OLG München, Urteil vom 12.03.2012 - 19 U 4227/11
Fundstelle
openJur 2012, 121929
  • Rkr:
Tenor

I. Die Berufungen des Klägers und der Beklagten gegen das Endurteil des Landgerichts München I vom 15.09.2011 werden zurückgewiesen.

II. Die Kosten des Berufungsverfahrens werden gegeneinander aufgehoben.

III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Parteien können die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der Gläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrags leistet.

IV. Die Revision wird zugelassen.

Gründe

I.

Der Kläger beteiligte sich über die Beklagte als Treuhandkommanditistin an den Medienfonds Nr. 114 L. D. P. D. Filmproduktion GmbH & Co. KG, Nr. 131 F. T. M. Filmproduktion GmbH Co. KG und Nr. 126 D. P. GmbH & Co. KG.

Als mittelbar beteiligter Gesellschafter begehrt der Kläger Auskunft über Namen und Anschriften seiner Mitgesellschafter bzw. -treugeber in Dateiform, hilfsweise in Papierform.

Seinen Beitritt erklärte der Kläger jeweils auf der Grundlage eines mit der Beklagten geschlossenen Treuhandvertrags. Wegen des Inhalts dieser Verträge wird auf das Ersturteil und die Anlagen B 1 - B 3 Bezug genommen.

Der Kläger meint, sein Auskunftsanspruch ergebe sich sowohl aus § 716 BGB als auch aus den getroffenen (gesellschafts-)vertraglichen Vereinbarungen. Darüber hinaus sei die Beklagte auch als Treuhänderin gemäß § 675 BGB dem Kläger zur Auskunft verpflichtet. Aufgrund ihrer grundsätzlichen Verweigerung der Auskunft sei die Beklagte uneingeschränkt und nicht nur Zug um Zug gegen Erstattung der Aufwendungen für die Auskunftserteilung zu verurteilen.

Das Landgericht hat die Beklagte zur begehrten Auskunft verurteilt, Zug um Zug gegen Erstattung der für die Mitteilung auf Beklagtenseite erforderlichen Aufwendungen. Es hat den Auskunftsanspruch des Klägers aus § 666 BGB in Verbindung mit § 4 Ziffer 1 und § 2 Ziffern 1 und 2 des Treuhandvertrags abgeleitet.

Gegen das Urteil richten sich die Berufung der Beklagten mit dem Ziel der Aufhebung des Ersturteils und Klageabweisung und die Berufung des Klägers mit dem Ziel des Wegfalls der Zug um Zug-Verurteilung und der Feststellung, dass sich die Beklagte mit der Annahme der Gegenleistung im Verzug befindet.

Die Berufungsangriffe des Klägers gehen dahin, dass von einer Zug um Zug-Verurteilung abzusehen sei, da die Beklagte die Auskunft nicht mit Blick auf ein Zurückbehaltungsrecht wegen ihrer Aufwendungen abgelehnt, sondern den Anspruch „in Bausch und Bogen“ zurückgewiesen habe. Auch habe sich die Beklagte in Annahmeverzug befunden, da der Kläger der Beklagten bereits zuvor Aufwendungsersatz angeboten habe. Schließlich gebe die Beklagte auch die Höhe der ihr durch die Auskunft entstehenden Aufwendungen nicht bekannt.

Die Beklagte wendet gegenüber dem Ersturteil ein, der Kläger habe schon kein Rechtsschutzbedürfnis dargelegt. So sei der Zweck des Auskunftsersuchens nicht bekannt gegeben worden; im Gegenzug bestehe die konkrete Gefahr eines Missbrauchs der Gesellschafterdaten. Auch sei eine Auskunft nicht erforderlich, soweit (hinsichtlich der Direktkommanditisten) die Daten aus dem Handelsregister ersichtlich sind. Einem materiellrechtlichen Anspruch aus den Treuhandverträgen i.V.m. § 666 BGB stehe der wirksame Ausschluss eines solchen Anspruchs durch § 17 Abs. 3 der Treuhand- und Beteiligungsverträge entgegen. Eine Herausgabe von Anlegerdaten sei bei Publikumsgesellschaften jedenfalls nur mit ausdrücklicher Zustimmung des jeweils Betroffenen (vgl. § 67 Abs. 6 AktG) statthaft.

