LAG München, Urteil vom 13.06.2012 - 10 Sa 1150/11
Fundstelle
openJur 2012, 123150
  • Rkr:
Tenor

1. Die Berufung des Klägers gegen das Endurteil des Arbeitsgerichts München vom 22.11.2011 - 16 Ca 19240/09 - wird auf Kosten des Klägers zurückgewiesen.

2. Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Zahlung eines sog. „Retention Bonus“.

Der Kläger war seit dem 01.05.2005 bei der I. AG beschäftigt. Das Arbeitsverhältnis ging am 01.05.2006 im Zuge eines Betriebsübergangs auf die Q. AG über. Der Kläger war als „Head of HR Vendor Management Germany“ mit einem Jahreszieleinkommen in Höhe von ca. 0,- € brutto beschäftigt. In dieser Funktion war er als Führungskraft für die Sicherstellung der externen Dienstleistungen im Personalbereich verantwortlich. Das Arbeitsverhältnis endete am 30.11.2009.

Der Q.-Konzern und die Schuldnerin gerieten im Verlauf der Jahre 2007 und 2008 in finanzielle Schwierigkeiten, nachdem der Umsatz um einen Milliardenbetrag zurückgegangen war. Insbesondere im Geschäftsjahr 2008 verzeichnete die Schuldnerin einen Jahresfehlbetrag in Höhe von etwa 3,671 Mrd. €.

Infolgedessen war die Q. AG gezwungen, zum 23.01.2009 Eigenantrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens zu stellen. Mit Beschluss des Amtsgerichts München - Insolvenzgericht - vom gleichen Tag wurde die vorläufige Insolvenzverwaltung über das Vermögen der Schuldnerin angeordnet und der Beklagte zum vorläufigen Insolvenzverwalter mit Zustimmungsvorbehalt gem. § 21 Abs. 1 und 2 Satz 1 Nr. 1 Alt. 2 InsO bestellt. Mit Beschluss des Amtsgerichts München - Insolvenzgericht - vom 01.04.2009 wurde das Insolvenzverfahren wegen Zahlungsunfähigkeit und Überschuldung eröffnet.

Im Jahr 2008 gab es intensive Bemühungen der Schuldnerin, die schwierige finanzielle Situation zu lösen. Im Gespräch war der Einstieg bzw. die Übernahme durch einen ausländischen Investor. Auch ein verstärktes Engagement der Muttergesellschaft, der I. AG, und eine Unterstützung durch den Freistaat Sachsen wurden diskutiert. Die üblichen Gespräche hierzu wurden vor allem nach Oktober 2008 geführt. Über die wirtschaftlichen Schwierigkeiten der Schuldnerin und die Sanierungsbemühungen wurde auch in den Medien intensiv berichtet. Die Regierung von Sachsen hatte die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft P.  AG (nachfolgend: P. mit der Erstellung eines Gutachtens zur Darstellung der operativen Geschäftsentwicklung in den auf die mögliche Kreditierung folgenden Jahren beauftragt. Die Fa. P. hat wiederum die Fa. A. D. L. GmbH (nachfolgend: ADL) unterbeauftragt. Die Fa. P. nahm am 04.12.2008 gutachterlich Stellung bezüglich der risikomäßigen Vertretbarkeit der Ausgabe eines Betriebsmittelkredits. Am 21.12.2008 wurde zunächst die Unterstützung der Schuldnerin durch den Freistaat Sachsen verbreitet und begrüßt. Im Januar 2009 hingegen wurde die Finanzierungshilfe endgültig abgelehnt. Im August/September 2008 beauftragte die Schuldnerin Herrn Rechtsanwalt Dr. K., einen Insolvenzrechtsspezialisten, anhand wöchentlicher Liquiditätsberichte zu prüfen, ob Insolvenzantrag zu stellen ist. Außerdem schaltete sie die Unternehmensberatung R. B. Strategy Consultants ein. Diese kam am 23.09.2008 zu dem Ergebnis, dass die Liquidität der Schuldnerin nur noch bis Ende Oktober 2008 gesichert sei.

Im Oktober 2008 erteilte die Schuldnerin einer Vielzahl von Mitarbeitern Zusagen für einen sog. „Retention Bonus“.

Der Kläger erhielt mit Schreiben vom 09.10.2008 (Bl. 8 d. A.) eine Zusage mit folgendem Inhalt:

„Retention Payment

Sehr geehrter Herr Dr. B.,

wir freuen uns, dass wir Ihnen zum 31. Januar 2009 einen einmaligen Betrag in Höhe von

18.228,00 € brutto

und zum 31. Mai 2009 einen einmaligen Betrag in Höhe von

18.228,00 € brutto

sowie zum 30. September 2009 einen einmaligen Betrag in Höhe von

18.228,00 € brutto

zusagen können. Die Auszahlung des Betrages setzt voraus, dass Sie zu diesem Zeitpunkt Ihr Arbeitsverhältnis mit der Q. AG nicht von sich aus gekündigt haben. Die Auszahlung erfolgt mit der jeweils nächsten Gehaltsabrechnung.

Wir bestätigen Ihnen, dass der zugesagte Retention Bonus zu 100 % auch im Falle einer einseitigen Kündigung durch Ihren Arbeitgeber oder durch eine vom Arbeitgeber veranlasste Auflösung Ihres Arbeitsvertrages ausbezahlt wird. Die Auszahlung findet in diesem Fall mit Wirksamwerden der Kündigung bzw. des Auflösungsvertrages statt. Regelungsabsprachen für einen Auflösungsvertrag bleiben davon unberührt.

An dieser Stelle möchten wir uns für die bisher erbrachte Leistung sehr herzlich bei Ihnen bedanken!

Wir setzen auch in Zukunft auf Ihre Unterstützung und Ihr Engagement, um unser Ziel zu erreichen, Q. dauerhaft am Markt zu etablieren.

Mit freundlichen Grüßen

…“

Mit Schreiben vom 14.07.2009 forderte der Kläger den Beklagten zur Zahlung des zum 31.05.2009 fällig gewordenen „Retention Bonus“ auf. Mit Schreiben vom 27.07.2009 erwiderte dieser, dass ein Anspruch aus der „Retention Bonus“-Zusage vom 09.10.2008 nicht bestehe und die Einrede der Anfechtbarkeit erhoben werde.

