LG Köln, Urteil vom 15.04.2010 - 5 O 36/09
Fundstelle
openJur 2012, 125211
  • Rkr:
Tenor

Die Beklagten werden verurteilt, als Gesamtschuldner an die Klägerin weitere 42.000,- € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab 14.11.2008 zu zahlen abzüglich am 04.02.2009 gezahlter 7.000,- €.

Es wird festgestellt, dass die Beklagten als Gesamtschuldner - die Beklagte zu 2. im Rahmen der Deckungssumme - verpflichtet sind, der Klägerin sämtliche zukünftigen, materiellen Ansprüche sowie die zukünftigen immateriellen Ansprüche, letztere seit Rechtsanhängigkeit, zu ersetzen, soweit diese auf das Unfallereignis vom 28.05.2008 zurückzuführen sind und soweit diese Ansprüche nicht auf Sozialversicherungsträger oder sonstige Dritte übergegangen sind bzw. übergehen werden.

Die Beklagten werden weiter verurteilt, als Gesamtschuldner die Klägerin freizustellen von Kosten in Höhe von 1.890,91 € für die außergerichtliche Rechtsverfolgung, die die Klägerin an die Rechtsanwälte G in C zu zahlen hat.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Von den Kosten des Rechtsstreits tragen die Klägerin 17 % und die Beklagten 83 %.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar, für die Klägerin jedoch nur gegen Sicherheitsleistungen in Höhe von 120 % des zu vollstreckenden Betra-ges. Die Klägerin kann die Vollstreckung der Beklagten gegen Sicherheitsleistungen in Höhe von 120 % des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagten vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leisten.

Gründe

Die Klägerin macht Ansprüche nach einem Verkehrsunfall geltend.

Am 28.05.2008 befuhr die Klägerin mit ihrem Pkw Fiat mit dem amtlichen Kennzeichen ...#1 die Kölner Straße in C in Fahrtrichtung M. Zur selben Zeit befuhr der Beklagte zu 1. mit seinem Pkw VW Sharan mit dem amtlichen Kennzeichen ...#2, der bei der Beklagten zu 2. haftpflichtversichert war, die Kölner Straße in der Gegenrichtung. Der Beklagte zu 1. geriet mit seinem Fahrzeug auf die Fahrspur der Klägerin und stieß frontal mit dem Fahrzeug der Klägerin zusammen. Für den Unfall trug der Beklagte zu 1. die alleinige Verantwortung. Die Haftung der Beklagten im Grunde nach ist unstreitig.

Die Klägerin erlitt schwere Verletzungen, insbesondere eine Beckenringfraktur, Rippenserienfraktur, Oberarm- und Ellenbogenfraktur, Fraktur beider Schlüsselbeine und eine Fraktur der Kniescheibe. Einzelne weitere Verletzungen der Klägerin und Folge- bzw. Dauerschäden aus dem Unfallgeschehen sind streitig. Die Klägerin befand sich in der Zeit vom 28.05. bis 10.07.2008 in stationärer Krankenhausbehandlung. Weitere Krankenhausaufenthalte und Operationen folgten.

Die Beklagte zu 2. leistete vorprozessual eine Zahlung von 8.000 € auf das Schmerzensgeld.

Mit ihrer Klage vom 08.01.2009, die am 12.01.2009 bei Gericht einging, hat die Klägerin über diesen gezahlten Betrag ein weiteres Schmerzensgeld in Höhe von mindestens 52.000 € verlangt; sie hält ein Gesamtschmerzensgeld von mindestens 60.000 € für angemessen. Am 04.02.2009 leistete die Beklagte zu 2. einen weiteren Betrag von 7.000 € auf das Schmerzensgeld. Insofern haben die Parteien den Rechtsstreit in der Hauptsache übereinstimmend für erledigt erklärt. Danach verbleibt eine Schmerzensgeldforderung der Klägerin von mindestens 45.000 €.

Die Klägerin ist der Ansicht, das von ihr verlangte Schmerzensgeld sei angemessen. Sie habe durch den Unfall einen beidseitigen Hörverlust und einen Zahnschaden erlitten. Die Fraktur im Bereich des Schlüsselbeines sei schlecht zusammen gewachsen. Dies führe dazu, dass sie an Schlafstörungen und regelmäßigen Schmerzen leide. Die Beweglichkeit des linken Oberarms sei stark eingeschränkt. Zudem habe sie eine Lungenquetschung erlitten. Sie leide regelmäßig unter Rücken-, Becken- und Unterleibsschmerzen. Die Fraktur im Bereich des Beckens sei in einer Fehlstellung verheilt. Dies führe zu einer Beinverkürzung. Aufgrund der Fraktur im Bereich der Kniescheibe habe sie erhebliche Behinderungen beim Treppensteigen, beim Aufstehen, beim Setzen und Bücken.

Die Klägerin ist zudem der Meinung, der Feststellungsantrag sei begründet, ebenso der Freistellungsantrag hinsichtlich der vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten. Wegen der Berechnung wird auf Seite 8 der Klageschrift (Bl. 8 d. A.) verwiesen.

