtliche Lasten und Kosten des Wohnungseigentums, namentlich in Abweichung von § 1041 Satz 2 BGB auch alle Herstellungskosten zu tragen hat (BGH, a.a.O.).

Nach Auffassung des Gerichts ist die überzeugende Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs auf den vorliegenden Fall übertragbar. Die Klägerin ist aufgrund des zwischen den Parteien abgeschlossenen Vertrages zur alleinigen Nutzung berechtigt. Dem Beklagten stehen keinerlei Rechte hinsichtlich der Nutzung der Eigentumswohnung mehr zu. Bei Eintritt der Bedingung - Freistellung des Beklagten von Verbindlichkeiten auch im Außenverhältnis - geht auch das Eigentum des Beklagten auf sie über, so dass ihr dann das Eigentum an der Eigentumswohnung allein zustehen wird. Zwischen den Parteien ist zudem vereinbart worden, dass sämtliche Lasten, Verkehrssicherungspflichten und die Gefahr mit sofortiger Wirkung, also bereits vor Vollzug der Eigentumsübertragung, auf die Klägerin übergehen sollten. Folge ist, dass die Klägerin allein von den Auswirkungen der Beschlüsse in der Wohnungseigentümergemeinschaft betroffen ist und im Innenverhältnis zum Beklagten für diese allein einzustehen hat.

Auch für den Fall der Einzelrechtsnachfolge bei einer bestehender Wohnungseigentümergemeinschaft wird davon ausgegangen, dass der (Noch-) Eigentümer den Erwerber auf der Grundlage des Erwerbsvertrags auf Grund der bestehenden Interessenlage regelmäßig ab dem Zeitpunkt zur Ausübung des Stimmrechts ermächtigt, ab dem dem Erwerber die Nutzungen zustehen und er die Lasten zu tragen hat (s. dazu Merle in: Bärmann, WEG, 11. Aufl. 2010, § 25, Rn. 10).

Entgegen der Auffassung des Beklagten steht dem Anspruch nicht entgegen, dass die Klägerin ihrer Verpflichtung aus dem Vertrag, der Freistellung des Beklagten von den gemeinsamen Verbindlichkeiten im Außenverhältnis, bislang nicht nachgekommen ist. Diese Verpflichtung steht im Gegenseitigkeitsverhältnis zur Eigentumsübertragung, welche auch noch nicht erfolgt ist. Die Erteilung der Stimmrechtsvollmacht soll gerade den Zeitraum bis zur endgültigen Eigentumsübertragung überbrücken.

Der Anspruch auf Erstattung von Rechtsanwaltskosten steht der Klägerin nicht zu. Der Anspruch ergibt sich nicht aus §§ 280 Abs. 1, Abs. 2, 286 BGB. Die Klägerin hat nicht dargelegt, dass der Beklagte sich zum Zeitpunkt des außergerichtlichen Tätigwerdens ihres Prozessbevollmächtigten bereits mit der Verpflichtung zur Erfüllung ihres Anspruchs in Verzug befand. Zu einer vorher erfolgten Mahnung hat sie nichts vorgetragen. Anhaltspunkte für eine Entbehrlichkeit der Mahnung ergeben sich aus dem Vortrag ebenfalls nicht. Sonstige Anspruchsgrundlagen, die den Anspruch der Klägerin tragen würden, sind nicht ersichtlich.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 2 Nr. 1, der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.

Streitwert : 4.000,00 €