LG Münster, Beschluss vom 04.10.2010 - 5 T 532/10
Fundstelle
openJur 2012, 125867
  • Rkr:
Tenor

Die sofortige Beschwerde wird auf Kosten der Beschwerdeführerin

zurückgewiesen.

Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

Wert für das Beschwerdeverfahren: 14.865,36 Euro

Gründe

Die Gläubigerin betreibt gegen den Schuldner die Zwangsvollstreckung aus dem Vollstreckungsbescheid des Amtsgerichts Hagen vom 27.01.2010, Az. 09432315816, wegen einer Teilforderung in Höhe von 4.600,00 Euro. Auf Antrag der Gläubigerin erließ das Amtsgericht am 11.06.2010 einen Pfändungs- und Überweisungsbeschluss, mit dem u.a. das Konto Nr. ... des Schuldners bei der Drittschuldnerin gepfändet wurde. Dieses Konto wird unstreitig als sog. "P-Konto" gem. § 850k ZPO geführt.

Am 30.07.2010 beantragte der Schuldner, gem. § 850k Abs. 4 ZPO die erfolgte Pfändung bezüglich der Lohn- und Gehaltszahlungen von 2.227,93 Euro in voller Höhe des monatlichen pfandfreien Einkommens ab dem Monat Juli aufzuheben. Dieser Betrag entspreche dem monatlichen auf das Konto eingehenden unpfändbaren Einkommen, da dieses Einkommen bereits durch Beschluss des Amtsgerichts Münster vom 16.02.2010, Az. 33 M 487/10, für den gleichen Gläubiger wegen derselben Forderung gepfändet sei. Da das Einkommen bereits gepfändet sei, stelle der auf dem Konto eingehende Betrag bereits den pfändungsfreien Teil dar.

Mit dem angefochtenen Beschluss vom 30.07.2010 hat das Amtsgericht die "... Pfändung der Forderung des Schuldners auf Auszahlung des Kontoguthabens, Kontonummer ...# bei der Drittschuldnerin bezüglich des Lohnes/Gehaltes, welches von dem Finanzamt O bzw. dem Landesamt für Besoldung und Versorgung - Landeskasse E auf das gepfändete Konto überwiesen wird, aufgehoben (§§ 850c, 850k ZPO), soweit das Konto die erforderliche Deckung aufweist".

Hiergegen wendet sich die Drittschuldnerin mit ihrer sofortigen Beschwerde vom 11.08.2010. Das P-Konto gewähre Pfändungsschutz hinsichtlich eines bestimmten individualisierten benannten Guthabens. Wenn das Guthaben nicht durch den Beschluss des Amtsgerichts bestimmt sei, könne es nicht geschützt werden. Der angefochtene Beschluss sei unbestimmt und könne daher von der Drittschuldnerin nicht umgesetzt werden. Mangels Bezifferung habe der Kunde nur den Grundfreibetrag von 985,15 Euro frei. Auszahlungen könnten nicht erfolgen, soweit dieser Betrag überschritten sei.

Das Amtsgericht hat der sofortigen Beschwerde nicht abgeholfen und die Akten der Kammer zur Entscheidung vorgelegt. Da das Arbeitseinkommen Schwankungen unterliege, könne kein fester Betrag genannt werden. Sonst würde es zu einer unzulässigen Doppelpfändung kommen. Die Verwendung des Begriffs "Guthaben" in § 850k ZPO erfordere nicht zwingend eine Bezifferung. Der Beschluss sei hinreichend bestimmt, da das Guthaben aus einem bestimmten Arbeitsverhältnis freigegeben worden sei, welches konkret benannt worden sei. Beschlüsse vergleichbarer Art seien vor Einführung des "P-Kontos" von der Drittschuldnerin nie beanstandet worden.

Die Beschwerde ist zulässig aber unbegründet.

Die Kammer schließt sich der Auffassung des Amtsgerichts an, dass der angefochtene Beschluss hinreichend bestimmt ist und von der Drittschuldnerin umgesetzt werden kann.

Aufgrund der gegenüber dem Arbeitgeber ausgebrachten Lohnpfändung (33 M 487/10) wird auf das Konto des Schuldners bei der Drittschuldnerin monatlich nur noch der pfändungsfreie Teil des schuldnerischen Einkommens überwiesen, da der darüber hinausgehende Teil des Arbeitseinkommens bereits vom Arbeitgeber an die Gläubigerin abgeführt wird. Eine nochmalige Prüfung der Berechnung des Arbeitgebers durch das Vollstreckungsgericht ist nicht notwendig und nicht vorgesehen.

