Das Rechtsschutzbedürfnis für einen Hauptsacheantrag auf Übertragung der elterlichen Sorge nach § 1671 BGB entfällt nicht, wenn bereits eine dem Hauptsacheantrag entsprechende einstweilige Anordnung vorliegt.
(Leitsätze: die Mitglieder des 7. Zivilsenats)
1. Auf die sofortige Beschwerde des Antragstellers wird der Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Neustadt a.d.Aisch vom 5. Mai 2010 aufgehoben und die Sache an das Amtsgericht Neustadt a.d.Aisch zur erneuten Verbescheidung zurückverwiesen.
2. Der Antrag des Antragstellers, ihm Verfahrenskostenhilfe fu?r das Beschwerdeverfahren zu bewilligen, wird zuru?ckgewiesen.
I.
Der Antragsteller und die Antragsgegnerin schlossen am 27. Dezember 2000 die Ehe. Aus dieser sind drei Kinder hervorgegangen: nämlich die am 1. November 2001 geborene ..., der am 20. März 2003 geborene ... und der am 3. Mai 2005 geborene ... . Die Ehe des Antragstellers und der Antragsgegnerin wurde unter Beibehaltung der gemeinsamen elterlichen Sorge im Verfahren 1 F 110/08 vom Amtsgericht Ansbach geschieden. Die Kinder verblieben zunächst bei der Antragsgegnerin, wurden jedoch am 15. Dezember 2009, da die Antragsgegnerin diese vernachlässigte, vom Jugendamt in Obhut genommen und zum Antragsteller gebracht, wo sie sich seither aufhalten. Auf Antrag des Antragstellers übertrug das Amtsgericht Ansbach im Verfahren 1 F 13/10 mit Beschluss vom 28. Januar 2010 die elterliche Sorge im Wege der einstweiligen Anordnung gemäß § 1671 Abs. 2 Nr. 2 BGB vollumfänglich auf den Antragsteller.
Mit Schriftsatz vom 27. April 2010, der zwei Tage später beim nunmehr zuständigen Amtsgericht Neustadt a.d.Aisch eingegangen ist, hat der Antragsteller ein der einstweiligen Anordnung entsprechendes Hauptsacheverfahren eingeleitet und beantragt, ihm hierfu?r Verfahrenskostenhilfe unter Beiordnung seiner Verfahrensbevollmächtigten zu bewilligen. Dieses Verfahrenskostenhilfegesuch hat das Amtsgericht Neustadt a.d.Aisch ohne vorherige Anhörung der Antragsgegnerin mit Beschluss vom 5. Mai 2010 zurückgewiesen. Zur Begründung hat das Amtsgericht ausgefu?hrt, da der Antragsteller im Hauptsacheverfahren nur das begehre, was ihm bereits im einstweiligen Anordnungsverfahren zugesprochen worden sei, fehle der Hauptsacheklage das Rechtsschutzbedu?rfnis.
Gegen diesen Beschluss, der der Verfahrensbevollmächtigten des Antragstellers am 11. Mai 2010 zugestellt worden ist, hat der Antragsteller mit Schriftsatz seiner Verfahrensbevollmächtigten vom 17. Mai 2010, der zwei Tage später beim Amtsgericht Neustadt a.d.Aisch eingegangen ist, sofortige Beschwerde einlegen lassen mit der Begru?ndung, dem einstweiligen Anordnungsverfahren komme aufgrund der verfahrensrechtlichen Gestaltung eine wesentlich geringere Richtigkeitsgewähr zu, sodass für ein Hauptsacheverfahren nicht das Rechtsschutzbedu?rfnis fehle, wenn vorher bereits eine entsprechende einstweilige Anordnung erlassen worden sei.
Das Amtsgericht hat der sofortigen Beschwerde nicht abgeholfen, sondern diese gemäß Beschluss vom 19. Mai 2010 dem Oberlandesgericht Nu?rnberg zur Entscheidung vorgelegt.
II.
Die sofortige Beschwerde des Antragstellers ist statthaft und zulässig (§ 76 Abs. 2 FamFG, § 127 Abs. 2, § 569 Abs. 2 ZPO). In der Sache fu?hrt sie zur Aufhebung des angefochtenen Beschlusses und zur Zuru?ckverweisung der Angelegenheit an das Amtsgericht Neustadt a.d.Aisch.
