OLG München, Urteil vom 31.05.2012 - 1 U 3884/11
Fundstelle
openJur 2012, 122873
  • Rkr:
Tenor

I. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Landgerichts München I vom 10.08.2011, Az. 9 O 16315/09, wird zurückgewiesen.

II. Die Klägerin hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.

IV. Das Urteil und das in Ziffer I.

V. genannte Urteil des Landgerichts München I sind vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Leistung einer Sicherheit in Höhe von 120% des jeweils zu vollstreckenden Betrages abwenden, sofern nicht die Beklagten vor Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leisten.

Tatbestand

Die Klägerin macht gegen die Beklagten Haftungsansprüche im Zusammenhang mit einer am 24.10.2005 im Klinikum der Beklagten zu 1 durchgeführten digitalen Subtraktionsangiographie (im folgenden DSA) geltend.

Die Klägerin litt seit Jahren an einem Schwankschwindel. Der Besuch in den Schwindelambulanzen der M. Universitätskliniken ergab keinen pathologischen Befund.

Im Jahr 2000 wurden die Diagnosen eines „Tinnitus Aurium, V. a. somatisierte Depression, V. a. cerebrale Durchblutungsstörungen/Polyneuropathie" gestellt. Im November 2003 wurde im Klinikum G. die Verdachtsdiagnose eines phobischen Schwankschwindel gestellt. Im Oktober 2004 wurden im Klinikum D. rezidivierende transitorisch-ischämische Attacken (sowie daneben ein Zustand nach Ovarektomie im April 2002 und nach Radiotherapie) diagnostiziert. Damals war eine plötzlich aufgetretene Dysarthrie in Verbindung mit zweimaligem Erbrechen aufgetreten, 14 Tage lag eine faszial betonte passagere Hemiparese rechts vor. Die Symptome bildeten sich rasch zurück. Die Untersuchungen blieben unauffällig. Im OFO-Test zeigte sich allerdings ein relevanter Rechts/links-Shunt.

Das am 28.09.2005 in der Radiologie O. angefertigte MRT des Schädels ergab eine ausgedehnte Mikroangiopathie, den Verdacht auf kleine venöse Malformationen im Tentorium links mit Zeichen einer abgelaufenen Subarachnoidalblutung mit Hämosiderinablagerungen auf dem Kleinhirn.

Am 13.10.2005 wurde ein cranielles MRT erstellt, das die Diagnose einer unklaren, superfiziellen Siderose ergab. Die Klägerin wurde zur weiteren differentialdiagnostischen Abklärung auf eine neurologische Station im Hause der Beklagten zu 1 verlegt.

Die dort am 19./20.10.2005 durchgeführten Computertomographien von Wirbelsäule und Kopf führten zum Nachweis von Blut im Wirbelkanal. Dieser Verdacht konnte durch eine Liquorpunktion erhärtet werden (Nachweis massiver Häufung roter Blutkörperchen).

Auf dieser Grundlage stellten die Beklagten die Indikation zu einer Angiographie.

Am 21.10.2005 fand im Beisein der Tochter der Klägerin ein erstes Gespräch mit dem Beklagten zu 2 statt. Dabei wurde die Gefahr eines Schlaganfalls bei der DSA-Untersuchung erörtert. Der Beklagte zu 2 erläuterte, dass das Risiko eines Schlaganfalls bei 0,5 % liege und ihm derartiges in seiner Laufbahn noch nicht passiert sei. Der Beklagte zu 2 führte insoweit aus, dass es keine das Risiko eines Schlaganfalls vermeidende, gleichwertige Alternativuntersuchung gebe.

Am 24.10.2005 wurde die DSA durchgeführt, die ohne Befund blieb. Während der Untersuchung beschrieb die Klägerin ein Kribbeln im linken Arm, später nach Entfernung des Katheters auch Kribbelparästhesien. Nach Verlegung auf die Stroke Unit wurde ein Schlaganfall mit einer armbetonten geringgradigen Halbseitensymptomatik links dia-gnostiziert. Die Symptome bildeten sich zurück, traten dann aber erneut auf. Die Klägerin entwickelte innerhalb von zwei Stunden Temperaturen bis über 40° C mit Schüttelfrost, blieb kardio-pulmunal aber stabil. Die Klägerin wurde wegen des Verdachts auf ein allergisches Geschehen behandelt.

Am 27.10.2005 erfolgte die Rückverlegung auf die Normalstation.

