OLG Nürnberg, Beschluss vom 06.05.2010 - 7 WF 598/10
Fundstelle
openJur 2010, 591
  • Rkr:
Verfahrensgang
  • vorher: Az. 1 F 14/10

Der Verfahrenswert in Versorgungsausgleichssachen ist nur dann mit 20 Prozent des dreifachen Nettoeinkommens der Parteien je Anrecht anzusetzen, wenn der Versorgungsausgleich nach § 20 bis § 27 VersAusglG durchgeführt wird, nicht aber auch dann, wenn ein Ausgleich auf der Grundlage von § 1 bis § 19 VersAusglG zeitlich nach der Scheidung erfolgt.

(Leitsätze: die Mitglieder des 7. Zivilsenats)

Tenor

Die Beschwerde der Rechtsanwältin ... gegen die Entscheidung zum Verfahrenswert unter Nr. 2. des Endbeschlusses des Amtsgerichts - Familiengericht - Neustadt a. d. Aisch vom 06.04.2010 wird verworfen.

Gründe

I.

Mit einem beim Amtsgericht Neustadt a. d. Aisch im August 1998 eingegangenen Schriftsatz hatte die Antragstellerin die Scheidung ihrer Ehe mit dem Antragsgegner beantragt.

Am 23.11.1999 hat das Amtsgericht - Familiengericht - Neustadt a. d. Aisch in dem unter dem Az. 1 F 280/98 geführten Scheidungsverfahren das Verfahren u?ber den Versorgungsausgleich gemäß § 2 Abs. 2 Satz 1 VAÜG i. V. mit § 628 Abs. 1 ZPO ausgesetzt und die aktenmäßige Abtrennung der Folgesache Versorgungsausgleich angeordnet.

Mit Endurteil vom 23.11.1999 (rechtskräftig seit 30.11.1999) wurde die Ehe der Parteien geschieden und in einem Beschluss vom selben Tag der Streitwert für das Verfahren gemäß § 12 Abs. 2 Satz 4 GKG" auf 4.000,- DM festgesetzt.

Im Januar 2010 hat das Amtsgericht - Familiengericht - Neustadt a. d. Aisch das ausgesetzte Verfahren zum Versorgungsausgleich wieder aufgenommen und nach Ermittlung der für den Versorgungsausgleich auf der Grundlage des Rechtes nach dem 1.9.2009 erforderlichen Werte der Ehezeitanteile der Versorgungungsanrechte der Parteien mit Endbeschluss vom 6.4.2010 entschieden wie folgt:

1. Der Ausgleich des Anrechts der Antragstellerin bei der Deutschen Rentenversicherung Nordbayern in Höhe von 0,0421 Entgeltpunkten unterbleibt.
Der Ausgleich des Anrechts der Antragstellerin bei der Deutschen Rentenversicherung Nordbayern in Höhe von 5,5537 Entgeltpunkten (Ost) unterbleibt.
Der Ausgleich des Anrechts des Antragsgegners bei der Deutschen Rentenversicherung Mitteldeutschland in Höhe von 0,0031 Entgeltpunkten unterbleibt.
Der Ausgleich des Anrechts des Antragsgegners bei der Deutschen Rentenversicherung Mitteldeutschland in Höhe von 5,6434 Entgeltpunkten (Ost) unterbleibt.
2. Der Verfahrenswert wird auf 1.000.00 € festgesetzt.
3. Die Kosten des Verfahrens werden gegeneinander aufgehoben.

Der Beschluss wurde der Bevollmächtigten der Antragstellerin, Rechtsanwältin W.. am 8.4.2010 zugestellt. Mt einem am 30.4.2010 eingegangenen Schriftsatz vom 27.4.2010 hat Rechtsanwältin W... Beschwerde gegen die Festsetzung des Verfahrenswertes unter Nr. 2. des Beschlusses vom 6.4.2010 eingelegt und beantragt, den Verfahrenswert auf 1.636,13 € festzusetzen.

Zur Begru?ndung des Rechtsmittels ist vorgetragen, dass der Verfahrenswert im vorliegenden Fall nach § 50 Abs. 1 FamGKG bei Ausgleichsanspru?chen nach der Scheidung für jedes Anrecht mit 20 % des in drei Monaten erzielten Nettoeinkommens der Ehegatten anzusetzen sei.

Wenn das Amtsgericht im Scheidungsverfahren im Beschluss vom 23.11.1999 den Streitwert auf 4.000,-- DM festgesetzt habe, so entspreche dieser Betrag dem Nettoeinkommen der Ehegatten in drei Monaten. Da in den Versorgungsausgleich vier Anrechte einzubeziehen waren, errechne sich der Verfahrenswert mit 80 % von 4.000,-- DM, also 2.045,17 € und damit mit 1.636,14 €.

Mit Beschluss vom 3.5.2010 hat das Amtsgericht - Familiengericht - Neustadt a. d. Aisch der sofortigen Beschwerde der Antragstellervertreterin gegen den Verfahrenswertbeschluss nicht abgeholfen.

II.

Jedenfalls deshalb, weil das Verfahren u?ber den Versorgungsausgleich am 1.9.2009 vom Scheidungsverfahren abgetrennt und ausgesetzt war, sind gemäß § 111 Abs. 3, 4 FGG-RG für die Festsetzung des Verfahrenswertes und für dieses Beschwerdeverfahren die nach dem Inkrafttreten des FGG-Reformgesetzes am 1.9.2009 maßgeblichen Vorschriften und damit diejenigen des FamGKG anzuwenden.

