OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 26.09.2012 - 6 A 1677/11
Fundstelle
openJur 2012, 124976
  • Rkr:

Erfolgloser Antrag eines Justizvollzugshauptsekretärs a.D. auf Zulassung der Berufung, der mit seiner Klage die erneute Berufung in das Beamtenverhältnis begehrt.

Die nach § 29 Abs. 2 BeamtStG zu treffende Entscheidung des Dienstherrn darüber, ob ein Ruhestandsbeamter von Amts wegen reaktiviert werden soll, dient allein dem öffentlichen Interesse.

Tenor

Der Antrag wird abgelehnt.

Der Kläger trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.

Der Streitwert wird auch für das Zulassungsverfahren auf bis 35.000,00 Euro festgesetzt.

Gründe

Der Antrag bleibt ohne Erfolg; Zulassungsgründe im Sinne des § 124 Abs. 2 VwGO sind nicht dargelegt oder nicht gegeben.

Aus dem Zulassungsvorbringen ergeben sich die behaupteten ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils (Zulassungsgrund gemäß § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) nicht.

Stützt der Rechtsmittelführer seinen Zulassungsantrag auf den Zulassungsgrund der ernstlichen Zweifel im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO, muss er sich mit den entscheidungstragenden Annahmen des Verwaltungsgerichts auseinandersetzen. Dabei muss er den tragenden Rechtssatz oder die Feststellungen tatsächlicher Art bezeichnen, die er mit seinem Antrag angreifen will, und mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage stellen. Es reicht hingegen nicht aus, wenn er pauschal die Unrichtigkeit der Entscheidung des Verwaltungsgerichts behauptet oder wenn er lediglich sein Vorbringen erster Instanz wiederholt, ohne im Einzelnen auf die Gründe des angefochtenen Urteils einzugehen. Diesen Anforderungen genügt das Zulassungsvorbringen nicht.

Das Verwaltungsgericht hat angenommen, der Kläger könne nicht beanspruchen, erneut in das Beamtenverhältnis berufen zu werden. Die für eine Reaktivierung auf Antrag des Beamten gemäß § 35 Satz 1 LBG NRW erforderliche Wiederherstellung der Dienstfähigkeit sei nur dann gegeben, wenn er den gesundheitlichen Anforderungen des ihm zuletzt übertragenen Statusamtes wieder genüge. Der Kläger erfülle jedoch sowohl nach dem amtsärztlichen Gutachten vom 30. Juli 2009 als auch nach der Stellungnahme des Facharztes für Neurologie und Psychiatrie Dr. med. T. vom 22. Juni 2010 die Anforderungen des ihm zuletzt übertragenen Statusamtes, also des Amtes eines Justizvollzugshauptsekretärs - jetzt: Justizvollstreckungshauptsekretärs - nicht.

Diese insbesondere unter Bezugnahme auf den Senatsbeschluss vom 13. Juli 2009 - 6 B 552/09 -, ZBR 2010,176, näher begründeten Erwägungen werden mit dem Zulassungsvorbringen nicht durchgreifend in Frage gestellt. Der Senat hat dort ausgeführt:

"Die Antragstellerin kann einen Reaktivierungsanspruch nicht auf § 48 Abs. 3 Satz 1 LBG NRW in der bis zum 31. März 2009 geltenden Fassung (a.F.) bzw. auf § 35 Satz 1 LBG NRW in der seit dem 1. April 2009 geltenden Fassung (n.F.) stützen. Beantragt der Beamte nach Wiederherstellung seiner Dienstfähigkeit, ihn erneut in das Beamtenverhältnis zu berufen, so ist hiernach diesem Antrag zu entsprechen, falls nicht zwingende dienstliche Gründe entgegenstehen. Die für eine Reaktivierung auf Antrag des Beamten erforderliche Wiederherstellung der Dienstfähigkeit ist nur dann gegeben, wenn der Beamte den gesundheitlichen Anforderungen des ihm zuletzt übertragenen Statusamtes wieder genügt. Allein ein solches Normverständnis entspricht dem objektiven Willen des Gesetzgebers, der sich aus dem Wortlaut der genannten Normen und dem Sinnzusammenhang, in den sie gestellt sind, ergibt. Für eine Auslegung von § 48 Abs. 3 Satz 1 LBG NRW a.F. bzw. § 35 Satz 1 LBG NRW n.F., dass der Beamte, wie die Antragstellerin zu meinen scheint, nur den gesundheitlichen Anforderungen eines in Aussicht genommenen neuen Amtes genügen muss, gibt der Wortlaut nichts her. "Wiederherstellung der Dienstfähigkeit" bedeutet schon nach dem Sprachgebrauch, dass der Beamte die Dienstfähigkeit wiedererlangt hat, deren Fehlen seinerzeit zur Versetzung in den Ruhestand wegen Dienstunfähigkeit geführt hat.