Am 30.10.2005 verschlechterte sich der Zustand der Klägerin in Bezug auf die Gesichtslähmung und die Sprachstörung. Die Klägerin wurde schläfriger und musste auch erbrechen. Unter einer Breitbandantibiose und intensivmedizinischer Behandlung gingen die Symptome wieder zurück.

Am 08.11.2005 wurde die Klägerin in die Fachklinik H. verlegt. Im April 2006 wurde die Klägerin wegen eines Präkollapses stationär behandelt.

Im Mai 2006 wurde bei der Beklagten zu 1 kernspintomographisch erneut eine oberflächliche Hämosiderose cerebral und spinal nachgewiesen.

Ab dem 08.08.2007 unterzog sich die Klägerin einer erneuten dreiwöchigen Reha-Maßnahme in G.

Die Klägerin hat vorgetragen:

Es habe an einer unbedingten therapeutischen Indikation für die durchgeführte DSA gefehlt. Deren Vornahme sei nicht zwingend, die Durchführung anderer weitergehender Maßnahmen, z. B. einer MRT-Angiographie, jedenfalls vorzugswürdig gewesen. Die langjährige hormonpflichtige Schilddrüsenerkrankung stelle eine Kontraindikation dar. Das Aufklärungsgespräch sei nicht ausreichend gewesen. Das Vorlegen eines Formblattes allein sei nicht ausreichend gewesen. Nur der Tochter sei das Stichwort Schlaganfall aufgefallen. Das Risiko sei dann im Gespräch verharmlost worden. Es sei der Eindruck entstanden, es gebe keine wesentliche Alternative zu der durchgeführten Untersuchung; diese liege indes in der MRT-Angiographie. Die Klägerin hätte sich bei Kenntnis schonenderer Untersuchungsverfahren und des Umstandes der nicht absoluten Indikation gegen eine DSA entschieden. Man habe nicht ausreichend schnell auf die sich abzeichnende Schlaganfallsymptomatik reagiert. Der Transport von der I. Straße in die M.straße sei ohne ärztliche Begleitung erfolgt und die Weiterbehandlung dort sei verzögert erfolgt. Sie leide noch heute an den Folgen des Schlaganfalls.

Die Klägerin hat beantragt,

I. Die Beklagten werden gesamtschuldnerisch verurteilt, an die Klägerin ein angemessenes, der Höhe nach in das Ermessen des Gerichts gestelltes Schmerzensgeld, mindestens jedoch 70.000,00 Euro nebst Zinsen hieraus in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu bezahlen.

II. Die Beklagten werden ferner verurteilt, an die Klägerin 84.187,00 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu bezahlen.

III. Die Beklagten werden ferner gesamtschuldnerisch verurteilt, ab Juli 2009 an die Klägerin eine jeweils zum 3. Werktag eines Monats im Voraus zu bezahlende monatliche Rente in Höhe von 2.005,00 Euro zu bezahlen.

IV. Es wird festgestellt, dass die Beklagten gesamtschuldnerisch verpflichtet sind, der Klägerin jeglichen weiteren, ihr aus der am 24.10.2005 durchgeführten DSA zukünftig noch entstehenden immateriellen Schaden zu ersetzen.

Die Beklagten haben beantragt:

die Klage abzuweisen.

Die Beklagten haben vorgetragen:

Die Klägerin sei ausreichend aufgeklärt worden. Man habe die Risiken der Untersuchung explizit besprochen, auf die Möglichkeiten eines Schlaganfalls sei hingewiesen worden. Der Beklagte zu 3 habe das mindestens 20 Minuten dauernde Gespräch geführt und dabei gerade das Schlaganfallsrisiko mit der Klägerin sowie ihrer Tochter erörtert. Man habe auch die Risiko-Nutzen Relation erörtert. Es sei mit der Klägerin erörtert worden, dass man mit der Untersuchung Therapieoptionen habe schaffen wollen. Die MR-Angiographie sei keine Alternative gewesen, sie sei zuvor durchgeführt worden und ergebnislos geblieben. Nur eine Schilddrüsenüberfunktion führe zur Kontraindikation; die Klägerin habe indes unter einer Schilddrüsenunterfunktion gelitten. Jedenfalls fehle es an der Kausalität einer eventuellen Funktionsstörung für die beklagten Beschwerden. Man habe auf die aufgetretenen Symptome auch adäquat reagiert. So seien sofort eine compu-tertomographische Untersuchung sowie eine Re-Angiographie durchgeführt worden. Die Verlegung sei unverzüglich erfolgt, eine Notwendigkeit ärztlicher Begleitung habe nicht bestanden, Komplikationen seien auch nicht aufgetreten.

