Bayerischer VGH, Beschluss vom 22.05.2012 - 12 ZB 12.88
Fundstelle
openJur 2012, 122551
  • Rkr:
Tenor

I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.

II. Der Beigeladene hat die Kosten des Antragsverfahrens zu tragen. Gerichtskosten werden nicht erhoben.

Gründe

1. Der Antrag auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Ansbach vom 3. November 2011 ist statthaft und auch im Übrigen zulässig (§ 124a Abs. 4 VwGO).

Er ist aber unbegründet, weil die vom Beigeladenen angedeuteten Zulassungsgründe insbesondere der ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit der verwaltungsgerichtlichen Entscheidung und eines Verfahrensfehlers, auf deren Prüfung der Senat im Wesentlichen beschränkt ist (§ 124a Abs. 5 Satz 2 VwGO), nicht hinreichend dargelegt sind oder aber nicht greifen.

1.1 Es bestehen keinerlei Anhaltspunkte für das Vorliegen ernstlicher Zweifel an der Richtigkeit der Entscheidung des Verwaltungsgerichts (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO). Der Beigeladene rügt zwar diesen Zulassungsgrund nach § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO nicht ausdrücklich. Der Senat legt aber die Antragsbegründung zu seinen Gunsten dahin aus.

Solche ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit einer verwaltungsgerichtlichen Entscheidung bestehen etwa dann, wenn ein einzelner tragender Rechtssatz oder eine erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage gestellt wird (BVerfG vom 26.3.2007 BayVBl 2007, 624 und vom 23.6.2000 NVwZ 2000, 1363) und die Zweifel an der Richtigkeit einzelner Begründungselemente auf das Ergebnis durchschlagen (so BVerwG vom 10.3.2004 DVBl 2004, 838). Das ist im Wesentlichen anhand dessen zu beurteilen, was der Beigeladene innerhalb der Begründungsfrist für den Zulassungsantrag dargelegt hat (§ 124a Abs. 5 Satz 2 VwGO).

Das Verwaltungsgericht hat seine Entscheidung darauf gestützt, dass die Klägerin nach § 91 Abs. 4 SGB IX einen Anspruch auf Zustimmung zur außerordentlichen Kündigung hat, weil der Kündigungsgrund nicht im Zusammenhang mit der Behinderung steht und kein Ausnahmefall vorliegt, der einer Zustimmung entgegenstehen könnte.

Diese im Wege der freien Beweiswürdigung gefundene richterliche Überzeugungsbildung (siehe dazu Kopp/Schenke, VwGO, 17. Aufl. 2011, § 108 RdNr. 4) ist auch vor dem Hintergrund der Antragsbegründung rechtlich nicht zu beanstanden. Zu Recht hat das Verwaltungsgericht im Ergebnis einen mittelbaren oder unmittelbaren Zusammenhang der dem Beklagten vorgeworfenen Verfehlung mit seiner Schwerbehinderung für die streitgegenständlichen Sachverhalte verneint. Der Senat schließt sich den Entscheidungsgründen des verwaltungsgerichtlichen Urteils gemäß § 122 Abs. 2 Satz 3 VwGO mit folgenden ergänzenden Erwägungen an.

Das Verwaltungsgericht hat nachvollziehbar auf die eigenen Einlassungen des Beigeladenen im Personalgespräch vom 26. Januar 2011 abgestellt, in dem der Beigeladene sein Fehlverhalten selbst weder in einen Zusammenhang mit seiner Schwerbehinderung gestellt noch einen solchen gesehen und es zumindest sinngemäß als „Blödheit“ bezeichnet hat, so zu handeln.

Das Verwaltungsgericht hat sich dabei auch keine medizinischen Kenntnisse angemaßt. Der Beigeladene hatte sich bei dem Personalgespräch am 26. Januar 2011 an die einzelnen dort angesprochenen Sachverhalte nicht nur – den eigenen Angaben zufolge – erinnert, sondern auch widerspruchsfrei und schlüssig dazu Stellung genommen. Dass seine Frau für ihn in einem Falle die (Geht-)Buchung vorgenommen habe, räumt er zwar erst auf Vorhalt einer Zeugenaussage ein, erklärte aber dann überzeugend, er habe seine Frau gebeten, die (Geht-)Buchung vorzunehmen, weil er seine Karte nicht bei sich gehabt habe. Im anderen Fall habe er sich, den Aufzeichnungen zu dem Personalgespräch folgend, das Recht genommen, so zu handeln, weil er dienstlich sehr belastet sei und ständig durchgearbeitet habe. In zwei früheren Fällen sei er nicht im Fitnessstudio gewesen, sondern nur auf der anderen Straßenseite oder an der Tankstelle und sei dann wieder ins Gebäude zurückgekehrt.

Vor diesem Hintergrund ist es nicht zu beanstanden, wenn das Verwaltungsgericht davon ausgegangen ist, dass die hier dem Beigeladenen entscheidungserheblich vorgehaltenen Sachverhalte nicht in seinen nur zeitweisen Gedächtnis- und Konzentrationsstörungen begründet seien. Es hat vielmehr ausdrücklich auf die Perpetuierung der Täuschung des Arbeitgebers abgestellt.

