OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 19.07.2012 - 12 A 1483/11
Fundstelle
openJur 2012, 124828
  • Rkr:
Tenor

Der Antrag der Klägerin auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.

Die Klägerin trägt die Kosten des Berufungszulassungsverfahrens.

Der Streitwert wird für das Berufungszulassungsverfahren ebenfalls auf 60.632,31 Euro festgesetzt.

Gründe

Der Berufungszulassungsantrag hat keinen Erfolg.

Das Begehren scheitert schon daran, dass mit dem berücksichtigungsfähigem Zulassungsvorbringen - soweit es nämlich gem. dem formellen Vertretungserfordernis des § 67 Abs. 4 Satz 1 und 2 i. V. m. Abs. 2 VwGO von einem Rechtsanwalt innerhalb der bis zum 26. Juli 2011 laufenden Frist des § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO vorgebracht worden ist - entgegen § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO nicht in ausreichendem Maße die Gründe dargelegt sind, aus denen die Berufung zuzulassen ist. Die Erfüllung des Darlegungserfordernisses setzt zunächst voraus, dass der Antragsteller einen oder mehrere der Zulassungsgründe des § 124 Abs. 2 VwGO zumindest konkludent bezeichnet und desweiteren die Gründe anführt, aus denen er den von ihm geltend gemachten Zulassungsgrund für gegeben ansieht. Die Zulassungsbegründung vom 25./26. Juli 2011 lässt hingegen nicht auf die Geltendmachung eines oder mehrerer bestimmter Zulassungsgründe des § 124 Abs. 2 VwGO schließen, sondern tritt der angefochtenen Entscheidung unter dem Vorwurf, "das Urteil verletzt die Klägerin elementar in ihren Rechten", lediglich in der Art einer Berufungsbegründung entgegen. Es ist aber nicht Aufgabe des Berufungsgerichts, den Streitstoff unter konkreter Auseinandersetzung mit dem angefochtenen Urteil rechtlich so aufzuarbeiten, dass sich vermeintliche Fehler , die dem Verwaltungsgericht bei der Rechtsfindung unterlaufen sein sollen, den Zulassungsgründen des § 124 Abs. 2 VwGO zuordnen lassen.

Selbst wenn die Zulassungsbegründung insoweit als ausreichend gewertet würde, wäre der Berufungszulassungsantrag jedenfalls unbegründet.

Das berücksichtigungsfähige Zulassungsvorbringen führt nicht zu ernstlichen Zweifeln an der Richtigkeit der erstinstanzlichen Entscheidung i. S. v. § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO. Es ist nämlich weder hinreichend dargetan, dass der streitbefangene Beitragsbescheid gegen die Art. 3, 12 und 14 GG verstößt, weil der für das Jahr 2009 festgesetzte Betrag mit einer Steigerung des Beitragssatzes gegenüber dem Vorjahr von annähernd 789 % eine besonders hohe und für die Klägerin kalkulatorisch nicht abwälzbare Belastung darstellt, noch erschließt sich ein Verstoß gegen Art. 3 GG deshalb, weil der Klägerin bei ihrer Veranlagung die Anwendung des sog. "Nullausweises" (Verrechnung der Rückstellung mit den zu erwartenden Auszahlungen der Rückdeckungsversicherungen) verweigert wird.

Rechtsgrundlage für den streitbefangenen Beitragsbescheid ist § 10 Abs. 1 und 3 BetrAVG. Dass die Regelung des § 10 BetrAVG verfassungskonform ist und insbesondere weder den Geichbehandlungsgrundsatz des Art. 3 Abs. 1 GG, die Berufsfreiheit nach Art. 12 GG oder die Eigentumsgarantie nach Art. 14 GG verletzt, ist in der obergerichtlichen und höchstrichterlichen Rechtsprechung wiederholt festgestellt worden.

Vgl. BVerwG, Urteile vom 25. August 2010 - 8 C 23.09 - , NVwZ-RR 2011, 160, juris und - 8 C

40.09 -, DB 2011, 181, juris; OVG NW, Beschluss vom 28. April 2008 - 12 A 2039/06 - , juris; Beschluss vom 22. Juli 2010 - 12 B 556/10 -; BayVGH, Urteil vom 20. Juli 2009 - 5 BV 08.118 -, juris.

Dass sich für die konkrete Heranziehung aus der extremen Beitragshöhe im Veranlagungsjahr 2009 etwas anderes ergeben soll, ist von Klägerseite weder substantiiert dargelegt worden noch sonstwie ohne weiteres ersichtlich.

