VG Düsseldorf, Urteil vom 22.10.2010 - 26 K 3516/09
Fundstelle
openJur 2012, 125820
  • Rkr:
Tenor

Auf den Antrag zu 1 wird das beklagte Land unter Abänderung des Bescheides des Landesamtes für Besoldung und Versorgung Nordrhein-Westfalen vom 16.03.2009 in Gestalt des Widerspruchsbe-scheides vom 22.04.2009 verpflichtet, dem Kläger Beihilfe in Höhe von 196,18 Euro zu den Aufwendungen für die zahnärztliche Be-handlung bei I gemäß der Rechnung vom 02.03.2009 zu gewähren.

Auf den Antrag zu 2 wird das beklagte Land unter Abänderung des Bescheides des Landesamtes für Besoldung und Versorgung Nordrhein-Westfalen vom 06.04.2009 in Gestalt des Widerspruchsbe-scheides vom 08.07.2009 verpflichtet, dem Beihilfe in Höhe von 464,60 Euro zu den Aufwendungen für die zahnärztliche Behandlung bei I gemäß den Rechnungen vom 25.03.2009 zu gewähren.

Auf den Antrag zu 3 wird das beklagte Land unter Abänderung des Bescheides des Landesamtes für Besoldung und Versorgung Nordrhein-Westfalen vom 25.06.2009 in Gestalt des Widerspruchsbe-scheides vom 28.07.2009 verpflichtet, dem Kläger Beihilfe in Höhe von 41,40 Euro zu den Aufwendungen für die implantatbezogene Be-handlung bei I gemäß der Rechnung vom 19.05.2009 unter Berücksichtigung des 3,5-fachen Gebührensatzes zu gewähren.

Die Klage im Übrigen wird abgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens tragen der Kläger und das beklagte Land je zur Hälfte.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der jeweilige Kostenschuldner darf die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des beizutreibenden Betrages abwenden, wenn nicht der jeweilige Kostengläubiger vor der Vollstreckung Si-cherheit in gleicher Höhe leistet.

Gründe

Die zulässige Klage ist mit den Anträgen zu 1 bis 3 teilweise begründet. Die mit diesen Anträgen angefochtenen Bescheide des Beklagten sind rechtswidrig und verletzen den Kläger in seinen Rechten, soweit das beklagte Land weitergehende Beihilfeansprüche in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang versagt hat. Soweit der Kläger mit den Klageantrag zu 4 ebenfalls die Verpflichtung des beklagten Landes zur Gewährung weiterer Beihilfe begehrt, ist die ergangene Entscheidung hingegen rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten, vgl. § 113 Abs. 5 S. 1 VwGO.

Der Kläger hat Anspruch gegen das beklagte Land auf die Gewährung weiterer Beihilfe zu den Aufwendungen für die zahnärztliche Behandlung bei I in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang.

Diese Ansprüche ergeben sich unmittelbar aus § 88 LBG NRW a. F. bzw. § 77 Abs. 3 LBG NRW in der ab dem 1. April 2009 geltenden Fassung und § 3 Abs. 1 Nr. 1 BVO NRW in der bis zum 31. März 2009 geltenden Fassung (a.F.). Dies folgt daraus, dass die BVO NRW vom 5. November 2009 (n.F.), die gemäß § 18 Abs. 1 dieser Verordnung mit Wirkung vom 1. April 2009 in Kraft getreten ist, nur für Aufwendungen gilt, die nach dem 31. März 2009 entstanden sind. Vorliegend sind die zwei Implantate in Regio 46 und 47 vor dem 1. April 2009 in den Unterkiefer des Klägers eingebracht worden, d.h. die diesbezüglichen Aufwendungen sind auch vor diesem Zeitpunkt entstanden (§ 3 Abs. 5 S. 2 BVO NRW). Beurteilt sich aber die Notwendigkeit und Angemessenheit des Einbringens der Implantate nach der Rechtslage, wie sie bis zum 31. März 2009 bestanden hat, so muss dies auch für daran anknüpfende weitere Behandlungen gelten, die nach diesem Zeitpunkt mit Blick auf die Einbringung der Implantate noch erforderlich waren. Andernfalls würde eine einheitliche, auf ein einziges Ziel gerichtete Behandlung unterschiedlichem und sich einander in der Anwendung teilweise widersprechendem Recht unterworfen,

vgl. bereits Urteil der Kammer vom 20.04.2010 - 26 K 237/10 -.

