VG Augsburg, Beschluss vom 24.07.2012 - Au 6 S 12.861
Fundstelle
openJur 2012, 123441
  • Rkr:
Tenor

I. Die Anträge werden abgelehnt.

II. Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens.

III. Der Streitwert wird auf 7.500,00 EUR festgesetzt.

Gründe

I.

Die Antragstellerin begehrt im Grunde die Verhinderung der Übereignung der Fl.Nr. … an die Beigeladenen zu 1 bis 4 bzw. die Rückübereignung der Grundstücksfläche Fl.Nr. … der Gemarkung … vom Beigeladenen zu 5 an die Antragsgegnerin. Diese Grundstücksflächen sind Teile eines ausgebauten öffentlichen Feld- und Waldweges und Teil des Konzepts der Antragstellerin für die Erschließung der bereits planfestgestellten Deponie, das sie ihrem Antrag auf Planänderung vom 10. Februar 2012 bei der Regierung von … zugrunde gelegt hat. Mit Schreiben vom 9. November 2011 hat die Antragstellerin der Antragsgegnerin ein Erschließungsangebot über Ausbau und Nutzung des o.g. Feldweges unterbreitet, welches letztere jedoch nicht angenommen hat.

Mit Einziehungsverfügung vom 14. Mai 2012 hat die Antragsgegnerin die Einziehung der öffentlichen Feld- und Waldwege auf den Grundstücken Fl.Nrn. …, …, … und … (Teilfläche) der Gemarkung … verfügt. Die sofortige Vollziehung wurde nicht angeordnet. Dagegen hat die Antragstellerin Klage erhoben, über die noch nicht entschieden ist (Au 6 K 12.717). Bereits mit Notarvertrag vom 18. Januar 2012 hat die Antragsgegnerin das Grundstück Fl.Nr. … an den Beigeladenen zu 5 und Teilflächen aus der Fl.Nr. … an die Beigeladenen zu 1 und 2 sowie an die Beigeladenen zu 3 und 4 verkauft. Die Auflassungsvormerkung wurde am 24. Januar 2012 eingetragen. Mittlerweile ist der Beigeladene zu 5 bereits ins Grundbuch eingetragen. Hinsichtlich des Teilstücks der Fl.Nr. … liegen die Eintragungsanträge der Beigeladenen zu 1 bis 4 inzwischen dem Grundbuchamt vor.

Mit Schriftsätzen vom 27. Juni und 9. Juli 2012 beantragte die Antragstellerin,

1. gemäß § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO analog festzustellen, dass die von der Antragstellerin am 23. Mai 2012 gegen die Einziehungsverfügung der Antragsgegnerin vom 14. Mai 2012 erhobene Klage aufschiebende Wirkung hat;

2. gemäß § 80 Abs. 5 Satz 3 VwGO analog der Antragsgegnerin alle Maßnahmen und Erklärungen zu untersagen, die der weiteren Vollziehung der Einziehungsverfügung vom 14. Mai 2012 dienen, insbesondere

a) alle Maßnahmen und Erklärungen, die der Übertragung des Eigentums an dem Grundstück Fl.Nr. … der Gemarkung …, einschließlich der Teilungsvermessung und der Eintragung in das Grundbuch, dienen sowie

b) alle Maßnahmen und Erklärungen, die der Übertragung des Eigentums an dem Grundstück Fl.Nr. … der Gemarkung …, einschließlich der Teilungsvermessung und der Eintragung in das Grundbuch, dienen;

3. gemäß § 80 Abs. 5 Satz 3 VwGO analog anzuordnen, die Vollziehung der Einziehungsverfügung vom 14. Mai 2012 rückgängig zu machen, insbesondere

a) den Antrag auf Eintragung der Rechtsänderung an dem Grundstück Fl.Nr. … der Gemarkung … beim zuständigen Grundbuchamt zurückzunehmen oder, falls dies nicht oder nicht mehr möglich ist und die Eintragung vom Grundbuchamt vollzogen wird, alles Erforderliche zu tun, um das Eigentum an diesem Grundstück auf die Antragsgegnerin zurückzuübertragen;

b) den Antrag auf Eintragung der Rechtsänderung an dem Grundstück Fl.Nr. … der Gemarkung … beim zuständigen Grundbuchamt zurückzunehmen oder, falls dies nicht oder nicht mehr möglich ist und die Eintragung vom Grundbuchamt vollzogen wird, alles Erforderliche zu tun, um das Eigentum an diesem Grundstück auf die Antragsgegnerin zurückzuübertragen.

