OLG Köln, Beschluss vom 25.07.2012 - 19 W 17/12
Fundstelle
openJur 2012, 124837
  • Rkr:
Tenor

Die sofortige Beschwerde der Antragsteller gegen den Be­schluss der 18. Zivilkammer des Landgerichts Bonn vom 11.06.2012 in Verbindung mit dem Nichtabhilfebeschluss vom 28.06.2012 - 18 OH 17/11 - wird zurückgewiesen.

Die Antragsteller haben die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.

Gründe

I.

Das Landgericht hat durch Beschluss vom 29.06.2012 - 18 OH 17/11 - die Einholung eines schriftlichen Sachverständigengutachtens auf Antrag beider Parteien angeordnet und Herrn Dipl.Ing. W N zum Sachverständigen bestellt.

Nach Eingang des Gutachtenauftrags hat der Sachverständige mit Schreiben vom 01.09.2011 (Bl. 69 f. GA) erklärt, dass der Gutachtenauftrag grundsätzlich in sein Fachgebiet falle. Soweit Fragen zu den Themen Bauordnung und Brandschutz gestellt würden, könne er diese Fragen bearbeiten, da er Brandinspektor, Architekt und ö.b.v. Sachverständiger sei. Aus seinem Briefkopf geht hervor, dass er öffentlich bestellter und vereidigter Sachverständiger für Schäden an Gebäuden (J L) und staatlich anerkannter Sachverständiger für Schall- und Wärmeschutz (B O) ist. Er bat das Gericht, den Sachverständigen N1, der zum Themengebiet „Bau- und Raumakustik, Schallimmissionschutz“ von der J L öffentlich bestellt und vereidigter Sachverständiger sei, hinzuziehen zu dürfen. Daraufhin bewilligte die Kammer durch Beschluss vom 21.09.2011 (Bl. 73 GA) die Einschaltung des weiteren Sachverständigen.

Nachdem der Sachverständigen N unter dem 14.02.2012 sein schriftliches Gutachten erstattet hatte, haben die Antragsteller mit Schriftsatz vom 17.04.2012 (Bl. 107 ff. GA) den Sachverständigen wegen der Besorgnis der Befangenheit abgelehnt.

Die Antragsteller rügen, der Sachverständige sei weder für die Frage des Schallschutzes noch für die Frage des Brandschutzes öffentlich bestellter und vereidigter Sachverständiger. Aus diesem Grunde habe er den Gutachtenauftrag bereits mangels Qualifikation zurückweisen müssen. Er verkenne die Frage von Bauordnungsrecht auf der einen Seite und Brandschutz auf der anderen Seite. Ohne Kenntnis erfinde er Bewertungen und Zustände, die weder rechtlich noch tatsächlich gegeben seien. Er sei damit in höchstem Maße voreingenommen. Wäre er objektiv, hätte er den Gutachtenauftrag mangels Qualifikation ablehnen müssen. Als objektiver Sachverständiger hätte er sich bemüht, die tatsächlichen Verhältnisse richtig zu erfassen und brandschutztechnisch zu bewerten. Dieses habe er weder getan, noch habe er auf seine fehlende Qualifikation hingewiesen, sondern in freier Schöpfung parteilich zugunsten einer Seite Dinge erfunden, die so weder gegeben noch gefordert seien. Ein solcher Sachverständiger sei nicht objektiv und deshalb abzulehnen. Das Gutachten - das die Antragsteller mit umfangreichen inhaltlichen Einwendungen angreifen - sei geprägt von der massiven Voreingenommenheit des Sachverständigen, mit der Folge, dass dieser insgesamt ungeeignet sei. Es werde gezielt zu Lasten der Antragsteller manipuliert. Zwar sei nicht bekannt, aus welchen Gründen der Sachverständige sein Gutachten derart verfälsche, es seien aber eindeutig massive Benachteiligungstendenzen bezüglich der Antragsteller festzustellen, die den Sachverständigen gänzlich befangen erscheinen ließen. Schließlich sei er befangen, da er es trotz Hinweises der Antragsteller abgelehnt habe, die Bausubstanz, die Gegenstand der Beweisfrage sein sollte, zu untersuchen.

Durch Beschluss vom 11.06.2012 (Bl. 132 GA) hat das Landgericht das Ablehnungsgesuch zurückgewiesen, die Einholung eines neuen Gutachtens durch einen anderen Sachverständigen abgelehnt, die Beendigung des selbständigen Beweisverfahrens festgestellt und den Streitwert festgesetzt.

