Hessisches LSG, Beschluss vom 27.08.2012 - L 8 KR 189/12 B ER
Fundstelle
openJur 2012, 124247
  • Rkr:
Tenor

Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 24. April 2012 wird zurückgewiesen.

Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.

Gründe

I.

Die Antragstellerin begehrt im Wege des vorläufigen Rechtsschutzes, die Antragsgegnerin zu verpflichten, bis zum Abschluss der Hauptsache die Kosten ihrer Behandlung mittels Immuntherapie durch den Arzt QQ. auf der Grundlage seines Kostenvoranschlags vom 8. März 2012 zu übernehmen.

Die Antragstellerin, geboren im Jahr 1959 und bei der Antragsgegnerin krankenversichert, leidet an einem metastasierenden Ovarialkarzinom. Im November 2009 wurde eine operative Behandlung des Ovarialkarzinoms (pT4c pNO RI G2 FIGO III) mit anschließender Chemotherapie mit Paclitaxel und Carboplatin durchgeführt. Dem folgte ihm Jahr 2010 eine Behandlung mit Pazopanib im Rahmen einer Studie, die jedoch wegen Nebenwirkungen abgebrochen wurde. Im Dezember 2011 wurde die Diagnose V. a. Metastasen zwischen Magen und Pankreas sowie am Milzhilus gestellt. Im Gemeinschaftskrankenhaus WW. wurde am 7. März 2012 eine Computertomographie durchgeführt. Dabei wurden neu festgestellt: eine größer werdende flaue hypodense Zone im Segment IVa des linken Leberlappens (eine Differenzierung zwischen fokaler Verfettung oder Malignom war nicht möglich) sowie eine Milzmetastase. Die diagnostizierenden Ärzte sind von einem Prozess ausgegangen. Eine Sonographie des Abdomen am 14. März 2012 (Gemeinschaftskrankenhaus WW.) ergab eine echoarme Raumforderung der Leber im Segment IV sowie eine unklare Raumforderung zwischen Pankreasschwanz und Magen, die einem Milzhilus entspricht.

Am 19. März 2012 ging bei der Antragsgegnerin der Antrag der Antragstellerin ein auf Übernahme der Kosten einer Behandlung bei dem Arzt QQ. mittels Immuntherapie (mit Fieber, onkolytischen Vieren und dendritischen Zellen). Wegen der klinischen Brisanz bat die Antragstellerin um eine Entscheidung bis zum 30. März 2012.

Die Antragsgegnerin holte eine Stellungnahme des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung in EE. e. V. (MDK) ein. Dieser kam zu dem Ergebnis, es liege unstreitig eine lebensbedrohliche Erkrankung vor. Die vorgesehene Behandlung in Kombination verschiedener therapeutischer Ansätze (dendritischen Zellen und natürliche Killerzellen, hergestellt unter Aufsicht von Herrn QQ. im Onkolytischen Zentrum R-Stadt, onkolytischen Vieren mit zusätzlicher aktiver Hyperthermie (Fiebertherapie) und Tiefen-Hyperthermie) stelle eine experimentelle Therapie dar. Eine Abrechnungsmöglichkeit über den Einheitlichen Bewertungsmaßstab (EBM) bestehe nicht und ein positives Votum des Gemeinsamen Bundesausschusses liege nicht vor. Weder für die einzelnen Elemente noch für die Kombinationsbehandlung stünden ausreichend wissenschaftlich geprüfte oder tragfähigen Anhaltspunkte zur Verfügung, die eine klinisch relevante Wirksamkeit bei Patientinnen mit metastasierendem Ovarialkarzinom nach vorangegangener Chemotherapie belegten. Auffallend sei, dass von Seiten der behandelnden onkologischen Einrichtung keine Behandlungsempfehlung vorgelegt worden sei. Nach Auskunft der Versicherten habe im Zeitpunkt der Beantragung der vorliegend streitigen Therapie ein zusammenfassender Befund noch nicht vorgelegen. Nach Versagen der Standardtherapie im Stadium FIGO II-III mit Carboplatin/ Pazopanib (Erstlinientherapie) stehe als Zweit-Linienbehandlung zur Verfügung:

- im Falle eines Rezidivs bei Platin-sensitiver Erkrankung: behandlungsfreies Intervall >6 Monate: erneute Behandlung mit der Standardtherapie Taxan und Platinderivat oder nicht platinhaltiger bzw. taxanhaltiger Mono- bzw. Kombinations-Therapie,

- im Fall eines Rezidivs bei Platin-refraktärer Erkrankung: Monotherapie u. a. mit liposomalem Doxorubicin (Caelyx), Topotecan, Etoposid, Gemcitabin, Oxaliplatin oder Ifosfamid.

