OLG Hamm, Beschluss vom 26.07.2012 - II-2 WF 119/12
Fundstelle
openJur 2012, 124850
  • Rkr:

Die nacheheliche Adoption eines minderjährigen Kindes begründet kein unterhaltsrechtlich verwerfbares Verhalten.

Tenor

Auf die sofortige Beschwerde des Antragstellers vom 29.05.2012 wird der Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Dorsten vom 23.04.2012 abgeändert.

Dem Antragsteller wird Verfahrenskostenhilfe für den Antrag bewilligt, das Urteil des Amtsgerichts - Familiengericht - Marl vom 16.01.2007 dahingehend abzuändern, dass er mit Wirkung zum 01.11.2011 nicht mehr verpflichtet ist, nachehelichen Unterhalt an die Antragsgegnerin zu zahlen, und Rechtsanwalt C aus Ll beigeordnet.

Die Anordnung von Ratenzahlungen oder einer Einmalzahlung aus dem Vermögen des Antragstellers bleibt dem Amtsgericht vorbehalten

Gründe

I.

Der Antragsteller begehrt Verfahrenskostenhilfe für einen Antrag auf Abänderung des Urteils des Amtsgerichts- Familiengericht - Marl vom 16.01.2007, 20 F 51/06, dass er mit Wirkung zum 01.11.2011 der Antragsgegnerin keinen Unterhalt mehr schuldet.

Die Beteiligten schlossen am 30.12.1987 miteinander die Ehe. Mit Vergleich vom 12.12.2006 - Amtsgericht Marl, 20 F 174/06 - verglichen sich die Beteiligten dahingehend, dass der Antragsteller der Antragsgegnerin Trennungsunterhalt in Höhe von monatlich 190,00 € beginnend mit Januar 2007 leistet. Mit Teilvergleich vom 12.12.2006, auf dessen Inhalt zur Vermeidung von Wiederholungen verwiesen wird, einigten sich die Beteiligten zu den Grundlagen eines nachehelichen Unterhaltsanspruchs der Antragsgegnerin im Verfahren vor dem Amtsgericht Marl, 20 F 51/06. Durch seit dem 27.04.2007 rechtskräftiges Urteil des Amtsgerichts Marl vom 16.01.2007, 20 F 51/06, wurde die Ehe der Beteiligten geschieden und der Antragsteller verurteilt, an die Antragsgegnerin einen Aufstockungsunterhalt in Höhe von monatlich 190,00 €, befristet bis Dezember 2016, zu zahlen. Zur Begründung der Höhe des Anspruchs führte das Amtsgericht aus, dass trotz eines hohen Nettoeinkommens des Antragstellers bei Steuerklasse I erhebliche Kreditverbindlichkeiten für die eheliche Immobilie zu berücksichtigen gewesen seien.

Der Antragsteller beantragte mit Schriftsatz vom 29.07.2008 -Amtsgericht Dorsten, 13 F 294/08 - die Bewilligung von Prozesskostenhilfe für den Feststellungsantrag, dass er aus dem Urteil des Amtsgerichts - Familiengericht - Marl vom 16.01.2007, 20 F 51/06, keinen Unterhalt mehr schuldet. Zur Begründung trug er vor, dass die Voraussetzungen des §1578 b BGB vorlägen. Das Amtsgericht wies mit Beschluss vom 19.09.2008 den Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe mangels Erfolgsaussicht zurück. Die hiergegen erhobene sofortige Beschwerde wurde durch Beschluss des Senats vom 20.10.2008 - 2 WF 213/08 - zurückgewiesen.

Unter dem 25.03.2009 stellte der Antragsteller im Verfahren Amtsgericht - Familiengericht - Dorsten, 13 F 69/09, den Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für den beabsichtigten Antrag, festzustellen, dass er in Abänderung des Vergleichs vom 12.12.2006, Amtsgericht Marl, 20 F 174/06, und des Urteils des Amtsgerichts Marl vom 16.01.2007, 20 F 51/06, beginnend ab April 2009 verpflichtet sei, nur noch 52,00 € an monatlichen Unterhalt zu zahlen. Zur Begründung führte er aus, dass sich die Vergleichsgrundlagen geändert hätten, er inzwischen verheiratet sei und ihm nach Abzug im Einzelnen dargelegter Abzüge ein Nettoeinkommen in Höhe von gerundet 1.218,01 € verbliebe, so dass eine Mangelverteilung vorzunehmen sei mit der Folge, dass die Antragsgegnerin lediglich 52,00 € beanspruchen könne. Die Beteiligten schlossen einen Vergleich, wonach sie einig darüber waren, dass es bei den bisherigen Unterhaltstiteln verbleibe. Mit Beschluss vom 29.01.2010 stellte das Amtsgericht den Vergleichsschluss nach § 278 Abs. 6 ZPO fest.