Der Kläger erhielt keine der für den 31.01., 31.05. und 30.09.2009 zugesagten „Retention Bonus“-Zahlungen.

Nach Insolvenzeröffnung erhielten die Mitarbeiter der Schuldnerin die jeweiligen zur Insolvenztabelle anzumeldenden Beträge in einer Mitteilung und Auflistung der Personalabteilung der Schuldnerin übermittelt mit der Aufforderung zur Forderungsanmeldung. In diesen Aufstellungen wurden auch Ansprüche im Zusammenhang mit „Retention Payments“, die für den Zeitraum vor Insolvenzeröffnung noch zur Zahlung offen standen, aufgenommen.

Mit der vorliegenden Klage begehrt der Kläger die Verurteilung des Beklagten als Insolvenzverwalter über das Vermögen der Schuldnerin zur Zahlung der letzten beiden Raten des „Retention Bonus“.

Der Kläger hat behauptet, im Zeitpunkt der Erteilung der Zusage des „Retention Bonus“ sei ihm zwar die schwierige wirtschaftliche Lage der Schuldnerin bekannt gewesen, nicht aber das Bestehen eines ernsthaften Liquiditätsengpasses. Noch bis in den Januar 2009 hinein habe er an der Vorbereitung zum Abschluss mehrjähriger Verträge gearbeitet. Außerdem habe es Erfolg versprechende Sanierungsbemühungen gegeben. Nachdem der Beklagte zum vorläufigen Insolvenzverwalter bestellt worden sei, habe dieser zunächst noch den Eindruck erweckt, die „Retention Bonus“-Zusagen anzuerkennen und erfüllen zu wollen. Denn er habe veranlasst, dass den Mitarbeitern Aufstellungen zur Insolvenzforderungsanmeldung übermittelt worden seien, in denen auch die „Retention Bonus“-Zusagen Erwähnung fanden.

Der Kläger hat gemeint, der Anspruch auf Zahlung der letzten beiden Raten vom 31.05. und 30.09.2009 gemäß der Zusage vom 09.10.2008 sei entstanden, fällig geworden und unanfechtbar. Der Zahlungsanspruch stelle eine Masse- und nicht lediglich eine zur Tabelle anzumeldende Insolvenzforderung dar. Daher könne der Zusage nicht entnommen werden, dass im Insolvenzfall keine Zahlung erfolgen solle.

Durch die Insolvenz sei auch nicht die Geschäftsgrundlage für die Zusage entfallen. Sinn und Zweck der Zusage des „Retention Bonus“ sei es gewesen, dass ausgewählte, für die Fortführung des Unternehmens wichtige Arbeitnehmer weiterhin planbar zur Verfügung gestanden hätten. Diese Zielrichtung sei auch im Insolvenzfall weiterhin von Bedeutung, da der Fortbestand des Arbeitsverhältnisses mit diesen Mitarbeitern auch für die Sanierung bzw. Abwicklung des Unternehmens wichtig gewesen sei.

Im Übrigen sei die „Retention Bonus“-Zusage auch nicht nach insolvenzrechtlichen Vorschriften anfechtbar. Die Voraussetzungen für eine Anfechtung gem. § 133 Abs. 1 Satz 1 InsO lägen nicht vor. Die „Retention Bonus“-Zusage habe zu keiner objektiven Gläubigerbenachteiligung geführt, da der Insolvenzverwalter die Leistungen der Zusagenempfänger im Falle deren vorzeitigen Ausscheidens zu weit höheren Preisen bei Externen hätte einkaufen müssen. Auch sei kein Gläubigerbenachteiligungsvorsatz des Vorstands der Schuldnerin feststellbar, da im Zeitpunkt der Zusage die Insolvenz allenfalls vorstellbar erschienen, aber nicht erwartet worden sei. Außerdem führt der Kläger aus, dass er auch keine Kenntnis von einem Benachteiligungsvorsatz gehabt habe. Die Vermutungsregelungen gem. § 133 Abs. 1 Satz 2 InsO seien nicht einschlägig, weil er keine Kenntnis von ernsthaften Liquiditätsengpässen der Schuldnerin gehabt habe.

Auch eine Anfechtbarkeit der „Retention Bonus“-Zusage gem. § 134 InsO scheidet nach Ansicht des Klägers aus. Die Zusage sei keine unentgeltliche Leistung. Die Gegenleistung für den zugesagten „Retention Bonus“ sei sein Verbleib im Unternehmen und die Erbringung seiner Arbeitsleistung gewesen.

Weiterhin vertritt er die Auffassung, dass sich der Beklagte nach den Grundsätzen von Treu und Glauben nicht auf die Anfechtbarkeit der „Retention Bonus“-Zusage berufen könne. Da dieser zunächst den Eindruck erweckt habe, die Prämienzusage erfüllen zu wollen, stünde der Anfechtung das Verbot widersprüchlichen Verhaltens entgegen.

Der Kläger hat erstinstanzlich beantragt:

Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 36.456,- € brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 18.228,- € brutto vom 01.07.2009 bis 31.10.2009 und aus 36.456,- € brutto seit dem 01.11.2009 zu zahlen.

Der Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er hat vorgetragen, dass sich das Gesamtvolumen der Zusagen, die mehr als 200 Mitarbeitern - ca. 1/6 der Belegschaft - gemacht worden seien, auf ca. 13 Mio. € belaufe. Der Beklagte bestreitet, den „Retention Bonus“ als Lohn- und Gehaltsanspruch anerkannt zu haben. Eine Vielzahl der Mitarbeiter der Schuldnerin habe zwar im Mai 2009 eine standardisierte - nicht unterzeichnete - Aufstellung (sog. Ausfüllhilfe) über etwaige noch unerfüllte und zur Insolvenztabelle anmeldbare Forderungen erhalten, welche in Einzelfällen auch eine Bonuszahlung aus einer „Retention Zusage“ aus dem Zeitraum vor Insolvenzeröffnung enthielten. Diese Aufstellungen seien aber nicht in seinem Namen erfolgt. Sie seien von der externen Lohnabrechnungsstelle der Schuldnerin erstellt und von ihm weder geprüft, geschweige denn genehmigt und unterzeichnet worden. Die Ausfüllhilfen hätten einen ausdrücklichen Hinweis enthalten, dass keine Gewähr für die Richtigkeit der Ausfüllhilfe übernommen werde.