Auch der jüngsten Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes zu diesem Themenkomplex vom 12. Oktober 2011 - 8 C 19/10 - (ZIP 2012, 691 und juris) kann nicht entnommen werden, dass das im wesentlichen auf dem Gleichheitsgrundsatz des Art. 3 GG beruhende Äquivalenzprinzip allein schon bei einem besonders hohen Beitragssatz verletzt sein könnte. Das Äquivalenzprinzip verlangt nicht, dass der Beitrag zur Insolvenzsicherung einen unmittelbaren wirtschaftlichen Vorteil des einzelnen Beitragspflichtigen ausgleicht oder dass dieser den gebotenen Vorteil - d. h. im wesentlichen die Übernahme des Insolvenzrisikos - tatsächlich nutzt, es verlangt vielmehr nur, dass die Höhe der Beiträge nicht in einem Missverhältnis zum gebotenen Vorteil der Risikoübernahme steht, und dass einzelne Beitragspflichtige nicht im Verhältnis zu anderen übermäßig belastet werden.

Vgl. BVerwG, Urteile vom 25. August 2010, a. a. O.

Zwar betreffen die genannten Urteile des Bundesverwaltungsgerichtes unmittelbar lediglich die Beitragsjahre zwischen 2002 und 2005 mit Beitragssätzen zwischen zwischen 3,60 Promille und 4,90 Promille, während für das hier streitgegenständliche Beitragsjahr 2009 ein Beitragssatz von 14,20 Promille vom Beklagten festgesetzt worden ist. Das Bundesverwaltungsgericht hat die Zumutbarkeit der Beitragserhebung auch jeweils daraus abgeleitet, dass seiner Erwartung nach " der Beitragssatz sich trotz konjunkturbedingter Schwankungen regelmäßig im einstelligen Promillebereich des Barwerts der zu sichernden Rente bewegt", was für das Beitragsjahr 2009 nicht der Fall war. Hieraus ist für sich genommen jedoch nicht auf die Rechtswidrigkeit des für für das Beitragsjahr 2009 festgesetzten Beitragssatzes von 14,20 Promille zu schließen. Zum einen hat der beklagte Q. -T. -W. die Beitragshöhe durch die Anwendung des Beitragsglättungsverfahrens (§ 10 Abs. 3 Satz 5 BetrAVG) faktisch für das Beitragsjahr 2009 auf 8,20 Promille ermäßigt (die noch fehlenden Beiträge werden auf die nachfolgenden Kalenderjahre bis einschließlich 2013 verteilt), zum anderen betreffen die erwähnten Begründungserwägungen des Bundesverwaltungsgerichtes der Sache nach offenbar solche Konjunkturschwankungen, wie sie nach den bis dahin bestehenden Erfahrungen als "normal" gelten konnten. Die der Beitragsfestsetzung für 2009 zugrundeliegende konjunkturelle Entwicklung und die daraus resultierende Schadensentwicklung in der Insolvenzsicherung stellte jedoch eine außergewöhnliche Situation dar, auf die vom Beklagten naturgemäß mit besonderen Maßnahmen reagiert werden musste und auch konnte, um die nach § 10 Abs. 2 Satz 1 BetrAVG zwingend gebotene Deckung der Leistungsansprüche sicherzustellen.

vgl. zu Vorstehenden auch: VG Würzburg, Urteil vom 16. Februar 2012 - W 3 K 11.310 -, juris; VG Darmstadt, Urteil vom 8. Februar 2012 - 5 K 1862/10 -.DA, juris; VG München, Urteil vom 19. Januar 2012 - M 17 K 11.603 -, juris.

Ein Verstoß der Beitragserhebung auch gegen Art. 12 oder 14 GG kommt vor diesem Hintergrund allenfalls dann noch in Betracht, wenn die Geldleistungspflichten den Betroffenen dennoch übermäßig belasten und seine Vermögensverhältnisse so grundlegend beeinträchtigen, dass sie eine erdrosselnde Wirkung haben.

Vgl. VG Darmstadt, Urteil vom 8. Februar 2012, a. a. O. mit Hinweis auf BVerfG, Beschluss vom 8. April 1997 - 1 BvR 48/94 -, BVerfGE 95, 267

m. w. N.

