VG Würzburg, Urteil vom 17.04.2012 - W 4 K 11.359
Fundstelle
openJur 2012, 122158
  • Rkr:
Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.

II. Die Klägerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

III. Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vorher in gleicher Höhe Sicherheit leistet.

Tatbestand

Die Klägerin begehrt die Verpflichtung des Beklagten zur Erteilung einer immissionsschutzrechtlichen Genehmigung für vier Windkraftanlagen.

1.

Die Klägerin beantragte mit Schreiben vom 5. März 2010 die Erteilung einer immissionsschutzrechtlichen Genehmigung gemäß § 4 BImSchG für die Errichtung von insgesamt vier Windkraftanlagen auf den Grundstücken Fl.Nrn. …77 (W 4), …10 (W 3), …83 (W 2) und …02 (W 1) der Gemarkung H…, Gemeinde H….

Der geplante Standort liegt auf einer Anhöhe westlich der Ortschaft H… mit einem Abstand zwischen ca. 650 m (W 3) und 1400 m (W 1) zur nächsten Wohnbebauung. Die Nennleistung der Anlagen soll jeweils ca. 3,4 Megawatt betragen. Die Windkraftanlagen sollen eine Gesamthöhe von 152 m bei einer Nabenhöhe von 100 m und einem Rotordurchmesser von 104 m haben.

Nach dem Entwurf der Verordnung zur Änderung des Regionalplans der Region Main-Rhön (Stand: 25.07.2011) ist der betroffene Bereich westlich von H… unter dem Abschnitt 5.3 „Windkraftanlagen“ weder als Vorrang- noch als Vorbehaltsgebiet für Windkraftanlagen aufgeplant.

2.

Mit Bescheid vom 4. Juli 2011 lehnte das Landratsamt Rhön-Grabfeld den Antrag der Klägerin auf Erteilung einer immissionsschutzrechtlichen Genehmigung ab.

Zur Begründung des Bescheids wurde im Wesentlichen ausgeführt: Die in § 6 BImSchG aufgeführten Genehmigungsvoraussetzungen seien nicht erfüllt. Durch das Vorhaben würden andere öffentlich-rechtliche Vorschriften verletzt, nämlich die Verbotstatbestände des § 44 Abs. 1 des Bundesnaturschutzgesetzes (BNatSchG) erfüllt. Die artenschutzrechtliche Prüfung habe ergeben, dass sich seit mehreren Jahren ca. 2 km westlich des geplanten Anlagenstandorts W 1 ein regelmäßig besetzter Brutplatz des Schwarzstorchs befinde. Der Standort liege damit innerhalb des von der Länderarbeitsgruppe der Vogelschutzwarten empfohlenen Abstands von 3 km zwischen Brutplatz und Windkraftanlage. Darüber hinaus befinde sich die Anlage im Nahrungsgebiet des Schwarzstorchs, so dass das Kollisionsrisiko deutlich erhöht sei. Auch werde die weitere Umgebung der geplanten Standorte W 2 bis W 4 von Rotmilanen sowohl als Brut- als auch als Nahrungsgebiet genutzt, so dass auch insoweit ein signifikant erhöhtes Tötungsrisiko bestehe. Der vorliegende landschaftspflegerische Begleitplan weise hinsichtlich Grundlagenerhebung, Bestandsaufnahme und in der Bewertung deutliche Mängel auf, so dass er in der vorgelegten Form nicht abschließend beurteilbar sei. Darüber hinaus stünden den geplanten Windkraftanlagen Ziele der Raumordnung und Landesplanung entgegen. Schließlich sei das Vorhaben planungsrechtlich unzulässig, weil ihm öffentliche Belange des Naturschutzes und der Landschaftspflege entgegenstünden (§ 35 Abs. 1 Nr. 5, Abs. 3 Satz 1 Nr. 5 BauGB).

3.

Nachdem die Klägerin bereits am 9. Mai 2011 Untätigkeitsklage erhoben hatte, wandte sie sich mit Schriftsatz vom 21. Juli 2011 auch gegen den Bescheid vom 4. Juli 2011 und ließ durch ihren Bevollmächtigten sinngemäß beantragen,

den Bescheid des Landratsamts Rhön-Grabfeld vom 4. Juli 2011 aufzuheben und den Beklagten zu verpflichten, der Klägerin die begehrte Genehmigung zur Errichtung und den Betrieb von vier Windenergieanlagen auf den Grundstücken Fl.Nrn. …77, …10, …83 und …02 der Gemarkung H… zu erteilen.

Zur Begründung wurde vorgetragen: Die Ablehnung des Antrags sei rechtswidrig und verletze die Klägerin in ihren Rechten. Die vom Beklagten angenommene Gefährdung des Schwarzstorchs betreffe ausschließlich die geplante Anlage W 1, nicht die Anlagen W 2 bis W 4. Nach der durchgeführten speziellen artenschutzrechtlichen Untersuchung sei festgestellt worden, dass sich in einer Entfernung von mehr als 2 km westlich des geplanten Anlagenstandorts W 1 ein möglicher Horst des Schwarzstorchs befinde. Es sei aber auch festgestellt worden, dass das Umfeld der Anlage W 1 für den Schwarzstorch nicht als verlockendes Nahrungshabitat anzusehen sei. Daher bestehe keine Kollisionsgefährdung, die ein sozialadäquates Maß übersteige. Im Übrigen handele es sich bei den von der Länderarbeitsgruppe der Vogelschutzwarten angenommenen Abständen um bloße Empfehlungen. Im Rahmen der artenschutzrechtlichen Untersuchung hätten sich keine gesicherten Erkenntnisse darüber ergeben, dass das Untersuchungsgebiet vom Rotmilan als Rast- und Nahrungsfläche genutzt werde. Es könne nicht davon die Rede sein, dass die artenschutzrechtlichen Untersuchungen der Klägerin unvollkommen seien und nicht den notwendigen Zeitraum erfassten. So sei auch eine ergänzende Untersuchung durchgeführt worden, die ebenfalls keine Brutaktivität im Plangebiet festgestellt habe. Es sei davon auszugehen, dass ein Tötungsrisiko für den Rotmilan nahezu ausgeschlossen werden könne.

Der Beklagte habe den vorgelegten landschaftspflegerischen Begleitplan ohne Nennung konkreter Kritikpunkte als unzureichend kritisiert. Der landschaftspflegerische Begleitplan sei abgearbeitet. Es sei mit der Unteren Naturschutzbehörde ein Radius von 5 km für die Sichtbarkeitsanalyse vereinbart worden, nicht von 10 km, wie ihn die Behörde jetzt verlange. Entgegen der Darstellung des Beklagten sei die Einwirkung der Windenergieanlagen auf das Landschaftsschutzgebiet berücksichtigt worden. Es lasse sich feststellen, dass das Landschaftsbild allenfalls in Randbereichen geringfügig beeinträchtigt werde. Insoweit sei für eine hinreichende Kompensation gesorgt.