Das Landgericht hat Beweis erhoben durch Hinzuziehung des neurologischen Sachverständigen Dr. K.

Das Landgericht wies mit Urteil vom 10.8.2011 die Klage ab.

Zur Begründung führte das Landgericht aus, dass die Behandlung frei von Fehlern erfolgt sei und die Klägerin vor dem Eingriff hinreichend aufgeklärt worden sei. Nach den überzeugenden Ausführungen des Sachverständigen sei die Vornahme der DSA medizinisch indiziert gewesen. Die Indikation ergebe sich aus dem nach der langen Krankheitsgeschichte schließlich festgestellten Krankheitsbild der superfiziellen Siderose. Es seien regelmäßig Versuche zu unternehmen, die Blutungsquelle zu finden. Vorliegend habe nach der Feststellung eines Flüssigkeitssaumes ab dem siebten Halswirbel Anlass bestanden, eine Blutungsquelle im Spinalkanal zu suchen. Vor dem Hintergrund der diagnostischen Ergebnisse vor der DSA sei die Entscheidung zur weitergehenden Diagnostik mittels DSA überzeugend. Die langjährige Schilddrüsenerkrankung der Klägerin habe der Behandlung nicht entgegen gestanden. Zwar beeinflusse die Gabe des jodhaltigen Kontrastmittels die Schilddrüsenfunktion, jedoch sei dies durch wirksame Kontrolle und Behandlung um die Kontrastmittelgabe herum abzudämpfen. Jedenfalls aber sei ein Zusammenhang zwischen der Jodgabe und dem Schlaganfall ausgeschlossen. Das von der Klagepartei vorgeschlagene Alternativkontrastmittel Gandolinium sei für die Verwendung bei der klassischen Angiographie gänzlich ungeeignet. Eine Kontraindikation habe sich auch nicht aufgrund der im Befundbericht der craniellen MRT vom 19.10.2011 beschriebenen Stenosen ergeben. Der Sachverständige habe insoweit überzeugend ausgeführt, dass diese Stenosen der hinteren und mittleren der inneren cerebralen Gefäße nicht gefahrerhöhend wirkten. Im Übrigen seien Stenosen nicht beschrieben. Soweit die Klägerin die Art und Weise der Verbringung in die Stroke Unit in der M.straße rüge, könne dahin stehen, ob es insoweit zu Zeitverzögerungen gekommen und fehlerhaft die Begleitung unterblieben sei. da die Klägerin direkt nach dem Auftreten der Schlaganfallsymptomatik noch in der Neuroradiologie einer Computertomographie sowie einer Reangiographie unterzogen worden sei.

Die Klägerin sei auch ordnungsgemäß aufgeklärt worden. Der Klägerin habe keine weitere Alternative angeboten werden können. Der Sachverständige habe ausgeführt, dass der DSA grundsätzlich eine MRT-Angiographie vorausgehen solle. Jedoch sei, sobald die MRT-Angiographie keine endgültige Erhellung schaffen könne, die DSA damals wie heute „Goldstandard". Auch die bei der Patientin vorgenommene Risikoaufklärung sei ausreichend gewesen. Auch die Klägerin trage vor, dass man über das Risiko eines Schlaganfalls gesprochen habe. Das Risiko habe der aufklärende Beklagte zu 3 mit 0,5 % angegeben. Der Beklagte zu 3 habe insoweit eine Komplikationsquote angegeben, die der vom Sachverständigen genannten Quote entspreche. Weiter sei unstreitig, dass der Beklagte zu 3 ausgeführt habe, dass er in seiner Laufbahn den Eintritt der Komplikation Schlaganfall noch nicht erlebt habe. Vor diesem Hintergrund sei die Risikoaufklärung ausreichend. Die Klägerin habe auch gewusst, dass die DSA lediglich eine diagnostische Maßnahme und damit natürlich eine Maßnahme ohne vitale Indikation sein würde. Einer ordnungsgemäßen Aufklärung stehe schließlich nicht entgegen, dass die DSA nur mit geringer Wahrscheinlichkeit einen Ansatzpunkt für eine Behandlung der superfiziellen Siderose hervorbringe. Die manifest erkrankte Klägerin habe nach umfangreichen, aber letztlich keine Klarheit schaffenden, diagnostischen Maßnahmen in kleineren Häusern das umfangreich ausgestattete Universitätsklinikum der Beklagten zu 1 aufgesucht, um Klarheit über die Ursachen ihrer Erkrankung zu finden. Dem Vortrag der Klägerin, die Beklagten hätten ihr noch weiter mitteilen müssen, welcher genaue Nutzen von der Untersuchung zu erwarten war, könne die Kammer daher nicht folgen. Es sei nicht nur um eine differentialdiagnostische Abklärung gegangen. Bei der Klägerin sei superfizielle Siderose diagnostiziert worden, die schwere Folgen für das zentrale Nervensystem, konkret für den Gleichgewichtssinn und die kognitiven Fähigkeiten haben könne. Mithilfe der DSA habe die Chance bestanden, die Mikrosickerblutungen zu entdecken und so (zumindest) einen Krankheitsaufschub für die Klägerin zu erreichen.