Der Antragsteller hat gemeint, das Urteil des Amtsgerichts - Familiengericht - Marl vom 16.01.2007, 20 F 51/06, sei nunmehr abzuändern, da er die beiden minderjährigen Kinder seiner Ehefrau adoptiert habe. Sie, die Beteiligten, seien - unstreitig - im Teilvergleich vom 12.12.2006, von seinem anrechenbaren Einkommen in Höhe von 1.503,00 € und einem fiktiven Einkommen der Antragsgegnerin von 1.280,00 €, bereinigt in Höhe von 1.060,00 €, ausgegangen. Aufgrund der Adoption sei er nunmehr nicht in der Lage, der Antragsgegnerin weiterhin Unterhalt zu leisten.

Das Amtsgericht hat mit Beschluss vom 23.04.2012 den Antrag auf Verfahrenskostenhilfe zurückgewiesen und zur Begründung ausgeführt, dass das Unterhaltsabänderungsbegehren deswegen keine Aussicht auf Erfolg habe, weil die Adoptionsurkunden nicht vorgelegt seien, nicht ersichtlich sei, weswegen die Adoptionen zu einer Einschränkung seiner Leistungsfähigkeit geführt hätten, da eine Darlegung der aktuellen Einkünfte und Belastungen des Antragstellers und dessen Ehefrau fehle, und überdies die Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse nicht eingereicht worden sei.

Unter Übermittlung des Adoptionsbeschlusses des Amtsgerichts - Familiengericht - Marl vom 27.09.2011 - 20 F 517/10 - wendet sich der Antragsteller gegen diesen Beschluss mit seiner sofortigen Beschwerde.

Mit Beschluss vom 01.06.2012 hat das Amtsgericht Dorsten der sofortigen Beschwerde nicht abgeholfen und die Sache dem Senat zur Entscheidung vorgelegt.

Ergänzend hat es ausgeführt, dass trotz Darlegung der Adoption nach wie vor nicht dargelegt sei, weswegen sich die Leistungsfähigkeit infolge der Adoption reduziert habe. Überdies liege nach wie vor die Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse nicht vor.

II.

Die gemäß den §§ 113 Abs. 1 Satz 2 FamFG, 127 Abs. 2 Satz 2, Satz 3 ZPO zulässige sofortige Beschwerde hat in der Sache Erfolg.

1.

Vorliegend begehrt der Antragsteller die Abänderung des Urteils des Amtsgerichts

- Familiengericht - Marl vom 16.01.2007, 20 F 51/06.

Beachtlich ist zwar, dass die Beteiligten in dem Abänderungsverfahren hinsichtlich des Urteils des Amtsgerichts - Familiengericht - Marl vom 16.01.2007, 20 F 51/06, im Verfahren vor dem Amtsgericht - Familiengericht - Dorsten, 13 F 69/09, einen Vergleich, wonach sie einig darüber waren, dass es bei den bisherigen Unterhaltstiteln verbleibe, schlossen. Indes hat dieser Vergleich keinen vollstreckungsfähigen Inhalt, soweit der - allein hier entscheidende - Unterhaltsanspruch betroffen ist. Die Vollstreckung richtet sich damit allein aus dem Urteil, dessen Abänderung der Antragsteller begehrt.

2.

Der Senat geht daher zu Gunsten des Antragstellers davon aus, dass der Abänderungsantrag zulässig ist.

a)

Während sich die Voraussetzungen für die Abänderung von Vergleichen nach dem materiellen Recht richten, wonach die Geschäftsgrundlage des Vergleichs weggefallen oder so schwerwiegend verändert worden sein muss, dass ein Festhalten an dem Vergleich unter Beachtung der beiderseitigen Interessen unbillig im Sinne des § 242 BGB wäre (vgl. BGH, Urteil vom 26.05.2010 - XII ZR 143/08 - FamRZ 2010, 1238; BGH; Versäumnisurteil vom 06.02.2008 - XII ZR 14/06 - FamRZ 2008, 968; BGH, Urteil vom 09.06.2004 - XII ZR 308/01 - NJW 2004, 3106; OLG Hamm, Urteil vom 30.06.2009 - II-8 UF 56/09; OLG Hamm, Urteil vom 20.05.2008 - 1 UF 208/07 - OLGR Hamm 2009, 476; OLG Karlsruhe, Urteil vom 15.07.2009 - 18 UF 10/09 - FamRZ 2009, 2107), beurteilt sich die Zulässigkeit der Abänderung des Urteils nach § 238 FamFG. Die Abänderung eines Urteils über künftig fällig werdende wiederkehrende Leistungen kann nur dann beantragt werden, wenn Tatsachen behauptet werden, aus denen sich eine wesentliche Veränderung der dem Urteil zugrunde liegenden tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse ergibt (vgl. BGH, Urteil vom 12.05.2010 - XII ZR 98/08 - NJW 2010, 2437).