Die Entscheidung über eine Dritt-Linientherapie könne nur individuell im Einzelfall erfolgen. Bei fehlender Eignung für einen Chemotherapie stelle der Einsatz von endokrinen Optionen eine Alternative dar. Die zur Chemotherapie zugelassenen Therapeutika seien im Rahmen entsprechender Zulassungsstudien hinsichtlich ihrer Wirksamkeit und Sicherheit geprüft und könnten nicht wie von Herrn QQ. ausgeführt, als "herum experimentieren mit toxischen Substanzen" angesehen werden.

Die Antragsgegnerin lehnte mit Bescheid vom 2. April 2012 unter Zugrundelegung der Stellungnahme des MDK vom 24. März 2012 den Antrag auf Übernahme der Kosten einer Immuntherapie ab.

Am 10. April 2012 hat die Antragstellerin beim Sozialgericht Frankfurt am Main den Antrag gestellt, die Antragsgegnerin zu verpflichten, vorläufig bis zum Abschluss der Hauptsache die Kosten der streitigen Immuntherapie durch den Arzt QQ. entsprechend des Kosten- und Behandlungsplan vom 8. März 2012 zu übernehmen.

Zur Begründung hat die Antragstellerin ausgeführt, trotz Operation und Chemo-Therapie sei ein Progress ihrer lebensbedrohlichen Erkrankung festzustellen. Da eine schulmedizinische Behandlung nicht zur Verfügung stehe, habe sie einen Anspruch auf Übernahme der streitigen Behandlung, da die in Aussicht genommene Therapie eine nicht ganz entfernt liegende Aussicht auf eine positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf habe. Dies sei durch die Ausführungen von Herrn QQ. (Schreiben vom 8. März 2012) erwiesen. Ihrem Anspruch könne nicht das MDK-Gutachten vom 24. März 2012 entgegengehalten werden. Darin werde ein falscher Maßstab an die Evaluation der streitigen Behandlung angelegt. Auch bestünden Zweifel an der Unabhängigkeit der Gutachtenerstellung durch den MDK. Zwischenzeitlich habe ein Arzneimittel zur Therapie mit dendritischen Zellen in den Vereinigten Staaten von Amerika als auch in der Schweiz eine Zulassung erhalten. Zudem sei dem Entdecker der dendritischen Zellen der Nobelpreis für Medizin im vergangenen Jahr verliehen worden. Zwar habe der Gemeinsame Bundesausschuss die Tiefen-Hyperthermie im Jahr 2005 ausdrücklich vom Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) ausgeschlossen. Auf das Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 29. November 2007 habe jedoch der Gemeinsame Bundesausschuss im Jahr 2011 festgestellt, dass im Einzelfall ein Anspruch bestehe, wenn die Kriterien der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts erfüllt seien. Auch sei sie nicht in der Lage, die Therapiekosten aus eigenen Mitteln aufzubringen. Die monatliche Therapie erfordere Kosten in Höhe von 15.000 € monatlich (Herstellung dendritischer Zellen und onkolytischer Viren je 6.000 €, Hyperthermie 3.000 €). Sie erhalte eine Witwenrente (1.072,48 €) und Arbeitslosengeld in Höhe von 50,78 € kalendertäglich. Darüber hinaus verfüge sie über einen liquides Vermögen in Höhe von 22.800 €, eine Lebensversicherung mit einem Rückkaufswert in Höhe von 29.821,39 € (Stand November 2011) und eine betriebliche Altersversorgung mit einem Rückkaufswert in Höhe von 7.400 €.