Die Klägerin legte mit Schriftsatz vom 21.9.2011 gegen das ihr am 29.8.2011 zugestellte Urteil Berufung ein und begründete diese zugleich mit Schriftsatz vom 29.8.2011.

Die Klägerin trägt vor:

Das Landgericht habe zu Unrecht den Klageantrag abgewiesen.

Das Landgericht habe zu Unrecht davon abgesehen, einen Facharzt für Radiologie für die Begutachtung des streitgegenständlichen Falles zu bestellen, und stattdessen einen Facharzt für Neurologie beauftragt. Das angefochtene Urteil beruhe auf dem gerügten Verfahrensfehler, da zumindest nicht ausgeschlossen werden könne, dass ein radiologischer Sachverständiger einen (kausalen) Behandlungsfehler der Beklagten nach radiologischem Facharztstandard festgestellt hätte.

Das Landgericht gehe zu Unrecht von einer ordnungsgemäßen Aufklärung der Klägerin aus.

Dass eine Aufklärung der Klägerin über die Möglichkeit einer ultrahochauflösenden MRT erforderlich gewesen wäre, verkenne das Landgericht. Die am 20.10.2005 durchgeführte MRT könne nicht mit einer ultrahochauflösenden MRT gleichgesetzt werden, so dass die nichtinvasiven Diagnosemöglichkeiten noch nicht ausgeschöpft gewesen wären.

Das Landgericht verkenne weiterhin, dass eine schonungslose Aufklärung der Klägerin gerade eben unterblieben sei und die sich später realisierte Komplikation eines möglichen Schlaganfalls der Klägerin nicht mit dem erforderlichen Nachdruck dargelegt worden sei. Bei diagnostischen Eingriffen ohne therapeutischen Eigenwert (hier: DSA) seien strenge Maßstäbe für die Aufklärung des Patienten über die mit der medizinischen Maßnahme verbundenen Gefahren anzulegen.

Das Landgericht gehe schließlich zu Unrecht davon aus, dass ein Behandlungsfehler der Beklagten nicht vorgelegen hätte.

Zwar habe der Sachverständige die Auffassung vertreten, dass man bei der streitgegenständlichen DSA mit dem Katheter nicht in den Bereich der Stenosen vorstoße. Dies sei jedoch nicht nachvollziehbar, da es ein allgemein bekanntes, der DSA immanentes Risiko sei, dass bei einer solchen Untersuchung Plaque-Teilchen von den inneren Wänden der Blutgefäße abgelöst werden könnten, welche dann gerade bei Stenosen und in diesem Fall noch sehr viel mehr zu einer Embolie führen könnten. Wenn der Sachverständige demnach meine, dass Stenosen alleine in Bereichen als Gefahr erhöhend anzusehen wären, in denen der Katheter vorgeschoben wird, so werde insoweit dem Umstand nicht Rechnung getragen, dass abgelöste Plaque-Teilchen selbstverständlich bis zu Bereichen vordringen könnten, in welche der Katheter zwar nicht herankomme, in die jedoch die Teilchen mit dem Blut quasi „hineingespült" werden könnten. Dies wiederum führe zu einem erhöhten Risiko, über welches die Klägerin jedenfalls hätte aufgeklärt werden müssen.

Der gerichtliche Sachverständige habe nur ausgeführt, dass das Präparat Gandolinium als nicht jodhaltiges alternatives Kontrastmittel für eine DSA nicht in Frage kommen würde, jedoch nicht erwähnt, dass es außer dem tatsächlich eingesetzten jodhaltigen Kontrastmittel auch andere nicht jodhaltige Kontrastmittel gebe, die ohne weiteres alternativ eingesetzt hätten werden können.