Mit Schriftsatz vom 26.06.2012 (Bl. 140 GA) haben die Antragsteller gegen den Beschluss sofortige Beschwerde eingelegt, die sie auf die Zurückweisung ihres Ablehnungsgesuchs beschränken. Das Landgericht hat der Beschwerde durch Beschluss vom 28.06.2012 (Bl. 143 GA) nicht abgeholfen und die Sache dem Oberlandesgericht zur Entscheidung vorgelegt.

II.

Die sofortige Beschwerde der Antragsteller gegen die Zurückweisung ihres Befangenheitsantrags ist zulässig; insbesondere ist das Rechtsmittel nach § 406 Abs. 5 ZPO statthaft sowie innerhalb der Zweiwochenfrist des § 569 Abs. 1 ZPO eingelegt worden.

In der Sache hat die sofortige Beschwerde jedoch keinen Erfolg. Das Landgericht hat das Ablehnungsgesuch gegen den Sachverständigen Dipl. Ing. W N wegen der Besorgnis der Befangenheit zu Recht zurückgewiesen. Das Landgericht hat zutreffend angenommen, dass kein Anlass für eine zur Ablehnung berechtigende Besorgnis der Befangenheit des Sachverständigen im Sin­ne der §§ 406 Abs. 1 S. 1, 42 Abs. 2 ZPO besteht.

Die Besorgnis der Befangenheit ist begründet, wenn vom Standpunkt der ablehnenden Partei aus objektive Gründe vorliegen, die bei verständiger Würdigung geeignet sind, berechtigte Zweifel an der Unparteilichkeit des Sachverständigen zu erregen. Derartige Umstände lassen sich dem Vorbringen des Klägers nicht entnehmen.

Mangel an Sachkunde, Unzulänglichkeiten oder Fehlerhaftigkeit mögen das Gutachten entwerten, rechtfertigen für sich allein aber nicht die Ablehnung des Sachverständigen wegen Befangenheit Ein derartiger Vorwurf betrifft nicht die Voreingenommenheit des Sachverständigen zu Lasten einer Partei, sondern seine angeblich mangelnde Fachkunde und/oder Sorgfalt, der sich beide Parteien in gleicher Weise ausgesetzt sehen (st. Rspr.: vgl. BGH, Beschluss vom 15.03. 2005 - VI ZB 74/04, NJW 2005, 1869, 1870; Senat, Beschluss vom 04.11.2011 - 19 W 17/11).

Die Antragsteller haben bereits nicht substantiiert aufgezeigt, dass der Sachverständige tatsächlich gezielt zu ihren Lasten manipuliert oder das Gutachten verfälscht hat. Die wortreichen Angriffe der Antragsteller erschöpfen sich im Aufzeigen angeblicher Fehler im Gutachten, aus denen sich eine Parteilichkeit und Befangenheit des Sachverständigen erst ergeben soll. Der Senat vermag solche Manipulationen oder Verfälschungen nicht zu erkennen. Das Gutachten entspricht in Art und Diktion einem forensischen Gutachten. Belastungs- oder Benachteiligungstendenzen sind nicht ansatzweise ersichtlich. Auf eine etwaige inhaltliche Unrichtigkeit des Gutachtens können die Antragsteller sich nicht stützen. Denn diese Fragen sind nicht über den Weg eines Befangenheitsantrags, sondern mit den weiteren von der Zivilprozessordnung zur Verfügung gestellten Instrumentarien, insbesondere den §§ 411 Abs. 3, 4, 414 ZPO, zu lösen.

Soweit die Antragsteller ihren Befangenheitsantrag darauf stützen, dass der Sachverständige nicht hinreichend auf eine angeblich fehlende Qualifikation hingewiesen hat, so können die Antragsteller hieraus ebenfalls nichts herleiten. Der Sachverständige hat nämlich Art und Umfang seiner Qualifikation, auch hinsichtlich des Brandschutzes, der Kammer unverzüglich mit Schreiben vom 18.09.2011 (Bl. 69 ff. GA) offengelegt. Dies entkräftet auch den sich aus den Ausführungen der Antragsteller ergebenden Vorwurf, der Sachverständige habe zu Lasten der Antragsteller fehlende Sachkunde verschwiegen und quasi ein Gutachten „ins Blaue hinein“ erstellt. Aber selbst wenn dem so wäre, würde dies eine Voreingenommenheit zu Lasten der Antragsteller weder begründen noch erklären können.

Insgesamt rechtfertigen die von den Antragstellern aufgezeigten Umstände daher weder für sich genommen noch in ihrer Gesamtschau eine Ablehnung des Sachverständigen Dipl. Ing. W N wegen Besorgnis der Befangenheit.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.

Wert des Beschwerdeverfahrens: bis 7.000,00 EUR

(1/3 des Hauptsache­streitwerts: BGH, Beschluss vom 15.12.2003 - II ZB 32/03, BeckRS 2004, 01738)