Das Sozialgericht hat mit Beschluss vom 24. April 2012 den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung abgelehnt. Zur Begründung hat das Sozialgericht im Wesentlichen ausgeführt, die Antragstellerin habe keinen Anspruch auf Übernahme der Kosten der Behandlung durch den Arzt QQ. entsprechend dem Behandlungsplan 8. März 2012. Die Voraussetzung des vorliegend allein einschlägigen § 86b Abs. 2 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) seien vorliegend nicht erfüllt. Danach könne das Gericht der Hauptsache eine einstweilige Anordnung zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis erlassen, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheine (Regelungsanordnung). Dies setze einen Anordnungsanspruch (einen materiellen-rechtlichen Anspruch auf die begehrte Leistung) voraus sowie einen Anordnungsgrund (einen Sachverhalt, der die Eilbedürftigkeit der Anordnung begründe). Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund stünden nicht isoliert nebeneinander. Es bestehe vielmehr eine Wechselbeziehung in der Weise, dass Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund aufgrund ihres funktionalen Zusammenhangs ein bewegliches System bildeten (Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 8. Auflage, § 86b Rdnr. 27 und 29). Die Eilbedürftigkeit bzw. die Schwere des drohenden Nachteils verringere die Anforderungen an den Anordnungsanspruch und umgekehrt. Sei die Klage in der Hauptsache offensichtlich unzulässig oder unbegründet, so sei der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung ohne Rücksicht auf den Anordnungsgrund grundsätzlich abzulehnen, weil ein schützenswertes Recht nicht vorhanden sei. Sei dagegen die Klage in der Hauptsache offensichtlich begründet, so verminderten sich die Anforderungen an den Anordnungsgrund. In der Regel sei dem Antrag auf Erlass der einstweiligen Anordnung stattzugeben, auch wenn in diesem Fall nicht gänzlich auf einen Anordnungsgrund verzichtet werden könne. Bei offenem Ausgang des Hauptsacheverfahrens, wenn etwa eine vollständige Aufklärung der Sach- und Rechtslage im Eilverfahren nicht möglich sei, sei im Wege einer Folgenabwägung zu entscheiden. Dabei seien insbesondere die grundrechtlichen Belange des Antragstellers umfassend in die Abwägung einzustellen. Sowohl Anordnungsanspruch als auch Anordnungsgrund seien gemäß § 920 Abs. 2 Zivilprozessordnung (ZPO) in Verbindung mit § 86b Abs. 2 S. 4 SGG glaubhaft zu machen. Die Antragstellerin besitze gegen die Antragsgegnerin keinen Leistungsanspruch gemäß § 27 Abs. 1 Satz 1 SGB V. Die vorliegend streitige Behandlung sei kein Leistungsgegenstand der GKV. Denn sie gehöre weder zu den abrechnungsfähigen Leistung der GKV, da sie weder Inhalt des Leistungskatalogs Einheitlichen Bewertungsmaßstab für vertragsärztliche Leistung (EBM) sei noch der Gemeinsame Bundesausschuss in einer Richtlinie nach § 92 Abs. 1 Satz 2 Nr. 5 SGB V eine positive Empfehlung über den diagnostischen und therapeutischen Nutzen der Methode abgegeben habe. Hinsichtlich der Hyperthermie als alleiniges Therapiemittel habe der Gemeinsame Bundesausschuss mit Wirkung ab dem 15. Mai 2005 beschlossen, diese als Methode nicht anzuerkennen. Die Antragstellerin besitze auch nach § 2 Abs. 1a Satz 1 SGB V keinen Leistungsanspruch. Danach könnten Versicherte mit einer lebensbedrohlichen oder regelmäßig tödlichen oder mit einer zumindest wertungsmäßig vergleichbaren Erkrankung, für die eine allgemein anerkannte, dem medizinischen Standard entsprechende Leistung nicht zur Verfügung stehe, eine von Abs.1 Satz 3 abweichende Leistung beanspruchen, wenn eine nicht ganz entfernt liegende Aussicht auf Heilung oder auf eine spürbare positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf bestehe. Die Formulierung des § 2 Abs. 1a Satz 1 SGB V entspreche der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts in seinem Beschluss vom 6. Dezember 2005 (Az. 1 BvR347/98). Die Voraussetzungen dieser Norm seien vorliegend nicht erfüllt. Denn es stünden weiterhin für die Behandlung der Antragstellerin anerkannte Behandlungsmethoden zur Verfügung. Mittel der Wahl sei als Zweitlinienbehandlung eine Chemotherapie mit dem Ziel, auf die Metastasen einzuwirken um palliativ die Überlebenszeit zu verlängern. Die letzte Behandlung mit Chemo-Therapeutika habe im Juni 2010 im Rahmen einer Studie stattgefunden. Damit liege ein behandlungsfreies Intervall von mehr als 6 Monaten bezogen auf eine Standardtherapie vor. Unter Bezug auf das Urteil des Landessozialgerichts Schleswig-Holstein vom 12. Januar 2012 (Az. L 5 KR 49/10, Rdnr. 34 bis 38, veröff. in Juris) sei davon auszugehen, „dass hinsichtlich der Kombination aus Hyperthermie mit dendritischer Zelltherapie ‚deren Wirksamkeit bei einem genitalen Sarkom der Frau bislang nicht einmal annähernd nachgewiesen worden ist‘ und es auch keinerlei Veröffentlichung über diese Therapieform gebe. In den NCCN-Guidlines Uterine Sarcomas 2.2011 und den NCCN Guidlines Soft Tissue Sarcomas 1.2011 werde die Methode nicht (auch nicht als potentielle Option) benannt. Prof. Dr. O. nimmt eine Einschätzung dahingehend vor, dass die Immuntherapie mit dendritischen Zellen bestenfalls als eine experimentelle Therapie zu bewerten sei. Auch Dr. M. bestätigt den experimentellen Charakter und das Fehlen von Ergebnissen der dendritischen Zelltherapie bei Sarkomen. Allerdings weist Dr. M. auf Ergebnisse der dendritischen Zelltherapie bei Karzinomen hin und stellt insoweit die These auf, dass bei diesen Studien aufgetretene positive Einwirkungen auf Karzinome und Sarkome und damit auch auf die Erkrankung der Klägerin übertragbar seien. Das Prinzip der Therapie basiere nämlich auf biologischen Grundlagen einer zellulären Immunabwehr, die unabhängig von dem Tumortyp, also Karzinomen oder Sarkomen, nach dem gleichen Prinzip ablaufe. Diesen Schluss vermag der Senat hingegen nicht nachzuvollziehen. So weist Prof. Dr. K. darauf hin, dass ein Vergleich zwischen malignen Tumoren unzulässig sei. Es handele sich bei diesen Tumoren um völlig andere Entitäten mit einer komplett anderen Genese und einem anderen klinischen Verhalten. Es gebe schon unter den gynäkologischen Sarkomen erhebliche Unterschiede in Genese, Verlauf Prognose, therapeutischen Prozedere wie auch in der Ansprechbarkeit gegenüber unterschiedlichen Chemo-Therapeutika. Auch Prof Dr. G. weist insoweit darauf hin, dass zwar Parallelen bei der Behandlung grundsätzlich zulässig seien, jedenfalls bei sehr seltenen onkologischen Erkrankungen. In dem Fall zieht Prof Dr. G. allerdings Parallelen zu ähnlichen Tumoren und damit gut vergleichbaren Erkrankungen. Eine solche Ähnlichkeit besteht jedoch nicht zwischen den Sarkomen und dem Prostatakarzinom, zu dem bisher als einziger Krebstherapie positive Ergebnisse der dendritischen Zelltherapie erzielt wurden. In diesem Zusammenhang nimmt der Senat auch auf die Stellungnahme der Deutschen Krebsgesellschaft vom 5. April 2011 zu der Impfung mit dendritischen Zellen Bezug. Darin führt die Deutsche Krebsgesellschaft u. a. aus, dass‚ obwohl schon eine Vielzahl verschiedenster DZ-Impfstoffe im frühen und fortgeschrittenen Stadien der klinischen Testungen einer großen Anzahl von Patienten mit unterschiedlichen Tumorarten erprobt wurden, sind die erzielten Erfolge bisher noch ernüchternd und treten nur bei einer kleinen Zahl von behandelten Patienten auf. Sipuleucel-T ist der bisher weltweit am weitesten entwickelte DZ-Impfstoff der zu Beginn diesen Jahres, nach etwa zehn Jahren der klinischen Entwicklung in mehreren Studien, in den USA eine Zulassung zur Behandlung bei Patienten mit bestimmten Verlaufsformen des Prostatakarzinoms erhalten hat. Damit wurde erstmalig an einer großen Zahl von Patienten erwiesen, dass Impfstoffe zur Therapie von Krebserkrankungen wirksam sein können. Sipuleucel-T führt in der Gruppe der behandelten Patienten aber nicht zu einer kompletten Heilung von Tumorleiden, sondern verlängert das Überleben der Patienten im Schnitt um etwa 4,5 Monate gegenüber der Standardtherapie. Das Beispiel Sipulecucel-T zeigt, dass diese Wirksamkeit nur durch kontrollierte klinische Studien mit einer großen Zahl von Patienten gezeigt werden kann.

