OLG Düsseldorf, Urteil vom 25.04.2002 - I-6 U 111/01
Fundstelle
openJur 2012, 124533
  • Rkr:
Tenor

Auf die Berufung der Klägerin wird das am 3. April 2001 verkündete Urteil

der 10. Zivilkammer des Landgerichts Düsseldorf geändert.

Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 5.282,46 € nebst 5 % Zinsen

über dem Diskontsatz der Deutschen Bundesbank vom 5. März 1998 bis zum 31. Dezember 1998 und 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz nach § 1 Abs. 1 des Diskontsatz-Überleitungs-Gesetzes seit dem 1. Januar 1999 zu zahlen.

Die Klägerin trägt die durch die Anrufung des unzuständigen Landgerichts Köln entstandenen Mehrkosten. Die übrigen Kosten des Rechtsstreits wer-den der Beklagten auferlegt.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Gründe

Die zulässige Berufung hat in der Sache Erfolg. Die Klägerin kann von der Beklagten gemäß §§ 426 Abs. 2 Satz 1, 989, 990 Abs. 1 Satz 1 BGB den Ersatz der der B. GmbH erstatteten Schecksumme von 10.331,60 DM (= 5.282,46 €) und nach §§ 286 Abs. 1, 284 Abs. 1 Satz 1 BGB, 11 Abs. 1 VerbrKrG analog die aus dem Tenor ersichtlichen Zinsen verlangen.

1. Die Beklagte hat den von der B. GmbH ausgestellten und an die H. eG adressierten, der ursprünglichen Inhaberin unstreitig abhanden gekommenen Scheck über 10.331,60 DM nicht gutgläubig erworben (Art. 21 ScheckG). Dabei kann offen bleiben, ob die Weitergabe von Schecks zu Zahlungszwecken im kaufmännischen Geschäftsverkehr völlig unüblich ist und allein deshalb schon Anlass zur Überprüfung der Verfügungsbefugnis des Fahrzeugkäufers L. bestand. Nach dem eigenen Vortrag der Beklagten zum Erwerbsvorgang kamen nämlich weitere Umstände hinzu, die den Verdacht eines unredlichen Erwerbs aufseiten des damaligen Scheckinhabers L. besonders nahe legten und Zweifel unabhängig von vertieften Kenntnissen des Scheckverkehrs geradezu herausforderten:

Der Scheck war am Freitag, dem 26. Januar 1996, in Lübeck ausgestellt worden und an eine Genossenschaft in Schleswig-Holstein adressiert. Selbst wenn man unterstellte, dass er der Empfängerin noch am Ausstellungstage übergeben worden war, musste es überraschen, dass er bereits am 30. Januar 1996, also nur zwei Arbeitstage später, von einem Dritten in Bergen auf Rügen vorgelegt wurde. Die Begebungen von der B. GmbH an die H. eG und von dieser an Herrn L. mussten sich also sehr schnell vollzogen haben, was praktisch nur durch jeweils persönliche Übergabe möglich war. Die Übergabe an Mitarbeiter der Beklagten stellte dabei bereits den dritten Inhaberwechsel dar. Dabei hatte der Scheck - offenbar durch persönliche Beförderung - eine erhebliche Entfernung zurückgelegt. Bereits das erschien in Verbindung mit der Disparität äußerst ungewöhnlich.

Auffällig war weiter, dass der Fahrzeugkäufer nicht aus der Nähe von Bergen (Rügen) stammte, sondern eine Anschrift in Grapen-Stieten, einem etwa 170 km entfernten Ort zwischen Wismar und Schwerin, angab. Gegenstand des Kaufs war dabei ein mehr als zehn Jahre alter D., mithin kein Fahrzeug, das typischerweise von Liebhabern großräumig gesucht und für das gewöhnlich lange Wegstrecken in Kauf genommen werden. Wenn ein solcher Kunde mit einem ohnehin verdächtigen Scheck zahlen wollte, musste das bei einem Händler, der auch nur die nahe liegendsten Überlegungen anstellte, zusätzliche Bedenken auslösen.

