OLG Hamm, Beschluss vom 12.10.2010 - I-15 W 98/10
Fundstelle
openJur 2012, 125918
  • Rkr:
Tenor

Die angefochtene Zwischenverfügung wird aufgehoben.

Gründe

I.

Die Beteiligte zu 1) ist als Eigentümerin des im Grundbuch von Z1 Blatt ...# verzeichneten Grundstücks (Nr. # des Bestandsverzeichnisses) eingetragen. Der Beteiligte zu 2) ist eingetragener Eigentümer des im Grundbuch von Z1 Blatt ...# (Nr. ...# des Bestandsverzeichnisses) verzeichneten Grundstücks. Durch notariellen Vertrag vom 26.11.2009 - UR-Nr. ...#/... des Notars X1 T in N - vereinbarten die Beteiligten einen Tausch der vorgenannten Grundstücke und erklärten die Auflassung. Die Beteiligte zu 1) wurde von Herrn C vertreten. Dem Vertrag waren beglaubigte Kopien der notariellen Vollmachtsurkunde vom 23.10.1995 - UR-Nr. ...#/... des Notars L L1 in X - und der Vertretungsbescheinigung der Bezirksregierung Arnsberg vom 22.09.1994 beigefügt. Die Vollmachtsurkunde enthält die Bevollmächtigung, die Stiftung gerichtlich und außergerichtlich zu vertreten. Weiter ist ausgeführt, dass der Bevollmächtigte zur Finanzierung von Baumaßnahmen der Stiftung bis zu einem Betrag in Höhe von 1 Mio. DM je Einzelfall Darlehensverbindlichkeiten eingehen und bis zu diesem Betrag Schuldanerkenntnisse oder Schuldversprechen abgeben sowie einzelne Grundstücksangelegenheiten wahrnehmen darf.

Mit Schriftsatz vom 18.01.2010 reichte der Notar T die Ausfertigung seiner Urkunde vom 26.11.2009 bei dem Amtsgericht - Grundbuchamt - Menden ein und stellte den Antrag auf Umschreibung gemäß § 15 GBO.

Das Grundbuchamt beanstandete mit Zwischenverfügung vom 27.01.2010, dass die in der notariellen Verhandlung am 26.11.2009 abgegebenen Erklärungen der Beteiligten zu 1) von dem zuständigen Vertretungsorgan der Stiftung in grundbuchrechtlicher Form zu genehmigen seien. Denn die notarielle Vollmacht vom 23.10.1995 sei aufgrund der in der Satzung der Stiftung vorgesehenen Gesamtvertretung durch ein aus drei Mitgliedern bestehendes Kuratorium nicht wirksam erteilt worden.

Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Beteiligten vom 05.02.2010, der das Amtsgericht mit Beschluss vom 09.02.2010 nicht abgeholfen hat.

II.

Die Beschwerde der Beteiligten ist nach §§ 71 Abs. 1, 73 GBO statthaft und formgerecht eingelegt. Die Beschwerdebefugnis der Beteiligten folgt bereits daraus, dass ihr Eintragungsantrag ohne Erfolg geblieben ist.

Die zulässige Beschwerde ist begründet.

Verfahrensrechtlich ist die angefochtene Zwischenverfügung zulässig. Im grundbuchrechtlichen Eintragungsverfahren kann eine Zwischenverfügung des Grundbuchamts nach § 18 Abs. 1 S. 1 GBO ergehen, wenn einem Eintragungsantrag ein Hindernis entgegen steht, welches der Antragsteller rückwirkend auf den Zeitpunkt der Antragstellung beheben kann (BayObLGZ 1990, 6, 8; Wilke in Bauer/von Oefele, GBO, 2. Aufl., § 18, Rdnr. 9; Demharter, GBO, 27. Aufl., § 18, Rdnr. 8). Die nach der Ansicht des Grundbuchamts erforderliche Genehmigung der Auflassungserklärung der Beteiligten zu 1) durch ihr zuständiges Vertretungsorgan kann gemäß §§ 177 Abs. 1, 184 Abs. 1, 185 Abs. 2 BGB mit rückwirkender Kraft nachgeholt werden. Es handelt sich mithin um ein behebbares Eintragungshindernis, das Gegenstand einer Zwischenverfügung sein kann (vgl. Wilke, a.a.O., Rdnr. 11).

In der Sache beanstandet das Grundbuchamt die fehlende Genehmigung der Erklärungen der Beteiligten zu 1) zu Unrecht.

Nach § 20 GBO hat das Grundbuchamt bei der Eintragung eines rechtsgeschäftlichen Eigentumswechsels die Wirksamkeit der Einigung (§ 925 BGB) zu prüfen. Lässt sich ein Beteiligter bei der Erklärung der Auflassung in zulässiger Weise vertreten, so erstreckt sich die Prüfungspflicht des Grundbuchamts auch auf den in der Form des § 29 GBO zu führenden Nachweis der Bevollmächtigung des Vertreters.