Der Beklagte meint, schon dem Wortlaut der Bonuszusage nach sei keine Leistung im Insolvenzfall versprochen. Die Formulierung des letzten Halbsatzes „…, um unser Ziel zu erreichen, Q. dauerhaft am Markt zu etablieren“, sei so zu verstehen, dass im Falle des Fortbestands der Schuldnerin die Mitarbeiter im Unternehmen gehalten werden sollten. Dieser Zweck sei aufgrund der Insolvenzeröffnung und der Stilllegung des Geschäftsbetriebs nicht mehr erreichbar.

Im Übrigen sei die Geschäftsgrundlage für die Zusage entfallen. Für den Fall der Abwicklung des Unternehmens im Rahmen der Insolvenz, für den die meisten Mitarbeiter ohnehin nicht mehr benötigt würden, mache eine Bleibeprämie keinen Sinn.

Darüber hinaus sei die „Retention Bonus“-Zusage anfechtbar.

Nach Ansicht des Beklagten sei § 133 Abs. 1 InsO einschlägig. Es läge eine objektive Gläubigerbenachteiligung vor, weil durch die Zusage des „Retention Bonus“ die Insolvenzmasse verkürzt worden sei. Die Schuldnerin habe die Möglichkeit der Gläubigerbenachteiligung billigend in Kauf genommen. Der Benachteiligungsvorsatz sei aufgrund der drohenden Zahlungsunfähigkeit zu vermuten. Der Kläger habe von der Gläubigerbenachteiligung auch Kenntnis gehabt.

Im Übrigen seien auch die Tatbestandsvoraussetzungen des § 134 InsO erfüllt. Die „Retention Bonus“-Zusage sei unentgeltlich erfolgt, da sie nicht von einer gleichwertigen Gegenleistung abhängig gemacht worden sei. Insbesondere sei die Arbeitsleistung des Klägers nicht als Gegenleistung anzusehen. Dies ergebe sich u. a. daraus, dass die „Retention Bonus“-Zahlung auch im Fall einer vom Arbeitgeber veranlassten Beendigung des Arbeitsverhältnisses vor dem Stichtag geschuldet worden sei. Die Arbeitsleistung des Klägers sei aber bereits durch sein reguläres Gehalt abgegolten gewesen.

Der Anfechtbarkeit könnte auch nicht das Verbot treuwidrigen Verhaltens entgegengehalten werden. Abgesehen davon, dass der Beklagte durch sein Verhalten weder vor noch nach Insolvenzeröffnung ein schutzwürdiges Vertrauen des Klägers in den Bestand der „Retention Bonus“-Zusage begründet habe, sei er als Insolvenzverwalter zur Prüfung und Geltendmachung von Anfechtungsansprüchen gem. §§ 129 ff. InsO verpflichtet.

Weiterhin sei der Anspruch auf einen „Retention Bonus“ allenfalls eine Insolvenzforderung gem. § 38 InsO, nicht aber eine Masseverbindlichkeit. Grundsätzlich könnten nur solche Forderungen, die in einem synallagmatischen Verhältnis zu der erbrachten Arbeitsleistung stehen, als Masseforderung anerkannt werden, weil sie als Gegenleistung für die der Masse nach Eröffnung des Verfahrens zugute kommende Arbeitsleistung darstellten. Dies sei vorliegend nicht der Fall gewesen. Da unabhängig von der Erbringung einer Arbeitsleistung auch für den Fall der Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch eine Arbeitgeberkündigung ein „Retention Bonus“ zugesagt worden sei, habe die Zusage den Charakter einer besonderen Form der Abfindung bzw. Vertragsstrafe gehabt.

Mit Endurteil vom 22.11.2011 hat das Arbeitsgericht München die Klage abgewiesen. Es hat dies damit begründet, dass eine Insolvenzforderung i. S. d. § 38 InsO vorliege. Dies folge daraus, dass der anspruchsbegründende Tatbestand schon vor der Verfahrenseröffnung materiell-rechtlich abgeschlossen gewesen sei und die Stichtagsregelungen für die Zahlungen lediglich auflösende Bedingungen dargestellt hätten. Darüber hinaus läge auch eine anfechtbare Handlung gem. § 134 InsO vor. Dies folge daraus, dass eine unentgeltliche Leistung im insolvenzrechtlichen Sinne vorliege, da sich der Kläger zu keiner Gegenleistung verpflichtet habe. Jedenfalls stelle der Verzicht auf die Kündigung keine maßgebliche Gegenleistung dar. Ein objektiver Gegenwert im reinen Verbleiben in der Firma könne nicht erkannt werden. Eine objektive Gläubigerbenachteiligung habe vorgelegen, eine maßgebliche Gegenleistung sei der Insolvenzmasse nicht zugeflossen. Durch die Zusage werde das dem Gläubiger zur Verfügung stehende Vermögen objektiv verringert, sodass eine Gläubigerbenachteiligung vorgelegen habe. Es liege keine unzulässige Rechtsausübung wegen Verstoßes gegen das Verbot des venire contra factum proprium vor. Eine Aussage dazu, dass entsprechende Forderungen später auch tatsächlich vom Insolvenzverwalter anerkannt würden, könne den Aufstellungen zur Insolvenzforderungsanmeldung nicht entnommen werden.

Wegen des weiteren streitigen und unstreitigen Sachverhalts und der rechtlichen Erwägungen des Arbeitsgerichts im Einzelnen wird auf das Ersturteil vom 22.11.2011 (Bl. 348 ff. d. A.) Bezug genommen.

Gegen diese dem Kläger am 01.12.2011 zugestellte Entscheidung richtet sich dessen Berufung mit Schriftsatz vom 29.12.2011, beim Landesarbeitsgericht München am selben Tage eingegangen, die er mit Schriftsatz vom 01.03.2012, wiederum eingegangen am selben Tage, innerhalb der bis zu diesem Tag verlängerten Berufungsbegründungsfrist begründet hat.