Dem Vorhaben stünden auch keine in Aufstellung befindlichen Ziele der Raumordnung entgegen. Insoweit sei auf die Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt der Einreichung der vollständigen Unterlagen (hier im Dezember 2010) abzustellen. In Aufstellung befindliche Ziele lägen nicht vor. Solche forderten ein Mindestmaß an inhaltlicher Konkretisierung. Danach müsse die Planung ein genügendes Maß an Verlässlichkeit bieten, um auf der Genehmigungsebene als Versagungsgrund dienen zu können. Diesem Erfordernis sei erst dann genügt, wenn ein Planungsstand erreicht sei, der die Prognose nahelege, dass die ins Auge gefasste planerische Aussage Eingang in die endgültige Fassung des Raumordnungsplans finden werde. Davon könne nicht die Rede sein, solange der Abwägungsprozess gänzlich offen sei. Im vorliegenden Fall habe die Abwägung noch nicht stattgefunden. Die Frist für die Einreichung von Einwendungen gegen die Planvorstellungen sei erst am 30. Dezember 2011 abgelaufen. Die Gemeinde H… verfolge ihrerseits nachhaltig gegenüber der Regionalplanung das Ziel, die hier in Rede stehenden Flächen als Windvorranggebiet auszuweisen. Inhaltlich stehe zu erwarten, dass die Regionalplanung diesem Begehren nachgeben werde. Die in Rede stehende Fläche befinde sich in einem „weißen Bereich“ der Entwurfsplanung, der grundsätzlich den Erwägungen der Raumplanung nicht entgegenstehe. Im Übrigen sei der Vorentwurf zur Änderung des Regionalplans offensichtlich mit materiellem Recht nicht vereinbar. Bereits ein flüchtiger Blick auf den Regionalplanentwurf zeige, dass die regionale Planungsgemeinschaft bezogen auf das Planungsgebiet nur einen ganz marginalen Teil der Flächen für die Windenergienutzung vorbehalten wolle. Der Flächenanteil liege bei etwa 1 % des Planungsgebiets. Damit sei keineswegs sichergestellt, dass in den ausgewiesenen Vorranggebieten tatsächlich und effektiv die Errichtung und der Betrieb von Windenergieanlagen möglich seien. Schließlich habe die Klägerin festgestellt, dass auf wenigstens 90 % der ausgewiesenen Flächen Konfliktpotenzial mit naturschutzrechtlichen Fragestellungen bestehe. Rechnerisch weise der Regionalplanentwurf damit lediglich 0,1 % des Planungsgebiets für die Nutzung der Windenergie aus. Es liege mithin eine materiell unwirksame Verhinderungsplanung vor.

4.

Das Landratsamt Rhön-Grabfeld beantragte für den Beklagten,

die Klage abzuweisen.

Die Verbotstatbestände des § 44 Abs. 1 BImSchG seien erfüllt. Der Standort für die Anlage W 1 sei insbesondere wegen des deutlich erhöhten Kollisionsrisikos für den Schwarzstorch nicht genehmigungsfähig. Das Kollisionsrisiko sei durch die räumliche Nähe des Brutplatzes und die im direkten Umfeld zur Anlage vorhandenen potenziellen Nahrungsflächen erhöht und überschreite deutlich das sozialadäquate Maß. Das Umfeld der Anlagen W 2 bis W 4 sei auf dem Frühjahrszug 2011 von mehreren Rotmilanen als Nahrungs- bzw. Rastfläche genutzt worden. Dem Planungsbüro der Klägerin seien von Seiten des Beklagten zahlreiche Rotmilanbeobachtungen in Form von Listen und Karten zugeleitet worden, die bislang bei der artenschutzrechtlichen Bewertung keine Berücksichtigung gefunden hätten. Die von der Klägerin beauftragte Kartierung für 2011 sei methodisch nicht abgeschlossen und das bisherige Ergebnis im Rahmen der speziellen artenschutzrechtlichen Prüfung könne nur als vorläufig und unvollständig angesehen werden. Die hierdurch vorhandene Unsicherheit wirke sich aufgrund der europarechtlichen Vorgaben zum Artenschutz zu Lasten der Klägerin aus. Durch verschiedene Beobachtungen sei eine häufige Frequentierung des Untersuchungsgebiets zur Nahrungssuche belegt.

Es müsse festgestellt werden, dass Bestandsaufnahme und Bewertung im landschaftspflegerischen Begleitplan fehlerhaft und unvollständig abgehandelt worden seien. Nach dem Verfahren „Nohl“ sei im vorliegenden Fall eine Sichtbarkeitsanalyse mit einem Radius von 10 km durchzuführen. Dies lasse keine objektive Prüfung der Eingriffsregelung nach dem Naturschutzrecht zu. Aufgrund der großen Fernwirkung hätten die Anlagen einen unmittelbaren, negativen Einfluss auf das Landschaftsbild.

Der aktuelle Regionalplanentwurf sehe in der Gemarkung H… keine Vorrang- oder Vorbehaltsgebiete vor, weil das Gebiet weitgehend mit nach dem Regionalplanentwurf vorgesehenen Ausschlusskriterien belegt sei. Außerhalb der Ausschlussflächen verbleibe nur ein kleiner Bereich, der nur teilweise auch den Planungsbereich der Klägerin umfasse. Dieser Teil liege im Bereich einer Richtfunktrasse. Auf Anfrage des Beklagten habe der Regionale Planungsverband mit Schreiben vom 22. Dezember 2011 nochmals dargelegt, warum in dem fraglichen Bereich keine Gebiete für die Windkraftnutzung ausgewiesen worden seien. Der Entwurf der Regionalplanänderung sei im Vorfeld mit den wesentlichen Trägern öffentlicher Belange abgestimmt worden, weshalb davon auszugehen sei, dass er auch zu einer verbindlichen Vorgabe werde. Mit der Einleitung des Anhörungsverfahrens habe der Entwurf der Regionalplanänderung den Charakter eines in Aufstellung befindlichen Ziels der Raumordnung im Sinne von § 3 Nr. 4 ROG erhalten. Es sei in der Rechtsprechung anerkannt, dass in Aufstellung befindliche Ziele der Raumordnung als nicht benannte öffentliche Belange im Sinne von § 35 Abs. 3 Satz 1 BauGB einem privilegierten Vorhaben entgegenstehen könnten.

Mit Schriftsatz vom 5. April 2012 teilte der Beklagte mit, dass bei einer Ortseinsicht des Fachreferenten für Naturschutz bei H… ein Horst des Rotmilans entdeckt worden sei.

5.

In der mündlichen Verhandlung vom 17. April 2012 wurde die Sach- und Rechtslage mit den Parteien erörtert. Als sachverständige Zeugen wurden zur Situation der Vogelarten Schwarzstorch und Rotmilan im Bereich der geplanten Windkraftanlagen Dipl. Biol. S… K… und Herr D… S… vom Landesbund für Vogelschutz vernommen. Darüber hinaus wurde Herr Regierungsrat A… von der Regionalplanungsstelle bei der Regierung von Unterfranken angehört. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die Niederschrift über die mündliche Verhandlung, die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze sowie auf die Gerichts- und Behördenakten Bezug genommen.

Gründe

Die zunächst als Untätigkeitsklage erhobene Verpflichtungsklage ist als Versagungsgegenklage (§ 42 Abs. 1 2. Alt. VwGO) zulässig, aber unbegründet.

Die Voraussetzungen des § 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO sind nicht gegeben. Die Klägerin wird durch die Ablehnung der beantragten immissionsschutzrechtlichen Genehmigung nicht in ihren Rechten verletzt, denn der geltend gemachte Anspruch besteht nicht.

Maßgeblich ist hierbei die Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung (vgl. BayVGH vom 24.09.2007 Az.: 14 B 05.2149 - juris; Schmidt in Eyermann, VwGO, 13. Aufl. 2010, Rd.Nr. 45 zu § 113).

Das geplante Vorhaben der Klägerin auf Errichtung von vier Windkraftanlagen mit einer Gesamthöhe von ca. 152 m bedarf nach Nr. 1.6 Spalte 2 des Anhangs zur 4. BImSchV i.V.m. § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 der 4. BImSchV der immissionsrechtlichen Genehmigung im vereinfachten Verfahren nach § 19 BImSchG.