Die Einziehungsverfügung sei rechtswidrig und verletzte die Antragstellerin in ihren Rechten. In Fällen sog. „faktischer Vollziehung“, d.h. wenn Behörden bereits Vollzugsmaßnahmen getroffen hätten oder treffen würden, ohne dass die Voraussetzungen der sofortigen Vollziehung vorlägen oder wenn solche Maßnahmen drohten, könne das Gericht feststellen, dass der eingelegte Rechtsbehelf aufschiebende Wirkung habe. Eine Interessensabwägung finde insoweit nicht statt. Das Gericht könne auch gemäß § 80 Abs. 5 Satz 3 VwGO analog dem Hoheitsträger die weitere Vollziehung untersagen. Die weitere Vollziehung der Einziehungsverfügung durch Übertragung des Eigentums an den für die Erschließung der Deponie benötigten Wegegrundstücken sei auch gemäß Art. 14 Abs. 1 Satz 1 BayAbfG rechtswidrig. Denn mit Auslegung der Planunterlagen am 21. Mai 2012 sei eine Veränderungssperre eingetreten. Bei der Veräußerung und Übertragung der Wegegrundstücke an private Dritte handele es sich um eine faktische Vollziehung der Einziehung, weil sie darauf gerichtet sei, die Grundstücke wieder in den alleinigen Herrschaftsbereich des bürgerlichen Rechts zurückzuführen und die öffentlich-rechtliche Zweckbestimmung vollständig zu entziehen. Dabei sei der Antragstellerin bewusst, dass die Käufer die Grundstücke von der Antragsgegnerin mit allen Lasten und zur Benutzung zum vorgesehenen Zweck erworben hätten. Dies gelte auch für die Widmung der Straße als öffentlicher Feldweg, die als öffentlich-rechtliche Dienstbarkeit auf dem Grundstück laste. Aus diesem Grund seien den Grundstückseigentümern keine Handlungen möglich, die im Widerspruch zur Widmung stehen würden. Es sei allerdings völlig ungewiss, ob die Regierung von … gegenüber den privaten Grundstückseigentümern im Rahmen des derzeit anhängigen Verfahrens zur Ergänzung des Planfeststellungsbeschlusses hinsichtlich der Deponiezufahrt eine Regelung treffe, die den Abschluss eines Erschließungs- bzw. Ausbauvertrags entbehrlich mache. Eine solche Regelung hielte die Kammer jedenfalls hinsichtlich der Antragsgegnerin für möglich (vgl. VG Augsburg vom 28.3.2012 Az. Au 6 K 10.1740). Wenn die Regierung eine solche Regelung ablehne, wäre die Antragstellerin darauf angewiesen, mit jedem einzelnen Grundstückseigentümer eine privatrechtliche Vereinbarung über den Ausbau und die Benutzung des betreffenden Wegegrundstücks zu schließen. Notfalls müsste die Antragstellerin den Kontrahierungszwang auf dem Zivilrechtsweg durchsetzen. Es sei offensichtlich, dass die Antragsgegnerin beabsichtige, der Antragstellerin genau dieses Prozessrisiko aufzubürden. Die Antragsgegnerin verhalte sich damit treuwidrig und rechtsmissbräuchlich. Das treuwidrige Verhalten zeige sich auch daran, dass der Abschluss des notariellen Kaufvertrages zu einem Zeitpunkt erfolgt sei, zu dem die Einziehung noch nicht erfolgt gewesen sei. Gegenwärtig sei die Übertragung des Eigentums noch abwendbar. Die Eigentumsübertragung habe dieselbe Wirkung wie die Einziehung, weil sich die Antragsgegnerin hierdurch ihrer Rechte und Pflichten als Trägerin der Straßenbaulast sowie ihrer Erschließungsaufgabe entledige. Gemeinden hätten ein Eigentum an Sachen stets zur Erfüllung bestimmter öffentlicher Zwecke inne, nicht wie Private zur freien Verfügung. Dies gelte gerade auch im Straßenrecht, in dessen Anwendungsbereich die Gemeinden mit der Schaffung und Unterhaltung