Dieses Verständnis wird durch die Gesetzesänderungen bestätigt, die die Reaktivierung eines wegen Dienstunfähigkeit in den Ruhestand versetzten Beamten von Amts wegen betreffen. Die Reaktivierung von Amts wegen hatte früher ebenfalls zur Voraussetzung, dass der wegen Dienstunfähigkeit in den Ruhestand versetzte Beamte "wieder dienstfähig geworden", mithin die Dienstfähigkeit wiederhergestellt worden war (vgl. § 48 Abs. 1 LBG NRW i.d.F. der Bekanntmachung vom 1. Mai 1981, GV NRW S. 234). Mit dem Achten Gesetz zur Änderung dienstrechtlicher Vorschriften vom 10. Februar 1998 (GV NRW S. 134) hat der Gesetzgeber die Wiederverwendungsmöglichkeiten eines Beamten, den der Dienstherr von Amts wegen reaktivieren will, erweitern wollen (vgl. dort Art. 1 Nr. 12 a)). Dementsprechend hat der Gesetzgeber das Erfordernis einer - gemessen an dem zuletzt ausgeübten Statusamt - uneingeschränkten Wiederherstellung der Dienstfähigkeit fallen gelassen. Erforderlich ist seitdem vielmehr die Erwartung, dass der Beamte den gesundheitlichen Anforderungen des neuen Amtes, d.h. des ihm mit der Reaktivierung zu übertragenden Amtes genügt (vgl. § 48 Abs. 1 Satz 1 LBG NRW a.F. bzw. nunmehr § 29 Abs. 2 Satz 1 BeamtStG). Im Rahmen der Reaktivierung auf Antrag des Beamten (48 Abs. 3 Satz 1 LBG NRW a.F. bzw. § 35 Satz 1 LBG NRW n.F.) verwendet der Gesetzgeber demgegenüber nach wie vor die Formulierung "Wiederherstellung der Dienstfähigkeit". Das belegt, dass er insoweit weiter an der Forderung festhält, dass der Beamte den gesundheitlichen Anforderungen des zuletzt ausgeübten Statusamtes wieder genügen muss.

Dieses Auslegungsergebnis entspricht auch dem Ziel der vorgenannten Gesetzesänderung. Durch sie sollte im öffentlichen Interesse der Versorgungshaushalt entlastet werden (vgl. Begründung zum Entwurf eines Gesetzes zur Reform des öffentlichen Dienstrechts, BT-Drucks. 13/3994, S. 34). Hierzu wollte der Gesetzgeber die allein im öffentlichen Interesse,

vgl. dazu BVerwG, Urteil vom 26. Oktober 2000 - 2 C 38/99 -, DÖD 2001, 69 = NVwZ 2001, 328,

bestehende Reaktivierungsbefugnis des Dienstherrn durch eine deutliche Erweiterung der Wiederverwendungsmöglichkeiten des Beamten erleichtern. Für eine Erweiterung der Wiedereintrittsmöglichkeiten von Beamten, die ihre Reaktivierung im eigenen Interesse beantragen, um wieder in das Berufsleben eintreten zu können, gab es vor diesem Hintergrund keinen Anlass."

Der Kläger wendet sich nicht gegen die Feststellung des Verwaltungsgerichts, in seinem Fall seien die Tatbestandsvoraussetzungen des § 35 Satz 1 LBG NRW nicht erfüllt. Er vertritt vielmehr die Rechtsauffassung, er habe dennoch einen Reaktivierungsanspruch, weil "mit einer Erweiterung der Pflichten des Beamten unter Berücksichtigung der aktuellen Gesetzeslage und auch Anpassung der althergebrachten Grundsätze des Beamtentums, insbesondere aus der Fürsorgepflicht des Dienstherrn auch eine Erweiterung an Rechten" einhergehe bzw. einhergehen müsse. Das Zulassungsvorbringen bietet indes keine Erläuterung seiner - nicht ohne Weiteres verständlichen - Rechtsauffassung, geschweige denn, wie es erforderlich wäre, eine sie stützende schlüssige Argumentation. Wenn der Kläger - worauf der Hinweis auf das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 26. Oktober 2000 - 2 C 38.99 -, NVwZ 2001, 328, deutet - meint, § 29 Abs. 2 Satz 1 BeamtStG räume ihm einen Anspruch auf Reaktivierung ein, irrt er.