1.
Das Amtsgericht hat den Verfahrenskostenhilfeantrag mit der Begru?ndung zurückgewiesen, fu?r das Hauptsachverfahren fehle es nach der neuen Rechtslage am Rechtsschutzbedürfnis, da bereits eine einstweilige Anordnung vorliege, die dem Antragsteller die elterliche Sorge fu?r die gemeinsamen drei Kinder zuspreche. Der Senat folgt dieser Meinung nicht.
Nach der seit 1. September 2009 geltenden gesetzlichen Regelung ist das einstweilige Anordnungsverfahren als eigenständiges, vom Hauptsacheverfahren abgekoppeltes Verfahren ausgestaltet. Dieser Umstand genu?gt jedoch nicht, um nunmehr im Sorgerechtsverfahren das Rechtsschutzbedu?rfnis für ein Hauptsacheverfahren zu verneinen, wenn bereits eine dem im Hauptsacheverfahren gestellten Antrag entsprechende einstweilige Anordnung vorliegt.
Bietet das Gesetz fu?r eine Rechtsverfolgung mehrere prozessuale Möglichkeiten, ist grundsätzlich ein Nebeneinander der Rechtsbehelfe mit einer Wahlfreiheit des Rechtssuchenden gewollt. Einschränkungen unter dem Gesichtspunkt des Rechtsschutzbedu?rfnisses kommen dabei nur in Betracht, wenn sich die verschiedenen Verfahren nach Einfachheit, Schnelligkeit und Kostenaufwand eindeutig unterscheiden, zugleich aber die Verfahrensergebnisse im Wesentlichen gleichwertig sind (BGH FamRZ 1982, 788; OLG Frankfurt NJW-RR 2008,779). Diese Voraussetzungen sind hier nicht erfu?llt. Zumindest die Ergebnisse der beiden Verfahren sind nicht gleichwertig.
Die einstweilige Anordnung stellt auch nach der neuen Rechtslage lediglich eine vorläufige Maßnahme dar (§ 49 Abs. 1 FamFG), die im Rahmen eines summarischen Verfahrens getroffen wird (OLG Hamm FamRZ 2010,825; Keidel-Giers, FamFG, 16. Aufl., § 49 Rn 15). Dementsprechend muss auch dem Antragsteller die Möglichkeit eröffnet bleiben, zur endgu?ltigen Klärung der Angelegenheit ein Hauptsacheverfahren durchzufu?hren. Entscheidend in diesem Zusammenhang ist jedoch, dass nach wie vor einer einstweiligen Anordnung nicht dieselbe Bestandskraft zukommt wie einer im Hauptsacheverfahren ergangenen Entscheidung. Auch das neue Gesetz lässt im einstweiligen Anordnungsverfahren eine erleichterte Aufhebung oder Änderung der ergangenen Entscheidung auf Antrag hin zu (§ 54 FamFG), wobei dies nicht erst möglich ist, wenn eine Änderung der Sach- und Rechtslage eingetreten ist. Aufgrund des summarischen Charakters des einstweiligen Anordnungsverfahrens kann im Abänderungsverfahren vielmehr eine allumfassende Überprüfung der Erstentscheidung vorgenommen werden (Musielak/Borth, FamFG, 1. Aufl., § 54, Rn 1,6). Wird hingegen im Hauptsacheverfahren eine Sorgerechtsregelung nach § 1671 BGB getroffen, ist eine Abänderung nur nach § 1696 Abs. 1 BGB möglich, also nur dann, wenn dies aus triftigen, das Wohl des Kindes nachhaltig beru?hrenden Gru?nden angezeigt ist. Der Hauptsacheentscheidung kommt somit ein größeres Gewicht zu, weil diese nicht nur in einem summarischen Verfahren, sondern nach eingehender Ermittlung der materiellen Voraussetzungen getroffen wird, und weil diese nicht beliebig nachträglich abänderbar ist.