Gemäß § 3 Abs. 1 Nr. 1 BVO a. F. sind beihilfefähig die in Krankheitsfällen zur Wiedererlangung der Gesundheit notwendigen Aufwendungen in angemessenem Umfang. Die beihilfefähigen Aufwendungen umfassen nach § 4 Abs. 1 Nr. 1 S. 1 BVO die Kosten für Untersuchung, Beratung und Verrichtung sowie Begutachtung bei Durchführung dieser Vorschriften u.a. durch einen Zahnarzt. Bei dem von § 3 Abs. 1 Nr. 1 BVO verwendeten Merkmal der Angemessenheit handelt es sich um einen unbestimmten Rechtsbegriff, der jeweils im Einzelfall einer Konkretisierung bedarf. Dabei ist die Angemessenheit von Aufwendungen für zahnärztliche Leistungen unter Berücksichtigung dessen zu beurteilen, was die Gebührenordnung für Zahnärzte (GOZ) als Honorar für die jeweilige Leistung vorsieht. Soweit dem Zahnarzt nach der GOZ ein Honoraranspruch in der geltend gemachten Höhe zusteht, handelt es sich mithin zugleich um angemessene Aufwendungen im Sinne von § 3 Abs. 1 BVO, es sei denn, die Beihilfevorschriften schränken die Gewährung einer Beihilfe für bestimmte Aufwendungen ein oder schließen sie gar gänzlich aus. Da Zweck der Beihilfegewährung lediglich ist, einen zusätzlichen Bedarf abzudecken, der mit den Dienstbezügen eines Beamten nicht mehr bestritten werden kann und daher unter dem Gesichtspunkt einer angemessenen Fürsorge einer Beihilfe bedarf, ist gegen derartige Regelungen jedenfalls dann nichts einzuwenden, wenn die Beschränkungen oder Ausschlüsse der Beihilfefähigkeit bestimmter Leistungen die dem Dienstherrn obliegende Fürsorgepflicht nicht in ihrem Wesenskern verletzen.

Vgl. nur BVerwG, Urteil vom 28.04.1988 2 C 58.85 Buchholz 270 § 7 BhV Nr. 1.

Die dem Begehren des Klägers formal entgegen stehende, mit Änderungsverordnung vom 12. Dezember 2003 (GV. NRW. S. 756) in die BVO NRW eingeführte Regelung in § 4 Abs. 2 Buchst. b) Satz 1 BVO NRW a.F., wonach Aufwendungen nach Abschnitt K des Gebührenverzeichnisses der GOZ nur bei den fünf dort genannten hier ersichtlich nicht vorliegenden Indikationen beihilfefähig sind, ist unwirksam; die Kammer wendet sie daher nicht an. Die Unwirksamkeit folgt daraus, dass die Vorschrift nach den oben dargestellten Grundsätzen mit der Fürsorgepflicht des Dienstherrn unvereinbar ist. Zur weiteren Begründung wird zur Vermeidung von Wiederholungen auf die den Verfahrensbeteiligten bekannten rechtskräftigen Urteile des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen,

vom 15.08.2008 6 A 4309/05 und 6 A 2861/06 beide Juris,

verwiesen, denen sich die Kammer angeschlossen hat.

Urteil vom 16.01.2009 - 26 K 4142/07- (recherchierbar auf NRWE) und Urteil vom 27.03.2009 - 26 K 8960/08 -.

Die Ausführungen des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen beanspruchen für die seither in ihrem Wesenskern unveränderte Vorschrift weiterhin Geltung. Hiergegen kann nicht mit Erfolg eingewandt werden, die Entscheidungen des Oberverwaltungsgerichts beträfen nicht mehr gültige Regelungen. Für den Beihilfeberechtigten verbindliche Regelungen werden allein in der insoweit sogar nachteilig geänderten BVO NRW getroffen und nicht in den Verwaltungsvorschriften hierzu. Eine "Reparatur" der unverhältnismäßigen Regelungen der BVO NRW durch Verwaltungsvorschriften ist schon deshalb nicht möglich, weil die Verwaltungsvorschriften in § 4 Abs. 2 Buchst. b) BVO NRW a.F. keine Grundlage finden.

Vgl. OVG NRW, Urteil vom 15.08.2008 a.a.O., Rdnr. 75.