Hiernach können Beamte, die wegen Dienstunfähigkeit in den Ruhestand versetzt worden sind, erneut in das Beamtenverhältnis berufen werden, wenn im Dienstbereich des früheren Dienstherrn ein Amt mit mindestens demselben Grundgehalt übertragen werden soll und wenn zu erwarten ist, dass die gesundheitlichen Anforderungen des neuen Amtes erfüllt werden. Die danach zu treffende Entscheidung des Dienstherrn, ob ein Ruhestandsbeamter von Amts wegen reaktiviert werden soll, dient - nach wie vor - allein dem öffentlichen Interesse. Der Ruhestandsbeamte hat insoweit nicht nur keinen Rechtsanspruch auf eine erneute Berufung in das Beamtenverhältnis, sondern darüber hinaus nicht einmal einen Anspruch auf eine ermessensfehlerfreie Entscheidung.

Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 13. Juli 2009 - 6 B 552/09 -, ZBR 2010, 176; zu § 48 Abs. 1 LBG NRW i.d.F. des Achten Gesetzes zur Änderung dienstrechtlicher Vorschriften vom 10. Februar 1998, GV NRW S. 134: BVerwG, Urteil vom 26. Oktober 2000 - 2 C 38.99 -, NVwZ 2001, 328; Knoke, in: Schütz/Maiwald, Beamtenrecht des Bundes und der Länder (Loseblatt, Stand: August 2012), Teil B, § 29 BeamtStG Rn. 37; Battis, BBG, 4. Aufl. 2009, § 46 Rn. 5.

Auch die Fürsorgepflicht des Dienstherrn (vgl. § 45 BeamtStG) fordert nicht, wie der Kläger zu meinen scheint, § 29 Abs. 2 BeamtStG als individualbegünstigende Norm auszulegen. Die Fürsorgepflicht des Dienstherrn geht insoweit nicht über das hinaus, das Beamten oder früheren Beamten durch spezialgesetzliche Regelung - wie hier durch § 29 Abs. 1 BeamtStG bzw. § 35 Satz 1 LBG NRW - abschließend eingeräumt ist.

Vgl. BVerwG, Urteil vom 26. Oktober 2000 - 2 C 38.99 -, NVwZ 2001, 328.

Soweit der Kläger schließlich auf § 26 Abs. 1 Satz 3 i.V.m. Abs. 2 BeamtStG hinweist, ist dies nicht nachvollziehbar. Nach § 26 Abs. 1 Satz 3 BeamtStG soll von der Versetzung in den Ruhestand abgesehen werden, wenn eine anderweitige Verwendung möglich ist. § 26 Abs. 2 BeamtStG bestimmt, wann eine anderweitige Verwendung möglich ist. Diese Regelungen erfassen allein die Fallgestaltungen, in denen eine Versetzung in den Ruhestand wegen Dienstunfähigkeit in Rede steht. Vorliegend geht es indes nicht um die Versetzung des Klägers in den Ruhestand, sondern um die von ihm begehrte Reaktivierung. In Anbetracht dessen liegt im Übrigen sein Hinweis auf § 116 LBG NRW ebenfalls neben der Sache.

Aus der Begründung des Zulassungsantrags ergibt sich auch die geltend gemachte grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache (Zulassungsgrund gemäß § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) nicht.

Eine Rechtssache hat grundsätzliche Bedeutung, wenn sie eine im Berufungsverfahren klärungsbedürftige und für die Entscheidung dieses Verfahrens erhebliche Rechts- oder Tatsachenfrage aufwirft, deren Beantwortung über den konkreten Fall hinaus wesentliche Bedeutung für die einheitliche Anwendung oder Weiterentwicklung des Rechts hat. Dabei ist zur Darlegung dieses Zulassungsgrundes die Frage auszuformulieren und substantiiert auszuführen, warum sie für klärungsbedürftig und entscheidungserheblich gehalten und aus welchen Gründen ihr Bedeutung über den Einzelfall hinaus zugemessen wird. Das Zulassungsvorbringen genügt - ungeachtet des Umstands, dass die diesbezüglichen Ausführungen nicht ohne Weiteres verständlich sind - schon deshalb diesen Anforderungen nicht, weil der Kläger keine Rechts- oder Tatsachenfrage ausformuliert hat. Soweit er die aus seiner Sicht gegebene Problematik der "Definition der Dienstunfähigkeit anhand des bisherigen Amtes" anführt, lässt sein Vorbringen im Übrigen auch nicht erkennen, weshalb die Klärung dieser Problematik von allgemeiner, fallübergreifender Bedeutung ist. Allein die Behauptung, sie habe Bedeutung für eine Vielzahl von Fällen, reicht nicht aus.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf den §§ 40, 47 Abs. 1 und 3, 52 Abs. 5 Satz 1 Nr. 1 GKG.

Der Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO). Mit der Ablehnung des Zulassungsantrags wird das angefochtene Urteil rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).