Eine Stiftung wird kraft Gesetzes durch den Vorstand gerichtlich und außergerichtlich vertreten, §§ 26 Abs. 1, 81 Abs. 1 S. 3 Nr. 5, 86 S. 1 BGB. Der Vorstand besteht im vorliegenden Fall aus einem Kuratorium, dem drei ordentliche Mitglieder und drei Stellvertreter angehören. Von diesem zuständigen Vertretungsorgan der beteiligten Stiftung ist die Vollmacht in der notariellen Urkunde vom 23.10.1995 erteilt worden. In der Sache deckt die als solche nicht gegenständlich beschränkte Vollmacht die von dem Bevollmächtigten in der notariellen Verhandlung am 26.10.2009 erklärte Auflassung.

Bedenken gegen die Wirksamkeit der Vollmachtserklärung bestehen nicht. Insbesondere beschränken sich die Erwägungen des Bundesgerichtshofs in der von dem Grundbuchamt zitierten Entscheidung (NJW 2009, 289 = Rpfleger 2009, 222) auf die in § 64 Abs. 1 GO NW vorgesehene kommunalrechtliche Gesamtvertretung (vgl. Senat RNotZ 2010, 459). Den Gründen dieser Entscheidung lässt sich indessen darüber hinaus gehend nicht entnehmen, dass der BGH gleichzeitig auch eine Änderung seiner über Jahrzehnte gefestigten Rechtsprechung zur Wirksamkeit einer Vollmacht, die für eine juristische Person des Privatrechts durch dessen Organe erteilt wird, hat vornehmen wollen. Deshalb bleibt es dabei, dass die Wirksamkeit der Bevollmächtigung hier abschließend auf der Grundlage dieser Grundsätze zu beurteilen ist. Diese Grundsätze lauten dahin, dass eine juristische Person des Privatrechts ihre Aufgaben durch Dritte wahrnehmen und diese auch umfassend rechtsgeschäftlich bevollmächtigen kann. Allerdings darf die Vollmacht nicht auf eine Übertragung der organschaftlichen Befugnisse hinauslaufen. Das ist der Fall, wenn der Bevollmächtigte die wesentlichen Funktionen des Vertretungsorgans wahrnehmen und damit anstelle des Vertretungsorgans nach außen wie ein solches tätig sein soll. Denn die organschaftliche WiIlensbildung und Willensbetätigung und die damit verbundene Verantwortung des Vertretungsorgans einer juristischen Person sind nicht übertragbar (vgl. etwa BGH NJW 1977, 199; WM 1978, 1047; NJW-RR 2002, 1325). Deshalb ist es ihr verwehrt, ihre organschaftliche Vertretungsmacht (Schöner/Stöber, Grundbuchrecht, 14. Aufl., Rdnr. 3534a) im Ganzen durch einen Bevollmächtigten ausüben zu lassen. Eine in diesem Sinn unzulässige Übertragung organschaftlicher Befugnisse enthält die Vollmachtserklärung der Beteiligten zu 1) jedoch nicht.

Der rechtsgeschäftliche Inhalt einer Vollmacht ist auslegungsfähig. Die Auslegung hat nach den Grundsätzen für die Auslegung von Grundbucherklärungen zu erfolgen (Senat FGPrax 2005, 240; Demharter, a. a. O., § 20, Rdnr. 21). Maßstab ist die Bedeutung, die sich nach Wortlaut und Sinn der Erklärung für einen unbefangenen Betrachter als nächstliegende ergibt. Vor diesem Hintergrund ergibt die Auslegung im vorliegenden Fall, dass die Vollmachtserklärung zwar eine im Außenverhältnis weit gefasste Bevollmächtigung, indes keine Übertragung organschaftlicher Befugnisse zum Gegenstand hat. Ausgehend von dem Wortlaut der Vollmachtserklärung liegt eine Übertragung organschaftlicher Befugnisse nicht bereits in der Bevollmächtigung, die Stiftung gerichtlich und außergerichtlich zu vertreten (vgl. KG NJW-RR 1992, 34, zur GmbH). Auch im Übrigen bringt der Wortlaut nicht etwa zum Ausdruck, dass sich die Vollmacht auf die dem Vorstand "in dieser Eigenschaft" zustehenden Befugnisse "ohne jede Ausnahme", "für alle Rechtshandlungen" oder "zur Besorgung aller Angelegenheiten" erstrecken soll (vgl. BGH WM 1978, a.a.O.; NJW-RR 2002, a.a.O., zur GmbH - dort käme überdies eine Auslegung/Umdeutung in eine zulässige Generalhandlungsvollmacht in Betracht). Vielmehr ist die Erklärung in erster Linie auf eine rechtsgeschäftliche Stellvertretung gerichtet, wofür die Bezugnahme auf einzelne Rechtsgeschäfte und konkrete Grundstücksangelegenheiten spricht. Die in diesem Zusammenhang vorgesehene betragsmäßige Begrenzung der Vollmachtsbefugnis stellt sicher, dass gewichtige Angelegenheiten der Beteiligung des Vertretungsorgans der Stiftung vorbehalten bleiben.

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