Schließlich fiel geradezu ins Auge, dass der Scheckbetrag nach Darstellung der Beklagten genau dem Kaufpreis des Fahrzeugs einschließlich der ECO-Garantie entsprach. Diese Einlassung erscheint schon kaum nachvollziehbar. Der Kaufpreis für den Gebrauchtwagen belief sich ausweislich des vorgelegten Kaufvertrages auf 10.000,00 DM. Eine Gebrauchtwagengarantie wird üblicherweise zu glatten Beträgen, nicht jedoch gerade für 331,60 DM angeboten. Die angebliche Deckung von Gesamtpreis und Schecksumme lässt sich deshalb vernünftigerweise nur erklären, wenn der Käufer in Verhandlungen auf der Schecksumme als Höchstbetrag bestanden hätte. Das war nach dem Vortrag der Beklagten indes nicht der Fall. Vielmehr sollen ihre Mitarbeiter zunächst in der Annahme eines Bargeschäftes den Kaufvertrag ausgefüllt haben und erst nachträglich mit dem Ansinnen, mit einem disparischen Scheck zu zahlen, konfrontiert worden sein. Ungeachtet dieser Ungereimtheiten, die die Beklagte trotz mehrfacher Hinweise der Klägerin auf die ungewöhnliche Übereinstimmung von Gesamtpreis und Scheckbetrag nicht aufgeklärt hat, hätte sie aufgrund dieses Umstandes aber jedenfalls Verdacht schöpfen und sich bei ihren Mitarbeitern nach den Hintergründen erkundigen müssen. Ein Verlangen des Käufers, keinesfalls mehr als die Schecksumme zu zahlen, wäre dabei ebenso dubios wie eine angeblich "zufällige" Übereinstimmung der Beträge gewesen.

In der Gesamtschau bedurfte es keiner besonderen Erfahrungen im Scheckverkehr, um den Geschehensablauf als äußerst ungewöhnlich zu erkennen und die notwendigen Schlüsse daraus zu ziehen. Die Beklagte hätte deshalb geeignete Nachforschungen anstellen müssen. Wenn sie bzw. ihre Mitarbeiter den Kunden nicht selbst auf die Herkunft des Schecks ansprechen wollten, hätten sie zumindest bei der Scheckausstellerin, deren Name und Anschrift auf dem Scheck vermerkt waren, oder bei der angegebenen Empfängerin, die anhand des bezeichneten Geschäftssitzes in "...H." ebenfalls leicht zu ermitteln gewesen wäre, anfragen können, ob der Scheck "in Ordnung gehe". Da der Kunde ohnehin bis zur Gutschrift vertröstet wurde, hätte das sogar geschehen können, ohne dass er etwas bemerkte und ihm gegenüber Misstrauen bekundet werden musste. Eine solche Rückfrage hätte den Sachverhalt sofort aufgeklärt. Indem die Beklagte dies versäumte, handelte sie grob fahrlässig und konnte den abhanden gekommenen Scheck deshalb nicht gutgläubig erwerben (Art. 21 ScheckG).

2. Unter diesen Umständen haftete die Beklagte der B. GmbH gemäß §§ 989, 990 Abs. 1 Satz 1 BGB in Höhe der Schecksumme auf Schadensersatz, weil sie nach der Einlösung zur Herausgabe des bösgläubig erworbenen Schecks nicht mehr in der Lage war. Dieser Anspruch ist durch die Zahlung der Klägerin an die B. GmbH gemäß § 426 Abs. 2 Satz 1 BGB auf die Klägerin übergegangen:

a) Auch die Klägerin haftete der B. GmbH aus §§ 989, 990 Abs. 1 Satz 1 BGB auf Schadensersatz. Sie verfügte zwar nicht über nähere Informationen zum Erwerb des Schecks durch die Beklagte, hätte aber bei ordnungsgemäßer Überwachung die Disparität erkennen müssen. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes sind Bankangestellte, die einen disparischen Scheck über mindestens 5.000,00 DM hereinnehmen, verpflichtet, bei der Prüfung nicht nur eigenes Wissen, sondern auch in den Kontounterlagen verfügbare Informationen zu berücksichtigen (vgl. BGHZ 135, 202, 208; BGH WM 1997, 2395, 2396). Hätte die Klägerin durch geeignete organisatorische Maßnahmen für eine entsprechende Prüfung Sorge getragen, so hätte sie erkannt, dass die Beklagte einen Gebrauchtwagenhandel betrieb und dass der von einem schleswigholsteinischen Unternehmen innerhalb des Bundeslandes an ein anderes Unternehmen adressierte Scheck innerhalb kürzester Zeit zu einer weit entfernten Autohändlerin gelangt war, die in keiner erkennbaren Beziehung zur Scheckausstellerin und der angegebenen Empfängerin stand. Das hätte Anlass zu Rückfragen gegeben, die den Sachverhalt aufgeklärt und den Schaden vermieden hätten.

b) Mehrere für denselben Schaden Verantwortliche haften grundsätzlich als Gesamtschuldner, auch wenn die Voraussetzungen des § 840 BGB nicht erfüllt sind (vgl. BGHZ 43, 227, 230 f.; BGHZ 59, 97, 99 ff.; Palandt/Heinrichs, 61. Aufl., § 421 BGB Rdnr. 10 m.w.N.). Zwischen den Parteien bestand deshalb ein Gesamtschuldverhältnis, so dass die Leistung der Klägerin an die B. GmbH gemäß § 422 Abs. 1 Satz 1 BGB auch die Beklagte befreite und die B. GmbH gegen diese gerichtete Ansprüche nicht mehr an die Klägerin abtreten konnte. Die Forderung der B. GmbH gegen die Beklagte ging jedoch gemäß § 426 Abs. 2 Satz 1 BGB insoweit auf die Klägerin über, als diese von der Beklagten Ausgleichung verlangen kann. Die Ausgleichspflicht bestimmt sich nach § 426 Abs. 1 BGB, wobei als eine Abweichung vom Grundsatz der gleichmäßigen Verteilung rechtfertigende "andere Bestimmung" bei Schadensersatzansprüchen insbesondere die Regeln des § 254 BGB in Betracht kommen (vgl. BGHZ 43, 227, 231; BGHZ 59, 97, 103; Palandt/Heinrichs, § 426 BGB Rdnr. 10 m.w.N.).