Wie oben dargelegt, befindet sich die Therapie mit Tumorimpfstoffen und dendritischen Zellen in der wissenschaftlichen Entwicklung. Die aktuellen Therapieergebnisse sprechen gegen einen Einsatz außerhalb von wissenschaftlichen Studien. Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass negative Auswirkungen auf den Patienten und die Tumorerkrankung auftreten. Auch die Behandlung von Patienten mit fortgeschrittenen Tumorerkrankungen außerhalb klinischer Studien stellt keine von der Deutschen Krebsgesellschaft empfohlene Therapie dar. Die Deutsche Krebsgesellschaft empfiehlt die Behandlung von Patienten mit Tumorimpfstoffen und dendritischen Zellen nur innerhalb klinischer Studien. Sie fordert alle Ärzte auf, ihre Patienten von Therapieangeboten außerhalb von Studien auf privater Zahlungsbasis abzuraten und Patienten mit Informationsbedarf an ein entsprechendes Forschungs- und Studienzentrum zu verweisen. ‘ Zur Vergleichbarkeit von Studien und Studienergebnisse zwischen verschiedenen Krebserkrankungen verweist der Senat auf die Entscheidung des Verwaltungsgerichts Minden (Urteil vom 9. Februar 2010, - 4 K 1715/08). Das Verwaltungsgericht hat in dem dort entschiedenen Fall eines an Prostatakrebs Erkrankten die Anwendung der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts auch im Hinblick auf die oben zitierten Ergebnisse einer Therapie mit dendritischen Zellen bei Prostatakarzinom abgelehnt, weil der dortige Kläger nicht an dem hormonrefraktärer Prostatakarzinom, über das die Studie erfolgte, erkrankt war, sondern an einen hormonabhängigen Prostatakarzinom."