Nach § 6 Abs. 1 BImSchG ist die Genehmigung zu erteilen, wenn (1.) sichergestellt ist, dass die sich aus § 5 und einer aufgrund des § 7 erlassenen Rechtsverordnung ergebenden Pflichten erfüllt werden und (2.) andere öffentlich-rechtliche Vorschriften und Belange des Arbeitsschutzes der Errichtung und dem Betrieb der Anlage nicht entgegenstehen.

Nach § 35 Abs. 1 Nr. 5 BauGB sind Vorhaben, die - wie hier - der Nutzung der Windenergie dienen, im Außenbereich zulässig, wenn öffentliche Belange nicht entgegenstehen. Hier fehlt es an der bauplanungsrechtlichen Zulässigkeit des Vorhabens, da ihm derartige öffentliche Belange im Sinne des § 35 Abs. 3 Satz 1 BauGB entgegenstehen.

1.

Dem von der Klägerin begehrten Vorhaben stehen die Ziele des in Aufstellung befindlichen Regionalplans des Regionalen Planungsverbands Main-Rhön als unbenannter öffentlicher Belang nach § 35 Abs. 3 Satz 1 BauGB entgegen:

1.1.

Der Regionale Planungsverband Main-Rhön hat am 25. Juli 2011 die Änderung des Regionalplans Main-Rhön (3) Kapitel B VII „Energieversorgung“ Abschnitt 5.3. „Windkraftanlagen“ beschlossen. Hierzu hat der Planungsausschuss als Anhang zu diesem Ziel „Kriterien für den Ausschluss und die Beschränkung der Windkraftnutzung“ aufgestellt. Der Regionalplan sieht künftig unter dem Punkt „5.3 Windkraftanlagen“ folgende Ziele vor:

„5.3.1 Z Bei der Errichtung überörtlich raumbedeutsamer Windkraftanlagen ist durch eine vorausschauende Standortplanung vor allem darauf zu achten,

- dass der Naturhaushalt, das Landschaftsbild und die Erholungsfunktion der Landschaft sowie Bau- und Bodendenkmäler nicht erheblich beeinträchtigt werden

- und dass unzumutbare Belästigungen der Bevölkerung durch optische und akustische Einwirkungen der Windkraftanlagen vermieden werden.

5.3.2 Z Windkraftanlagen sind in der Regel in Vorrang- und Vorbehaltsgebieten für Windkraftnutzung zu konzentrieren und in den Gebieten außerhalb der Vorrang- und Vorbehaltsgebiete in der Regel ausgeschlossen.

Von der Regel des Satzes 1 ausgenommen

- sind die bereits errichteten oder rechtskräftig genehmigten Windkraftanlagen;

- ist die Errichtung von Windkraftanlagen in Sondergebieten (Konzentrationsflächen) für Windkraftnutzung, die in Flächennutzungsplänen dargestellt sind, die beim Inkrafttreten der X-ten Verordnung zur Änderung des Regionalplans der Region Main-Rhön (3) vom … bereits rechtswirksam sind.“

Es folgt die namentliche Aufzählung von 52 künftigen Vorranggebieten und 42 künftigen Vorbehaltsgebieten für Windkraftnutzung sowie der Verweis auf eine Karte. Der von der Klägerin vorgesehene Standort findet sich nicht unter diesen Vorrang- oder Vorbehaltsgebieten.

1.2.

Gemäß § 35 Abs. 3 Satz 2 BauGB dürfen raumbedeutsame Vorhaben nach den Absätzen 1 und 2 den Zielen der Raumordnung nicht widersprechen; öffentliche Belange stehen raumbedeutsamen Vorhaben nach Absatz 1 nicht entgegen, soweit die Belange bei der Darstellung dieser Vorhaben als Ziele der Raumordnung in Plänen im Sinne des § 8 oder 9 des Raumordnungsgesetzes (ROG) abgewogen worden sind. Öffentliche Belange stehen nach § 35 Abs. 3 Satz 3 BauGB einem Vorhaben nach Absatz 1 Nr. 2 bis 6 in der Regel auch dann entgegen, soweit hierfür durch Darstellungen im Flächennutzungsplan oder als Ziele der Raumordnung eine Ausweisung an anderer Stelle erfolgt ist. Hierfür müssen die Ziele wirksam festgelegt sein. In Aufstellung befindliche Ziele - wie hier - reichen hierfür nicht aus (vgl. Söfker in Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, Baugesetzbuch, 101. Erg.Lief. 2011, Rd.Nr. 126 zu § 35 BauGB).

Allerdings ist in der Rechtsprechung (vgl. BVerwG vom 01.07.2010 Az.: 4 C 4/08; vom 27.01.2005 Az.: 4 C 5/04; vom 13.03.2003 Az.: 4 C 3/02; BayVGH vom 17.11.2011 Az.: 2 BV 10.2295 – alle juris; s.a. Söfker in Ernst/Zinkahn/ Bielenberg/Krautzberger, Rd.Nr. 113a zu § 35; Gatz, Windenergieanlagen in der Verwaltungs- und Gerichtspraxis, 2009, Rd.Nr. 341) geklärt, dass ein in Aufstellung befindliches Ziel der Raumordnung, das - wie hier - zur Ausschlusswirkung gemäß § 35 Abs. 3 Satz 3 BauGB führen soll, als sonstiges Erfordernis der Raumordnung i.S.d. § 3 Nr. 4 ROG einem nach § 35 Abs. 1 BauGB privilegierten Vorhaben als unbenannter öffentlicher Belang entgegenstehen kann. § 4 Abs. 1 und 3 ROG machen deutlich, dass im Fachrecht nicht bloß verbindliche Zielfestlegungen, sondern auch in Aufstellung befindliche Ziele der Raumordnung relevant sein können. Der Raumordnung kommt bereits in der Entstehungsphase von Zielbestimmungen maßgebliche Bedeutung zu. Die steuernde Kraft, die Ziele der Raumordnung nach § 3 Abs. 1 Nr. 2 ROG als „verbindliche Vorgaben“ haben, dokumentiert sich im Aufstellungsverfahren in rechtserheblichen Vorwirkungen als sonstige „Erfordernisse“ der Raumordnung i.S.d. § 3 Nr. 4 ROG. Der unterschiedlichen rechtlichen Qualität wird dadurch Rechnung getragen, dass Ziele, deren endgültige rechtliche Verfestigung noch aussteht, im Anwendungsbereich des § 35 Abs. 3 Satz 1 BauGB nur eine Berücksichtigungspflicht begründen (so ausdrücklich BayVGH vom 17.11.2011 Az.: 2 BV 10.2295 - juris, Rd.Nr. 21).

Um im Zulassungsregime des § 35 BauGB relevant zu sein, muss das in Aufstellung befindliche Ziel der Raumordnung nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts bestimmten Anforderungen genügen (BVerwG vom 27.01.2005 Az.: 4 C 5/04 - juris).

1.3.

