AG Duisburg, Urteil vom 01.04.2010 - 73 C 3941/09
Fundstelle
openJur 2012, 125214
  • Rkr:
Tenor

Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 2.622,99 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 12.07.2009 zu zahlen.

Die Kosten des Rechtsstreits hat der Beklagte zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Tatbestand

Die Klägerin begehrt von dem Beklagten Schadensersatz aus Schlechterfüllung eines Anwaltsvertrages und die Erstattung vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten.

Der Beklagte reichte für den bei der Klägerin rechtsschutzversicherten … im Januar 2008 bei dem Landgericht Essen eine Schadensersatzklage gegen den Rechtsanwalt … ein. Das Verfahren wurde unter dem Aktenzeichen 18 O 37/08 geführt. Rechtsanwalt … hatte Herrn … in dessen vorangegangenem Ehescheidungsverfahren vertreten. Die Klägerin erteilte für den Schadensersatzprozess Deckung und trug die Kosten des Verfahrens. Die ihr entstandenen Kosten verlangt sie nunmehr von dem Beklagten zurück.

In dem Ehescheidungsverfahren waren 2 Versäumnisurteile ergangen, in denen Herr E. zu Unterhaltszahlungen an seine Ehefrau verurteilt wurde. Gegen eines der Versäumnisurteile wurde kein, gegen das zweite ein verspäteter Einspruch eingelegt, so dass beide Versäumnisurteile rechtskräftig wurden.

Die durch den Beklagten im Januar 2008 eingereichte Schadensersatzklage wurde darauf gestützt, dass die in den Versäumnisurteilen titulierten Ansprüche unbegründet seien und dem Herrn … ein Schaden dadurch entstanden sei, dass der Rechtsanwalt … die Versäumnisurteile habe ergehen und in Rechtskraft erwachsen lassen. Die titulierten Unterhaltsansprüche berücksichtigten nicht, dass die Ehefrau des Herrn … Einkünfte aus einer Erwerbstätigkeit in einem Reisebüro erziele.

In der Klageschrift vom 28.01.2008 erfolgte eine konkrete Darlegung der Einkommensverhältnisse der Eheleute nicht. Wegen der Einzelheiten wird auf die Klageschrift vom 28.01.2008 verwiesen.

Mit Schriftsatz vom 14.03.2008 wurde die Klage erweitert.

Am 15.05.2008 erteilte das Landgericht Essen folgenden Hinweis:

"Das Klagevorbringen zur Kausalität des Verhaltens des Beklagten für den Schaden des Klägers ist unzureichend. Im Regressprozess muss der Kläger aus sich heraus verständlich alle Tatsachen vortragen, die den offenbar schlüssigen Unterhaltsklagen entgegengehalten werden konnten, und die er auch dem Beklagten mitgeteilt hat."

Wegen des Inhaltes der auf den Hinweis ergangenen Schriftsätze wird auf die Schriftsätze vom 04.06. und 03.07.2008 verwiesen.

Nach mündlicher Verhandlung am 28.08.2008 wurde die Klage mit der Begründung abgewiesen, dass der Kläger die Einkommensverhältnisse nicht substantiiert dargelegt habe, so dass das Gericht nicht habe feststellen können, dass in den Versäumnisurteilen überhöhte Unterhaltsforderungen tituliert worden seien. Wegen der Einzelheiten wird auf das Urteil des Landgerichts Essen vom 28.08.2008 verwiesen. Das Urteil, gegen das keine Berufung eingelegt worden ist, wurde rechtskräftig.

Aufgrund des Kostenfestsetzungsbeschlusses des Landgerichts Essen vom 03.12.2008 zahlte die Klägerin an den Rechtsanwalt … einen Betrag in Höhe von 1.664,36 € nebst Zinsen in Höhe von 58,63 € und damit insgesamt 1.722,29 €. Zudem hatte die Klägerin an den Beklagten eine Abschlagszahlung in Höhe von 900,00 € geleistet.

Die Klägerin forderte den Beklagten mit Schreiben vom 10.06.2009 fruchtlos unter Fristsetzung zum 11.07.2009 zur Erstattung dieser Zahlungen und zur Zahlung vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten in Höhe von 360,21 € auf.