Insbesondere nachdem der Verordnungsgeber der BVO NRW (mit Wirkung ab dem 1. Januar 2007 durch 21. Änderungsverordnung vom 22. November 2006, GV. NRW. S. 596) den Wortlaut des § 4 Abs. 2 Buchst. b) Satz 1 BVO NRW um die Passage "... sowie der Suprakonstruktionen ..." ergänzt hat, kann im Ansatz nicht zweifelhaft sein, dass nach dem Willen des Verordnungsgebers der BVO NRW bei Nichtvorliegen der entsprechenden Indikationen nicht nur die Implantate im engeren Sinne (Leistungen insbesondere nach den Ziffern 900 ff GOZ), sondern auch die darauf verankerten Suprakonstruktionen nicht beihilfefähig sein sollen. Diesen Willen kann und darf der Verfasser der Verwaltungsvorschriften nicht unterlaufen. Daher fehlt den Verwaltungsvorschriften nicht nur eine formale Ermächtigung (zur Rückausnahme); sie widersprechen darüber hinaus auch materiell ihnen im Rang vorgehendem Recht. Es kommt daher nicht mehr darauf an, dass die Verwaltungsvorschriften schon nach ihrem Wortlaut (... "bestehen keine Bedenken"...) keinen Leistungsanspruch begründen können und wollen, wozu sie nach ihrer Rechtsnatur auch nicht in der Lage wären. Durch eine Änderung der Verwaltungsvorschriften zur BVO NRW kann daher die fehlende Verhältnismäßigkeit des § 4 Abs. 2 Buchst. b) Satz 1 BVO NRW nicht wiederhergestellt werden.

Der Klage steht auch nicht entgegen, dass die Notwendigkeit der Behandlung zuvor nicht auf Grund eines Gutachtens des zuständigen Amtszahnarztes bejaht worden ist. Denn die dies fordernde Regelung in § 4 Abs. 2 Buchst. b) Satz 3 BVO NRW a.F. kann ihren Zweck nicht mehr erfüllen, weil ihr Prüfungsmaßstab in Gestalt von § 4 Abs. 2 Buchst. b) Satz 1 BVO NRW a.F. unwirksam ist. Nach dem Vorstellungsbild des Verordnungsgebers bestimmt sich nämlich die vom Amtsarzt zu prüfende "Notwendigkeit der beabsichtigten Maßnahme" nicht nach allgemeinen medizinischen Maßstäben, sondern am spezielleren Maßstab der unwirksamen Regelung in § 4 Abs. 2 Buchst. b) Satz 1 BVO NRW a.F..

Die Versorgung des Klägers mit einem implantatgestützten festsitzenden Zahnersatz in Regio 46 und 47 des Unterkiefers ist dem Grunde nach im Sinne von § 3 Abs. 1 Nr. 1 BVO NRW a.F. medizinisch notwendig. In Gestalt der vormals geltenden Ziffer 5.5. der Verwaltungsvorschriften zur BVO VVzBVO liegt eine vormalige Rechtsauffassung des beklagten Landes zu der Frage vor, wann eine Implantatversorgung dem Grunde nach notwendig ist, die die Kammer innerhalb ihres bejahenden Anwendungsbereichs für sachgerecht, insbesondere für verhältnismäßig hält und sich daher zu eigen macht.

Vgl. Urteile der Kammer vom 16.01.2009 - 26 K 4142/07 - und vom 27.03.2009 - 26 K 8960/08 -.

Vor der Einführung von § 4 Abs. 2 Buchst. b) BVO NRW in die Beihilfeverordnung (durch die 19. ÄndVO) bestimmte die durch Runderlass des Finanzministeriums vom 23. Mai 1997 B 3100 0.7 IV A 4 (MBL. NRW. S. 700) in die Verwaltungsverordnung zur Ausführung der BVO NRW eingeführte Nummer 5.5 (nachfolgend VVzBVO alt genannt):

(Satz 1) Aufwendungen für eine Implantatversorgung einschließlich aller damit verbundenen weiteren Leistungen können nur in folgenden Fällen als notwendig angesehen werden: a) Versorgung eines atrophischen zahnlosen Unterkiefers mit einer implantatgestützten Totalprothese; b) einseitige Freiendlücke, wenn mindestens die Zähne acht, sieben und sechs fehlen; c) Einzelzahnlücke, wenn die benachbarten Zähne kariesfrei, füllungsfrei und nicht überkronungsbedürftig sind. (Satz 2) Aufwendungen für mehr als zwei Implantate pro Kiefer, einschließlich vorhandener Implantate, sind nur bei Einzelzahnlücken oder mit besonderer Begründung zur Fixierung von Totalprothesen beihilfefähig. (Satz 3) Aufwendungen für mehr als vier Implantate pro Kiefer, einschließlich vorhandener Implantate, sowie andere als die in Satz 1 genannten Versorgungen von Implantaten sind als zahnmedizinisch nicht notwendige Leistungen von der Beihilfefähigkeit ausgeschlossen (...).