Die Klägerin beantragt:

I. Das am 10.8.2011 verkündete Urteil des Landgericht München I, Az.: 9 O 16315/09 wird aufgehoben und zur erneuten Verhandlung an das Landgericht München I zurückverwiesen.

II. Die Beklagten werden gesamtschuldnerisch verurteilt, an die Klägerin ein angemessenes, der Höhe nach in das Ermessen des Gerichts gestelltes Schmerzensgeld, mindestens jedoch 70.000,00 Euro nebst Zinsen hieraus in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu bezahlen.

III. Die Beklagten werden ferner verurteilt, an die Klägerin 84.187,00 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu bezahlen.

IV. Die Beklagten werden ferner gesamtschuldnerisch verurteilt, ab Juli 2009 an die Klägerin eine jeweils zum 3. Werktag eines Monats im Voraus zu bezahlende monatliche Rente in Höhe von 2.005,00 Euro zu bezahlen.

V. Es wird festgestellt, dass die Beklagten gesamtschuldnerisch verpflichtet sind, der Klägerin jeglichen weiteren, ihr aus der am 24.10.2005 durchgeführten DSA zukünftig noch entstehenden immateriellen Schaden zu ersetzen.

Die Beklagten beantragen übereinstimmend,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagte zu 1 trägt vor:

Ein Verstoß gegen die richtige Auswahl eines Sachverständigen liege nicht vor. Die digitale Subtraktionsangiographie (DSA) sei sowohl im Tätigkeitsbereich eines Facharztes für Neurologie wie auch im radiologischen Fachbereich angesiedelt. Der Facharzt für Neurologie an einer Universitätsklinik stelle kontinuierlich die Indikation für eine digitale Subtraktionsangiographie und habe sich dabei mit der Frage zu beschäftigen, ob eine solche Untersuchung in einem bestimmten Fall kontraindiziert sei, er kenne sehr genau alle Komplikationsmöglichkeiten, die Risiken und die genaue Art der Durchführung dieser Untersuchung.

Die Aufklärung der Klägerin sei lege artis erfolgt. Der von der Klägerin unterzeichnete Aufklärungsbogen weise nach, dass in einem mindestens 20minütigen Gespräch über alle Risiken und Komplikationen, die mit dem Eingriff verbunden sein können, aufgeklärt worden sei. Auch das Risiko eines Schlaganfalls sei ausdrücklich erörtert worden.

Die Klägerin habe im Vorfeld alle auch bildgebenden Untersuchungsmethoden ausgeschöpft. Das MRT habe durch den Einsatz der Diagnostik DSA nicht ersetzt werden können.

Die Behandlung der Klägerin sei lege artis gewesen. Eine Engstelle (Stenose) in den Bereichen, die im Rahmen der Angiographie mit dem Katheter passiert worden seien, habe nicht vorgelegen, so dass keine erhöhte Gefahr bestanden habe, dass sich im Rahmen der DSA Plaque-Teilchen von den inneren Wänden der Blutgefäße ablösen würden.

Auch bestehe kein Zusammenhang zwischen der hormonpflichtigen Schilddrüsenerkrankung (Schilddrüsenunterversorgung) und einer etwaigen allergischen Reaktion gegen das Kontrastmittel. Die Klägerin habe die Frage nach einer Allergie ausdrücklich verneint. Die Verabreichung einer allergieblockierenden Substanz bei einer Patientin mit Schilddrüsenunterfunktion vor der Durchführung einer DSA mit Kontrastmitteln sei nicht notwendig. Die aufgetretene Komplikation (Schlaganfall) stehe in keinem Zusammenhang mit der Schilddrüsenunterfunktion

Der von der Klägerin vorgeschlagene Einsatz von „isotonischer Kochsalzlösung als sog. negatives Kontrastmittel" sei kontraindiziert. Der Einsatz von gasförmigem CO2 sei klinisch nicht üblich und absolut kontraindiziert.

Der Beklagte zu 2 trägt vor:

Das Erstgericht sei durchaus zutreffend und rechtsfehlerfrei von einer ordnungsgemäßen Aufklärung ausgegangen. Warum hier nach Auffassung der Klägerin keine schonungslose Aufklärung erfolgt sein soll, sei nicht nachvollziehbar. Die Risikosituation sei gegenüber der Klägerin in keinster Weise verharmlost worden. Eine medizinisch sinnvolle Alternative zu der DSA habe nicht mehr bestanden.