Die Überlegungen des Landessozialgerichts Schleswig-Holstein seien auf den vorliegenden Fall übertragbar. Zwar leide die Antragstellerin an einem Karzinom. Hinsichtlich der Behandlung mit dendritischen Zellen in Verbindung mit Hyperthermie gebe es lediglich Indizien, die darauf hinwiesen, dass der Verlauf einer Krebserkrankung eines Prostatakarzinoms mit dieser Behandlungsmethode positiv beeinflusst werden könne. Ungeachtet der Nichtübertragbarkeit dieser Studie auf die Erkrankung der Antragstellerin, bieten diese Studien kein Indiz dafür, dass diese Behandlung kurative Erfolge zeitigen könnte. Es könne allenfalls eine Verlängerung des Überlebens erreicht werden. Dies könne vorliegend auch mit einer Standardtherapie erreicht werden. Hinsichtlich der Hyperthermie fehle es ebenfalls an Indizien für die Wirksamkeit für die vorgesehene Behandlung, denn so sie in klinischen Studien angewendet werde, geschehe dies immer in Kombination mit Chemotherapie oder Radiotherapie. Auch der MDK komme in seiner Stellungnahme vom 27. März 2012 nachvollziehbar zu dem Ergebnis, dass eine Behandlung mit einer dendritische Zelltherapie allenfalls in Rahmen von klinischen Studien begründet sei. Es gebe keine randomisierten Studien zur Evaluation von Tumorvakzinationstherapien bei Patienten mit Ovarialkarzinomen im Vergleich zu Standardtherapien. Auch aus den eingereichten Unterlagen ergebe sich insoweit kein Nachweis. Dies gelte auch für die Behandlung mit onkolytischen Viren. Hierzu verweise der behandelnde Arzt auf eine Studie von 14 Patienten, mit Glioblastoma multiforme. Auch hier gebe es keine Begründung zur Übertragung der Studienergebnisse auf das Ovarialkarzinom. Offen bleiben könne, ob eine Übertragung der Studienergebnisse überhaupt geeignet wäre, für die vorliegend angestrebte Kombinationsbehandlung. Allein der Umstand, dass auf diesem Gebiet geforscht werde, lasse die Anforderungen gemäß § 2 Abs. 1a SGB V nicht entfallen, einen Nachweis für die Wirksamkeit der beabsichtigten Behandlung zu fordern. Somit könne offen gelassen werden, ob der behandelnde Arzt die notwendige Fachkunde für die onkologische Behandlung mitbringe.