Wie sich aus dem Umkehrschluss aus Satz 3 ebenda (... andere als die in Satz 1 genannten Versorgungen sind als zahnmedizinisch nicht notwendige Leistungen ...) ergibt, erkannte das beklagte Land danach bis zum Erlass der Regelung in § 4 Abs. 2 Buchst. b) BVO NRW a.F. eine Versorgung mit Implantaten in den in Satz 1 genannten Fällen dem Grunde nach als medizinisch notwendig an. Die Kammer erachtet daher die Indikation in Ziffer 5.5. Satz 1 Buchst. b) der VVzBVO alt, ebenso wie die Indikation in Ziffer 5.5 Satz 1 Buchst. c), Einzelzahnlücke),

vgl. OVG NRW, Urteile vom 15. August 2008, a.a.O.

als allgemeingültige Konstellation, in der eine Implantatversorgung dem Grunde nach i.S.v. § 3 Abs. 1 Nr. 1 BVO NRW medizinisch notwendig ist. Bei dem Kläger fehlten ausweislich der zahnärztlichen Liquidationen die Zähne45, 46, 47 bzw. waren nicht erhaltungsfähig, so dass eine einseitige Freiendlücke gegeben war.

Nach der Definition im zahnmedizinischen Bereich meint der Begriff "einseitige Freiendlücke" eine Situation, in der ein Seitenzahnbereich eines Kiefers bezahnt ist und auf der zweiten Seite mindestens die Molaren fehlen.

Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 23.02.2007 - 6 A 440/05 - Juris und VG Köln, Urteil vom 13.08.2004 19 K 8973/02 Juris.

Der ggf. anders zu beurteilende Fall einer beidseitigen Freiendlücke, wenn also dem Kläger auch auf der gegenüber liegenden Seite des Unterkiefers die entsprechenden Zähne fehlen würden, ist hier nicht gegeben.

Sachlicher Grund der Differenzierung zwischen einseitiger und beidseitiger Freiendlücke ist, dass sich eine herkömmliche prothetische Versorgung bei fehlender Symmetrie aus Stabilitätsgründen schwieriger gestaltet als bei doppelseitiger Freiendsituation.

Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 23.02.2007, a.a.O. sowie Urteile der Kammer vom 12.02.2010 - 26 K 3534/09 - , vom 17.11.2009 - 26 K 3734/09 - und vom 16.01.2009 - 26 K 4142/07 -.

Ist mithin die Implantatversorgung dem Grunde nach beihilfefähig, so gilt im einzelnen Folgendes:

Die vom LBV bei verschiedenen Gebührenpositionen vorgenommene, vom Kläger mit den Anträgen 2 bis 4 angegriffene Kürzung des Steigerungssatzes von 3,5 auf 2,3 ist nicht zu beanstanden.

Nach § 5 Abs. 2 Satz 41. Halbsatz GOZ bemisst sich die Höhe der einzelnen Gebühren für eine zahnärztliche Leistung nach dem einfachen bis 2,3fachen des im dazugehörigen Gebührenverzeichnis festgelegten Gebührensatzes. Ein Überschreiten des Schwellenwertes des 2,3- bis zum Höchstwert des 3,5-fachen Satzes ist nur zulässig und damit beihilferechtlich anzuerkennen, wenn Besonderheiten der in § 5 Abs. 2 Satz 1 GOZ angegebenen Bemessungskriterien (Schwierigkeit, Zeitaufwand, Umstände der Ausführung) die jeweilige Überschreitung rechtfertigen. Um diesen Einzelfall prüfen und gegebenenfalls bejahen zu können, bedarf es einer besonderen Begründung, aus der sich ergeben muss, aus welchen Gründen die im Einzelnen erbrachte Leistung über dem des insoweit durchschnittlich Normalen gelegen hat (vgl. § 10 Abs. 3 Satz 1 GOZ), wobei die bei Rechnungsstellung noch zulässige lediglich stichwortartige Begründung gemäß § 10 Abs. 3 Satz 2 GOZ auf Verlangen näher zu erläutern ist. Zu der unter Zahnärzten weithin verbreiteten, durch einschlägige Kommentierungen und Mitteilungen der jeweiligen (Zahn)ärztekammern gestützten Auffassung, bereits für durchschnittlich normale Leistungen gelte der 2,3-fache Gebührensatz, so dass jede als überdurchschnittlich zu bewertende Tätigkeit den Ansatz eines höheren Steigerungsfaktors rechtfertigen kann, hat das Bundesverwaltungsgericht,