Nach § 59 Abs. 1 Satz 1 FamGKG findet gegen den Beschluss des Familiengerichts, durch den der Verfahrenswert festgesetzt worden ist, die Beschwerde statt, wenn der Wert des Beschwerdegegenstands 200,-- € u?bersteigt.

Der Wert des Beschwerdegegenstands fu?r die durch eine (geltend gemachte) zu niedrige Festsetzung des Verfahrenswerts beschwerte Bevollmächtigte der Antragstellerin ist mit der Differenz der Gebühren zu bemessen, die dieser bei Zugrundelegung des geltend gemachten Verfahrenswertes von 1.636,-- € einerseits und des festgesetzten Verfahrenswertes von 1.000,- € andererseits zustehen. Nach der Anlage 2 zum RVG betragt die Gebühr aus einem Verfahrenswert von 901,-- € bis 1.200,-- € 85,-- € und aus einem Verfahrenswert von 1.501,-- € bis 2.000,-- € 133,- €. Da im vorliegenden Verfahren kein Termin stattgefunden hat, du?rfte nur eine 1,3 Verfahrensgebühr angefallen sein. Da diese sich bei dem geltend gemachten Verfahrenswert auf (133,-- € x 1,3 = 172,09 € x 119 % =) 205,75 € und bei dem festgesetzten Streitwert auf (85,- € x 1,3 = 110,05 € x 119 % =) 131,50 € beläuft, ist der erforderliche Beschwerdewert nicht erreicht.

Da das Familiengericht die Beschwerde auch nicht wegen der grundsätzlichen Bedeutung der zur Entscheidung stehenden Frage in dem angefochtenen Beschluss zugelassen hat (vgl. § 59 Abs. 1 Satz 2 FamGKG), ist das Rechtsmittel bereits unzulässig.

Die Beschwerde wäre im Übrigen auch unbegru?ndet.

Nach § 50 Abs. 1 Satz 1 FamGKG beträgt der Verfahrenswert in Versorgungsausgleichssachen fu?r jedes Anrecht 10 %, bei Ausgleichsanspru?chen nach der Scheidung fu?r jedes Anrecht 20 % des in drei Monaten erzielten Nettoeinkommens der Ehegatten. Nach § 50 Abs. 1 Satz 2 beträgt der Wert jedoch insgesamt mindestens 1.000,-- €.

Mit dem Begriff der "Ausgleichsanspru?che nach der Scheidung", bei deren Beurteilung 20 % des dreifachen Nettoeinkommens als Verfahrenswert anzusetzen sind, bezieht sich § 50 Abs. 1 Satz 1 FamGKG ersichtlich auf die in Teil 1, Kapitel 2, Abschnitt 3, d. h. in den §§ 20 bis 26 des Versorgungsausgleichsgesetzes unter der Überschrift "Ausgleichsanspru?che nach der Scheidung" (vgl. dazu auch § 19 Abs. 4 Versorgungsausgleichsgesetz) behandelten Ausgleichsansprüche, insbesondere also auf die Regelung einer schuldrechtlichen Ausgleichsrente, nicht aber, wie die Beschwerdefu?hrerin offensichtlich meint, auf eine - wie im vorliegenden Fall - zeitlich der Scheidung nachfolgende Regelung des Versorgungsausgleichs (vgl. dazu etwa auch Borth, Versorgungsausgleich, 5. Aufl., S. 534, Meyer, Gerichtskosten der streitigen Gerichtsbarkeiten und des Familienverfahrens, 11. Aufl., § 50 FamGKG, RdNr. 2, Binz/Dorndörfer/Petzold/Zimmermann, Gerichtskostengesetz, 2. Aufl. 2009, § 50 FamGKG, RdNr. 2; unklar und möglicherweise a.A. insoweit Krause, FamRB 2009, 321, 322, und FamRB 2010, 29, 30).

Damit wäre im vorliegenden Fall nach § 50 Abs. 1 Satz 1 für jedes der vier in der Entscheidung zum Versorgungsausgleich beru?cksichtigten Anrechte 0 % des in drei Monaten erzielten Nettoeinkommens der Parteien anzusetzen. Dies ergäbe, wenn man mit der Beschwerdefu?hrerin im Anschluss an die Festsetzung des Streitwerts im Scheidungsverfahren von einem in drei Monaten erzielten Nettoeinkommen von 4.000,-- DM = 2.045,-- € ausgeht, mit 40 % von 2.045,- € (= 818,-- €) einen unter 1.000,-- € liegenden Wert. Damit ist zu Recht der in § 50 Abs. 1 Satz 2 FamGKG festgelegte Mindestverfahrenswert von 1.000,00 € angesetzt worden.

Eine Kostenerstattung ist nicht erforderlich, da das Beschwerdeverfahren gemäß § 59 Abs. 3 FamGKG gebu?hrenfrei ist und Kosten nicht erstattet werden.

Die getroffene Entscheidung ist nach § 59 Abs. 1 Satz 5 i. V mit § 57 Abs. 7 FamGKG nicht anfechtbar.