eines öffentlichen Straßennetzes rein öffentliche Aufgaben, namentlich die Straßenbaulast und die wegerechtliche Erschließung des Gemeindegebietes, erfüllten. Deswegen sei auch die Berufung einer Gemeinde auf das Grundrecht aus Art. 14 Abs. 1 GG ausgeschlossen. Der Träger der Straßenbaulast dürfe Rechtsgeschäfte, die die Straße beträfen, nur vornehmen, wenn sie die Wahrnehmung der von ihm zu erfüllenden öffentlichen Verwaltungsaufgaben nicht unmöglich machen oder erschweren würden. Insbesondere dürfe er Straßengrundstücke nicht an Private übereignen. Die schuldrechtlichen und dinglichen Vereinbarungen mit den Beigeladenen enthielten keinerlei Regelungen, insbesondere keine dinglichen Sicherungen dahingehend, dass der Träger der Straßenbaulast seine öffentlichen Aufgaben weiterhin uneingeschränkt erfüllen könne. Zwar gelte die Straßenbaulast grundsätzlich unabhängig vom Eigentum am Straßengrundstück. Dies gelte gemäß Art. 55 BayStrWG aber insbesondere nicht für Eigentümerwege und Privatwege, die vom Eigentümer nicht dem öffentlichen Verkehr zur Verfügung gestellt würden. Die Schaffung von Wegen der vorgenannten Art beabsichtige die Antragsgegnerin. Dies zeige, dass es der Antragsgegnerin gerade darum gegangen sei, die Ziele und Zwecke des Straßenrechts zu umgehen und ihre weitergehenden öffentlich-rechtlichen Bindungen zu beseitigen, bevor die Einziehungsverfügung Bestandskraft erlange, um auf diese Weise vollendete Tatsachen zu schaffen. Darin liege auch ein Verstoß gegen ein gesetzliches Verbot im Sinne von § 134 BGB. Auch wenn die Straße weiterhin als Feld- und Waldweg gewidmet und benutzbar sei, sei zweifelhaft, ob auch eine Verpflichtung der Beigeladenen bestehe, mit der Antragstellerin einen entsprechenden Vertrag über den Ausbau und die Benutzung der Wege als Deponiezufahrt zu schließen. Eine solche zivilrechtliche Vereinbarung werde von der Planfeststellungsbehörde aber unter Verweis auf Art. 56 BayStrWG für notwendig erachtet. Zumindest würde ein Kontrahierungszwang – wie ihm die Antragsgegnerin unstreitig unterliege – von den privaten Grundstückseigentümern unter Berufung auf ihr Eigentumsrecht vehement bestritten werden. Die Antragstellerin könnte sich dabei nicht auf einen aus der Straßenbaulast oder der Erschließungsaufgabe resultierenden Kontrahierungszwang berufen. Das Gericht könne auch in analoger Anwendung des § 80 Abs. 5 Satz 3 VwGO die Rückgängigmachung der Vollziehung anordnen. Da die Eintragungsbewilligung mit ihrer Wirksamkeit bindend sei und von den Bewilligten nicht mehr widerrufen werden könne, bedürfe es zur Rückgängigmachung der Vollziehung der Rücknahme des Eintragungsantrages beim Grundbuchamt. Die Rücknahme des Antrags sei nach telefonischer Auskunft des zuständigen Rechtspflegers beim Grundbuchamt möglich. Sei dies wider Erwarten nicht möglich, könne die Rückgängigmachung der Vollziehung nur durch Rückübertragung des Eigentums an den Grundstücken auf die Antragsgegnerin bewirkt werden. Da die Rücknahme des Eintragungsantrages durch den jeweiligen Antragsteller selbst, also hier die Beigeladenen, erfolgen müsse, bedürfe es der Erstreckung der Rechtskraftbindung der beantragten Entscheidung auf die Beigeladenen. Der Beigeladene zu 5 sei nach Auskunft des Grundbuchamtes bereits als Eigentümer eingetragen. Hinsichtlich der Beigeladenen zu 1 bis 4 seien inzwischen die Eintragungsanträge eingegangen.