Die Klägerin behauptet, der Beklagte habe den dem vorangegangenen Ehescheidungsverfahren zu Grunde liegenden Sachverhalt vor Klageerhebung unzureichend aufgeklärt.

Die Klägerin meint, nach Durchführung einer ordnungsgemäßen Sachaufklärung hätte der Beklagte von der Erhebung der ihrer Ansicht nach unschlüssigen Klage absehen müssen. Die Klage habe keine Aussicht auf Erfolg gehabt und sei mutwillig erhoben worden. Nach sachgerechter Prüfung hätte der Beklagte seinem Mandanten von der Klageerhebung abraten müssen.

Die Klägerin beantragt,

den Beklagten zu verurteilen, an sie 2.622,99 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 12.07.2009 und weitere 360,21 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 12.07.2009 zu zahlen.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Der Beklagte meint, ein Schadensersatzanspruch bestehe nicht, da die Klage von dem Landgericht Essen nicht als unschlüssig, sondern als unbegründet abgewiesen worden sei.

Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf die wechselseitigen Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Gründe

I.

Die Klage ist zulässig und begründet.

Die Klägerin hat gegen den Beklagten aus übergegangenem Recht einen Anspruch auf Schadensersatz wegen der Schlechterfüllung eines Anwaltsvertrages gemäß §§ 280 Abs. 1 BGB i. V. m. § 86 Abs. 1 S. 1 VVG.

Der Beklagte handelte pflichtwidrig, indem er die Regressklage vor dem Landgericht Essen erhob. Der Rechtsanwalt hat vor der Prozessführung die Erfolgsaussichten der Rechtsverfolgung sorgfältig prüfen; tut er dies vor Klageerhebung nicht, handelt er - unabhängig davon, ob die Deckungszusage einer Rechtsschutzversicherung vorliegt - pflichtwidrig (Palandt/Heinrichs, BGB 68. Aufl., § 280 Rn. 70 m. w. N.). Wenn sich trotz der im Rahmen der Vorbereitung umfänglich erfolgten Aufklärungsbemühungen (a. a. O. § 280 Rn. 67) die Anspruchsgrundlagen nicht ermitteln lassen, muss der Rechtsanwalt den Mandanten jedenfalls darüber aufklären, dass es sicher oder in hohem Maße wahrscheinlich ist, dass die Klage abgewiesen werden wird (a. a. O. § 280 Rn. 70).

Vorliegend hätte der Beklagte aufgrund der ihm von seinem Mandanten mitgeteilten Informationen die Klage nicht einreichen dürfen. Denn sie bot mangels der für die Überprüfung der in den Versäumnisurteilen titulierten Unterhaltsansprüche erforderlichen konkreten Darlegung der Einkommensverhältnisse erkennbar keine Aussicht auf Erfolg.

Ein erfolgreicher Regressprozess hätte vorausgesetzt, dass der Beklagte für seinen Mandanten hätte nachweisen können, dass - spätestens nach Einspruchseinlegung und Aufhebung der Versäumnisurteile - die Klagen vor dem Familiengericht abgewiesen worden wären. Voraussetzung hierfür wäre wiederum gewesen, dass die Einkommensverhältnisse der Eheleute konkret offengelegt worden wären und das Gericht nach Überprüfung zu dem Ergebnis hätte kommen müssen, dass die Unterhaltsansprüche zu Unrecht tituliert wurden.

In der Klageschrift vom 28.01.2008 finden sich jedoch weder zu den Einkommensverhältnissen des Mandanten noch zu denen seiner Ehefrau substantiierte Angaben. Sachvortrag ist substantiiert dargelegt, wenn der Darlegungspflichtige hinreichend konkrete Tatsachen vorträgt, die in Verbindung mit einem Rechtssatz geeignet sind, das geltend gemachte Recht als in seiner Person entstanden erscheinen zu lassen (BGH, NJW 1997, 2754). Die Aufklärung darf nicht erst im Wege der Ausforschung in einer Beweisaufnahme erfolgen, da im Zivilprozess keine Aufklärung des Sachverhalts von Amts wegen erfolgt. Diesen Anforderungen wird der Inhalt der Klageschrift vom 28.01.2008 nicht gerecht. Zudem finden sich dort auch keine konkreten Ausführungen zu den erwähnten eheprägenden Schulden. Damit konnte das erkennende Gericht keine Feststellungen dazu treffen, ob die in den Versäumnisurteilen titulierten Ansprüche tatsächlich bestanden.