Behandlungsfehler lägen entgegen dem klägerischen Vortrag und wie vom Erstgericht zutreffend festgestellt, nicht vor.

Ein erhöhtes Risiko für die Durchführung einer DSA bei der Klägerin habe nicht bestanden. Die von der Klägerin als erhöhte Gefahr geschilderte Situation, dass sich im Rahmen der DSA Plaqueteilchen von den inneren Wänden der Blutgefäße ablösen, habe nicht vorgelegen.

Soweit die Klägerin vortrage, dass eine ultrahochauflösende MRT als nichtinvasive Diagnostik statt der angewendeten regulären MR-Angiographie vor der DAS erfolgen hätte müssen, so sei ihr entgegen zu halten, dass dies tatsächlich auch am 20.05.2005 geschehen sei.

Auch die Schilddrüsenerkrankung der Klägerin bedinge kein erhöhtes Risiko bei Durchführung der DSA.

Die Klagepartei liege weiter falsch mit ihrer Annahme, eine "isotonische Kochsalzlösung als sogenanntes negatives Kontrastmittel" oder gar gasförmiges CO2 hätte alternativ eingesetzt werden müssen. Ein solcher Einsatz sei zum einen kein klinischer Standard und entspreche zum anderen in keinster Weise einem leitlinien-konformen Handeln.

Der Beklagte zu 3 trägt vor:

Rechtsfehlerfrei habe das Erstgericht ein Sachverständigengutachten durch einen Facharzt für Neurologie eingeholt und festgestellt, dass der Klägerin keine Alternativen zu der DSA Untersuchung hätten angeboten werden können. Schlicht falsch sei, dass das Risiko eines Schlaganfalles der Klägerin gegenüber verharmlost worden sei. Der Beklagte zu 3 mache sich im übrigen auch den Vortrag der Beklagten zu 1 und 2 zu eigen.

Der Senat hat Beweis erhoben durch die mündliche Anhörung des Sachverständigen Dr. K. sowie die Anhörung der Beklagten zu 2 und 3 und die Einvernahme von Frau Elke S. als Zeugin. Hinsichtlich des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 2.2.2012 und 3.5.2012 verwiesen.

Im übrigen wird auf die zwischen den Parteien im Berufungsverfahren gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.

Gründe

Die zulässige Berufung erwies sich als unbegründet.

A. Die Berufung war zurückzuweisen, da die Klägerin den Beklagten keinen Behandlungsfehler nachzuweisen vermochte und die Beklagten belegen konnten, dass die Klägerin nach ausreichender Aufklärung wirksam in die Untersuchung eingewilligt hat.

I. Den Beklagten kann kein Behandlungsfehler zur Last gelegt werden.

Das Landgericht hat mit zutreffenden Gründen auf Grundlage des eingeholten Sachverständigengutachtens einen Behandlungsfehler verneint. Die Beklagten haben weder bei der Indikationsstellung zur DSA noch bei der Durchführung der Untersuchung gegen den Facharztstandard verstoßen.

1. Der Sachverständige Dr. K. ist als Facharzt für Neurologie für die Beantwortung der Beweisfragen hinreichend kompetent. Die Klägerin wurde in der neurologischen Klinik der Beklagten zu 1 behandelt. Die Vorwürfe gegen die Beklagten betrafen die Indikationsstellung und die Risikobewertung der Untersuchung sowie einfach gelagerte radiologische Fragestellungen. Da die Fragestellungen weitestgehend den neurologischen Bereich betrafen, war ein Sachverständiger aus dem neurologischen Bereich zu beauftragen.

2. Die in dem Befundbericht vom 21.10.2005 erwähnten Gefäßveränderungen stellten keine Kontraindikation für die DSA dar. Der Sachverständige betonte unter Würdigung des Befundberichtes vom 21.10.2005, der von atheromatösen Gefäßveränderungen mit höhergradiger Stenose der linken Arteria cerebri posterior spricht, dass faktisch keine Stenosen festgestellt worden sind und die beschriebene Gefäßveränderung in einem Bereich liegt, der von der DSA nicht berührt werde. Zusammenfassend betonte der Sachverständige, dass die Voruntersuchungen keine Gesichtspunkte ergeben haben, die der DSA Untersuchung entgegengestanden haben.