Die Antragsgegnerin beantragt,

den Antrag abzulehnen.

Der gemäß Nr. 1 von der Antragstellerin gestellte Feststellungsantrag werde anerkannt. Dass die Klage aufschiebende Wirkung habe, sei unstreitig. Es liege auch kein Fall der faktischen Vollziehung vor. Der Wechsel des Eigentums an den Wegeflächen ändere nichts daran, dass die Wege auch weiterhin als Feld- und Waldwege gewidmet und als solche benutzbar seien. Tatsächliche Eingriffe in die Wege seien jedenfalls nach Klageerhebung nicht erfolgt. Der Antrag sei zudem abzulehnen, da die Antragsgegnerin sämtliche Erklärungen, die der Übertragung des Eigentums dienten, bereits abgegeben habe. Dem Antrag fehle damit bereits das Rechtsschutzbedürfnis. Die Straßenbaulast sei vom Eigentum am Straßengrundstück unabhängig. Es bleibe dem Straßenbaulastträger unbenommen, das Straßengrundstück in bürgerlich-rechtlichen Formen zu übertragen. Die öffentlich-rechtliche Belastung durch die Widmung bleibe erhalten. Die Widmung würde durch privatrechtliche Verfügungen nicht berührt werden.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichts- und die im Hauptsacheverfahren (Au 6 K 12.717) vorgelegte Behördenakte verwiesen.

II.

1. Die Anträge nach § 80 Abs. 5 VwGO analog waren abzulehnen, weil sie jedenfalls unbegründet sind.

1.1. Der Antrag zu Nr. 1 der Antragstellerin, gemäß § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO analog festzustellen, dass die Klage gegen die Einziehungsverfügung aufschiebende Wirkung hat, ist erfolglos.

a) Zwar kann in den Fällen sog. „faktischer Vollziehung“ das Gericht feststellen, dass der eingelegte Rechtsbehelf aufschiebende Wirkung hat. Eine Interessensabwägung findet insoweit nicht statt (Kopp, VwGO, 17. Aufl., RdNr. 181 zu § 80). Dass die Klage gegen die Einziehungsverfügung grundsätzlich aufschiebende Wirkung hat, ist zwischen den Beteiligten unstreitig. Die Antragsgegnerin hat dies mit Antragserwiderung vom 28. Juni 2012 ausdrücklich anerkannt (Bl. 161 der Gerichtsakte).

Eine solche Feststellung kommt jedoch auch dann in Betracht, wenn der Umfang der aufschiebenden Wirkung umstritten ist (Kopp, a.a.O., RdNr. 181 zu § 80). Dies ist hier offensichtlich der Fall, weil die Antragstellerin davon ausgeht, dass die eigentumsrechtliche Übertragung der Grundstücke von der Gemeinde auf private Eigentümer bereits eine (faktische) Vollziehung der Einziehungsverfügung darstelle. Dies wird von der Antragsgegnerin bestritten.

Der Antrag ist somit grundsätzlich zulässig.

b) Er ist jedoch nicht begründet, weil die Übertragung des Eigentums an den Grundstücksflächen des öffentlichen Feld- und Waldweges keine Vollziehung der Einziehungsverfügung darstellt.

Eine Vollziehung der Einziehungsverfügung im engeren Sinne wäre wohl nur die Eintragung dieser Verfügung ins Bestandsverzeichnis. Von der aufschiebenden Wirkung werden jedoch grundsätzlich auch behördliche Vollziehungshandlungen im weiteren Sinn umfasst. Die aufschiebende Wirkung verbietet alle sonstigen Folgerungen tatsächlicher oder rechtlicher Art, welche die Behörden und Gerichte sonst aus dem Inhalt des betroffenen Verwaltungsaktes ziehen könnten oder müssten (Kopp, a.a.O., RdNr. 28 zu § 80). Der Inhalt des hier konkret betroffenen Verwaltungsaktes ist die Einziehung des öffentlichen Feld- und Waldweges. Die Einziehung hätte zur Folge, dass auf den Grundstücken kein öffentlicher Weg mehr verlaufen würde und die Flächen wie jedes andere Privateigentum auch benutzt werden könnten. Vollziehungshandlungen im weiteren Sinne wären demnach beispielsweise die Sperrung des Weges für den öffentlichen Verkehr, Rückbau der Straße und anderweitige Nutzung (Bebauung etc.) dieser Flächen. Dass solche Maßnahmen, die - solange die Einziehung nicht rechtskräftig ist - nicht zulässig wären, im Raum stehen, wurde nicht vorgetragen.