Das Amtsgericht verweist im Nichtabhilfebeschluss vom 19. Mai 2010 zur Begru?ndung seiner Ansicht auf die Kommentierung von Giers in Keidel, FamFG, 16. Auflage, § 52 Rn 4. Dort wird ausgefu?hrt, dass fu?r eine Antragstellung nach § 52 FamFG auf Einleitung eines Hauptsacheverfahrens erforderlich ist, dass der Beteiligte, der einen Antrag nach § 52 FamFG auf Einleitung eines Hauptsacheverfahrens stellt, durch die einstweilige Anordnung beschwert ist. Hieraus folgert das Amtsgericht wohl, dass der Antragsteller, nachdem seinem Antrag mit Erfass der einstweiligen Anordnung entsprochen worden ist, durch diese nicht beschwert ist und somit kein Hauptsacheverfahren einleiten kann. Dies ist unzutreffend, da § 52 FamFG lediglich fu?r den durch die einstweilige Anordnung beschwerten Antragsgegner die Möglichkeit eröffnet, das Hauptsacheverfahren einzuleiten, jedoch nicht das Recht des Antragstellers einschränkt, jederzeit auch ohne gerichtliche Anordnung das Hauptsacheverfahren einzuleiten (Mu?Ko-ZPO/Soyka, 3. Aufl., § 52 Rn 1). Dies entspricht auch dem Willen des Gesetzgebers. Aus der Gesetzesbegru?ndung ergibt sich, dass mit § 52 FamFG lediglich sichergestellt werden soll, dass derjenige, der durch die einstweilige Anordnung in seinen Rechten beeinträchtigt ist, in die Lage versetzt wird, ein Hauptsacheverfahren durchzufu?hren (vgl. Deutscher Bundestag Drucksache 16/6308, Seite 201).
Auch das vom Amtsgericht angefu?hrte weitere Argument, dass ein Hauptsacheverfahren in aller Regel u?berflu?ssig ist, wenn alle Beteiligten mit der erlassenen einstweiligen Regelung zufrieden sind, rechtfertigt keine andere Entscheidung; denn der Antragsteller ist eben mit der im einstweiligen Anordnungsverfahren erlassenen Entscheidung gerade nicht zufrieden. Er strebt vielmehr aus - wie oben dargelegt wurde - nachvollziehbaren Gru?nden eine sicherere Rechtsposition an.
2.
Da Verfahrenskostenhilfe bei einem Antragsverfahren grundsätzlich erst dann bewilligt werden kann, wenn der Antragsgegner Gelegenheit hatte, zu dem Verfahrenskostenhilfegesuch Stellung zu nehmen, und im vorliegenden Fall der Antragsgegnerin bisher nur der angefochtene Beschluss und die Nichtabhilfeentscheidung übermittelt worden ist, nicht aber der Antragsschriftsatz vom 27. Apnl 2010, kann derzeit noch nicht u?ber den Verfahrenskostenhilfeantrag entschieden werden. Es ist daher sachdienlich, den angefochtenen Beschluss aufzuheben und die Sache zur erneuten Verbescheidung an das Amtsgericht zuru?ckzuverweisen (Zöller-Philippi, ZPO, 28. Aufl., § 127 Rn 38). Der Zuru?ckverweisung steht § 69 Abs. 1 S. 2, 3 FamFG nicht entgegen, da diese Vorschrift auf das Beschwerdeverfahren im Rahmen des Verfahrenskostenhilfeverfahrens nicht zur Anwendung kommt. Das Beschwerdeverfahren richtet sich im Verfahrenskostenhilfeverfahren nicht nach § 58ff FamFG, sondern, wie sich aus § 76 Abs. 2 FamFG ergibt, ausschließlich nach der Zivilprozessordnung.
3.
Für das Beschwerdeverfahren kann dem Antragsteller Verfahrenskostenhilfe nicht bewilligt werden, weil Verfahrenskostenhilfe weder fu?r das Verfahrenskostenhilfeverfahren noch für das Verfahrenskostenhilfebeschwerdeverfahren gewährt werden kann (Zöller-Geimer, ZPO, 28. Auflage, § 114 Rn 3 m.w.N.).
Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst (§ 76 Abs. 2 FamFG, § 127 Abs.4 ZPO, Nr. 1912 KV FamGKG).
Die Voraussetzungen für die Zulassung der Rechtsbeschwerde liegen nicht vor.
Ein Rechtsmittel gegen diese Entscheidung ist nicht gegeben.