Gegen den am 27. April 2012 zugestellten Beschluss hat die Antragstellerin am 16. Mai 2012 Beschwerde eingelegt.

Zur Begründung führt die Antragstellerin aus, es sei kein palliativer sondern eine kurativer Behandlungserfolg angestrebt. Dem folgend könnte ihr keine schulmedizinischen palliativen Behandlungsmethoden entgegengehalten werden. Auch sei im Rahmen der Prüfung eines Anordnungsanspruchs nicht auf einen Erfolg in der Hauptsache abzustellen. Angesichts ihrer lebensbedrohlichen Erkrankung sei eine Güterabwägung vorzunehmen. Dies sei interessengerecht, da die Antragsgegnerin lediglich ein Kostenrisiko trage, dass nach abschließender Klärung des Hauptsacheverfahrens ausgeglichen werden könne. Auch sei mit dem Bundesverfassungsgericht weder eine überwiegende noch eine Wahrscheinlichkeit für die Wirksamkeit der streitigen Behandlungsmethode zu fordern. Es genüge ein Indiz dafür, dass eine nicht ganz entfernt liegende Aussicht darauf bestehe, das Fortschreiten der Krankheit aufzuhalten oder Komplikationen zu verhindern. Auch nach dem Urteil des Landessozialgerichts Schleswig-Holstein sei davon auszugehen, dass eine positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf nicht ganz entfernt liege.

Die Antragstellerin beantragt,

den Beschluss des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 24. April 2012 aufzuheben und die Antragsgegnerin zu verpflichten, die Kosten ihrer Behandlung durch den Arzt QQ. mit dendristischen Zellen, onkolytischen Viren und supportiver Hyperthermie auf der Grundlage des Behandlungsplanes vom 8. März 2012 zu übernehmen.

Die Antragsgegnerin beantragt,

Die Beschwerde zurückzuweisen.

Sie ist der Auffassung, das Sozialgericht habe mit dem angefochtenen Beschluss zutreffend entschieden.

Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird ergänzend auf die Verwaltungsakte der Antragsgegnerin und die Gerichtsakte verwiesen, die Gegenstand der Beratung des Senats gewesen sind.

II.

Die form- und fristgerecht eingelegte Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Sozialgerichts ist zulässig, §§ 172, 173 Sozialgerichtsgesetz (SGG).

Die Beschwerde ist jedoch unbegründet.

Der angefochtene Beschluss des Sozialgerichts war zu bestätigen. Eine Verpflichtung der Antragsgegnerin zur Übernahme der Kosten einer Behandlung der Antragstellerin durch den Arzt QQ. mit dendristischen Zellen, onkolytischen Viren und supportiver Hyperthermie auf der Grundlage des Behandlungsplanes vom 8. März 2012 war nicht anzuordnen.

Nach § 86b Abs. 2 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) kann das Gericht in der Hauptsache auf Antrag eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte (Sicherungsanordnung). Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint (§ 86b Abs. 2 Satz 2 SGG). Eine solche Regelungsanordnung setzt das Bestehen eines Anordnungsanspruchs und eines Anordnungsgrundes voraus, Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund sind glaubhaft zu machen (§ 86b Abs. 2 Satz 4 SGG i.V.m. § 920 Abs. 2 Zivilprozessordnung).

Die vorliegend in Betracht kommende Regelungsanordnung konnte nicht angeordnet werden. Vorliegend ist zwar der Anordnungsgrund glaubhaft gemacht, es fehlt jedoch die Glaubhaftmachung eines Anordnungsanspruchs.

Der glaubhafte Anordnungsgrund ergibt sich bereits aus der vorgelegten Stellungnahme des MDK vom 27. März 2012, indem anhand des Krankheitsverlaufs der Antragstellerin seit 2009 und des CT-Befundes vom 7. März 2012 und des Sonographie-Befundes vom 14. März 2012 eine lebensbedrohliche Erkrankungssituation festgestellt wurde.