Die Eigentumsübertragung als solche stellt dagegen keine Vollziehungshandlung im weiteren Sinne dar. Sie ändert vielmehr an der straßenrechtlichen Beurteilung nichts. Auch wenn die Einziehungsverfügung keinen Bestand haben sollte, bliebe der Feld- und Waldweg trotz Eigentumsübertragung an private Dritte öffentlich gewidmet und insoweit benutzbar. Auch die Straßenbaulast bliebe nach wie vor bei der Gemeinde.

aa) Die Widmung besteht unabhängig von den zugrunde liegenden Eigentumsverhältnissen der Wegeflächen. Sie lastet als eine im Grundbuch nicht eintragungsfähige öffentlich-rechtliche Dienstbarkeit auf dem Eigentum an der Wegefläche. Inhalt der Dienstbarkeit ist die Verpflichtung, die Benutzung der öffentlichen Straßen im Rahmen ihrer spezifischen Zweckbestimmung zu dulden (Zeitler, BayStrWG, RdNr. 2 zu Art. 6). Eine nachträgliche Übertragung des Eigentums an den betreffenden Flächen berührt die Widmung nicht. Aus Art. 6 Abs. 5 BayStrWG ergibt sich, dass eine bürgerlich-rechtliche Verfügung die Widmung nicht berührt. Ein gutgläubig lastenfreier Erwerb ist ebenfalls nicht möglich. Die negative Publizität des Grundbuchs gemäß § 891 Satz 2 BGB, an die ein gutgläubig lastenfreier Erwerb geknüpft ist, greift in einem solchen Fall nicht ein, weil öffentliche Lasten und Rechte nach § 54 GBO grundsätzlich nicht in das Grundbuch eingetragen werden können (Zeitler, a.a.O., RdNr. 85 zu Art. 6; VG Münster vom 30.9.2011 Az. 1 L 408/11). Zudem wurde in § 8 Abs. 1 des Notarvertrages zwischen der Antragsgegnerin und den Beigeladenen ausdrücklich darauf hingewiesen, dass das Grundstück derzeit dem öffentlichen Verkehr gewidmet ist. Es wurde insoweit auch ein Rücktrittsrecht vereinbart, für den Fall, dass die öffentliche Verkehrswidmung nicht aufgehoben und die Vertragsfläche nicht zur landwirtschaftlichen Nutzung gewidmet wird.

Zwar widerspricht das Vorgehen der Antragsgegnerin ganz offensichtlich der Intention des Gesetzgebers im Bayerischen Straßen- und Wegegesetz, Eigentum und Straßenbaulast zusammenzuführen. Ein Straßengrundstück muss zwar nicht zwangsläufig einem Rechtsträger gehören, aber dies ist eigentlich der Grundsatz im Bayerischen Straßen- und Wegegesetz (Zeitler, a.a.O., RdNrn. 85ff zu Art. 6, RdNr. 1 zu § 11; Kodal/Krämer, Straßenrecht, RdNr. 26 zu Kap. 5). Auch gehört zur Straßenbaulast die Verpflichtung, Eigentum zu erwerben, da die Tendenz des Straßen- und Wegerechtes auf eine Eigentümeridentität hinausläuft, wenn auch ohne zwingendes Junktim (Zeitler, a.a.O., RdNr. 7 zu Art. 9). Dies zeigt sich auch in der Ausübungsbefugnis des Straßenbaulastträgers, der nach Art. 13 Abs. 1 BayStrWG zwar die Rechte und Pflichten des Eigentümers wahrnimmt; dies soll aber nur ein Zwischenzustand sein und ist kein erstrebter Endzustand, weil der Straßenbaulastträger grundsätzlich gehalten ist, das Eigentum an den Wegeflächen zu erwerben (Zeitler, a.a.O., RdNr. 4 zu § 11).

Ein Verstoß der Antragsgegnerin gegen diese Rechtsvorschriften beeinträchtigt die Antragstellerin jedoch nicht. Deshalb hat sie auch kein Recht, diese Verstöße geltend zu machen. Da sich die Rechtsposition der Antragstellerin insoweit nicht verschlechtert, kann sie diesen Verstoß nicht rügen. Ob die Aufsichtsbehörde insoweit einzuschreiten hat, liegt in deren Entscheidungskompetenz.