3. Andere als das verwendete jodhaltige Kontrastmittel standen nach den Ausführungen des Sachverständigen nicht zur Verfügung. Weiter wies der Sachverständige daraufhin, dass keine allergische Reaktion der Klägerin auf das Kontrastmittel, wie nach den Voruntersuchungen auch zu erwarten, festzustellen war.

II. Der Senat ist nach der Anhörung der Klägerin, der Beklagten zu 2 und 3 sowie der Einvernahme der Zeugin S. davon überzeugt, dass die Klägerin hinreichend über das Risiko eines Schlaganfalles sowie die Indikation der Untersuchung und der Erfolgschance, die Blutung zu finden, aufgeklärt wurde.

1. Die Zeugin S. hat die Angaben des Beklagten zu 2 bestätigt, dass er über das Risiko eines Schlaganfalles die Klägerin aufgeklärt und auf Nachfrage das Risiko auf 1 % (wobei die Zeugin 0,5 % nannte) eingestuft hat. Weiter besteht kein Streit, dass der Beklagte zu 3 der Klägerin erläutert hat, dass es keine Alternative zu dieser Untersuchung nach Ausschöpfung der nichtinvasiven Methoden gibt. Nach übereinstimmenden Aussagen der angehörten Parteien und der Zeugin S. erfolgten keine Ausführungen dazu, wie hoch die Chance ist, mittels der Angiographie die Blutungsquelle zu entdecken. Die weitere Aussage der Zeugin S., dass von vornherein klar war, dass die Blutungsquelle gefunden werde, steht nicht nur zu ihrer obigen Bekundung sondern auch zu den Ausführungen der Klägerin und des Beklagten zu 3 im Widerspruch. Die Klägerin hat in der mündlichen Anhörung vor dem Senat angegeben, dass nicht klar war, dass bei dieser Untersuchung die Blutungsquelle aufgespürt wird und hat damit die Darstellung des Beklagten zu 3 bestätigt, dass er diesbezüglich keine Garantie gegeben hat.

2. Die Aufklärung durch die Beklagten über die Risiken und Erfolgschancen war inhaltlich ausreichend.

Sinn und Zweck der ärztlichen Aufklärung über die Risiken eines bevorstehenden Eingriffes ist es, dem Patienten, der selbst bestimmen darf und soll, ob er sich einer Operation unterziehen will, die für seine Entscheidung notwendigen Fakten in einer für den medizinischen Laien verständlichen Form mitzuteilen. Erst derart informiert kann er eigenverantwortlich das Für und Wider abwägen. Daraus ergeben sich Folgerungen über Inhalt und Umfang dieser Aufklärung, gleichzeitig aber auch ihre Grenzen (BGH r + s 1986,96).

Eine den ärztlichen Heileingriff rechtfertigende Einwilligung setzt daher voraus, dass der Patient über den Verlauf des Eingriffes, seine Erfolgsaussichten, seine Risiken und mögliche echte Behandlungsalternativen, wobei auch ein Zuwarten oder Verzicht auf eine Operation eine Alternative darstellen kann (vgl. BGH NJW 1984,1784), aufgeklärt worden ist.

Die Beklagten haben die Klägerin unter Anwendung dieser Grundsätze hinreichend aufgeklärt, um ihr eine eigenverantwortliche Entscheidung über die Vornahme der Untersuchung zu ermöglichen.

79a) Die Aufklärung, dass es zu der DSA keine Alternative gibt war zutreffend.

Wie der Sachverständige ausgeführt hat, handelt es sich bei der superfiziellen Siderose um eine seltene Erkrankung, bei der durch Mikrosickerungsblutungen es zu Ablagerungen auf der Oberfläche des zentralen Nervensystems kommt, wobei die Ablagerung eine toxische Reaktion von Nervenzellen hervorrufen und die Schädigung der Zellen zu zerebellären Funktionsstörungen insbesondere zu Hör- und Gleichgewichtsstörungen sowie einer Störung der Geistestätigkeit führt. Der Sachverständige legte weiter dar, dass eine kernspin-angiografische Darstellung für das Auffinden feinerer Gefäßmalformationen nicht ausreicht und daher die konventionelle angiographische Abklärung als Goldstandard in der Abklärung von Blutungsquellen bei der superfiziellen Siderose gilt.

Die Behauptung der Klägerin, dass die nichtinvasiven Diagnosemöglichkeiten noch nicht ausgeschöpft gewesen wären, hat der Sachverständige nicht bestätigt. Der Sachverständige konnte den Krankenunterlagen entnehmen, dass bei der Klägerin für die Voruntersuchungen das bestmögliche Gerät mit der bestmöglichen Auflösung für die MRT-Angiografie verwendet worden ist.