Erforderlich ist zunächst ein Mindestmaß an inhaltlicher Konkretisierung. Denn der Gesetzgeber lässt es nicht mit der Aufstellung eines Raumordnungsplans bewenden. Es genügt nicht der Hinweis des Trägers der Raumordnungsplanung, einen Aufstellungsbeschluss gefasst oder einen sonstigen Akt vollzogen zu haben, der sich als Einleitung eines Planungsverfahrens werten lässt. Der Gesetzgeber knüpft nach Maßgabe des § 4 Abs. 2 ROG Rechtsfolgen allein an die Zielaufstellung. Dabei kommen aus dem Kreis etwaiger in Aufstellung befindlicher Ziele nur solche als Zulassungshindernis in Betracht, die geeignet sind, ohne weiteren planerischen Zwischenschritt unmittelbar auf die Zulassungsentscheidung durchzuschlagen. Das zukünftige Ziel muss bereits so eindeutig bezeichnet sein, dass es möglich ist, das Bauvorhaben, das den Gegenstand eines bauordnungsrechtlichen Zulassungsverfahrens bildet, an ihm zu messen und zu beurteilen, ob es mit ihm vereinbar wäre. Die insoweit erforderliche Detailschärfe weist es erst auf, wenn es zeichnerisch oder verbal so fest umrissen ist, dass es anderen Behörden und der Öffentlichkeit zur Kenntnis gebracht werden kann. Dieses Stadium der Verlautbarungsreife ist regelmäßig erreicht, wenn es im Rahmen eines Beteiligungsverfahrens zum Gegenstand der Erörterung gemacht werden kann (BVerwG vom 27.01.2005 Az.: 4 C 5/04 - juris, Rd.Nr. 28).

Im vorliegenden Fall wurde der Entwurf zur Änderung des Regionalplans der Region Main-Rhön (3) in der Fassung vom 25. Juli 2011 bereits zum Gegenstand des Anhörungsverfahrens unter Einbeziehung der Öffentlichkeit gemäß § 10 Abs. 1 ROG i.V.m. Art. 13 BayLPlG gemacht. Die Frist zur Geltendmachung von Einwendungen lief zunächst am 30. Dezember 2011 und (nach Fristverlängerung) endgültig am 2. März 2012 ab. Der Änderungsentwurf ist bei der Regierung von Unterfranken als Höherer Landesplanungsbehörde sowie auf der Internet-Seite des Regionalen Planungsverbands Main-Rhön und der Regierung von Unterfranken für jedermann einsehbar. Die beiden die Windkraftnutzung betreffenden und sie steuernden Ziele Nrn. 5.3.1 und 5.3.2 sind - wie unter Ziffer 1.1 zitiert - schon vollständig ausformuliert und auch zeichnerisch im Weg einer Karte dargestellt. Es ist daher von einer bereits hinreichenden Konkretisierung der künftigen Ziele auszugehen. Auch kann das klägerische Vorhaben bereits an den beiden in Aufstellung befindlichen Zielen im Rahmen des hier verfahrensgegenständlichen immissionsschutzrechtlichen Genehmigungsverfahrens gemessen werden.

Wenn die Klägerin vorbringt, dass hier im Bereich der von ihr geplanten Windkraftanlagen ein „weißer Bereich“ der Entwurfsplanung vorliege, der den Erwägungen der Raumplanung nicht entgegenstehe und diese damit ihrem Vorhaben nicht entgegen gehalten werden könnten, kann ihr nicht gefolgt werden. Ein sog. „weißer Bereich“ liegt vor, wenn die Raumplanung nicht für jede Zone im Planungsraum ein Ziel der Raumordnung bestimmt, sondern Teilbereiche ausspart. Bei derartigen Flächen ist weder eine Entwicklungs- noch eine Ausschlusszone für Windkraftanlagen vorgesehen. Es fehlt dann an einer Zielaussage i.S.v. § 35 Abs. 3 Satz 2 BauGB (vgl. Gatz, a.a.O., Rd.Nr. 139 f.). Dies ist hier aber nicht der Fall, denn die Raumplanung trifft -wie sich aus Satz 1 des Ziels 5.3.2 eindeutig ergibt - für das gesamte Plangebiet eine Aussage. Dies hat auch der Vertreter der Regionalplanungsstelle bei der Regierung von Unterfranken in der mündlichen Verhandlung nochmals deutlich gemacht. Denn er hat auf Nachfrage unmissverständlich erklärt, dass es im Regionalplan entweder Vorrang- oder Vorbehaltsflächen für die Windkraftnutzung geben werde oder aber solche Flächen, bei denen die Windkraftnutzung ausgeschlossen sei; „weiße Flächen“ werde es nicht geben. Entgegen der Einschätzung des Klägerbevollmächtigten greift hier auch nicht die in Satz 2 (2. Spiegelstrich) des Ziels 5.3.2 normierte Ausnahme ein. Denn diese verlangt, dass Konzentrationsflächen für Windkraftanlagen in Flächennutzungsplänen zum Zeitpunkt des Inkrafttretens der Regionalplanänderung bereits rechtswirksam sind. Im Verfahren zur Änderung des Flächennutzungsplans der Gemeinde H… wurde aber erst die Anhörung der Träger öffentlicher Belange durchgeführt, das Verfahren danach nicht weiterbetrieben.

1.4.

Der inhaltlich konkretisierte Entwurf muss - zweitens - die hinreichend sichere Erwartung rechtfertigen, dass er über das Entwurfsstadium hinaus zu einer verbindlichen Vorgabe i. S. v. § 3 Abs. 1 Nr. 2 ROG erstarken wird.

Denn es würde - so ausdrücklich das Bundesverwaltungsgericht (Urteil vom 27.01.2005 Az.: 4 C 5/04 - juris, Rd.Nrn. 29 f.) - dem Gewährleistungsgehalt des Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG zuwider laufen, ein ansonsten zulässiges Vorhaben an Zielvorstellungen des Planungsträgers scheitern zu lassen, bei denen noch nicht absehbar ist, ob sie je als zukünftiges Ziel der Raumordnung Außenwirksamkeit entfalten werden. Die Planung muss ein genügendes Maß an Verlässlichkeit bieten, um auf der Genehmigungsebene als Versagungsgrund zu dienen. Diesem Erfordernis ist erst dann genügt, wenn ein Planungsstand erreicht ist, der die Prognose nahe legt, dass die ins Auge gefasste planerische Aussage Eingang in die endgültige Fassung des Raumordnungsplans finden wird. Davon kann keine Rede sein, solange der Abwägungsprozess gänzlich offen ist. Gerade bei Plänen, die auf der Grundlage des § 35 Abs. 3 Satz 3 BauGB aufgestellt werden, bedarf es eines Gesamtkonzepts, das dadurch gekennzeichnet ist, dass eine positive Ausweisung, die für eine bestimmte Nutzung substanziellen Raum schafft, mit einer Ausschlusswirkung an anderer Stelle kombiniert wird. Diese Wechselbezüglichkeit von positiver und negativer Komponente bringt es in der Regel mit sich, dass der Abwägungsprozess weit fortgeschritten sein muss, bevor sich hinreichend sicher abschätzen lässt, welcher der beiden Gebietskategorien ein im Planungsraum gelegenes einzelnes Grundstück zuzuordnen ist. Das bedeutet freilich nicht zwangsläufig, dass die zukünftige Ausschlusswirkung eines in Aufstellung befindlichen Ziels einem Außenbereichsvorhaben erst dann entgegengehalten werden kann, wenn der Planungsträger die abschließende Abwägungsentscheidung getroffen hat und es nur noch von der Genehmigung und der Bekanntmachung abhängt, dass eine Zielfestlegung entsteht, die die in § 35 Abs. 3 Satz 3 BauGB genannten Merkmale aufweist. Lässt sich bereits zu einem früheren Zeitpunkt absehen, dass die Windkraftanlage auf einem Grundstück errichtet werden soll, das in einem Raum liegt, der für eine Windenergienutzung von vornherein tabu ist oder aus sonstigen Gründen erkennbar nicht in Betracht kommt, so ist – worauf das Bundesverwaltungsgericht im Urteil vom 27. Januar 2005 (Az.: 4 C 5/04 – juris, RdNr. 30) hingewiesen hat - das insoweit in Aufstellung befindliche Ziel der Raumordnung schon in dieser Planungsphase im Baugenehmigungsverfahren berücksichtigungsfähig. Ob und wie lange vor der abschließenden Beschlussfassung sich die Planung gegebenenfalls in Richtung Ausschlusswirkung verfestigen kann, beurteilt sich nach den jeweiligen Verhältnissen vor Ort. Je eindeutiger es nach den konkreten Verhältnissen auf der Hand liegt, dass der Bereich, in dem das Baugrundstück liegt, Merkmale aufweist, die ihn als Ausschlusszone prädestinieren, desto eher ist die Annahme gerechtfertigt, der Plangeber werde diesem Umstand in Form einer negativen Zielaussage Rechnung tragen.