Aufgrund der von der Höhe des Einkommens abhängigen unterschiedlichen Pfändungsfreigrenzen gem. § 850c ZPO wird dieser vom Arbeitgeber auszuzahlende pfändungsfreie Betrag jeden Monat unterschiedlich hoch sein, da das Arbeitseinkommen schwanken kann, z.B. durch Zahlung von Weihnachtsgeld, Zulagen o.ä.. Es würde daher dem Sinn des effektiven Schuldnerschutzes widersprechen, einen Freibetrag einmalig betragsmäßig festzusetzen. Denn wenn der Betrag anhand des Einkommens zur Zeit der Antragstellung festgesetzt werden würde, könnte es passieren, dass bei einem z.B. durch Weihnachtsgeld erhöhten Einkommen im Monat Dezember gem. § 850c ZPO unpfändbare Beträge gleichwohl an den Gläubiger ausgezahlt werden würden.

Da das Vollstreckungsgericht im Vorhinein nicht wissen kann, in welchem Umfang das Einkommen des Schuldners schwankt, müsste der Schuldner, um diesem Problem zu begegnen, ggf. jeden Monat einen neuen Pfändungsschutzantrag stellen, was nicht dem Sinn und Zweck des § 850k ZPO, nämlich das Verfahren bei Kontopfändungen zu vereinfachen, entsprechen würde. Hinzu kommt, dass dem Schuldner hierdurch gravierende Rechtsnachteile drohen würden. Denn dann liefe er Gefahr, dass das Kreditinstitut den den Freibetrag überschreitenden Teil des Einkommens bereits vor entsprechender Antragstellung an den Gläubiger abgeführt haben könnte. Eine solche Vorgehensweise ist nach Ansicht der Kammer seitens des Gesetzgebers nicht gewollt.

Ebenfalls nicht dem Willen des Gesetzgebers entsprechen dürfte die alternative Möglichkeit der Festsetzung eines betragsmäßig bezeichneten, jedoch utopisch hohen Freibetrages durch das Vollstreckungsgericht, den der jeweils überwiesene Einkommensbetrag voraussichtlich zu keiner Zeit überschreiten wird.

Vielmehr wird gerade der hier vorliegende Fall von § 850k Abs. 4 ZPO erfasst. In Abweichung zu dem grundsätzlichen Inhalt des § 850k ZPO, einen pfandfreien Sockelbetrag unabhängig von dessen Herkunft zu schützen, kann das Vollstreckungsgericht gem. § 850k Abs. 4 ZPO abweichende Anordnungen treffen (vgl. Zöller, ZPO, 28. Auflage, Anh § 850k Rn. 10). Die pauschale Anordnung der Freigabe des gesamten, monatlich vom Arbeitgeber des Schuldners auf das gepfändete Konto überwiesenen Arbeitseinkommens, unabhängig von dessen tatsächlicher Höhe, ist nach Auffassung der Kammer eine solche abweichende Anordnung im Sinne des Gesetzes. § 840k Abs. 4 ZPO spricht zwar von der Festsetzung eines "pfändungsfreien Betrages", jedoch ergibt sich weder aus vorgenannter Formulierung noch aus der Begründung des Gesetzgebers (BT-Drucksache 16/7615; BT-Drucksache 16/12714) die Notwendigkeit der "betragsmäßig bezifferten" Festsetzung eines pfändungsfreien Betrages. Im Gegenteil, es war die Absicht des Gesetzgebers, den Schuldner auch im Rahmen des bargeldlosen Zahlungsverkehrs effektiv zu schützen und ihm auch im Rahmen des "P-Kontos" den Teil seines Arbeitseinkommens zu belassen, der den für die Pfändung von Arbeitseinkommen geltenden Pfändungsfreigrenzen entspricht (Stöber, Forderungspfändung, 15. Auflage, Rn. 1300k; BT-Drucksache 16/12714, Seite 1 und 19-20).

Der angefochtene Beschluss ist auch hinreichend bestimmt, da der freigegebene Betrag durch die Bezeichnung "Forderung des Schuldners auf Auszahlung des Kontoguthabens, Kontonummer ... bei der Drittschuldnerin bezüglich des Lohnes/Gehaltes, welches von dem Finanzamt O bzw. dem Landesamt für Besoldung und Versorgung - Landeskasse E auf das gepfändete Konto überwiesen wird" individualisierbar ist. Hierfür spricht auch, dass die Drittschuldnerin in der Vergangenheit inhaltlich gleiche Beschlüsse nie beanstandet hat und immer umsetzen konnte.

Die Kammer hat die Rechtsbeschwerde zugelassen, da es sich vorliegend um eine Rechtsfrage von besonderer Bedeutung handelt und höchstrichterliche Rechtsprechung bisher nicht ergangen ist.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 ZPO.

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