Nach diesem Maßstab haftet die Beklagte im Innenverhältnis der Parteien allein. Zwar haben beide Parteien zur Entstehung des Schadens beigetragen, weil jede bei Anwendung der gebotenen Sorgfalt hätte Nachforschungen anstellen müssen, die den Sachverhalt aufgedeckt hätten. Die erste und entscheidende Ursache hat jedoch die Beklagte durch Einreichung des als disparisch erkannten Schecks ohne weitere Prüfung gesetzt. Dadurch wurde erst ermöglicht, dass die Klägerin die Disparität nicht bemerkte, der Scheck das Inkassoverfahren durchlief und von beiden Parteien nicht mehr herausgegeben werden kann. Auch der - nach § 254 Abs. 1 BGB nachrangig zu berücksichtigende - persönliche Schuldvorwurf gegen die Beklagte wiegt deutlich schwerer. Im Gegensatz zur Klägerin, der allein ein Organisationsverschulden oder eine Sorgfaltspflichtverletzung bei der Überwachung des Scheckeinzugs vorzuhalten ist, verfügten sie bzw. ihre Mitarbeiter über alle Informationen, die die Scheckhingabe als besonders verdächtig erscheinen ließen. So konnte nur die Beklagte wissen, dass der Scheck auf dem Weg von der Ausstellerin oder der angegebenen Empfängerin zu ihr noch durch die Hand eines weiteren Inhabers gegangen war und dass der Gesamtpreis für das veräußerte Fahrzeug nebst ECO-Garantie in auffälliger Weise mit der Schecksumme übereinstimmte. Letztlich hat sie aus der erkannten Disparität folgende Bedenken in ihrer Klageerwiderung auch eingeräumt. Soweit sie diese Bedenken nunmehr nur noch auf eine möglicherweise fehlende Deckung bezieht, vermag dies angesichts der Formulierung in der Klageerwiderung und der sich aufdrängenden Verdachtsmomente nicht zu überzeugen.

Bei dieser Sachlage ist das Verhalten der Beklagten als bewusste Fahrlässigkeit zu werten. Sie hat in Kenntnis der erheblichen Verdachtsmomente getestet, ob der Scheck eingelöst würde, und sich sodann mit dem vermeintlich günstigen Ergebnis zufrieden gegeben, während die Klägerin sich vergleichbare Erkenntnisse erst durch das Aussondern des Schecks aus dem Inkassoverkehr hätte verschaffen müssen. Unter solchen Umständen erscheint es gerechtfertigt, die Klägerin im Innenverhältnis von der Haftung freizustellen, so dass der Anspruch der B. GmbH gegen die Beklagte in voller Höhe auf sie übergegangen ist (§ 426 Abs. 2 Satz 1 BGB) und die Klage sich damit in der Hauptsache als begründet erweist.

3. Der Zinsanspruch ergibt sich aus §§ 286 Abs. 1, 284 Abs. 1 Satz 1 BGB, 11 Abs. 1 VerbrKrG analog. Die Klägerin hat die Beklagte unstreitig mit Schreiben vom 11. Februar 1998 unter Fristsetzung bis zum 4. März 1998 zur Leistung aufgefordert und kann deshalb seit dem 5. März 1998 ihren Verzugsschaden geltend machen. Da der Anspruch der B. GmbH bereits mit deren Befriedigung am 4. September 1997 auf die Klägerin überging (§ 426 Abs. 2 Satz 1 BGB), kommt es auch insoweit auf die spätere - zudem leer laufende - Abtretung nicht an. Als Verzugsschaden kann die Klägerin als Bank analog § 11 Abs. 1 VerbrKrG Zinsen in Höhe von 5 % über dem Diskontsatz der Deutschen Bundesbank bzw. dem Basiszinssatz nach § 1 Abs. 1 DÜG geltend machen (vgl. BGHZ 115, 268, 272 ff.; BGH NJW 1995, 1954; BGH WM 2000, 64, 68).

4. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 91 Abs. 1, 281 Abs. 3 Satz 2 ZPO, die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit auf §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO.

Es besteht kein Anlass, die Revision zuzulassen (§ 543 Abs. 2 ZPO).

Der Streitwert für den zweiten Rechtszug und die Beschwer der Beklagten werden auf 5.282,46 € (10.331,60 DM) festgesetzt.