Er führt aus, dass keine Insolvenzforderung vorliege, sondern eine Masseschuld. Dies folge daraus, dass es sich bei dieser Leistung um eine solche mit Entgeltcharakter handle. Der Kläger habe als Gegenleistung für die zugesicherte Prämie versprochen, bis zu den bezeichneten Stichtagen jeweils betriebstreu zu bleiben. Diese Gegenleistung sei zur Annahme des Entgeltcharakters der Zahlung ausreichend. Es liege keine Abfindung vor, sondern ein Prämienversprechen für die Gegenleistung der weiter zu erbringenden Betriebstreue jeweils zu den genannten Stichtagen. So stelle sie keine Entschädigung für den Verlust des Arbeitsplatzes dar. Dies folge auch nicht aus der Tatsache, dass die Zahlung auch im Falle einer Arbeitgeberkündigung entstehen solle. Nach ihrem Sinn und Zweck sei diese Vereinbarung dahingehend auszulegen, dass die Zahlung nur im Falle einer betriebsbedingten Arbeitgeberkündigung oder einer von ihm aus betrieblichen Gründen veranlassten Auflösung des Arbeitsverhältnisses in voller Höhe geschuldet sein sollte. Im Falle einer vom Kläger quasi provozierten Kündigung hätte der Auszahlung zweifellos die insofern einschlägige Regelung des § 162 BGB entgegengestanden. Auch sei die getroffene Vereinbarung einer Sonderzahlung oder Gratifikation vergleichbar, die beide unstreitig unter den Begriff der Entgeltleistungen fallen. Dem Anspruchs stehe auch keine Anfechtungsmöglichkeit der §§ 146 Abs. 2, 134 Abs. 1 InsO entgegen, da keine unentgeltliche Leistung versprochen worden sei. Die Unentgeltlichkeit einer Verfügung liege vor, wenn ein Vermögenswert des Verfügenden zugunsten einer anderen Person aufgegeben werde, ohne dass dem Verfügenden oder einem Dritten ein entsprechender ausgleichender Gegenwert zufließe oder zufließen solle. Damit zu vergleichen sei jeder werthaltige Vermögensvorteil, den der Schuldner durch die vorgenommene Rechtshandlung erlange. Die Angemessenheit der Gegenleistung bemesse sich dabei primär nach objektiven Kriterien. Der Zweck des Gläubigerschutzes gebiete eine weite Auslegung des Begriffs „Unentgeltlichkeit“. Erst nach festgestelltem Vorliegen eines objektiv gegebenen Gegenwerts, der dem Schuldner für seine Zuwendung zugeflossen war, oder nach Feststellung einer ihm versprochenen werthaltigen Gegenleistung, sei zu prüfen, ob die Beteiligten diesen als Entgelt oder gleichwohl das Geschäft als Freigiebigkeit angesehen hätten.

Die Zeit der Betriebstreue stelle daher einen der Schuldnerin zugeflossenen Vermögensvorteil dar, der eine Unentgeltlichkeit der versprochenen Zahlung ausschließe, und nicht lediglich ein bloßes „Verbleiben im Arbeitsverhältnis“. Da es ganz konkrete und unstreitige Sanierungspläne und -bemühungen gegeben habe, stelle das Verbleiben wesentlicher Personen im Arbeitsverhältnis für die Fortsetzung des Geschäftsbetriebs einen vermögenswerten Vorteil für die geplante Restrukturierung und Sanierung des Unternehmens dar. Die zugesagte Leistung sollte ja erst nach erbrachter Gegenleistung, d. h. nach erbrachter Betriebstreue, ausgekehrt werden, was eine bloße Hoffnung oder Erwartung einer Gegenleistung ausschließe. Die subjektiven Vorstellungen hätten auch Bedeutung bei der Frage, ob eine Gegenleistung den Wert der Leistung des Schuldners erreiche. Dabei komme den Vertragsparteien ein angemessener Bewertungsspielraum zu. Rechtlich hatte das Verbleiben des Klägers für die Schuldnerin für den angedachten Fall eines Neustarts nach einer Restrukturierung bzw. einer Sanierung den versprochenen Wert. Selbst wenn man eine Unentgeltlichkeit der Zahlung des „Retention Bonus“ aus Sicht der Schuldnerin annehmen wollte, läge dennoch keine Unentgeltlichkeit vor, solange der Kläger in der Leistung eine Vergütung erbracht habe oder erwartete Dienste erkennen habe dürfen. Unentgeltliche Verträge unterlägen nicht insgesamt der Anfechtung, sondern nur dann, wenn der Hauptzweck des Vertrages in der Freigiebigkeit zu erkennen sei. Es sei auch nicht zu erkennen, dass durch die seitens der Schuldnerin beabsichtigten Zahlungen des „Retention Bonus“ eine Gläubigerbenachteiligung beabsichtigt gewesen sei. Selbst wenn, sei dies dem Kläger nicht bekannt gewesen. Das Arbeitsgericht habe hierzu keine weiteren Ausführungen gemacht.

Der Kläger beantragt:

1. Auf die Berufung des Klägers wird das Endurteil des Arbeitsgerichts München vom 22.11.2011 - Az. 16 Ca 19240/09 - aufgehoben.

2. Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 36.456,- € brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 18.228,- € brutto vom 01.07.2009 bis 31.10.2009 und aus 36.456,- € brutto seit dem 01.11.2009 zu zahlen.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er ist der Auffassung, dass der „Retention Bonus“ lediglich eine Insolvenzforderung, aber keine Masseforderung darstelle, weil der Rechtsgrund der Forderung schon vor Verfahrenseröffnung durch die Schuldnerin gelegt worden und lediglich aufschiebend bedingt gewesen sei. Die entscheidende Motivation für die stichtagsbezogenen „Retention Prämien“ der Schuldnerin habe darin bestanden, denjenigen Arbeitnehmern keinen wirtschaftlichen Nachteil entstehen zu lassen, die trotz der Krise im Unternehmen verblieben seien und es (doch) zum Scheitern der Sanierung komme. Damit sei offenkundig, dass es beiden Vertragsparteien gerade nicht darauf angekommen sei, ob der Kläger nach Eröffnung eines als möglich erkannten Insolvenzverfahrens noch synallagmatische Gegenleistungen - also Arbeitsleistungen - zugunsten der Insolvenzmasse erbringen würde, sondern es sei ausschließlich, jedenfalls aber ganz überwiegend, der Kompensationsgedanke für Verhaltensweisen bzw. auch Arbeitsleistungen im Vordergrund gestanden, die vor Insolvenzantragsstellung gelegen hätten. Das Arbeitsgericht habe auch zutreffend entschieden, dass eine unentgeltliche Leistung vorgelegen habe. Insoweit sei richtigerweise der Begriff der Unentgeltlichkeit weit auszulegen. Ob eine entgeltliche oder unentgeltliche Leistung vorgelegen habe, sei durch objektiven Vergleich der ausgetauschten Werte zu ermitteln. Ausschlaggebend hierbei seien die am 09.10.2008 vereinbarten Verpflichtungen. Diese Vereinbarung habe daher für den Kläger nur einen Anreiz, aber keine Rechtspflicht gebildet. Die bloße Hoffnung auf eine Gegenleistung begründe aber gerade keine Entgeltlichkeit, selbst wenn die erwünschte Gegenleistung gewährt werde. Würde es bei der Unentgeltlichkeit i. S. v. § 134 InsO auf den nachfolgenden Leistungsaustausch ankommen, wäre jeder bei Insolvenzeröffnung nicht oder nicht vollständig erfüllte gegenseitige Vertrag als unentgeltlich zu betrachten und es bedürfte nicht der Regelung in § 103 Abs. 1 InsO. Wenn der Kläger neben dem Unterlassen der Eigenkündigung auch gearbeitet habe, sei dies nicht Teil einer von ihm in der Prämienvereinbarung übernommenen Verpflichtung gewesen. Vielmehr habe dies aus der schon bestehenden arbeitsvertraglichen Verpflichtung nach § 611 BGB hergerührt. Hierfür habe er jedoch seine Gegenleistungen in Form des Lohnanspruchs erhalten. Darüber hinaus sei die Prämienzusage an ihn, die mehr als acht Bruttofixgehälter, also mehr als 2/3 des Jahreszieleinkommens entsprochen habe, weit überhöht und unangemessen gewesen. Die fehlende Angemessenheit werde insbesondere deutlich an der Regelung, dass die volle Prämie auch im Falle einer vorzeitigen betriebsbedingten Arbeitgeberkündigung geschuldet sei. Er habe auch nicht dargelegt, welche tatsächlichen Umstände für das Vorliegen einer angemessenen Gegenleistung zur zugesagten Prämie sprächen. Schließlich sei ein Sachvortrag, welche besonderen Tätigkeiten er ab Oktober 2008 entfaltet habe oder nach den Parteivorstellungen hätte entfalten sollen und welchen messbaren Wert seine Tätigkeiten und Fähigkeiten für den angedachten „Neustart“ dargestellt hätten, nicht erfolgt. Mit der Prämienzusage sei eine Verbindlichkeit zulasten der Schuldnerin begründet worden. Hierdurch sei eine Vermehrung der Passivseite der Schuldnerin eingetreten, ohne dass im Gegenzug der Insolvenzmasse eine gesonderte gleichwertige Gegenleistung zugeflossen sei. Hypothetische Geschehensabläufe wie die vom Kläger angeführten Vermeidungen von Zusatzkosten und Aufwendungen infolge beauftragter externer Berater im Falle seines Ausscheidens hätten außer Betracht zu bleiben.

Im Übrigen verteidigt der Beklagte seine Argumentation zum Anfechtungsrecht gem. § 133 InsO. Er ist der Auffassung, dass aufgrund der vorliegenden Informationen eine drohende Zahlungsunfähigkeit der Schuldnerin bekannt gewesen sei. Ein tragfähiges Sanierungskonzept habe nicht vorgelegen, sondern allenfalls Hoffnungen auf eine Sanierung, welche den Gläubigerbenachteiligungsvorsatz nicht entfallen lassen würden. Auch sei der Kläger infolge der von ihm ausgeübten Tätigkeiten in Kenntnis der maßgeblichen Umstände der drohenden Zahlungsunfähigkeit gewesen.

Hinsichtlich des weiteren Vorbringens der Parteien im Berufungsverfahren wird auf die Schriftsätze des Klägers vom 01.03.2012 (Bl. 383 ff. d. A.) und 30.05.2012 (Bl. 453 ff. d. A.), des Beklagten vom 02.05.2012 (Bl. 402 ff. d. A.) und 23.05.2012 (Bl. 447 ff. d. A.) sowie die Sitzungsniederschrift vom 16.05.2012 (Bl. 445 f. d. A.) Bezug genommen.

Gründe

Die Berufung des Klägers ist zwar zulässig, jedoch unbegründet.

I. Die Berufung ist zulässig.

Sie ist nach § 64 Abs. 1 und 2 lit. b ArbGG statthaft sowie in rechter Form und Frist eingelegt und begründet worden (§§ 66 Abs. 1, 64 Abs. 6 ArbGG i. V. m. §§ 519 Abs. 2, 520 Abs. 3 ZPO).

II. Die Berufung ist jedoch unbegründet. Das Landesarbeitsgericht nimmt insoweit Bezug auf die zutreffende und ausführliche Begründung des Arbeitsgerichts im angefochtenen Urteil (§ 69 Abs. 2 ArbGG). Hinsichtlich des Berufungsvorbringens ist lediglich noch auf Folgendes hinzuweisen:

1. Die eingeklagte Leistung kann schon deswegen nicht zugesprochen werden, da es sich bei dieser um eine Leistung infolge einer aufhebenden oder auflösenden Bedingung handelt und insoweit eine Insolvenzforderung i. S. d. § 38 InsO vorliegt, der Kläger diese Forderung aber nicht zur Insolvenztabelle angemeldet und auch nicht die Feststellung zur Insolvenztabelle beantragt hat, was für diesen Fall die einzig mögliche und richtige Klageart darstellen würde.

a) Insolvenzforderungen i. S. d. § 38 InsO liegen dann vor, wenn es sich um einen zur Zeit des Insolvenzverfahrens begründenden Vermögensanspruch gegen den Schuldner handelt. Die Frage der Begründung einer Forderung ist hinsichtlich des Zeitpunkts insoweit maßgeblich, um gerade eine Abgrenzung von Insolvenz- und Masseforderungen vornehmen zu können. Dabei ist die Begründung der Forderung nicht gleichzustellen mit dem Begriff etwa des Entstehens oder der Fälligkeit einer Forderung (vgl. MüKo, InsO, § 38 Rn. 16). Die Trennlinie zwischen den Forderungen, die als Masseverbindlichkeit vorweg zu befriedigen sind, und Insolvenzforderungen bestimmt sich danach, ob der Rechtsgrund der Entstehung der Forderung im Augenblick vor Verfahrenseröffnung bereits gelegt war. Das ist dann der Fall, wenn der anspruchsbegründende Tatbestand vor der Verfahrenseröffnung materiell-rechtlich abgeschlossen war. Es braucht weder die Forderung selbst schon entstanden zu sein noch ist Fälligkeit erforderlich (vgl. MüKo, aaO).