Jedoch ist vorliegend der Anordnungsanspruch nicht glaubhaft gemacht. Nach dem Ergebnis der Würdigung aller vorliegenden Unterlagen besitzt die Antragstellerin gegen die Antragsgegnerin gemäß § 27 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 und 3 SGB V keinen Anspruch auf eine Behandlung durch den Arzt QQ. mit dendristischen Zellen, onkolytischen Viren und supportiver Hyperthermie auf der Grundlage des Behandlungsplanes vom 8. März 2012. Denn weder diese Kombinationstherapien noch deren einzelnen Bestandteile sind Inhalt des Leistungskatalogs der GKV. Darüber hinaus hat der Gemeinsame Bundesausschuss bislang keine Empfehlung gemäß § 135 Abs. 1 SGB V dazu ausgesprochen.

Der Senat macht sich insoweit die zutreffende, widerspruchsfreie und ausführliche Begründung des erstinstanzlichen Urteils zu Eigen und weist die Berufung aus den dort niedergelegten Entscheidungsgründen zurück. Er sieht angesichts dessen und um Wiederholungen zu vermeiden, von einer erneuten Darstellung der Entscheidungsgründe insoweit ab (§ 153 Abs. 2 SGG).

Auch besitzt die Antragstellerin nach § 2 Abs. 1a Satz 1 SGB V in der ab 1. Januar 2012 geltenden Fassung (BGBl. 2011 I S. 2983) nicht den geltend gemachten Anspruch. Danach können Versicherte mit einer lebensbedrohlichen oder regelmäßig tödlichen Erkrankung oder mit einer zumindest wertungsmäßig vergleichbaren Erkrankung, für die eine allgemein anerkannte, dem medizinischen Standard entsprechende Leistung nicht zur Verfügung steht, auch eine von Absatz 1 Satz 3 abweichende Leistung beanspruchen, wenn eine nicht ganz entfernt liegende Aussicht auf Heilung oder auf eine spürbare positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf besteht. Nach der Gesetzesbegründung (BR-Drs. 456/11, S. 83) stellt diese Norm eine Klarstellung zum Geltungsbereich des Beschlusses des Bundesverfassungsgerichts vom 6. Dezember 2005 (1 BvR 347/98, veröff. in Juris, so genannter Nikolaus Beschluss) für das Leistungsrecht der GKV dar (so auch: Plagemann in jurisPK-SGB V, § 2 SGB V, Rdnr. 53). Das Bundesverfassungsgericht hat in dieser Entscheidung eine Ausnahme von dem Grundsatz, dass aus dem Grundgesetz keine konkreten krankenversicherungsrechtlichen Leistungsansprüche hergeleitet werden können, nur für lebensbedrohliche oder regelmäßig tödlich verlaufende Erkrankungen gemacht, für die eine allgemein anerkannte, medizinischem Standard entsprechende Behandlung nicht zur Verfügung steht.

Diese Konstellation ist im Fall der Antragstellerin jedoch nicht glaubhaft gemacht. Denn - wie das Sozialgericht zutreffend ausgeführt hat - bestehen nach der Stellungnahme des MDK vom 27. März 2012 auch im Hinblick darauf, dass die Standardtherapie in Tumorstadium der Antragstellerin (FIGO III) mit Paclitaxel und Carboplatin nicht zum erhofften und gewünschten Erfolg geführt haben, sondern nunmehr anhand der Untersuchungen am 7. und 14. März 2012 im Gemeinschaftskrankenhaus WW. ein neuer krankhafter Prozess im Rahmen ihrer Tumorerkrankung festgestellt wurde, durchaus Behandlungsmöglichkeiten der so genannten Zweitlinien- bzw. Drittlinien-Behandlung.

Auch ist insoweit auf die zutreffende, widerspruchsfreie und ausführliche Begründung des erstinstanzlichen Beschlusses zur Vermeidung von Wiederholungen zu verweisen.