vgl. Urteil vom 17.02.1994 2 C 10.92 BVerwGE 95, 117 ff.,

dessen Ausführungen zur Gebührenordnung für Ärzte GOÄ für die insoweit sachgleichen Regelungen der GOZ gleichermaßen gelten unter anderem ausgeführt, dass eine Überschreitung des Schwellenwertes (2,3-facher Gebührensatz) voraussetzt, dass Besonderheiten gerade bei der Behandlung des betreffenden Patienten und abweichend von der großen Mehrzahl der Behandlungsfälle aufgetreten seien. Das Überschreiten des Schwellenwertes stelle einen Ausnahmecharakter dar. Dem widerspreche es, wenn schon eine von einem Zahnarzt allgemein oder häufig angewandte Verfahrensweise bei der Ausführung einer zahnärztlichen Leistung als eine das Überschreiten des Schwellenwertes rechtfertigende Besonderheit angesehen würde. Die in der Regel einzuhaltende Spanne zwischen dem einfachen und dem 2,3-fachen Gebührensatz gelte nicht nur für einfache oder durchschnittlich schwierige und aufwändige Behandlungsfälle, sondern für die große Mehrzahl aller Fälle. Sie decke in diesem Rahmen auch die Mehrzahl der schwierigeren und aufwändigeren Behandlungsfälle ab.

Das Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen (OVG NRW),

vgl. Urteil vom 09.12.1993 6 A 511/92 ,

hat unter anderem ausgeführt, dass die von einem Zahnarzt zu erstellende Begründung hinsichtlich des Überschreitens des Schwellenwertes den Zeitaufwand und den Schwierigkeitsgrad plausibel erläutern müsse. Der 3,5-fache Gebührensatz gelte nur in den Fällen, die in der ärztlichen Praxis außergewöhnliche Anforderungen stellen. Diese können sich nur daraus ergeben, dass die Verhältnisse des konkret zu beurteilenden Falles mit den Verhältnissen der vom Gebührentatbestand erfassten (normalen) Fälle verglichen werden (können). Dabei sei zunächst eine Darlegung des behandelnden Zahnarztes, welchen zeitlichen Rahmen (vom einfachen Fall bis hin zu den schwierigsten Fällen) der vorgenommene Eingriff in der ärztlichen Praxis in Anspruch nehme und inwieweit sich der Fall des konkreten Patienten unter Berücksichtigung der Schwierigkeit sowie der Umstände bei der Ausführung von einem normalen Fall unterscheide, erforderlich. Ferner müsse dargestellt werden, wie sich der konkrete Fall im Vergleich mit anderen Fällen verhalte und wieso er sich deutlich vom Durchschnitt unterscheide und abhebe.

Vgl. auch OVG NRW, Urteil vom 3. Dezember 1999 12 A 2889/99 , Urteil vom 7. Dezember 2001 6 A 2017/99 ; Beschluss vom 8. Oktober 2001 6 A 1265/01 und jüngst Beschluss vom 23. März 2009 3 A 407/07 .

Hinsichtlich der beihilfefähigen Beträge und der einzelnen Klageanträge ergibt sich aus den zuvor dargestellten Rechtsgrundsätzen Folgendes:

Antrag zu 1): Rechnung vom 02.03.2009 in Höhe von 392,35 Euro

Ist die Implantatversorgung als solche beihilfefähig, so gilt dies auch für die hiermit im Zusammenhang stehenden diagnostischen Leistungen. Inwieweit eine Diagnostik per "normaler" Strahlendiagnostik ("Röntgen") ausreichend gewesen wäre, oder ob eine Diagnostik mittels CT erforderlich war, entzieht sich einer Beurteilung durch die Beihilfestelle. Insoweit ist maßgeblich die zahnärztliche Einschätzung, zumal diese hier durch die Stellungnahme von I näher erläutert worden ist: Demnach war die Anfertigung dreidimensionaler Röntgenunterlagen vor dem Einbringen dentaler Implantate, zumal im Unterkieferzahnbereich mit Gefährdung sensibler Strukturen, absolut notwendig.

Ist mithin der Betrag somit 392,35 Euro beihilfefähig, so ergibt sich nach dem persönlichen Beihilfebemessungssatz des Klägers ein Beihilfeanspruch in Höhe von 196,18 Euro.

Antrag zu 2): Rechnungen vom 25.03.2009 über 1.730,93 Euro und 392,35 Euro.

Hinsichtlich der auf die Postoperative CT-Diagnostik bezogenen Rechnung gelten die vorstehenden Erwägung entsprechend, mit der Folge, dass dieser Betrag beihilfefähig und sich ein weiterer Beihilfeanspruch in Höhe von 196,18 Euro errechnet.

Bezüglich der sich auf 1.730,93 Euro belaufenden Rechnung sind nach den oben dargestellten Grundsätzen zunächst die 3,5-fachen Gebührensätze auf den 2,3-fachen Gebührensatz zu kürzen.