63Nachdem die Zahlung des streitgegenständlichen „Retention Bonus“ aber auf den anspruchsbegründenden Tatbestand der Zusage vom 09.10.2008 beruhte und dieser Tatbestand vor der Insolvenzeröffnung durch Zugang der Zusage beim Kläger bereits abgeschlossen war, war die Forderung des Klägers bereits vor Insolvenzeröffnung begründet i. S. d. § 38 InsO. Es ist nicht maßgeblich, dass die Forderung möglicherweise erst später dadurch entstanden ist, da er von einem Kündigungsrecht bis zum 31.05. oder 30.09.2009 nicht Gebrauch gemacht hat. Hierbei handelt es sich nämlich entweder um eine auflösend bedingte Forderung, die bereits entstanden war und dann durch ein etwaiges Ausüben des Kündigungsrechts beseitigt wurde, oder aber um eine aufschiebend bedingte Forderung, die dann entstand, wenn zum Zeitpunkt des 31.05.2009 oder 30.09.2009 die Kündigung durch den Kläger nicht erklärt worden war. In den Fällen einer bedingten Forderung liegt aber nach einhelliger Kommentarliteratur eine Insolvenzforderung vor (vgl. MüKo, aaO, § 38 Rn. 17 m. w. N.).

b) Dem steht auch nicht die jedenfalls in der Kommentarliteratur dargelegte Ansicht entgegen, dass keine Insolvenzforderung in den Fällen vorliegt, in denen eine Verpflichtung zwar aus einem Rechtsgeschäft resultiert, das vor Verfahrenseröffnung abgeschlossen wurde, welches aber unter einer Bedingung steht, welche von dem in das Belieben des Schuldners gestellten Tun oder Unterlassen abhängig gemacht wird. Derartige Forderungen sind zwar von § 38 InsO ausgeschlossen. Dies liegt aber daran, dass der Schuldner nach dem Sinn und Zweck der Forderung und auch wegen der Zweckbestimmung des § 81 InsO keine neuen Verpflichtungen nach Verfahrenseröffnung eingehen darf und auch die Vermehrung der Schuldenmasse von der Verfahrenseröffnung und dem Willensbereich des Schuldners entzogen bleiben soll. Dies ist hier aber ebenfalls der Fall. Die Schuldnerin konnte, nachdem sie die Zusage gemacht hatte, zum Eintritt der Bedingung nichts mehr beitragen. Die Bedingung war alleine in die Entscheidung des Klägers gestellt, der die Möglichkeit hatte, zu kündigen oder nicht. Die Schuldnerin selbst konnte, so auch die ständige Argumentation des Klägers, durch eine von ihr ausgesprochene Kündigung den Eintritt des Anspruchs nicht mehr verhindern. Insoweit bedarf es keiner einschränkenden Auslegung der Regel, wonach eine wie im vorliegende Fall bedingte Forderung grundsätzlich eine Insolvenzforderung ist.

Dem steht des Weiteren auch nicht die Tatsache entgegen, dass in der Kommentarliteratur, etwa bei Stichtagsregelungen, wie z. B. auch bei Jubiläumsgratifikationen und Sonderzuwendungen, diese als Masseverbindlichkeiten angesehen werden. Denn diese Kommentaransicht setzt sich in Widerspruch dazu, dass es auf das Entstehen des Anspruchs gerade nicht ankommt. Auch nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (vgl. Urt. v. 12.04.2011 - 1 AZR 412/09 - juris) liegt in einer Stichtagsregelung eine auflösende Bedingung, die darin besteht, dass das Bestehen eines ungekündigten Arbeitsverhältnisses zu einem Stichtag Voraussetzung der Leistung ist. Wenn also eine Stichtagsregelung eine auflösende Bedingung darstellt, ist nicht einsichtig, dass entsprechende Leistungen nicht Insolvenzforderungen i. S. der allgemeinen Regel bedingter Leistungen darstellen sollen. Hierfür spricht darüber hinaus auch die Überlegung, dass grundsätzlich Masseverbindlichkeiten dann vorliegen sollen, wenn die Insolvenzmasse eine Gegenleistung erhält, also eine Aufwertung durch die erbrachte Leistung des Begünstigten. Soweit er eine Leistung erbracht hat, die der Masse zugute gekommen ist, soll auch seine begehrte Leistung Masseverbindlichkeit sein. Im vorliegenden Fall liegt aber gerade keine Mehrung der Masse vor. Dies war auch nicht Voraussetzung der Zusage. Denn die Zusage beinhaltet lediglich als Voraussetzung für die Leistung, dass der Kläger von einem Kündigungsrecht bis zu den Stichtagen keinen Gebrauch gemacht haben soll. Keinerlei Voraussetzung ist aber, dass er eine irgendwie geartete Arbeitsleistung, die etwa eine Mehrung der Masse bewirkt hätte, erbracht hätte. Nach der eigenen Darlegung ist noch nicht einmal ein bestehendes Arbeitsverhältnis im maßgeblichen Zeitraum zwischen der Zusage und dem 30.09.2009 erforderlich, weil selbst bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses zu einem früheren Zeitraum ohne Kündigung des Klägers ein entsprechender Anspruch geschuldet sein sollte. Selbst eine Betrachtung aus dem Blickwinkel des 30.09.2009 heraus würde zu keiner anderen Beurteilung führen. Selbst wenn man berücksichtigt, dass der Kläger in einem erheblichen Zeitraum die Leistung erbracht hat, so kann dies nicht als maßgebliche Gegenleistung für die Zusage des „Retention Bonus“ angesehen werden, weil zum einen nach dessen Inhalt eine entsprechende Arbeitsleistung ohnehin nicht Voraussetzung für die Zahlung des Bonus ist und zum anderen die erbrachte Arbeitsleistung bereits durch die normale Vergütung, die der Kläger aufgrund seines Arbeitsvertrages erhalten hat, abgegolten ist. Eine zusätzliche Mehrung der Insolvenzmasse durch seine Arbeitsleistung über die durch die Arbeitsvergütung abgedeckte Arbeitsleistung hinaus ist aber nicht ersichtlich.