Dem kann die Antragstellerin nicht mit Erfolg entgegenhalten, dass im Rahmen der begehrten Immuntherapie nicht ein palliativer, sondern ein kurative Behandlungserfolg angestrebt werde. Denn im Hinblick auf die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (Beschluss vom 6. Dezember 2005, Az. 1 BvR 347/98, veröff. in Juris) ist auf das Vorliegen einer schulmedizinischen Behandlungsmethode abzustellen, unabhängig davon, ob mit dieser eine palliative oder kurative Wirkung erzielt werden kann. Dies erscheint in Anbetracht dessen, dass ein Anspruch nach § 2 Abs. 1a SGB V nur im Falle der extremen Situation einer lebensbedrohlichen oder gleichwertigen Situation in Betracht kommt nicht unangemessen. Auch ist nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts die gesetzliche Krankenversicherung nicht von Verfassungs wegen gehalten, alles zu leisten, was an Mitteln zur Erhaltung oder Wiederherstellung der Gesundheit zur Verfügung steht (Beschluss vom 6. Dezember 2005, Az. 1 BvR 347/98, veröff. in Juris).

Dem folgend konnte der Senat offen lassen, ob entsprechend der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts "eine nicht ganz entfernt liegende Aussicht auf Heilung“ des Krankheitsbild des Antragstellerin durch die angestrebten Immuntherapie entsprechend dem Behandlungsplan des Arztes QQ. vom 8. März 2012 besteht.

Auch ist insoweit auf die zutreffende, widerspruchsfreie und ausführliche Begründung des erstinstanzlichen Beschlusses zur Vermeidung von Wiederholungen zu verweisen.

Dem kann die Antragstellerin nicht mit Erfolg entgegenhalten, dass im Rahmen der begehrten Mischtherapie nicht ein palliativer, sondern ein kurativer Behandlungserfolg angestrebt werde. Denn der Senat geht ebenso wie das Sozialgericht gestützt auf die ausführliche und nachvollziehbar unter Angabe vieler Belegstellen aus den medizinischen Datenbanken begründete Beurteilung in dem sozialmedizinischen Gutachten des MDK vom 27. März 2012 davon aus, dass das Therapiekonzept des Arztes QQ. keinerlei Aussicht auf Erfolg bietet, den behaupteten kurativen Effekt zu erzielen und damit auch eine nicht ganz entfernt liegende Aussicht auf Heileffekte ausscheidet.

Das Behandlungskonzept des Arztes QQ., das auf den Einsatz dendritischer Zellen, onkolytischer Viren und supportiver Hyperthermie ausweislich des Behandlungsplanes vom 8. März 2012 beruht, stellt eine medizinische Vorgehensweise dar, welche weitgehend experimentellen Charakter hat. In der MDK–Stellungnahme vom 27. März 2012 wird mit entsprechenden Belegen ausgeführt, sowohl bei den einzelnen Behandlungselementen als auch bei deren gemeinsamen Einsatz nach dem beschriebenen Gesamttherapiekonzept handele es sich um Verfahren, die sich noch absolut in der wissenschaftlichen Entwicklung befänden. Hierfür sprechen auch die Ausführungen des Landessozialgerichts Schleswig-Holstein in dessen Urteil vom 12. Januar 2012 (Az. L 5 KR 49/10, Rdnr. 36 f., zitiert nach Juris), wonach die Behandlung von Patienten mit fortgeschrittenen Tumorerkrankungen nach derartigen Therapiekonzepten außerhalb klinischer Studien keine von der Deutschen Krebsgesellschaft empfohlene Therapie darstelle. Die Deutsche Krebsgesellschaft empfiehlt nämlich die Behandlung von Patienten mit Tumorimpfstoffen und dendritischen Zellen nur innerhalb klinischer Studien. Sie fordert alle Ärzte auf, ihren Patienten von Therapieangeboten außerhalb von Studien auf privater Zahlungsbasis abzuraten und Patienten mit Informationsbedarf an ein entsprechendes Forschungs- und Studienzentrum zu verweisen.

Bei dieser Sachlage sieht der Senat es auch nicht im Rahmen einer Folgenabwägung als angezeigt an, die Krankenkasse der Antragstellerin zur Übernahme der Behandlungskosten der streitigen Therapie durch den Arzt QQ. entsprechend dessen Behandlungsplan vom 8. März 2012 zu verpflichten.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Der Beschluss ist gemäß § 177 SGG unanfechtbar.

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