OLG Hamm, Beschluss vom 20.10.2010 - 8 WF 266/10
Fundstelle
openJur 2012, 125897
  • Rkr:

1. Erlangt eine Partei nach der Bewilligung von Prozesskostenhilfe Vermögen, bietet § 124 ZPO für die Aufhebung des Bewilligungsbeschlusses keine Rechtsgrundlage. Vielmehr kommt in einem solchen Falle nur eine nachträgliche Zahlungsanordnung gem. § 120 Abs. 4 ZPO in Betracht.

2. Ob ein zur Abfindung künftig fälligen nachehelichen Unterhalts gezahlter Betrag teilweise für die Prozesskosten einzusetzen ist, richtet sich nach den Umständen des Einzelfalls.

Tenor

Auf die sofortige Beschwerde wird der angefochtene Beschluss aufgehoben.

Es wird angeordnet, dass die Antragsgegnerin die Kosten des Verfahrens aus dem ihr aufgrund des Vergleiches vom 6.7.2010 zugeflossenen Betrag über 38.000 € zurückzuzahlen hat.

Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst.

Gründe

Die sofortige Beschwerde ist zwar gemäß §§ 113 FamFG ,127 ,567 ZPO zulässig und auch in der Sache insoweit begründet, als die Voraussetzungen für eine Aufhebung der bewilligten Verfahrenskostenhilfe nicht vorliegen. Verfahrenskostenhilfe kann, wenn sie bewilligt worden war, lediglich dann wieder entzogen werden, wenn die gesetzlichen Voraussetzungen für die Bewilligung nicht erfüllt waren und damit einer der in § 124 ZPO aufgeführten Tatbestände vorliegt. § 124 ZPO zählt die Gründe, aus denen die VKH-Bewilligung aufgehoben werden kann, abschließend auf, andere Gründe als diejenigen des § 124 ZPO erlauben die Aufhebung nicht (Zöller/Geimer, ZPO, 28. Auflage § 124 Rn. 2 mit weiteren Nachweisen). Insbesondere darf die Bewilligung nicht aufgehoben werden, wenn dem Bedürftigen nach erfolgter Bewilligung Vermögen zufließt (a.a.O.,§ 120 Rz. 29).

Grundsätzlich hat eine Partei jedoch gemäß § 115 Abs. 3 ZPO für die Tragung der Prozesskosten ihr gesamtes Vermögen einzusetzen, soweit dieses das Schonvermögen übersteigt. Die Antragsgegnerin hat unstreitig aufgrund des Vergleiches vom 6.7.2010 einen Anspruch auf Zahlung von 38.000 € erlangt, der spätestens zum 1.8.2010 zu erfüllen war. Sie hat auch nicht vorgetragen, dass dieser Betrag inzwischen nicht vereinbarungsgemäß an sie geflossen sei. Demgemäß ist - bei Aufrechterhaltung der Verfahrenskostenhilfebewilligung - nunmehr gemäß § 120 Abs. 1 ZPO anzuordnen, dass sie die Kosten des Verfahrens aus dem ihr zugeflossenen Betrag aufgrund des Vergleiches vom 6.7.2010, also aus ihrem Vermögen, zu zahlen hat. Grundsätzlich ist nach der Verfahrenskostenhilfebewilligung erworbenes Vermögen für die Bezahlung der Prozesskosten zu verwenden (OLG Stuttgart, FamRZ 2007, 915). Zwar geht die obergerichtliche Rechtsprechung davon aus, dass der Einsatz des für eine zurückliegende Zeit zuerkannten Unterhalts für die Verfahrenskosten in der Regel unangemessen ist (OLG Hamm, FamRZ 2007,1661; OLG Dresden, FamRZ 2008,1543; KG, FamRZ 2009, 366; Zöller/Geimer, ZPO, 28. Auflage § 115 Rn. 58 a), weil der nachträglich titulierte Betrag - eine rechtzeitige Zahlung unterstellt - für die Bestreitung von Verfahrenskosten nur dann hätte eingesetzt werden müssen, wenn bei laufender Zahlung des Unterhalts in der Vergangenheit aus diesem Verfahrenskostenhilferaten hätten erbracht werden müssen. Dasselbe gilt für den Erwerb eines Abfindungsbetrages zur Abgeltung von Unterhaltsansprüchen durch Vergleich; insoweit ist das Vermögen nur einzusetzen, soweit es bei rechtzeitiger regelmäßiger Unterhaltszahlung im maßgeblichen Zeitraum für die Bestreitung der Prozesskosten heranzuziehen gewesen wäre (Zöller, a. A.O.). Anders ist dieser Sachverhalt jedoch zu beurteilen, wenn aufgrund einer Abfindungsvereinbarung ein Vermögensbetrag zur Abgeltung von möglichen zukünftigen Unterhaltsansprüchen gezahlt wird. Zwar ist auch in diesem Fall der Vergleichsbetrag seiner Zweckbestimmung nach zur Deckung der notwendigen Lebenshaltungskosten des Empfängers gedacht, so dass es - entsprechend den Erwägungen bezüglich einer Unterhaltsabfindung für rückständigen Unterhalt - angemessen erscheinen kann, den Abfindungsbetrag zur Rückzahlung nicht heranzuziehen, wenn die Abfindung für zukünftig fällig werdenden Unterhalt auf einen überschaubaren Zeitraum monatlich umgelegt, zum Bestreiten der laufenden Lebenshaltungskosten tatsächlich benötigt wird (OLG Dresden, FamRZ 2008, 1543). Die Antragsgegnerin geht vorliegend jedoch selbst davon aus, dass der Abfindungsbetrag von 38.000 € einen monatlichen nachehelichen Unterhaltsanspruch von etwa 800 € abdecken soll, mithin für einen Zeitraum von rund 4 Jahren gezahlt wurde. Berücksichtigt man das Alter der Antragsgegnerin von 36 Jahren, dass Alter der beiden von ihr betreuten Kinder von 9 und 7 Jahren, den von ihr erlernten Beruf einer Hotelfachfrau, ihr Eigentum an 2 Wohnungen, von denen einer von ihr selbst bewohnt wird, sowie den Umstand, dass die Parteien seit dem 20.8.2010 rechtskräftig geschieden sind, so kann gerade nicht davon ausgegangen werden, dass sie den Vergleichsbetrag in voller Höhe zur Deckung ihres zukünftigen Unterhaltsbedarfes über einen Zeitraum von 4 Jahren in voller Höhe noch benötigen wird. Denn sie dürfte sowohl verpflichtet als auch in der Lage sein, einer Erwerbstätigkeit nachzugehen, mit deren Einkünften sie ihren Bedarf zumindest

überwiegend decken kann. Aufgrund dieser Erwägungen ist sie verpflichtet, einen Teil dieses Vermögens zur Tragung der vorliegenden Verfahrenskosten einzusetzen.