Auch zur Frage des Vorliegens eines atypischen Falls, der trotz fehlenden Zusammenhanges mit der Schwerbehinderung eine behördliche Ermessensentscheidung ermöglicht und geboten hätte, nimmt das Verwaltungsgericht in rechtlich nicht zu beanstandender Weise Stellung, ohne einen solchen atypischen Fall zu erkennen. Der Beigeladene selbst zeigt keine Anhaltspunkte für eine solche atypische Fallgestaltung auf.

Im Übrigen ist in der Begründung des angegriffenen Urteils im Ergebnis auch ausgeführt, dass es der Klägerin angesichts des schwerwiegenden Kündigungsgrundes auch nicht ausnahmsweise zuzumuten ist, den Beigeladenen weiterzubeschäftigen. In diesem Zusammenhang hat das Verwaltungsgericht unter Berücksichtigung der Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 21. April 2005 (Az.: 2 AZR 255/04) zutreffend alle maßgeblichen Gesichtspunkte auch aus der Sicht des Beigeladenen in die Entscheidung eingestellt.

Das Verwaltungsgericht hat zudem in seine Entscheidung einbezogen, dass das Integrationsamt zunächst untersuchen muss, ob Kündigungsgründe überhaupt vorliegen (dazu BayVGH vom 28.10.2010 Az. 12 ZB 10.1088 und BVerwG vom 30.6.2011 Az. 5 B 53.10; ebenso bereits BVerwG vom 28.11.1958 BVerwGE 8, 46). Es muss im Rahmen seiner Amtsermittlungspflicht sicherstellen, dass Kündigungsgründe tatsächlich bestehen und nicht lediglich vorgeschoben werden (SächsOVG vom 25.8.2003 Behindertenrecht 2004, 81). Solche Entscheidungen, die zum Wegfall des Arbeitsplatzes führen, darf das Integrationsamt daraufhin überprüfen, ob sie unsachlich oder willkürlich sind (siehe dazu Trenk-Hinterberger, a.a.O., § 88 RdNr. 14). Deshalb beschränkt sich die Verpflichtung darauf, ob die arbeitsrechtliche Unwirksamkeit der Kündigung ohne jeden vernünftigen Zweifel in rechtlicher und tatsächlicher Hinsicht offen zu Tage liegt und sich jedem Kundigen geradezu aufdrängt (zu alledem Knittel, SGB IX, Stand: März 2010, § 85 RdNrn. 73 f. unter Hinweis auf BVerwG vom 2.7.1992 BVerwGE 90, 275). Auch das hat das Verwaltungsgericht rechtsfehlerfrei abgelehnt.

1.2 Dem Verwaltungsgericht kann kein Verfahrensfehler im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO vorgeworfen werden. Insoweit fehlt es bereits an einer hinreichenden Darlegung des Zulassungsgrundes gemäß § 124 Abs. 4 Satz 4 VwGO.

Soweit der Beigeladene in seiner Antragsbegründung vom 7. Februar 2012 in einem anderen Zusammenhang darauf hinweist, dass nach seiner Auffassung der Inhalt des Personalgespräches vom 26. Januar 2011 nicht entscheidungserheblich sein dürfe und das Verwaltungsgericht dem Beigeladenen zum Inhalt dieses Gespräches rechtliches Gehör hätte gewähren müssen, führt auch das nicht zur Zulassung der Berufung.

Das Verwaltungsgericht konnte bei der Würdigung und Abwägung aller für die Feststellung des für seine Entscheidung maßgeblichen Sachverhaltes auf Akteninhalte abstellen und sie zur freien Beweiswürdigung heranziehen (Kopp/Schenke, a.a.O.).

Von einer Verletzung des rechtlichen Gehörs des Beigeladenen kann keine Rede sein. Bereits im Beiblatt zum Zustimmungsantrag der Klägerin vom 28. Januar 2011 war wiederholt und ausdrücklich auf das Personalgespräch vom 26. Januar 2011 Bezug genommen worden. Zudem hatte die Klägerin in der Klageschrift ausführlich auf die eigenen Einlassungen des Beigeladenen im Personalgespräch vom 26. Januar 2011 abgestellt und das Gedächtnisprotokoll vom selben Tage der Klage als Anlage 11 zu Beweiszwecken beigefügt.

Das Verwaltungsgericht hatte nach alledem keine hinreichende Veranlassung zur weiteren Sachverhaltsaufklärung. Das Zulassungsverfahren dient letztlich auch nicht dazu, vor dem Verwaltungsgericht etwa versäumt Beweisanträge nachzuholen.

1.3 Die Rechtssache ist letztlich weder besonders rechtlich noch besonders tatsächlich schwierig. Für ein Abweichen der angegriffenen Entscheidung von der aktuellen obergerichtlichen oder höchstrichterlichen Rechtsprechung ist wiederum schon nichts dargelegt.

2. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 und 3, § 188 Satz 2 VwGO.

3. Gegen diesen Beschluss gibt es kein Rechtsmittel (§ 152 Abs. 1, § 158 Abs. 1 VwGO).

4. Mit dieser Entscheidung wird das angegriffene Urteil des Verwaltungsgerichts Ansbach vom 3. November 2011 gemäß § 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO rechtskräftig.