Die Klägerin beantragt,

die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an sie über die gezahlten 8.000 € hinaus ein weiteres angemessenes Schmerzensgeld zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz mit Wirkung ab dem 14.11.2008 zu zahlen, dessen Höhe in das Ermessen des Gerichts gestellt werde, abzüglich am 04.02.2009 gezahlter 7.000 €;

festzustellen, dass die Beklagten als Gesamtschuldner (die Beklagte zu 2. im Rahmen der Deckungssumme) verpflichtet seien, ihr sämtliche künftigen, materiellen Ansprüche sowie die zukünftigen immateriellen Ansprüche letztere seit Rechtshängigkeit, zu ersetzen, soweit diese auf das Unfallereignis vom 28.05.2008 zurückzuführen seien und soweit diese Ansprüche nicht auf Sozialversicherungsträger oder sonstige Dritte übergegangen seien bzw. übergehen würden;

die Beklagten weiter als Gesamtschuldner dazu zu verurteilen, sie freizustellen von Kosten in Höhe von 2.028, 26 € für die außergerichtliche Rechtsverfolgung, die sie an die Rechtanwälte G in C zu zahlen habe.

Die Beklagten beantragen,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagten bestreiten einzelne von der Klägerin behauptete Verletzungen und Folgeschäden. Sie bestreiten insbesondere den Hörverlust, die Schädigungen des Zahns, das schlechte Zusammenwachsen des rechten Schlüsselbeins und die damit verbundenen Schlafstörungen, die Belastungsschmerzen und Bewegungseinschränkungen im linken Arm, die Lungenquetschung, die Beckenfehlstellung und die Belastungsschmerzen im Knie.

Darüber hinaus bestreiten sie den Aufenthalt der Klägerin in der Rehabilitation.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf den Inhalt der zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze einschließlich der beigefügten Unterlagen ergänzend Bezug genommen.

Das Gericht hat Beweis erhoben gemäß Beschlüssen vom 27.03.2009 (Bl. 41 d. A.), 08.09.2009 (Bl. 92 R d. A.) und 15.10.2009 (Bl. 103 d. A.) durch Einholen eines schriftlichen Sachverständigengutachtens. Wegen des Ergebnisses wird auf die Gutachten des Sachverständigen Prof. Dr. F vom 26.07.2009 (Bl. 55 d. A.) und 26.10.2009 (Bl. 109 d. A.) verwiesen. Die Klägerin ist im Termin vom 25.02.2010 mündlich angehört worden (Bl. 121 d. A.).

Die Akte StA Köln - 61 Js 345/08 - war Gegenstand in der mündlichen Verhandlung.

E N T S C H E I D U N G S G R Ü D E:

Die Klage ist teilweise - im aus dem Tenor ersichtlichen Umfang - begründet.

Die Beklagten sind gemäß §§ 7, 18 StVG, § 823 ff. BGB, § 3 PflichtVG/§ 115 VVG als Gesamtschuldner verpflichtet, den gesamten unfallbedingten Schaden der Klägerin zu ersetzen. Der Beklagte zu 1. hat das Unfallereignis allein schuldhaft verursacht. Die Anrechnung der Betriebsgefahr der Klägerin scheidet aus.

In Anbetracht der durch den Unfall verursachten Verletzungen und Gesundheitsbeeinträchtigungen der Klägerin unter Berücksichtigung der Folgeschäden und unter Berücksichtigung des Unfallhergangs sowie des Verschuldens des Beklagten zu 1. erscheint ein Schmerzensgeld in Höhe von insgesamt 50.000 € geboten, angemessen aber auch ausreichend (§ 253 Abs. 2 BGB). Ein solches Schmerzensgeld trägt den konkreten Umständen des Streitfalls angemessen Rechnung. Es entspricht zudem den Beträgen, die die Kammer in ähnlich gelagerten Fällen zuzubilligen pflegt.

Die Klägerin erlitt durch den Unfall erhebliche Verletzungen. Die unstreitig vorliegenden verschiedenen Frakturen führten dazu, dass eine schlechte Beweglichkeit der linken Schulter mit den erheblichen Schmerzen beim Erreichen des endgradigen Bewegungsumfangs vorliegt. Die Klägerin hat bei ihrer Anhörung glaubhaft und nachvollziehbar geschildert, dass sie den linken Arm nicht höher als in der Waagerechten heben kann. Bewegungen sind zudem schmerzhaft. Aufgrund dieser Verletzungen und der Verletzung im linken Ellenbogenbereich ist die Funktionalität des linken Armes stark beeinträchtigt. So sind der Klägerin die für den Alltag notwendigen Funktionsgriffe mit der linken Seite nicht mehr möglich. Dies hat der Sachverständige Prof. Dr. F in seinem überzeugenden Gutachten, dem sich das Gericht aufgrund eigener Überzeugungsbildung anschließt und auf das zwecks Vermeidung von Wiederholungen voll inhaltlich Bezug genommen wird, im Einzelnen ausgeführt.