Geringere Anforderungen gehen auch aus der vom Kläger angeführten Rechtsprechung des Senates

vgl. OVG NRW, Beschluss vom 28. April 2008 - 12 A 2039/06 -, juris

nicht hervor, wenn es dort heißt, dass ein starker Anstieg der Beiträge geeignet sein könnte, eine künftige, auf Grund (stark) veränderter Verhältnisse eingetretene Verfassungswidrigkeit der maßgeblichen Norm zu belegen. Mit den Ausführungen des Verwaltungsgerichts zur Verhältnismäßigkeit der Belastung der Klägerin setzt sich die Zulassungsbegründung jedoch nicht detailliert und zielgerichtet auseinander. Eine erdrosselnde Wirkung kann trotz des im Verhältnis zu den Vorjahren sehr viel höheren Betrages von 60.632,31 Euro jedenfalls nicht festgestellt werden. Die Klägerin hat nicht dargelegt, dass der Betrag außer Verhältnis zu ihren sonstigen Einnahmen und Ausgaben stehe oder von ihr nicht ohne Beeinträchtigung des weiteren Geschäftsbetriebes aufgebracht werden könnte. Die pauschale Angabe, dass die Belastung kalkulatorisch nicht abwälzbar sei, reicht insoweit nicht aus.

Was ferner die angebliche Anwendung eines "Nullausweises" in anderen Veranlagungsfällen anbetrifft, ist die Klägerseite auch mit ihrem hier zu berücksichtigenden Berufungszulassungsvorbringen jegliche Glaubhaftmachung einer derartigen Vorgehensweise des Beklagten schuldig geblieben. Das BetrAVG schreibt einheitlich für alle Arbeitgeber in Abhängigkeit vom jeweiligen Durchführungsweg den Modus zur Berechnung der Beitragsbemessungsgrundlage vor, eine Unterscheidung in Abhängigkeit vom Volumen der Versorgungsverpflichtungen oder von der Größe des Unternehmens im BetrAVG ist nicht vorgesehen und eine Aufrechnung von Pensionsschulden mit Vermögenswerten würde auch den gesetzlichen Vorgaben widersprechen. Selbst wenn sich der Beklagte dem zuwider verhalten hätte, verschafft Art. 3 GG aber regelmäßig keinen Anspruch auf eine Gleichbehandlung im Unrecht.

Vgl. hierzu: Boysen, in: von Münch/Kunig, GG, 6. Aufl. 2012, Art. 3 Rn. 81 m. w. N.

Soweit die Klägerin schließlich erneut geltend macht, der Beklagte sei ausweislich des Gutachtens des Steuerberaters L. seit Jahren überschuldet und hätte deshalb schon längst ein Antrag auf Einleitung eines Insolvenzverfahrens stellen müssen, vermag das wenigstens die Feststellung des Verwaltungsgerichts, es sei jedenfalls nicht ausreichend ersichtlich, inwiefern sich die von der Klägerin behauptete Überschuldung des Beklagten auf die Rechtmäßigkeit des hier streitgegenständlichen Beitragserhebung für das Jahr 2009 auswirken solle, nicht in Frage zu stellen. Die These der Klägerin, dass die Beiträge an den Q. -T. -W. niedriger ausgefallen wären, wenn dieser seinen Verpflichtungen nachgekommen und den Antrag auf Einleitung eines Insolvenzverfahrens rechtzeitig gestellt hätte, vermag nicht zu greifen. Die dem zugrunde liegende Annahme der Klägerin, die Altlasten hätten ggfs. schon vorab auf die in den 20 Jahren zuvor insolvent gegangen Unternehmen verteilt werden können, geht nämlich von einer Bilanzierungspflicht für diese Altlasten in Form unverfallbarer Versorgungsanwartschaften bereits vor Inkrafttreten des Gesetzes zur Änderung des Betriebsrentengesetztes vom 2. Dezember 2006 aus, wie sie das Verwaltungsgericht aber gerade mit einer überzeugenden Begründung verneint hat, ohne dass die Zulassungsbegründung den diesbezüglichen Argumenten des Verwaltungsgerichts substantiiert entgegengetreten wäre. Dazu reichen insbesondere auch der wiederholte Hinweis auf das Kurzgutachten des Steuerberaters O. L. vom 22. Juni 2009 und die wiederholte schlichte Behauptung nicht aus, auch auf den Q. -T. -W. sei das Bilanzrichtliniengesetz 1986 mit seiner Umstellung des Passivisierungswahlrechts von Pensionsrückstellungen in eine Passivisierungspflicht anwendbar und eine entsprechende Anwendung wäre - hätte der Vereinsvorstand nicht einen Bilanzierungstrick verwandt - auf eine handelsrechtliche Überschuldung hinausgelaufen. Es spricht - wie der Senat bereits in seinem Beschluss vom 22. September 2010 - 12 B 547/10 - ausgeführt hat - vielmehr alles dafür, dass der Umstand, dass bis einschließlich 2005 beim beklagten Q. -T. -W. keine Rückstellungen für die aus Insolvenzen hervorgegangenen Anwartschaften gebildet und bilanziert wurden, unmittelbar auf einer korrekten Anwendung der gesetzlichen Regelung des § 10 Abs. 2 Satz 1 BetrAVG in der bis zum 31. Dezember 2005 geltenden Fassung beruht und nach der seinerzeitigen rechtlichen Konstruktion insoweit nicht die handelsrechtlichen Kriterien einer Bilanzierung, auf die sich die Klägerin beruft, Geltung beanspruchen konnten. Die undifferenzierte Behauptung, die vom Verwaltungsgericht angeführte Rechtsprechung des BFH aus 1987 zu Rückstellungen für ungewisse, zukünftige Verbindlichkeiten sei für das - immerhin seit 1986 geltende - Bilanzierungsrecht hier nicht einschlägig gewesen, lässt sich - da es um Begrifflichkeiten geht - nicht ohne weiteres nachvollziehen. Die Klägerin ignoriert auch, dass die "Altlastenproblematik" - d. h. die Erfassung der bis zum 31. Dezember 2005 aufgelaufenen rund 167.000 Anwartschaften mit einem Barwert von rund 2,2 Milliarden Euro - durch den - durch Änderungsgesetz vom 2. Dezember 2006 eingeführten - § 30 i BetrAVG seitens des Gesetzgebers zumindest eine nachträgliche Regelung erfahren hat.