Im vorliegenden Fall steht zwar die abschließende Abwägungsentscheidung des Regionalen Planungsverbands noch aus. Sie ist noch - wie der Vertreter der Regionalplanungsstelle in der mündlichen Verhandlung erklärt hat - für den Sommer diesen Jahres geplant. Der von der Klägerin für die Aufstellung der Windkraftanlagen W 1 – W 4 vorgesehene Bereich westlich von H… war schon im ersten Entwurf des Regionalplans, der im Sommer 2010 beraten worden war, nicht enthalten. Er ist auch im Entwurf vom 25. Juli 2011, der der Anhörung bzw. Öffentlichkeitsbeteiligung zu Grunde lag, nicht als Vorrang- oder als Vorbehaltsgebiet dargestellt. Das Gebiet wurde im Rahmen des Aufstellungsverfahrens - wie der Vertreter der Regionalplanungsstelle erläutert hat - auf seine Eignung anhand der vom Planungsausschuss beschlossenen Kriterien (Anhang zum Ziel B.VII 5.3.2 „Kriterien für den Ausschluss und die Beschränkung der Windkraftnutzung“) überprüft. Der am 25. Juli 2011 beschlossene Kriterienkatalog unterscheidet im Einklang mit den Vorgaben der Rechtsprechung (vgl. OVG Lüneburg vom 28.01.2010 Az.: 12 KN 65/078 BauR 2010,1043) und der Literatur (vgl. Gatz, Rd.Nr. 707; Scheidler, BayVBl. 2011, 161/162), denen sich die Kammer anschließt, zwischen sogenannten harten Ausschlusskriterien für Flächen, die von vornherein für die Windenergienutzung ausgenommen bleiben sollen, und sogenannten weichen Ausschlusskriterien für Flächen, welche im Einzelfall auf ihre konkrete Eignung für die Windkraftnutzung überprüft werden müssen.

Die Gegend westlich von H… ist weitgehend mit nach dem Regionalplanentwurf vorgesehenen harten Ausschlusskriterien belegt. So befindet sich der Bereich nördlich, westlich und südlich der geplanten Windkraftanlagen im Landschaftsschutzgebiet „Rhön“. Die an die Ortslage von H… sich westlich anschließende Fläche unterfällt in einem Bereich von 800 m ebenfalls einem Ausschlusskriterium, dem der „Wohn- und gemischten Baufläche + 800 m“. Damit unterfällt die Anlage W 3 bereits diesem harten Ausschlusskriterium, wonach ein Abstand von 800 m zu Wohnbauflächen bzw. gemischten Bauflächen einzuhalten ist. Die Restfläche, auf der die Anlagen W 1, W 2 und W 4 vorgesehen sind, wird in Südost-Nordwest-Richtung durchschnitten von einem weiteren harten Ausschlusskriterium, dem der „Richtfunktrasse + Fresnelzone“. Dies trifft vor allem die Anlagen W 1 und W 4, die sich im unmittelbaren Bereich der Richtfunktrasse befinden dürften, wie ein Vergleich der Begründungskarte „Ausschluss- und Beschränkungsgebiete für Windkraft“ (Anlage zur Begründung des Anhangs zum Ziel B VII 5.3.2. des Regionalplan-Entwurfs) mit dem Übersichtslageplan als Teil der Genehmigungsunterlagen zeigt.

Auch hinsichtlich der noch verbleibenden - durch die Richtfunktrasse durchschnittenen - Fläche ist bereits vor der abschließenden Abwägungsentscheidung, nämlich zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung der Kammer abzusehen, dass diese vom Regionalen Planungsverband nicht mehr als Vorrang- oder Vorbehaltsfläche für Windkraftanlagen ausgewiesen werden wird. So hat der Regionale Planungsverband gegenüber dem Landratsamt Rhön-Grabfeld bereits mit Schreiben vom 22. Dezember 2011 dargelegt, dass außerhalb der mit harten Ausschlusskriterien belegten Flächen im Bereich der Gemeinde H… nur ein kleiner Bereich verblieben sei, der einer Einzelfallprüfung unterzogen worden sei. Die beiden - durch die Richtfunktrasse geteilten - Flächen lägen auf einem auffälligen Geländerücken über dem Tal der Fränkischen Saale, die als Teil des charakteristischen Landschaftsbildes gemäß dem Landschaftsentwicklungsprogramm (B I 2.2.3, 2.2.9.2) und dem Regionalplan der Region Main-Rhön (B I. 3.2.1 und B VII 5.3.1) erhalten bzw. nicht (durch Windkraftanlagen) beeinträchtigt werden sollten. Des Weiteren seien naturschutzfachliche Bedenken aufgrund von Brutnachweisen des Schwarzstorchs, des Uhus und des Rotmilans einzubringen gewesen. Nach allem handele es sich hier um einen äußerst sensiblen Bereich. Ziel der Regionalplanung sei es aber, durch Ausgleich der unterschiedlichen Belange die Windkraftnutzung möglichst raumverträglich zu steuern. Zudem würde die Ausweisung dieser Fläche aufgrund ihrer geringen Größe und des Fehlens eines räumlichen Zusammenhangs mit anderen Vorrang- und Vorbehaltsgebieten für die Windkraftnutzung auch dem Ziel der Konzentration -auch zur Netzanbindung und der Entlastung des Landschaftsbildes -, das gerade mit der Regionalplanung verfolgt werde, widersprechen. Der Vertreter der Regionalplanungsstelle hat in der mündlichen Verhandlung diese Gründe, die in der Einzelfallprüfung entscheidend gegen eine Ausweisung einer Vorrang- oder Vorbehaltsfläche gesprochen haben, umfassend erläutert und darauf hingewiesen, dass es im Rahmen der Abwägung von großer Bedeutung sei, ob es sich um ein relativ kleines Gebiet handele, zumal noch durchschnitten. Er hat für das Gericht nachvollziehbar dargelegt, dass in einem solchen Fall das grundsätzliche Ziel der Raumplanung, das in einer Konzentration von Nutzungen bestehe, auf der Stufe der Abwägung der Ausweisung von Vorrang- oder Vorbehaltsgebieten für Windkraftanalgen entgegen stehe.

Nach allem ist nicht zu erwarten, dass das Baugrundstück noch den Status eines Vorrang- oder Vorbehaltsgebiets erhalten wird. Dies wird auch deutlich in der vom Vertreter der Regionalen Planungsstelle in der mündlichen Verhandlung gemachten Aussage, dass nach seiner derzeitigen Einschätzung im Bereich H… keine Änderungen hinsichtlich der Gebietsausweisung zu erwarten seien.