Da somit die Forderung als Insolvenzforderung anzusehen ist, der Kläger einen entsprechenden Feststellungsantrag aber nicht gestellt und die Forderung auch nicht zur Insolvenztabelle angemeldet hat, war schon aus diesem Grund das erstinstanzliche Urteil aufrecht zu erhalten.

c) Weiterhin liegt auch eine Anfechtbarkeit nach § 134 InsO vor, da eine unentgeltliche Leistung Gegenstand der Zusage war.

Gem. § 134 InsO ist eine unentgeltliche Leistung des Schuldners anfechtbar, es sei denn, sie ist früher als vier Jahre vor dem Insolvenzantrag vorgenommen worden. Des Weiteren muss durch die Rechtshandlung eine Gläubigerbenachteiligung eingetreten sein (§ 129 InsO).

aa) Der Begriff der „Leistung“ ist weit zu verstehen. Erforderlich ist lediglich, dass eine Rechtshandlung im umfassenden Sinne dazu dient, einen Gegenstand aus dem haftenden Vermögen des Schuldners zugunsten eines anderen zu entfernen. Dabei erfasst der Begriff der Leistung sowohl die schuldrechtliche Verpflichtungshandlung als auch etwa Erfüllungshandlungen (vgl. MüKo, aaO, § 134 Rn. 5 - 7).

70Eine Leistung ist dann unentgeltlich, wenn der Erwerb des Empfängers in seiner Endgültigkeit vereinbarungsgemäß nicht von einer ausgleichenden Zuwendung abhängt. Dabei ist vor allem maßgeblich, ob objektiv eine unentgeltliche Leistung besteht; erst wenn feststeht, dass tatsächlich eine objektive ausgleichende Leistung erfolgt ist, kann auf subjektive Überlegungen der Beteiligten abgestellt werden. Der Begriff der unentgeltlichen Verfügung muss dabei zum Schutz der Gläubiger eine weite Ausdeutung erfahren. Er setzt auch keine Einigung über die Unentgeltlichkeit voraus. Eine einseitige Vorstellung des Schuldners über mögliche wirtschaftliche Vorteile, die nicht in rechtlicher Abhängigkeit zu seiner Zuwendung steht, kann deren Entgeltlichkeit damit auch nicht begründen (vgl. BGH Urt. v. 24.06.1993 - IX ZR 96/92). Soweit sich deshalb der Kläger zur Begründung der Entgeltlichkeit darauf berufen hat, dass er eine Arbeitsleistung zugunsten des Insolvenzverwalters oder der Schuldnerin erbracht hat, kommt es darauf nicht an. Selbst wenn es sich hierbei um eine Erwartung der Schuldnerin gehandelt haben sollte, sie also davon ausgegangen ist, dass der Kläger bei Verbleib bis zum 30.09.2009 auch eine entsprechende Arbeitsleistung erbringen und diese einen geldwerten Vorteil darstellen würde, so ist dies deswegen nicht geeignet, die Entgeltlichkeit zu begründen, weil eine entsprechende Arbeitsleistung gerade nicht in rechtlicher Abhängigkeit zur Zuwendung gestanden hat. Eine entsprechende Arbeitsleistung war nämlich nicht Voraussetzung für die Erbringung der Zuwendung. Der Kläger war aufgrund der Formulierung der Zusage in keiner Weise verpflichtet, eine Arbeitsleistung zu erbringen. Alleine das Verbleiben im Betrieb ohne Ausübung einer Kündigung bis zu den Stichtagen führte bereits dazu, dass der Anspruch hätte entstehen können. Auch die Freistellung oder etwa die Kündigung des Arbeitgebers hätte einen entsprechenden Anspruch unberührt gelassen.

bb) Nach der Definition liegt eine unentgeltliche Verfügung dann nicht vor, wenn ein Vermögenswert dem Verfügenden i. S. eines entsprechenden Gegenwerts zufließen soll. Dabei ist, nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, entscheidend, ob unter Berücksichtigung eines objektiven Sachverhalts ein Gegenwert in das Vermögen des Gemeinschuldners geflossen ist. Erst wenn feststeht, dass der Gemeinschuldner einen Gegenwert für seine Zuwendungen erhalten hat, ist zu prüfen, ob die Beteiligten den Gegenwert als Entgelt angesehen haben oder ob gleichwohl der Hauptzweck des Geschäfts die Freigiebigkeit gewesen sei (vgl. BGH Urt. v. 29.11.1990 - IX ZR 29/90 - juris).

Ein beliebiges wirtschaftliches Interesse zur Bejahung der Entgeltlichkeit einer Zuwendung reicht jedenfalls nicht aus. Es muss zumindest eine ausgleichende Gegenleistung erbracht werden (vgl. BGH Urt. v. 25.06.1992 - IX ZR 4/91 - juris). Für die Beurteilung der Unentgeltlichkeit ist insbesondere der Zeitpunkt der Vollendung des Rechtserwerbs maßgeblich (vgl. BGH Urt. v. 30.03.2006 - IX ZR 84/05 - juris).

Für die Frage der Beurteilung der Unentgeltlichkeit ist dabei also nicht etwa auf den Zeitpunkt der Stichtage abzustellen. Der Insolvenzverwalter ficht nämlich im vorliegenden Fall nicht etwa ein Erfüllungsgeschäft, d. h. die Zahlung, an, sondern das Verpflichtungsgeschäft, nämlich die Zusage der entsprechenden Leistung. Gem. § 140 InsO gilt eine Rechtshandlung als in dem Zeitpunkt vorgenommen, in dem ihre rechtlichen Wirkungen eintreten. Wenn also das Kausalgeschäft, im vorliegenden Fall die Zusage des „Retention Bonus“, angefochten wird, so ist der Zeitpunkt des Abschlusses dieses Kausalgeschäfts maßgeblich, insbesondere dann, wenn nur dieses angefochten wird (vgl. MüKo, aaO, § 134 Rn. 20). Im vorliegenden Fall ist es zu einer Erfüllungshandlung nicht gekommen. Streitig ist zwischen den Parteien die Verpflichtung aus der Zusage, also aus dem Kausalgeschäft - und insoweit hat der Insolvenzverwalter dieses Kausalgeschäft angefochten. Wenn es aber um die Anfechtung eines Verpflichtungsgeschäfts geht, dann muss auf den Zeitpunkt der rechtlich wirksamen Abgabe dieser Verpflichtung abgestellt werden. Dies bedeutet, dass die Unentgeltlichkeit aus dem Zeitpunkt der Abgabe der Zusage, also aus dem Blickwinkel des 09.10.2008, zu beurteilen ist. Auch insoweit kommt also der Frage, ob der Kläger eine maßgebliche Arbeitsleistung erbracht oder sich die Schuldnerin entsprechende Ersatzaufwendungen erspart hat, keine Bedeutung zu. Des Weiteren ist Letzteres schon deswegen unmaßgeblich, weil es sich hierbei um einen rein hypothetischen Vorgang handelt. Rein objektiv hat der Kläger auch nichts dahingehend vorgetragen, dass er tatsächlich eine anderweitige Stelle aufgegeben oder maßgeblich geplant hätte, eine andere Stelle annehmen zu wollen, d. h. also ein Kündigungsrecht nicht ausgeübt hat, obwohl er dies geplant gehabt hätte.