Ebensowenig plausibel ist der sinngemäß erhobene Vorwurf der Klägerin gegenüber dem Beklagten, er habe bei der Abwicklung des Insolvenzverfahrens der L1. -X. -Konzernes Regelungen akzeptiert, die einen Schaden für die Mitglieder des Q. -T. -Vereins in Höhe von 1,8 Milliarden Euro bedeuteten und - bezogen auf die Klageforderung - den Beitragsbescheid um knapp 45 % der Beitragssumme zu hoch ausfallen ließen. Im Rahmen der Insolvenz auf einen Teil bestehender und nicht schon vor Konkurseröffnung beglichener Forderungen zu verzichten, liegt in der Natur der Abwicklung eines Insolvenzverfahrens und betrifft nicht die kalkulatorische Beitragsgestaltung als solche. Es ist deshalb nicht ersichtlich, dass es die nicht in der Insolvenz befindliche Klägerin von ihrer eigenen Beitragsverpflichtung für das Jahr 2009 befreien könnte, wenn der Beklagten im Rahmen des Insolvenzverfahrens des L1. -X. -Konzerns Pflichtverstöße vorgeworfen werden könnten.

Neben der Sache liegen schließlich auch die Ausführungen der Klägerin zu ihrem mitgliedschaftlichen Austritt aus dem beklagten Q. -T. -W. . Gesetzliche Insolvenzsicherungspflicht besteht unabhängig von einer Mitgliedschaft beim Beklagten. Die Insolvenzsicherungspflicht eines Arbeitgebers knüpft gemäß § 10 BetrAVG allein an die Durchführung einer betrieblichen Altersversorgung an. Diese Beitragspflicht ist nicht disponibel und kann weder durch einen einseitigen Vereinsaustritt noch durch einen Vertrag über das Verlassen des Q. -T. -Vereins aufgehoben werden.

Eine Zulassung der Berufung käme daneben auch nicht nach § 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO wegen eines Verfahrensmangels in Form der Verletzung des in Art. 103 Abs. 1 GG grundgesetzlich geschützten Anspruchs auf rechtliches Gehör in Betracht. Wenn das Verwaltungsgericht festgestellt hat, dass sich das Vorbringen der Klägerin zur Zulassung unterschiedlicher Bilanzierungsweisen für verschiedene Mitglieder in einer bloßen Behauptung erschöpfe, lässt sich daraus nämlich nicht auf eine völlige Nichtbeachtung der von der Klägerin zum Beweis vorgelegten Unterlagen (Seite 115 bis 157 der Gerichtsakten) schließen. Vielmehr werden diese Unterlagen in ihrer Aussagekraft gerade gewürdigt, wenn es im nachfolgenden Satz der Entscheidungsgründe heißt, nähere Angaben darüber, in welchen Einzelfällen der Beklagte etwa unzutreffend mitgeteilte Beitragsbemessungsgrundlagen akzeptiert haben soll, sei die Klägerin schuldig geblieben.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung folgt aus §§ 47 Abs. 1 und 3, 52 Abs. 1 und 3 GKG.

Dieser Beschluss ist gemäß § 152 Abs. 1 VwGO und - hinsichtlich der Streitwertfestsetzung - nach §§ 66 Abs. 3 Satz 3, 68 Abs. 1 Satz 5 GKG unanfechtbar. Das Urteil des Verwaltungsgerichts ist nunmehr rechtskräftig (§ 124 a Abs. 5 Satz 4 VwGO).