1.5.

Schließlich ist hier auch von einer wirksamen Zielfestlegung auszugehen. Insoweit ist der Frage nachzugehen, ob dem Planentwurf Mängel anhaften, die sich als formelles oder materielles Wirksamkeitshindernis erweisen können. Denn ein in Aufstellung befindliches Ziel kann einem privilegierten Vorhaben nur dann als öffentlicher Belang entgegengehalten werden, wenn davon auszugehen ist, dass es so, wie es im Entwurfsstadium vorliegt, wird rechtliche Verbindlichkeit erlangen können (BVerwG vom 27.01.2005 Az.: 4 C 5/04, Rd.Nr. 31). Um im Anwendungsbereich des § 35 Abs. 3 Sätze 2 und 3 BauGB als Zulassungshindernis in Betracht zu kommen, genügt es nicht, dass eine planerische Vorgabe die äußerlichen Merkmale eines Ziels der Raumordnung aufweist. Die Zielfestlegung muss wirksam sein. Ein in Aufstellung befindliches Ziel kann insoweit keine vergleichsweise stärkeren rechtlichen Wirkungen erzeugen. Seine Verhinderungskraft kann nicht weitergehen als die der späteren endgültigen Zielfestlegung.

Die Klägerin bringt insoweit lediglich vor, dass der Regionalplan-Entwurf mit materiellem Recht nicht vereinbar sei, weil wegen des geringen Anteils der Gebiete für Windkraftnutzung am Gesamtgebiet eine unwirksame Verhinderungsplanung vorliege. Dem kann die Kammer nicht folgen.

Wie aus § 1 Abs. 1 ROG zu ersehen ist, hat die Raumordnung Planungscharakter. Damit sind Pläne, die auf dieser Planungsstufe aufgestellt werden, Abwägungsprodukte, die nach den in der Rechtsprechung zum Abwägungsgebot entwickelten Grundsätzen der gerichtlichen Prüfung unterliegen (vgl. BVerwG vom 27.01.2005 Az.: 4 C 5/04 - juris, Rd.Nr. 34). Die Klägerin hat indes keinen durchgreifenden Abwägungsmangel aufgezeigt. Insbesondere deutet derzeit nichts darauf hin, dass der Regionale Planungsverband Main-Rhön die Bedeutung der privaten Belange verkannt haben könnte. Mit der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist zwar ausdrücklich hervorzuheben, dass sich das Zurücktreten der Privilegierung in Teilen des Planungsgebiets nach der Wertung des Gesetzgebers nur dann rechtfertigen lässt, wenn die Planung die Gewähr dafür bietet, dass sich die betroffenen Vorhaben an anderer Stelle gegenüber konkurrierenden Nutzungen durchsetzen. Der Träger der Raumordnungsplanung darf das Instrumentarium, das ihm das Raumordnungsrecht an die Hand gibt, nicht für eine „Verhinderungsplanung" missbrauchen (vgl. BVerwG vom 17.12.2002 Az.: 4 C 15/01 und vom 13.03.2003 Az.: 4 C 4/02 – beide juris). Neben einer gezielten – also rein negativen - Verhinderungsplanung ist auch eine bloße „Feigenblatt-Planung“, die auf eine verkappte Verhinderungsplanung hinausläuft, unzulässig (BayVGH vom 17.11.2011 Az.: 2 BV 10.2295 - juris). Eine solche liegt aber nicht schon dann vor, wenn die Festlegung von Konzentrationsflächen zu einer Art „Kontingentierung“ der Anlagenstandorte führt. Denn der Gesetzgeber sieht es als berechtigtes öffentliches Interesse an, die Windenergienutzung zu kanalisieren und zu steuern (BayVGH vom 17.11.2011 Az.: 2 BV 10.2295 - juris). In den Urteilen vom 17. Dezember 2002 (Az.: 4 C 15/01 - juris) und vom 13. März 2003 (Az.: 4 C 3/02 - juris) hat das Bundesverwaltungsgericht darauf hingewiesen, dass sich der, gemessen an der Gesamtfläche, geringe Umfang einer Positivausweisung, isoliert betrachtet, nicht als Indiz oder gar Beleg für eine verkappte Verhinderungsplanung werten lässt.

Darüber hinaus kann hier von einem geringen Umfang an positiv ausgewiesenen Flächen, wie die Klägerin meint, nicht gesprochen werden, vielmehr ist hier eher von einer „großzügigen“ Ausweisung von Vorrang- aber auch Vorbehaltsflächen für die Windkraftnutzung auszugehen. So sind ausweislich der Begründung zur Änderung des Regionalplans insgesamt 52 Gebiete mit einer Gesamtfläche von ca. 5.654 ha als Vorranggebiete in den Planentwurf eingeflossen. Dies entspricht in etwa 1,4 % der Regionsfläche. Darüber hinaus sind ca. 7.157 ha als Vorbehaltsflächen vorgesehen, was einem Anteil von 1,8 % der Regionsfläche ausmacht. Zwar wird es auf Grund der in der Anhörung erfolgten Einwendungen möglicherweise noch einige Anpassungen bei den Flächen geben. Es ist jedoch nicht zu erwarten, dass sich diese noch deutlich reduzieren werden. Die Kammer geht daher nicht davon aus, dass es sich lediglich um eine Verhinderungsplanung handelt. Bei einer Ausweisung von 1,4 % der Gesamtfläche als Vorrangfläche wird der Windenergienutzung in substanzieller Weise Raum verschafft und ihr ein ausreichender Flächenanteil gesichert, zumal noch 1,8 % der Gesamtfläche als Vorbehaltsfläche hinzukommen. Daran kann auch der Umstand nichts ändern, dass einzelne Anlagenstandorte im Rahmen der vorzunehmenden Einzelfallprüfung auf der Ebene des immissionsschutzrechtlichen Genehmigungsverfahrens an naturschutzrechtlichen und insbesondere an artenschutzrechtlichen Anforderungen scheitern können. In der Rechtsprechung wurden bereits die unterschiedlichsten Flächenanteile als ausreichend angesehen. Die Beispiele reichen von 1,2 % (BayVGH vom 17.11.2011 Az.: 2 BV 10.2295 - juris) über 1 % (OVG Berlin-Brandenburg vom 14.09.2010 Az.: 2 A 4.10 - juris) und 0,61 % (OVG Lüneburg vom 28.01. 2010 Az.: 12 KN 65/07 BauR 2010, 1043) bis hin zu 1 Promille (VGH Mannheim vom 09.06.2005 Az.: 3 S 1545/04, NuR 2006, 371). Die Kammer kann bei dem hier vorliegenden Flächenverhältnis jedenfalls kein Indiz für eine bloße Verhinderungsplanung erkennen, zumal im Vergleich zu anderen Regionen hier ein weit überdurchschnittlicher Anteil der Flächen für die Windenergienutzung vorliegt.

1.6.

Nach der im vorliegenden Fall vorzunehmenden Abwägung im Einzelfall steht der unbenannte öffentliche Belang in Form der in Aufstellung befindlichen Ziele der Raumordnung dem Vorhaben auch entgegen.