b)

Diesen Anforderungen hat der Antragsteller genügt. Er hat, überdies unstreitig und durch den protokollierten Teilvergleich vom 12.12.2006 belegt, behauptet, dass dem Urteil das im Schriftsatz vom 23.01.2012 niedergelegte Zahlenwerk zu Grunde gelegen habe. Er beruft sich nunmehr allein darauf, dass infolge der Adoption er sich weiteren Unterhaltsverpflichtungen ausgesetzt sehe. Eine Veränderung der dem Urteil zugrundeliegenden Einkommensverhältnisse hat er ausdrücklich im hiesigen Verfahren nicht behauptet.

Die Adoption wirkt sich auf die Höhe des Einkommens des Antragstellers und damit auch auf die Kontrollberechnungen im Rahmen der Bedarfsermittlung der Antragsgegnerin aus (vgl. BGH, Urteil vom 01.10.2008 - XII ZR 62/07 - FamRZ 2009, 23). Danach sind die adoptierten Kinder ab dem Zeitpunkt der Wirksamkeit der Adoption mit dem auf sie entfallenden Tabellenunterhalt (Zahlbetrag) in die Unterhaltsberechnung einzustellen.

aa)

Soweit es am Vortrag zum Zeitpunkt der Wirksamkeit der Adoptionen fehlt, ist dies insofern unschädlich, als eine Zustellung des Adoptionsbeschlusses jedenfalls bis Ende Oktober 2011 anzunehmen sein dürfte, da der Adoptionsbeschluss am 27.09.2011 erlassen wurde.

bb)

Da die Adoptionen jedenfalls sowohl nach Erlass des Urteils, dessen Abänderung der Antragsteller begehrt, als auch nach mit Beschluss vom 29.01.2010 festgestellten Zustandekommens des Vergleichsschlusses erfolgten, kann dahinstehen, ob der geschlossene Vergleich den Zeitpunkt, nach dem allein geänderte Umstände eingetreten sein müssen, um eine Abänderung in zulässiger Weise zu begehren, auf den Zeitpunkt des Vergleichsschlusses hinausgeschoben hätte, da die Adoptionen jedenfalls nach Vergleichsschluss erfolgten.

3.

Unerheblich ist, ob sich im Hauptsacheverfahren die behauptete unveränderte Fortgeltung der Einkommensverhältnisse als unzutreffend erweist oder etwa eine Verbesserung der Einkommenssituation des Antragstellers anzunehmen wäre. Denn dem Vortrag, dass das im Schriftsatz vom 23.01.2010 niedergelegte Zahlenwerk dem Urteil zugrunde gelegen habe, ist die Antragsgegnerin bisher nicht entgegen getreten, so dass jedenfalls derzeit unstreitig ist, dass dem Urteil die dargelegten Zahlen zu Grunde lagen. Überdies ist ausweislich des Protokolls vom 12.12.2006 - Amtsgericht Marl, 20 F 51/06 - der entsprechende Vortrag ausweislich des protokollierten Teilvergleichs vom 12.12.2006 zutreffend.

Auf der Grundlage dieses Teilvergleichs vom 12.12.2006 errechnet sich ein Unterhaltsanspruch der Antragsgegnerin in Höhe von gerundet 190,00 €:

Einkommen des Antragsgegners

Nettoeinkommen                                         2.878,00 €

abzgl. betriebliche Altersversorgung                   -     21,00 €

abzgl. private Kranken- und Pflegeversicherung       -    448,00 €

zzgl. Arbeitgeberzuschuss                                 206,00 €

abzgl. Berufsunfähigkeitsversicherung                 -    49,00 €

abzgl. BahnCard                                     -    310,00 €

abzgl. zusätzliche Fahrtkosten                        -    70,00 €

abzgl. Grundbesitzabgaben                           -    46,00 €

abzgl. Gebäudeversicherung                          -    11,00 €

abzgl. Lebensversicherung                            -    80,00 €

abzgl. C                                                              -    40,00 €