Aufgrund der Beckenringfraktur liegt ein Druckschmerz über dem Schambein vor. Am Becken ist in erster Linie die linke Iliosacralgelenksfuge noch druck- und bewegungsschmerzhaft. Langes Gehen oder Stehen ist der Klägerin daher nicht mehr möglich. Auch dies hat die Klägerin eindrucksvoll geschildert. Durch den Unfall ist es zu einer Aktivierung eines bereits vor dem Unfall bestehenden, degenerativen Schadens im linken Kniegelenk gekommen. Dies führt zu Schmerzen der Klägerin beim Gehen und insbesondere beim Treppensteigen.

Eine weitere schwere Belastung ist eine unfallbedingte Fußheberschwäche. Dies ist vom Sachverständigen ebenfalls überzeugend dargelegt worden. Dadurch bedingt muss die Klägerin ständig eine Schiene tragen, so dass der Fuß dadurch angehoben wird. Die Klägerin hat zudem außen am linken Bein kein Gefühl mehr.

Hinsichtlich der unfallbedingten erheblichen Einschränkungen bei der Gartenarbeit und Hausarbeit sowie beim Autofahren wird ebenfalls auf das Gutachten des Sachverständigen verwiesen. Die vom Sachverständigen dargestellten Verletzungsfolgen werden in ähnlichem Zustand als Dauerfolgen verbleiben. Im rechten Knie kann nach der Patellafraktur eine Präarthrose vorliegen, die zu einem beschleunigten Niedergang des Kniegelenks bis zur Notwendigkeit einer Endoprothese führen kann. Der Zustand des Beckens kann nicht weiter verbessert werden. Der Nervenschaden links ist nicht mehr positiv zu beeinflussen. Auch die Schulter kann nach Fortsetzung der Physiotherapie durch prothetischen Gelenkersatz bezüglich der Schmerzen verbessert werden, nicht jedoch bezüglich der reduzierten Bewegung, die in ähnlichem Umfang auch nach einer Prothesenimplantation verbleiben wird.

Die Klägerin hat bei ihrer Anhörung zudem geschildert, dass sie seit dem Unfall zwei Hörgeräte hat, da sie Probleme beim Hören hat.

Der Heilungsverlauf war lang. Die Klägerin befand sich zunächst vom 28.05. bis 10.07.2008 in stationärer Krankenhausbehandlung. Danach folgte eine Reha-Maßnahme, die bis 28.08.2008 dauerte. Es folgten weitere Operationen. Ab 24.02.2009 bis 10.04.2009 fand eine weitere Reha-Maßnahme statt. In der Zeit vom 08.02.2010 bis 10.02.2010 war die Klägerin erneut in stationärer Krankenhausbehandlung. Die Klägerin erlitt auch die behauptete Lungenkontusion.

Auf das Schmerzensgeld in Höhe von 50.000 € hat die Beklagte vorprozessual einen Betrag von 8.000 € gezahlt und im Laufe des Rechtsstreits einen weiteren Betrag von 7.000 €, sodass noch ein offener Betrag von 35.000 € verbleibt.

Der Zinsanspruch der Klägerin ist unter dem Gesichtspunkt des Verzugs aufgrund des Schreibens der Klägerin vom 03.11.2008 mit Fristsetzung zum 04.11.2008 und des nachfolgenden Schreibens der Beklagten vom 12.11.2008 ab 14.11.2008 gerechtfertigt (§§ 286, 288 BGB).

Der Feststellungsantrag ist begründet. Aufgrund der Schwere der erlittenen Verletzungen können in Zukunft weitere materielle oder immaterielle Beeinträchtigungen resultieren.

Die Beklagten sind weiter verpflichtet, die Klägerin in Höhe von 1.890,91 € für außergerichtliche Kosten der Rechtsverfolgung freizustellen. Der Betrag setzt sich wie folgt zusammen:

1,5 fache Geschäftsgebühr aus 50.000 € 1.569,- €

Auslagenpauschale 20,- €

Zwischenwert Netto 1.589,- €

19 % Umsatzsteuer 301,91 €

insgesamt 1.890,91 €

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 91, 91 a ZPO.

Soweit die Parteien den Rechtsstreit in der Hauptsache in Höhe von 7.000 € übereinstimmend für erledigt erklärt haben, ist dies bei der Kostenentscheidung zu Lasten der Beklagten berücksichtigt worden, da die Klage insoweit begründet war.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 11, 709, 711 ZPO.

Streitwert: bis 24.02.2010: 60.000,- Euro

Antrag 1: 52.000,- Euro

Antrag 2: 8.000,- Euro

Antrag 3: 0,00,- Euro

Die vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten sind nicht streitwerterhöhend.

Ab 25.02.2010: 53.000,- Euro

Antrag 1: 45.000,- Euro

Antrag 2: 8.000,- Euro

Antrag 3: 0,00,- Euro

Zitate0
Referenzen0
Schlagworte