Ob ein öffentlicher Belang einem privilegierten Vorhaben im Einzelfall entgegensteht, ist im Weg einer „nachvollziehenden“ Abwägung zu ermitteln (vgl. BVerwG vom 01.07.2010 Az.: 4 C 4/08 - juris; vom 27.01.2005 Az.: 4 C 5/04 – juris, m.w.N.; BayVGH vom 17.11.2011 Az.: 2 BV 10.2295, Rd.Nr. 40). Dabei sind die öffentliche Belange je nach ihrem Gewicht und dem Grad ihrer nachteiligen Betroffenheit einerseits sowie das kraft der gesetzlichen Privilegierung gesteigert durchsetzungsfähige Privatinteresse an der Verwirklichung des Vorhabens andererseits einander gegenüberzustellen. Ein in Aufstellung befindliches Ziel besitzt dabei nicht das Gewicht, das § 35 Abs. 3 Satz 2 und 3 BauGB den bereits wirksam festgelegten Zielen der Raumordnung verleiht. Es kann sich jedoch auch gegen ein privilegiertes Vorhaben durchsetzen (vgl. BVerwG vom 01.07.2010 Az.: 4 C 4/08; vom 13.03.2003 Az.: 4 C 3/02 – beide juris). Um das private Interesse des Bauherrn an der Verwirklichung des Vorhabens gegen die in Aufstellung befindliche Planung nachvollziehend abwägen zu können, muss feststehen, welche Belange bereits Gegenstand der planerischen Abwägung waren und ob beim Baugrundstück besondere Umstände vorliegen, die bei der Abwägung noch nicht berücksichtigt wurden.

Im vorliegenden Fall wurde das fragliche Gebiet vom Regionalen Planungsverband aus mehreren Gründen für nicht geeignet gehalten, um als Vorrang-(oder Vorbehalts-)gebiet für die Nutzung von Windenergie dienen zu können. Es handelt sich also nicht nur um den Ausschluss eines Gebiets aus lediglich einem Grund. Damit liegt ein umso gewichtigerer öffentlicher Belang für die hier vorzunehmende Abwägung vor. Wenige Windkraftanlagen außerhalb der dafür vorgesehenen Vorranggebiete würden zudem das Planungsziel der Konzentration erheblich unterlaufen. Demgegenüber hat die Klägerin außer ihrem Interesse an der Verwirklichung ihres Vorhabens keine besonderen Umstände vorgetragen. Es ist auch nicht erkennbar, dass hinsichtlich des Baugrundstücks besondere Umstände vorliegen. Das Baugrundstück ist ausreichend windhöffig. Allerdings sind auch viele andere Flächen in der Region Main-Rhön vergleichsweise windreich. Die Klägerin ist nicht Eigentümerin des Baugrundstücks, sondern darf dieses nur vertraglich nutzen, wie ihr Vertreter in der mündlichen Verhandlung erklärt hat. Es ist ferner nicht erkennbar oder vorgetragen, dass der Klägerin an keiner anderen Stelle - innerhalb eines künftigen Vorrang- oder Vorbehaltsgebiets - ein Grundstück für ihr Vorhaben zur Verfügung stehen könnte. Im Ergebnis fällt somit hier die Abwägung zulasten der Klägerin aus.

2.

Darüber hinaus spricht nach dem Ergebnis der mündlichen Verhandlung vieles dafür, dass dem Vorhaben der Klägerin auch Belange des Naturschutzes nach § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 5 BauGB entgegenstehen.

2.1.

Belange des Vogelschutzes als Unterfall des Naturschutzes können einer privilegiert zulässigen Windkraftanlage auch dann entgegenstehen, wenn sich ihr Standort weder in einem ausgewiesenen, noch in einem sog. faktischen Europäischen Vogelschutzgebiet befindet (OVG Thüringen vom 29.05.2007 Az.: 1 KO 1054/03 - juris). Nachdem die Windkraftanlagen im immissionsschutzrechtlichen Genehmigungsverfahren zu genehmigen sind, gilt der Grundsatz des § 6 Abs. 1 Nr. 2 BImSchG, wonach die Genehmigung zu erteilen ist, wenn artenschutzrechtliche Verbote nicht entgegenstehen. Für das „Nichtentgegenstehen“ ist hierbei der gleiche Prognosemaßstab anzuwenden wie im Fall des „Sicherstellens“ i.S. des § 6 Abs. 1 Nr. 1 BImSchG. Sichergestellt ist die Erfüllung der in dieser Vorschrift genannten Pflichten bereits dann, wenn sie aufgrund der vorliegenden Unterlagen mit hoher Wahrscheinlichkeit erwartet werden kann; Zweifel gehen zu Lasten des Antragstellers (Jarass, BImSchG, 9. Aufl. 2012, Rd.Nr. 14 f. zu § 6).

2.2.

Nach § 44 Abs. 1 Nr. 1 BNatSchG ist es verboten, wild lebenden Tieren der besonders geschützten Arten nachzustellen, sie zu fangen, zu verletzen oder zu töten oder ihre Entwicklungsformen aus der Natur zu entnehmen, zu beschädigen oder zu zerstören.

Beim Schwarzstorch und beim Rotmilan handelt es sich um „europäische Vogelarten“ und damit um besonders geschützte Arten i.S. des § 7 Abs. 2 Nr. 13 Buchst. b) bb) BNatSchG. Diese Vogelart ist im Anhang I der Vogelschutzrichtlinie (Richtlinie 79/409 EWG, geändert durch die Richtlinie 2009/147/EG) aufgeführt.

Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist der Tatbestand des Tötungsverbots gemäß § 44 Abs. 1 Nr. 1 BNatSchG trotz seines Individuenbezugs bei der Gefahr von Kollisionen im Straßenverkehr nur dann erfüllt, wenn sich durch das Vorhaben das Kollisionsrisiko für geschützte Tiere in signifikanter Weise erhöht. Nichts anderes kann für Kollisionen mit nach § 35 Abs. 1 Nr. 5 BauGB privilegierten Windkraftanlagen gelten (vgl. etwa OVG Sachsen-Anhalt vom 26.10.2011 Az. 2 L 6/09; OVG Rheinland-Pfalz vom 21.01.2011 Az.: 8 C 10850/10; VG Würzburg vom 29.03.2011 Az.: W 4 K 10.371 - alle juris). Ausschlaggebend ist also, ob die Gefahr von Kollisionen nicht in einem Risikobereich verbleibt, der mit der Errichtung der Windkraftanlagen im Außenbereich immer verbunden ist und der dem allgemeinen Risiko für das Individuum vergleichbar ist, Opfer eines Naturgeschehens zu werden (vgl. BVerwG vom 09.07.2008 Az.: 9 A 14/07 - juris).

2.3.

Bei der Prüfung der Frage, ob eine lokale Population einem signifikant erhöhten Tötungsrisiko ausgesetzt ist, ist einerseits auf das allgemeine Gefährdungspotential solcher Anlagen mit Blick auf die spezifischen Arten und andererseits auf die Ergebnisse der den konkreten Standort betreffenden naturschutzfachlichen Erhebungen abzustellen.