Die Herabsetzung des Gebührenfaktors bei den GOZ-Nummern 901 und 903,

("Besonders schwierige Präp. wg. grazilem Knochenbett, gefährdeten anatomischen Nachbarstrukturen - Erhöhte Schwierigkeit und erschwerte Umstände der Ausführung durch Operation in Nervnähe"),

rechtfertigt sich aus der Überlegung, dass es an einem nachvollziehbaren Vergleich der für den Schwellenwert jeweils typischen Leistung mit den Besonderheiten der jeweils erbrachten Leistung fehlt. Ob speziell der Kläger in Abweichung von der Masse der anderen Patienten über ein graziles Knochenbett verfügt, lässt sich der von I gegebenen Begründung nicht entnehmen. Auch ist nicht erkennbar, worin die Schwierigkeit der Präparation bei grazilem Knochenbett besteht, ob etwa infolge besonderer Brüchigkeit des Knochenbetts eine besonders vorsichtige und deshalb zeitaufwändige Präparation erforderlich ist, oder ob zusätzliche, die Präparation begleitende Vorsichtsmaßnahmen zu ergreifen sind. Darüber hinaus liegt es in der Behandlungssituation, nicht aber in der individuellen, patientenbezogenen Situation begründet, dass bei Maßnahmen nach den Ziffern 900 ff GOZ je nach der geplanten Position des Implantates auf die Lage benachbarter Nerv-Gefäßbündel Rücksicht zu nehmen ist, weshalb dies wohl keinen Ausnahmefall zu begründen vermag. Nicht nur der Kläger verfügt über schutzbedürftige Nerv- und Gefäßbündel, sondern jeder Patient in vergleichbarer räumlicher Behandlungssituation,

vgl. bereits Urteile der Kammer vom 18.09.2009 - 26 K 1472/09 - und vom 16.01.2009 - 26 K 4142/07 -.

Ferner sind erhöhte Schwierigkeiten und erschwerende Umstände vom 2,3-fachen Gebührensatz umfasst.

Diese Erwägungen gelten entsprechend für den Ansatz des Faktors 3,5 und die dazu gegebene Begründung bei der Gebühr Ä 2255,

("Besonders schwierige Präp. wg. grazilem Knochenbett, gefährdeten anatomischen Nachbarstrukturen - Erhöhte Schwierigkeit und erschwerte Umstände der Ausführung durch Operation in Gelenknähe")

und bei der Gebühr Ä 2730,

("Besonders schwierige Präp. wg. grazilem Knochenbett, gefährdeten anatomischen Nachbarstrukturen - Erhöhte Schwierigkeit und erschwerte Umstände der Ausführung durch schwierige Schleimhautverhältnisse"),

wobei hier ergänzend noch auszuführen ist, dass vom Kläger oder seinem Zahnarzt in keiner Weise dargelegt ist, in welcher Weise die Schleimhautverhältnisse schwierig waren.

Hinsichtlich des Verbrauchsmaterials gilt grds § 4 Abs. 3 S. 1 GOZ. Nach dieser Vorschrift sind mit den Gebühren die Praxiskosten einschließlich der Kosten für Füllungsmaterial, für den Sprechstundenbedarf sowie für die Anwendung von Instrumenten und Apparaten abgegolten, soweit nicht im Gebührenverzeichnis etwas anderes bestimmt ist.

Etwas anderes gilt lediglich für Implantate und Implantatteile sowie für Implantatbohrer.

BGH, Urteil vom 27. Mai 2004 - III ZR 264/03 - Juris.

Als beihilfefähige Aufwendungen anzuerkennen sind nach alledem bei Berücksichtigung des 2,3-fachen Gebührensatzes anstelle des berechneten 3,5fachen Gebührensatzes 1.436,83 Euro.

Als beihilfefähig anerkannt worden sind 2 x 450 Euro = 900,00 Euro.

Hiernach errechnet sich ein Beihilfeanspruch von 268,42 Euro und 196,18 Euro zu den Aufwendungen für die beiden Rechnungen vom 25.03.2009.

Antrag 3): Rechnung vom 19.05.2009 über 873,94 Euro

Zu Recht hat das LBV die zahnärztliche Behandlung dem Grunde nach als beihilfefähig anerkannt, insbesondere die Nachbehandlung nach chirurgischem Eingriff und die Eingliederung provisorischen Zahnersatzes. Die Aufwendungen wurden weitgehend anerkannt, Abzüge sind allerdings wegen Schwellenwertüberschreitung erfolgt, was nach Auffassung des Einzelrichters im Ergebnis nicht zu beanstanden ist, weil die bei GOZ Nr. 227 und 512 gegebenen Begründungen,

("Schwierige Kauflächen- und Kontaktpunktgestaltung - Erhöhter Zeitaufwand wegen mehrfaches Abnehmen der provisorischen Kronen"),

schon wegen ihrer sehr allgemein gehaltenen Formulierung den Anforderungen an die Begründung nicht genügen. Worin die Schwierigkeiten bestanden, wird nicht erläutert. Zudem reicht es nicht aus, wenn sich der Zahnarzt auf erhöhte Schwierigkeit beruft, da solche Schwierigkeiten vom 2,3-fachen Satz abgegolten werden. Dies gilt auch hinsichtlich erhöhten Zeitaufwandes, zumal nicht angegeben ist, wie hoch der Zeitaufwand normalerweise ist und wie viel Zeit der behandelnde Zahnarzt im Falle des Klägers benötigt hat.