Der Kläger hat sich am 09.10.2008 an sich zu nichts verpflichtet. Selbst wenn man einen Kündigungsverzicht annehmen wollte, führt dies zu keinem anderen Ergebnis. Unter dem Blickwinkel des 09.10.2008 stellt sich objektiv gesehen die einzig denkbare Gegenleistung, nämlich der Verzicht auf ein Kündigungsrecht, nicht als werthaltige oder auch nur angemessene Gegenleistung dar. Zwar ist ihm zuzugeben, dass es sich bei der Gegenleistung nicht um eine solche i. S. d. § 320 BGB, also um eine voll ausgleichende Gegenleistung, handeln muss, die dem Wert der zugesagten Leistung in Höhe von jeweils 18.228,- € brutto entsprechen muss. Aber sie muss einen irgendwie gearteten Wert beinhalten. Nachdem aber Gegenstand der Zusage und der denkbaren Gegenleistungen lediglich der Verzicht auf das Kündigungsrecht war, ohne dass der Kläger eine irgendwie geartete Arbeitsleistung hätte erbringen müssen oder auch nur erbracht hat, kann aus dem Zeitpunkt der Abgabe der Zusage von einer Entgeltlichkeit der Leistung nicht gesprochen werden. Der reine Verbleib bis zu den Stichtagen im Betrieb hatte für die Schuldnerin keinerlei messbaren Wert. Insofern liegt eine unentgeltliche Leistung vor.

cc) Dagegen spricht auch nicht die Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 27.09.2007 (6 AZR 975/06), in der das Bundesarbeitsgericht zur Frage der Einordnung einer Gratifikation als Masse- oder Insolvenzforderung entschieden hat, dass auch derartige Gratifikationen Entgelt im weitesten Sinne sind, die nur vom Bestand des Arbeitsverhältnisses zu einem bestimmten Stichtag abhängen. Diese Entscheidung erging also zur Frage, ob hier § 38 oder § 55 InsO zum Tragen kommt. Die Entscheidung betrifft aber nicht die Frage der Entgeltlichkeit i. S. d. § 134 InsO. Insoweit wäre lediglich ggf. entschieden, dass bei einer entsprechenden Leistung, würde man den hier versprochenen „Retention Bonus“ mit einer solchen Gratifikation gleichsetzen, dieser „Retention Bonus“ Entgelt im weitesten Sinne und insofern eine Masseforderung ist. Darüber hinaus wäre aber nicht ausgesagt, ob auch eine Entgeltlichkeit i. S. d. § 134 InsO vorliegt, d. h. ob hier diese dafür zu erbringende Gegenleistung angemessen i. S. d. § 134 InsO ist. Die Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts hat insoweit Auswirkung auf die vorliegende Entscheidung, als hier, falls die oben angeführte Ansicht, dass der zugesagte „Retention Bonus“ eine Insolvenzforderung infolge der Beendigung darstellt, nicht zutreffend sein sollte, ggf. eine Masseforderung vorliegen sollte und auch die erforderliche Gläubigerbenachteiligung entsteht. Denn eine noch nicht erfüllte schuldrechtliche Verpflichtung zur unentgeltlichen Vermögensübertragung führt nur ausnahmsweise zu einer Gläubigerbenachteiligung (vgl. MüKo, aaO, § 134 Rn. 6). Liegt nämlich nur eine Insolvenzforderung vor, etwa wegen § 39 Abs. 1 Nr. 4 InsO, liegt die möglicherweise erforderliche Gläubigerbenachteiligung i. S. d. § 129 InsO nicht vor. Dann verbleibt es aber bei der oben genannten Konsequenz, dass das erstinstanzliche Urteil deswegen aufrecht zu erhalten ist, weil keine Masseforderung vorliegt. Sollte jedoch infolge der Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts und infolge der Ansicht des Klägers tatsächlich eine Masseforderung vorliegen, so ergäbe sich aus dieser Masseforderung, weil sie zu einer objektiven Benachteiligung der anderen Gläubiger führen kann, da sie die Masse im Vergleich zur Situation ohne den „Retention Bonus“ verringern würde, die Erfüllung der Voraussetzung nach § 134 i. V. m. § 129 InsO. Dann liegt gerade wegen des Vorhandenseins einer Masseforderung eine Gläubigerbenachteiligung vor (vgl. LAG München v. 05.10.2011 - 10 Sa 112/11). Eine weitere subjektive Voraussetzung zur Gläubigerbenachteiligungsabsicht ist nach § 134 InsO nicht Tatbestandsmerkmal.

d) Auf die Frage, ob die „Retention Bonus“-Zusage auch gem. § 133 InsO anfechtbar ist, kam es daher nicht an.

2. Daher war die Berufung des Klägers unbegründet und deshalb zurückzuweisen.

III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

IV. Da dem Rechtsstreit wegen der Frage der Anfechtbarkeit nach § 134 InsO und auch wegen der Einordnung im Hinblick auf das Vorliegen einer Insolvenzforderung grundsätzliche Bedeutung zukommt und insoweit ein abweichendes Urteil einer anderen Kammer des Landesarbeitsgerichts München besteht, war die Revision zum Bundesarbeitsgericht gem. § 72 Abs. 2 ArbGG zuzulassen.

Krottenthaler                   Eckinger                   Mehle