Über die Auswirkungen von Windkraftanlagen auf die Mortalitätsrate des Rotmilans hat der Bayerische Verwaltungsgerichtshof im Urteil vom 24. September 2007 (Az.: 14 B 05.2149 - juris) darauf hingewiesen, dass der Rotmilan seine Nahrung 50 bis 100 m hoch und damit in Nabenhöhe fliegend, sucht. Dies zeigten auch die erfassten Totfunde von Roten Milanen im Bereich von Windkraftanlagen. Eine bundesweite Erfassung im Zeitraum von 1989 bis 2004 habe ergeben, dass 40 Rote Milane Opfer von Kollisionen mit Windkraftanlagen geworden seien, und damit an der Spitze der erfassten Vogelarten stünden, gefolgt vom Seeadler mit 13 Totfunden (vgl. BT-Drs. 15/5188 vom 30.03.2005). Das Oberverwaltungsgericht Thüringen führt im Urteil vom 29. Mai 2007 (Az.: 1 KO 1054/03 - juris) unter Bezugnahme auf die ihm zugänglichen Erkenntnisse und ein im Verfahren eingeholtes Sachverständigengutachten aus, dass nach den mündlichen Erläuterungen des Sachverständigen sich die Zahl der unter Windenergieanlagen tot aufgefundenen Rotmilane inzwischen auf 80 erhöht habe. Die Totfunde ließen die Annahme zu, dass von den Windenergieanlagen für den Rotmilan (anders als für andere Vogelarten) keine Scheuchwirkung ausgehe oder sich Abschreckung und Anlockung - etwa durch andere Kollisionsopfer als Nahrung - die Waage hielten.

Die Länderarbeitsgemeinschaft der Vogelschutzwarte hat auf ihrer Herbsttagung am 12. Oktober 2006 auf Helgoland Empfehlungen aus artenschutzfachlicher Sicht für notwendige Abstandsregelungen für Windenergieanlagen zu avifaunistisch bedeutsamen Gebieten sowie Brutplätzen besonders störempfindlicher Vogelarten definiert. Diese sollen als Abwägungsgrundlage für die Regional- und Bauleitplanung dienen.

Für den Rotmilan wird ein sog. Ausschlussbereich (Mindestabstand zwischen dem Brutplatz und geplanter Windkraftanlage) von 1.000 m und ein sog. Prüfbereich von 6.000 m empfohlen. Bei dem Prüfbereich handelt es sich um Radien um jede einzelne Windkraftanlage, innerhalb derer zu prüfen sei, ob Nahrungshabitate der betreffenden Art vorhanden seien. Diese Nahrungshabitate und die Flugkorridore vom Brut- oder Schlafplatz dorthin seien von Windkraftanlagen fernzuhalten. Bei verbreitet siedelnden Arten wie beispiels-weise dem Rotmilan seien Flächen innerhalb des Prüfbereichs besonders dann als kritisch für die Errichtung von Windkraftanlagen einzuschätzen, wenn sie von mehreren Vögeln nicht nur gelegentlich, sondern überwiegend aufgesucht oder wenn sie von mehreren Individuen verschiedener Paare als Nahrungshabitat beansprucht würden.

2.4.

Bei einer Ortseinsicht am 4. April 2012 hat die Fachkraft für Naturschutz beim Landratsamt Rhön-Grabfeld bei H… den Horst eines Rotmilans entdeckt und hierbei zwei Alttiere vorgefunden. Zeitgleich wurden zwei weitere Rotmilane über den Ackerflächen jagend beobachtet. Die Kammer hat keinen Zweifel an diesen Feststellungen des Beklagten, die dem Gericht mit Schriftsatz vom 5. April 2012 mitgeteilt und in der mündlichen Verhandlung von der Fachkraft für Naturschutz wie auch vom sachverständigen Zeugen S… erläutert wurden. Nach der vom Beklagten in der mündlichen Verhandlung vorgelegten Lageplan befindet sich dieser Horst nur ca. 300 m nordöstlich des geplanten Anlagenstandortes W 4. Auch die Anlagen W 1, W 2 und W 3 liegen in einem Radius von 1.000 m um diesen Horst. Der sachverständige Zeuge S…, der für die Klägerin in den Jahren 2010 und 2011 Kartierungen und im Jahr 2011 eine spezielle Rotmilankartierung durchgeführt hat, hat zu der vg. Feststellung ausgeführt, dass er mit der Fachkraft für Naturschutz beim Landratsamt Rhön-Grabfeld am Waldrand (nordöstlich der geplanten Anlage W 4) gewesen sei und dass sie dabei zwei Rotmilane beobachtet hätten, die aufgeflogen seien. Aufgrund des fehlenden Aggressionsverhaltens zwischen den beiden Tieren gehe er davon aus, dass es sich um ein Pärchen handele, welches sich in der Balzphase bzw. der Revierbesetzungsphase befinde. Sie hätten auch ein Nest gefunden, bei dem er lediglich vermute, dass es sich um den zukünftigen Nistplatz des Pärchens handele. In den Jahren 2010 und 2011 habe er keinen Brutplatz im fraglichen Gebiet feststellen können, wohl aber im Jahr 2011 Flugbewegungen. Er sei im Jahr 2010 erstaunt gewesen, dass sich im Hangbereich des Saaletals kein Brutplatz des Rotmilans habe feststellen lassen. Im Folgejahr sei dann einige Kilometer nördlich der geplanten Anlagen bei Querbachshof ein Brutplatz gemeldet worden, so dass möglicherweise schon damals ein Revier vorhanden gewesen sei. Auf die Frage nach der Gefährdung des Rotmilans durch Windkraftanlagen erklärte er, dass eine solche im Rahmen der ganzen Flugphase gegeben sei, also nicht nur im unmittelbaren Jagdbereich. Auf die Frage hinsichtlich der signifikanten Erhöhung des Tötungsrisikos aufgrund dieser neuen Erkenntnisse, antwortete der sachverständige Zeuge, dass er persönlich der Meinung sei, dass der Abstand von 1.000 m um Windkraftanlagen einzuhalten sei, da ansonsten das Tötungsrisiko signifikant steigen würde. Wenn auch diese Frage von dem sachverständigen Zeugen K…, dessen Büro die faunistischen Bestandsaufnahmen für die Genehmigungsunterlagen der Klägerin gemacht hat, deutlich zurückhaltender bewertet wird - er erklärte nämlich, dass sich dies nicht generell sagen lasse -, so hält auch er weitere Untersuchungen, beispielsweise Bewegungsanalysen für notwendig, um eine Bewertung des signifikant erhöhten Tötungsrisikos vornehmen zu können.

Aufgrund der in der mündlichen Verhandlung gewonnen Erkenntnisse bestehen damit – unter Zugrundelegung der unter 2.1. dargelegten Maßstäbe - aus Sicht der Kammer gewichtige Anhaltspunkte dafür, dass der Rotmilan durch die Errichtung der von der Klägerin begehrten Windkraftanlagen einem signifikant erhöhten Tötungsrisiko ausgesetzt wäre. Im Wege der „nachvollziehenden“ Abwägung ist den Belangen des Vogelschutzes der Vorzug zu geben (vgl. BayVGH vom 24.09.2007 Az.: 14 B 05.2149 und vom 30.06.2005 Az.: 26 B 01.2833 - beide juris).

3.

Mithin kam es auf die zwischen den Parteien streitige Frage, ob der von der Klägerin vorgelegte landschaftspflegerische Begleitplan eine hinreichend sicher Beurteilung der naturschutzrechtlichen Eingriffsregelung ermöglicht, nicht mehr an. Gleiches gilt für die ebenfalls strittige Frage, ob für den Schwarzstorch ein signifikant erhöhtes Tötungsrisiko gegeben ist.

Nach allem konnte die Klage keinen Erfolg haben und war mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen.

Die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 167 VwGO, §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.

Beschluss

Der Streitwert wird auf 341.525,00 EUR festgesetzt.

Gründe

Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 52 Abs. 1, 63 Abs. 1 GKG. Nach dem Streitwertkatalog 2004 (Ziff. 19.1.1) beträgt der Streitwert der Klage auf Erteilung der immissionsschutzrechtlichen Genehmigung 2,5 % der Investitionssumme.

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