bb) Entgegen der Auffassung der Antragstellerin ändert sich auch an der Trägerschaft der Straßenbaulast durch die Übertragung des Eigentums auf Private nichts. Bei den strittigen Wegflächen handelt es sich um einen ausgebauten öffentlichen Feld- und Waldweg nach Art. 53 Nr. 1 BayStrWG. Straßenbaulastträger ist in diesem Fall nach Art. 54 Abs. 1 Satz 1 BayStrWG die Gemeinde. Dies bleibt sie auch nach dem Eigentumsübergang. Unabhängig davon, ob der Eigentümer des Weges eine Gemeinde oder ein privater Dritter ist, müsste die Antragstellerin mit dem Straßenbaulastträger eine Sondernutzungsvereinbarung auf Grundlage bürgerlich-rechtlicher Vorschriften gemäß Art. 56 BayStrWG abschließen. Zuständig bleibt hier nach wie vor der Träger der Straßenbaulast und damit die Gemeinde. Nach Art. 13 Abs. 1 BayStrWG, der auch im Rahmen des Art. 56 BayStrWG anwendbar ist, übt der Straßenbaulastträger im Falle des nicht erwünschten Auseinanderfallens von Eigentum und Straßenbaulastträgerschaft auch die Rechte und Pflichten des Eigentümers aus. Er ist somit auch für die Vereinbarung nach Art. 56 BayStrWG zuständig (vgl. Zeidler a.a.O., RdNr. 14 zu Art. 13, RdNr. 42 zu Art. 54, RdNr. 88 zu Art. 6; Kodal/Krämer, a.a.O., RdNr. 5 zu Kap. 27). Die Grundstückseigentümer müssen eine entsprechende Sondernutzungsvereinbarung dulden. Infolge ihrer Zustimmung zur Widmung des Grundstücks zur öffentlichen Straße (Art. 6 Abs. 3 BayStrWG) hat der Eigentümer nicht nur den Gemeingebrauch zu dulden; er hat sich vielmehr auch des Rechts begeben, Sondernutzungen des Straßengrundstücks, soweit hierdurch der Gemeingebrauch beeinträchtigt werden kann, privatrechtlich zu vergeben. Soweit der Gemeingebrauch durch die geplante Sondernutzung beeinträchtigt werden kann, obliegt es allein der zuständigen Straßenbaubehörde, auch wenn ihr Rechtsträger im Einzelfall (ausnahmsweise) nicht zugleich Eigentümer des Straßengrundstücks ist, darüber zu befinden, ob die beantragte Sondernutzung erlaubt werden kann oder nicht (BayOLG vom 28.4.1980 Az. RReg 2 Z 174/79 <juris> RdNr. 24; bestätigt vom BayVerfGH vom 20.3.1981 Az. Vf. 95-VI-80). Diese Grundsätze müssen erst recht gelten, wenn der Grundstückseigentümer das Grundstück in Kenntnis der Widmung gekauft hat.

In Bezug auf Kontrahierungszwang und Prozessrisiko ändert sich somit für die Antragstellerin nichts.

cc) Auch hinsichtlich des Abschlusses eines (eventuell über die Sondernutzung hinausgehenden) Erschließungsvertrages ändert sich für die Antragstellerin nichts. Die Gemeinde hat nach wie vor ihre Erschließungslast aus § 123 BauGB. Solange die Widmung des öffentlichen Feld- und Waldweges Bestand hat, kann die durch ein zumutbares Erschließungsangebot der Antragstellerin sich eventuell zu einer Erschließungspflicht verdichtende Erschließungslast auch noch durch Abschluss eines Sondernutzungsvertrages erfüllt werden. Ob diese Pflicht auch noch erfüllt werden kann, wenn die Einziehungsverfügung rechtmäßig ist und die Wegeflächen damit nicht mehr dem öffentlichen Verkehr gewidmet sind und der Privateigentümer nun mit den Flächen nach seinem freien Willen verfügen kann, ist jedenfalls im Rahmen des Antrages nach § 80 Abs. 5 VwGO nicht zu prüfen. Die Eigentumsübertragung stellt im Hinblick auf die eventuell bestehende Erschließungspflicht der Gemeinde keine Vollziehung der Einziehungsverfügung im weiteren Sinne dar. Denn wenn die Klage in der Hauptsache erfolgreich ist und die Widmung damit weiterhin Bestand hat, hindert die Eigentumsübertragung die Gemeinde nicht daran, ihrer Erschließungspflicht weiterhin nachzukommen. Anders stellt sich die Situation naturgemäß dann dar, wenn die Klage erfolglos bleibt und die Einziehungsverfügung damit wirksam wird. Dann hat die Eigentumsübertragung zur Folge, dass die Gemeinde ihrer Erschließungspflicht nur noch erschwert nachkommen kann (vgl. dazu Nr. 2.). Diese Frage stellt sich jedoch bei der Prüfung der aufschiebenden Wirkung nicht. Bei der Frage des Umfangs der aufschiebenden Wirkung kann nur geprüft werden, ob eine Maßnahme bei erfolgreicher Klage das Recht des Klägers vereiteln würde.