abzgl. Darlehen                                       -  418,00 €

abzgl. Darlehen                                         - 122,00 €

abzgl. E-Rate                                       -    65,00 €

abzgl. B-Bank                                      -      333,00 €

zzgl. Mietwert                                              432,00 €

bereinigtes Einkommen                                  1.503,00 €

unterhaltsrechtlich relevantes Nettoeinkommen der

Antragsgegnerin                                             1.060,00 €

Differenz                                                      443,00 €

davon 3/7                                                     189,86 €

Aufgrund der durch die Adoption bedingten Berücksichtigung der Zahlbeträge ergibt sich nunmehr kein Unterhaltsanspruch. Denn bei der Bemessung des Unterhaltsbedarfs der Antragsgegnerin ist nunmehr die Unterhaltspflicht des Antragstellers gegenüber seinen nachehelich adoptierten Kindern zu berücksichtigen. Ein Vertrauen der unterhaltsberechtigten Antragsgegnerin in die Fortgeltung der früheren Verhältnisse ist nicht geschützt. Deswegen kann auch die nacheheliche Adoption eines minderjährigen Kindes kein unterhaltsrechtlich vorwerfbares Verhalten begründen. Sie zieht im Interesse des Kindeswohls lediglich die Konsequenzen aus den schon entstandenen persönlichen Verhältnissen. Denn § 1741 Abs. 1 Satz 1 BGB setzt für die Annahme eines minderjährigen Kindes voraus, dass sie dem Wohl des Kindes dient und zu erwarten ist, dass zwischen dem Annehmenden und dem Kind ein Eltern-Kind-Verhältnis entsteht. Schon diese Voraussetzung schließt es aus, dass die Adoption allein mit dem Ziel ausgesprochen wird, die Unterhaltsansprüche eines geschiedenen Ehegatten zu kürzen. Deswegen unterscheidet sich die Annahme eines minderjährigen Kindes aus unterhaltsrechtlicher Sicht nicht von der Zeugung eines Kindes in einer neuen Lebensgemeinschaft.

Einkommen des Antragsgegners

Nettoeinkommen                                                2.878,00€

abzgl. betriebliche Altersversorgung                       -        21,00 €

abzgl. private Kranken- und Pflegeversicherung           -       448,00 €

zzgl. Arbeitgeberzuschuss                                        206,00 €

abzgl. Berufsunfähigkeitsversicherung                     -        49,00 €

abzgl. BahnCard                                           -        310,00 €

abzgl. zusätzliche Fahrtkosten                             -          70,00 €

abzgl. Grundbesitzabgaben                                -          46,00 €

abzgl. Gebäudeversicherung                               -          11,00 €

abzgl. Lebensversicherung                                 -          80,00 €

abzgl. C                                                   -           40,00 €

abzgl. Darlehen                                             -         418,00 €

abzgl. Darlehen                                              -        122,00 €

abzgl. Rate                                                  -         65,00 €

abzgl. B-Bank                                               -         333,00 €

zzgl. Mietwert                                                         432,00 €

anzusetzendes Einkommen                                         1.503,00 €

Kind 1, geboren am 16.03.2003                              -        272,00 €

Kind 2, geboren am 26.04.2005                              -        272,00 €

bereinigtes Einkommen                                               959,00 €

unterhaltsrechtlich relevantes Nettoeinkommen der

Antragsgegnerin                                                 1.060,00 €

Differenz                                                      -    101,00 €

davon 3/7                                                     -     43,29 €

Damit aber ist - ungeachtet des Umstandes der Unterschreitung des Selbstbehaltes im Verhältnis zur Antragsgegnerin - nach den Urteilsgrundlagen kein Unterhaltsanspruch mehr gegeben.

Der Senat weist insofern darauf hin, dass im Hauptsacheverfahren, etwa durch Einführung der allein für die Bedürftigkeitsprüfung übergebenen Anlagen zur Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse des Antragstellers eine andere, abweichende Entscheidung nicht ausgeschlossen scheint.

4.

Die beantragte Verfahrenskostenhilfe konnte auch nicht nach § 113 Abs. 1 Satz 2 FamFG in Verbindung mit § 118 Abs. 2 Satz 4 ZPO zurückgewiesen werden. Auch wenn die Frist keine Ausschlussfrist ist, ist erforderlich, dass eine entsprechende Frist gesetzt und die Fristsetzung zugestellt wird. Dies war ausweislich des Akteninhalts nicht feststellbar.

Soweit der Senat dem Antragsteller eine entsprechende Frist mit Verfügung vom 26.06.2012 gesetzt hat, hat der Antragsteller fristgerecht die entsprechende Erklärung nebst Unterlagen zur Akte gereicht.

III.

Eine Entscheidung über die außergerichtlichen Kosten des Beschwerdeverfahrens ist nach den §§ 113 Abs. 1 Satz 2 FamFG, 127 Abs. 4 ZPO nicht veranlasst.

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