Zu Unrecht hingegen hat das LBV bei der Berechnung die GOZ-Nr. 904 als implantatbezogene Leistung nicht berücksichtigt, weil diese Leistung bereits durch die Pauschale abgegolten sei. Hier allerdings kann nach den oben dargestellten Grundsätzen nicht der Gebührenfaktor 3,5, sondern nur der Faktor 2,3 berücksichtigt werden, sodass sich eine Beihilfefähigkeit der Aufwendungen in Höhe von insgesamt 769,98 Euro, mithin ein Anspruch auf Beihilfe in Höhe von 384,99 Euro errechnet. Gezahlt hat das LBV auf die Rechnung vom 19.05.2009 eine Beihilfe in Höhe von 343,59 Euro, sodass sich ein Anspruch des Kläger auf Gewährung weiterer 41,40 Euro ergibt.

Antrag zu 4): Rechnung vom 12.06.2009 über die Summe von 2.157,17 Euro

Bezüglich dieser Liquidation wird die Beihilfeberechnung durch das LBV vom Kläger angegriffen, soweit es die Streichung von GOZ Nr. 905 und den Ansatz der 2,3-fachen Gebühr statt des 3,5-fachen Gebührensatzes sowie die Streichung von 55,00 Euro aus der Laborrechnung betrifft.

Die Streichung von 55,00 Euro aus der Laborrechnung ist allerdings nicht nachvollziehbar, weil nach Ziff. 5.8. der VVzBVO in der hier maßgeblichen Fassung vom 24.11.2008 Mehraufwendungen für Verblendungen (einschließlich Vollkeramikkronen bzw. -brücken) und die zahnärztlichen Leistungen grundsätzlich bis einschließlich Zahn 5 beihilfefähig sind, während bei einer Versorgung ab Zahn 6 mit verblendeten Vollkronen, Vollkeramikkronen etc. und soweit eine Brückenversorgung nach Satz 1 über Zahn 5 hinaus reicht, vom Bruttorechnungsbetrag je verblendeten Zahn pauschal 40 Euro (bei Kunststoffverblendungen) bzw. 80 Euro (bei Keramikverblendungen) in Abzug zu bringen sind. Demnach müssen bei der Laborrechnung der X GmbH vom 09.06.2009 für 2 Zähne, nämlich 46 und 47, jeweils 80 Euro = 160 Euro abgezogen werden.

Soweit vom LBV die Gebührenposition Nr. 905 GOZ (Auswechseln eines Sekundärteils bei Implantationssystem) abgesetzt wurde, ist dies nicht zu beanstanden, weil die von I erbrachte Leistung jedenfalls bei beihilferechtlicher Betrachtung nicht durch diese Gebührenziffer abgerechnet werden konnte. Das Finanzministerium des beklagten Landes hat durch den "Runderlass vom 19. August 1998" - B 3100 - 3.1.6.2 - IV A 4 - (MBl.NRW. S. 1020) - also vor der zahnärztlichen Behandlung des Klägers - unter Ziffer 7.18 klargestellt, dass Nummer 905 GOZ nicht im Rahmen der implantologischen/prothetischen Primärversorgung berechenbar ist. Die Berechnung der Nummer 905 GOZ kann im allgemeinen erst nach Ablauf einer längeren Zeit nach dem Einfügen des Zahnersatzes auf dem Implantat in Betracht kommen.

Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts,

vgl. Urteile vom 17.02.1994 - 2 C 17.92 - ZBR 1994, 227; - 2 C 25.92 - ZBR 1994, 228,