Nachdem bei den Voruntersuchungen die Blutungsquelle nicht gefunden werden konnte, verblieb die DSA als letzte Möglichkeit die Blutungsquelle zu entdecken und Ansätze für eine Therapie zu gewinnen, die ein Fortschreiten der Krankheit verhindert.

b) Die Aufklärung über die Erfolgschancen des diagnostischen Eingriffs ist nicht zu beanstanden.

84Der Beklagte zu 3 hat gegenüber der Klägerin im Rahmen des Aufklärungsgesprächs die Untersuchung als Versuch die Blutungsquelle zu finden, dargestellt und keine Zahlen genannt, d.h. keine näheren Angaben über die Erfolgschance ihr gegenüber geäußert. Grundsätzlich ist die Einschätzung der Erfolgswahrscheinlichkeit eines Eingriffs für die Entscheidung des Patienten, ob er den Eingriff vornehmen lässt oder nicht, ein gewichtiges Kriterium und muss daher Bestandteil der Aufklärung sein. Voraussetzung ist allerdings, dass eine Aussage - sei es über die generelle oder individuelle Chance - überhaupt getroffen werden kann. Sofern keine belastbaren Fallzahlen vorhanden sind oder der Erfolg so sehr von individuellen Faktoren abhängt, dass auf allgemeine statistische Erhebungen und Erfahrungen nicht zurückgegriffen werden kann, kann und darf ein Arzt in einem Aufklärungsgespräch keine Zahlen ins Blaue hinein benennen. Ein Arzt würde seine Pflicht, den Patienten zutreffend und sachlich aufzuklären, verletzen, wenn er ohne wissenschaftliche Erkenntnis oder eigene klinische Erfahrungen eine Erfolgswahrscheinlichkeit eines Eingriffes angibt. Wenn keine fundierten Aussagen über eine generelle oder individuelle Erfolgschance der Untersuchung möglich sind, reicht die Aufklärung über die Notwendigkeit des diagnostischen Eingriffs als letzte Möglichkeit und letzten Versuch einen Ansatz für die Behandlung der schweren und fortschreitenden Erkrankung zu finden, nach Auffassung des Senates aus.

Den Ausführungen des Sachverständigen kann nicht entnommen werden, dass eine konkrete Aussage dahingehend getroffen werden kann, dass die Untersuchung sehr selten zu Auffinden kleinerer Blutungsquelle führt. Zwar hat der Sachverständige sowohl bei der Anhörung vor dem Landgericht als auch vor dem Senat betont, dass man mithilfe der Angiographie die Blutungsquelle selten oder hochgradig selten findet, hat jedoch auf Nachfragen vertieft dargelegt, dass es über die Erfolgschance keine verlässlichen Zahlen gibt und man im klinischen Alltag den Patienten seriös keine Zahlen über die Chance, mit Hilfe der DSA die Blutungsquelle zu finden, benennen könne. Vor dem Hintergrund, dass es sich bei der superfiziellen Siderose um eine äußerst seltene Krankheit handelt, sind Ausführungen des Sachverständigen gut nachvollziehbar. dass keine wissenschaftlich begründete oder auch nur durch klinische Erfahrung gewonnenen Aussagen über die Erfolgschance der Untersuchung möglich sind. Es konnte daher von den Beklagten nicht verlangt werden, die Erfolgschancen näher darzustellen oder gar zu beziffern. Nach Auffassung des Senates wäre im Gegenteil eine nicht wissenschaftlich begründete und auch nicht durch belastbare eigene klinische Erfahrung belegte Aussage über die Erfolgschancen angreifbar, da sie sachlich unzutreffend wäre.

c) Die Klägerin ist hinreichend über das Risiko eines Schlaganfalles aufgeklärt worden. Dies ergibt sich aus dem vorgelegten Aufklärungsbogen sowie der Anhörung der Parteien und der Aussage der Zeugin S. Der Sachverständige hat eine Komplikationsrate von 0,5 % als realistisch bewertet.

III. Es konnte daher dahingestellt bleiben, inwieweit die gesundheitlichen Beeinträchtigungen der Klägerin auf den während der DSA erlittenen Schlaganfall und inwieweit auf die fortschreitende Siderose zurückzuführen sind.

B. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 97 ZPO.

C. Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

D. Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision gemäß § 543 Abs. 2 ZPO sind nicht gegeben.

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