1.2. Nachdem die Eigentumsübertragung nicht als Vollziehungshandlung anzusehen ist, sind auch die Anträge Nrn. 2 und 3 erfolglos. Eine Untersagung von Maßnahmen und Erklärungen in Bezug auf die Eigentumsübertragung bzw. eine Rückgängigmachung durch Rücknahme des Antrags auf Eintragung der Rechtsänderung bzw. Rückübertragung des Eigentums dienen – wie unter Nr. 1.1. ausgeführt – nicht der Verhinderung der Vollziehung der Einziehungsverfügung.

2. Es kommt insoweit in Betracht, die Anträge der Antragstellerin in Anträge nach § 123 VwGO umzudeuten. Ein Antrag auf eine einstweilige Anordnung kommt in Betracht, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustandes die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Denn für den im Rahmen des § 80 Abs. 5 VwGO nicht zu betrachtenden Fall, dass die Einziehungsverfügung wirksam wird, wird die Erschließungspflicht der Gemeinde und damit auch die Erschließungsmöglichkeit der Antragstellerin tatsächlich wesentlich erschwert. Wenn die Wegeflächen nicht mehr gewidmet sind, kann der Grundstückseigentümer über seine Flächen frei verfügen. Es liegt nahe, dass die Beigeladenen dann die Wege zurückbauen und entsprechend anderweitig nutzen. Die Gemeinde kann dann jedenfalls ihre Erschließungspflicht nicht mehr so leicht erfüllen, wie wenn sie Eigentümerin der Wegeflächen ist bzw. bleibt. Ob dies ein Verstoß gegen die Erschließungslast der Gemeinde gemäß § 123 BauGB und ein Verstoß gegen eine gesetzliche Vorschrift im Sinne von § 134 BGB darstellt, kann letztendlich dahingestellt bleiben.

Denn jedenfalls fehlt der Antragstellerin das Rechtsschutzbedürfnis für eine entsprechende Anordnung, weil zumindest im Rahmen eines vorläufigen Eilverfahrens keine einstweiligen Regelungsmöglichkeiten (mehr) gegenüber der Antragsgegnerin bestehen. Aus den Urkunden über die Messungsanerkennung und Auflassung ergibt sich, dass beide Vertragsteile die Eintragung der Rechtsänderung im Grundbuch bewilligen und der jeweilige Käufer dies beim Grundbuchamt beantragt. Da die Eintragungsbewilligung mit ihrer Wirksamkeit bindend ist und von den Bewilligten nicht mehr widerrufen werden kann, hat die Antragsgegnerin keine Möglichkeit mehr, um die Eintragung ins Grundbuch zu verhindern.

Möglich wäre zwar noch, dass die Beigeladenen zu 1 und 4 ihren Antrag auf Eintragung beim Grundbuchamt zurücknehmen. Anordnungen Dritten gegenüber sind jedoch im Rahmen des § 123 VwGO nicht möglich (Kopp, a.a.O., RdNr. 30 zu § 123; Happ in: Eyermann, VwGO, 13. Aufl., 67 zu § 123).

Soweit der Beigeladene zu 5 bereits als Eigentümer im Grundbuch eingetragen ist, ist eine vorläufige Regelung ebenfalls nicht mehr denkbar. Eine Rückübertragung des Eigentums müsste insoweit einem Hauptsacheverfahren vorbehalten bleiben.

3. Die Anträge mussten somit mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abgelehnt werden.

4. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 53 Abs. 2, 52 Abs. 1 GKG i.V.m. Nrn. 1.5 und 43.3 des Streitwertkataloges vom 7./8. Juli 2004. Der Streitwert ist für die Eilsache mit dem hälftigen Streitwert der Hauptsache von 7.500,00 EUR, also mit insgesamt 3.750,00 EUR, anzusetzen. Bei mehreren Grundstücken ist der Wert zu addieren.