kann der Dienstherr gerade bei zweifelhaftem Inhalt der Gebührenordnung ein berechtigtes Interesse haben, bestimmten häufiger wiederkehrenden, von ihm ggf. als überhöht oder entbehrlich angesehenen Gebührenforderungen von Ärzten oder Zahnärzten an Beihilfeberechtigte entgegenzutreten und ggf. eine rechtliche Klärung herbeizuführen, wenn er dies, etwa wegen des finanziellen Umfangs der sich zu der betreffenden Streitfrage summierenden Einzelbeträge, für zweckmäßig erachtet. Solange und soweit eine höchstrichterliche Klärung des zweifelhaften Inhalts der Gebührenordnung (hier: der Anwendbarkeit der Nr. 905 GOZ) oder eine Regelung in der Beihilfenverordnung - wie vorliegend - nicht erfolgt ist, bleibt der Dienstherr befugt, eine rechtliche Klärung auch in sonstiger Weise - etwa (wie hier) durch Erlass - vorzunehmen. Diese Klärung ist als in allgemein zugänglicher Form vorgenommene Veröffentlichung der Rechtsauffassung durch den Dienstherrn ausreichend (vgl. BVerwG, a.a.O.); ob dem Kläger diese Klärung unmittelbar bekannt war, ist demgegenüber nicht entscheidend.

Vgl. VG Köln, Urteil vom 19.02.2010 - 19 K 8011/08 - Juris m.w.N..

Auch der Abzug der die Schwellenwerte überschreitenden Gebührenansätze ist frei von Rechtsfehlern.

Die erkennende Kammer hat wiederholt entschieden, dass eine tief unter die Gingiva reichende Präparationsgrenze keine ausreichende Begründung für eine Überschreitung des 2,3-fachen Satzes darstellt, da die Präparationsgrenze bei Vollkronen regelmäßig ohnehin mindestens am Zahnfleischsaum liegt und somit eine subgingivale Präparationsgrenze keine nennenswerte Erhöhung des Schwierigkeitsgrades bewirkt.

Vgl. nur Urteil der Kammer vom 18.10.2005 - 26 K 1449/05 -.

Konstruktionsbedingter zeitlicher und instrumenteller Mehraufwand bei der Anfertigung hochwertiger komplizierter Prothetik und daraus resultierend offenbar schwierige Anpassung wg. Zahn- und Präparationsform betrifft die Verfahrenstechnik, ist nicht individuell patientenbezogen und lässt überdies den Mehraufwand nicht erkennen. Außerdem ist ein Mehraufwand vom 2,3-fachen Gebührensatz abgegolten.

Auch die im Widerspruchsverfahren vorgelegte Stellungnahme und ergänzende Begründung des Zahnarztes I vom 14.09.2009 ist nicht weiterführend. Übermäßige oder starke Blutungen stellen Umstände dar, die nach der Erfahrung der Kammer aus zahlreichen Beihilferechtsstreitigkeiten betreffend Zahnarztrechnungen innerhalb der Mehrzahl der schwierigeren und aufwändigeren Behandlungsfälle auftreten und daher noch keine außergewöhnlichen Umstände darstellen.

Vgl. Urteil der Kammer vom 27.03.2009 - 26 K 8960/08 -.

Als beihilfefähig anzuerkennen sind mithin aus der Fremdlaborrechnung ein Betrag von 762,96 Euro und aus der Liquidation des I einschließlich der auch vom LBV in voller Höhe berücksichtigten Eigenlaborleistungen ein Betrag von 457,78 Euro (719,45 Euro x 60%), sodass sich eine beihilfefähige Summe von 1.220,74 Euro errechnet.

Dies ergibt einen Beihilfeanspruch in Höhe von 610,37 Euro. Damit ergibt sich für den Antrag zu 4 kein weitergehender Anspruch des Klägers auf Beihilfe.

Zusammengefasst ergeben sich folgende Ansprüche des Klägers:

Der Kläger kann Beihilfe in Höhe von 196,18 Euro zu den Aufwendungen für die zahnärztliche Behandlung bei I gemäß Rechnung vom 02.03.2009 beanspruchen (Antrag zu 1).

Der Kläger kann ferner über die bereits gewährten Leistungen hinaus Beihilfe in Höhe von 464,60 Euro zu den Aufwendungen für die zahnärztliche Behandlung bei I gemäß den Rechnungen vom 25.03.2009 beanspruchen.

Der Kläger hat ferner Anspruch auf Beihilfe in Höhe von 384,99 Euro zu den Aufwendungen für die implantatbezogene Behandlung bei I gemäß Rechnung vom 19.05.2009. Unter Abzug der bereits bewilligten und gezahlten 343,59 Euro verbleibt ein zu tenorierender Betrag von 41,40 Euro (Antrag zu 3).

Hinsichtlich des Antrags zu 4 ergibt sich kein Betrag, der dem Kläger noch zugesprochen werden könnte, da die auf die zahnärztliche Rechnung vom 12.06.2009 bewilligte und gezahlte Beihilfe den gesetzlichen Beihilfeanspruch des Klägers übersteigt.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 155 Abs. 1 VwGO. Die Kostenverteilung entspricht dem Verhältnis zwischen dem Obsiegen/Unterliegen der Parteien.

Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.