Der Beklagte substantiierte den Vortrag auch nicht nach Erteilung des richterlichen Hinweises: In dem Schriftsatz vom 04.06.2008 wird lediglich pauschal mitgeteilt, dass die Ehefrau des Mandanten Einkünfte aus einer Beschäftigung in einem Reisebüro erziele, ohne dass deren Höhe mitgeteilt wird. Auch im Hinblick auf den Umfang der Tätigkeit ist der Vortrag nicht hinreichend bestimmt, da sich aus der Angabe, die Ehefrau sei "regelmäßig und zwar von morgens 8.00 Uhr bis abends 17.00 bzw 18.00 Uhr" tätig gewesen, bereits nicht erkennbar wird, was unter regelmäßig zu verstehen ist, da damit regelmäßig 1 mal in der Woche oder auch regelmäßig 7 mal in der Woche gemeint sein könnte. Sofern der Beklagte in dem Schriftsatz vom 03.07.2008 ergänzend ausführte, dass die Ehefrau unter Berücksichtigung des Tätigkeitsumfanges "einen monatlichen Mindestlohn in Höhe von 1.300,00 €" erzielt habe, erfolgte dieser Vortrag erkennbar auf der Grundlage einer bloßen Vermutung. Mangels hinreichend konkreter Angaben wurde das Gericht auch durch die beiden dem Hinweis folgenden Schriftsätze nicht in die Lage versetzt, die Höhe der berechtigten Unterhaltsansprüche nachzuvollziehen.

Unter diesen Voraussetzungen musste die Klage von vornherein erkennbar der Abweisung unterliegen. Der Beklagte hätte also entweder zusätzliche Ermittlungen zu den tatsächlichen Einkommensverhältnissen der Ehefrau seines Mandanten anstellen müssen oder anderenfalls nachdrücklich von der Klageerhebung abraten und darauf hinweisen müssen, dass die Rechtsschutzversicherung die Kosten einer von vornherein nicht Erfolg versprechenden Klage nicht tragen werde.

Die Pflichtverletzung erfolgte schuldhaft. Dem gemäß § 280 Abs. 1 S. 2 BGB vermuteten Verschulden ist der Beklagte nicht entgegengetreten.

Gemäß § 249 Abs. 1 BGB hat der Beklagte die Klägerin so zu stellen, wie sie stünde, wenn der zum Ersatz verpflichtende Umstand nicht eingetreten wäre. Damit hat der Beklagte der Klägerin die auf den Kostenfestsetzungsbeschluss des Landgerichts Essen geleistete Zahlung in Höhe von 1.722,29 € und die an ihn selbst geleistete Abschlagszahlung in Höhe von 900,00 € zu erstatten.

Der Schadensersatzanspruch umfasst auch die vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten als Kosten der Rechtsverfolgung (Palandt/Heinrichs, BGB, 68. Aufl., § 249 Rn. 39 m. w. N.). Insofern besteht ein Anspruch in Höhe von 360,21 €. Dies entspricht einer 1,3fachen Gebühr gemäß Nr. 2300 VV RVG unter Hinzurechnung der Post- und Telekommunikationspauschale gemäß Nr. 7002 VV RVG, des Aktenversandes Landgericht Essen in Höhe von 12,00 €, Kopierkosten für 50 Kopien Gerichtsakte in Höhe von 25,00 € und der gesetzlichen Mehrwertsteuer bei einem Streitwert bis 3.000,00 €.

Der Zinsanspruch ergibt sich aus §§ 286 Abs. 2 Nr. 1, 288 Abs. 1 S. 1, 2 BGB.

II.

Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 91 Abs. 1 S. 1, 708 Nr. 11, 711 S. 1, 2 ZPO.

Streitwert: bis 3.000,00 €