Im Übrigen wird auf den Tatbestand des landgerichtlichen Urteils, die im Berufungsverfahren gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf die Niederschrift über die mündliche Verhandlung vom 12.03.2012 Bezug genommen.

II.

Im Ergebnis erweist sich das angefochtene Urteil des Landgerichts als zutreffend, so dass beide Rechtsmittel zurückzuweisen sind.

1. Berufung der Beklagten

Die Berufung der Beklagten bleibt ohne Erfolg, da der Kläger als mittelbarer Gesellschafter von der Beklagten als Treuhänderin in zumindest entsprechender Anwendung des § 716 BGB Auskunft über seine Mitgesellschafter verlangen kann.

a) Dies ergibt sich hier allerdings nicht bereits aus den Grundsätzen, die der Bundesgerichtshof in seinem Urteil vom 11.01.2011, II ZR 187/09, NJW 2011, 921 für den Fall aufgestellt hat, dass die mittelbaren Gesellschafter auf Grund der im konkreten Fall getroffenen vertraglichen Vereinbarungen im Innenverhältnis eine Innengesellschaft bürgerlichen Rechts bilden. An einer solchen gesellschaftsrechtlichen Verfassung der Treugeber untereinander fehlt es hier ersichtlich.

14b) Jedoch lässt sich hier der Auskunftsanspruch des Klägers auf Mitteilung der Namen und Anschriften der Kommanditisten und Treugeber der in Ziffer 1 der landgerichtlichen Entscheidungsformel genannten Fondsgesellschaften aus §§ 161 Abs. 2, 105 Abs. 2 HGB, 716 BGB in Verbindung mit dem Gesellschaftsvertrag und dem sich daraus unmittelbar ergebenden Recht, seinen Vertragspartner zu kennen, ableiten.

Insoweit können die Grundsätze, die der Bundesgerichtshof im Beschluss vom 21.09.2009, Az. II ZR 264/08 (NZG 2010, 61) aufgestellt hat, im vorliegenden Falle zur Anwendung kommen. Auch wenn sich der Kläger an den Kommanditgesellschaften lediglich mittels eines Treuhandverhältnisses beteiligt hat, wird er nach den Bestimmungen der Gesellschafts- und Treuhandverträge nämlich im Innenverhältnis, auf das es für die Frage eines Auskunftsanspruchs über die Mitgesellschafter/-treugeber alleine ankommt, den unmittelbar beteiligten Kommanditisten gleichgestellt.

In diesem Sinne regelt z. B. der „Treuhand- und Beteiligungsvertrag“ zum Fonds Nr. 114 (Anl. B 1), dass der Treugeber im Verhältnis der Gesellschafter zueinander und zur Gesellschaft „entsprechend seiner treuhänderisch gehaltenen Kommanditbeteiligung unmittelbar berechtigt und verpflichtet“ wird (§ 3 Ziff. 2). Nach § 6 Ziff. 2.3 dieses Vertrags besteht ein außerordentliches „fristloses“ Kündigungsrecht des Treuhänders, wenn die im Gesellschaftsvertrag genannten Gründe für das Ausscheiden eines Gesellschafters vorliegen.

Die Bindung des Klägers an die Fondsgesellschaften beruht zwar formal allein auf dem mit der Treuhandkommanditistin eingegangenen Vertrag, in der Sache steht der Kläger aber durch die Gleichstellungsklausel im Verhältnis zur Gesellschaft und den Mitgesellschaftern in gesellschafterlicher Verbundenheit. In einem vertraglich begründeten Schuldverhältnis wie dem der Personengesellschaft, das zur Erreichung eines gemeinsamen Zwecks eingegangen wurde und in dem sich die Gesellschafter gegenseitig zur Förderung dieses Zwecks verpflichtet haben, ist aber das Recht jedes Beteiligten, seinen jeweiligen Vertragspartner zu kennen, selbstverständlich und gehört, wie der Bundesgerichtshof in seinem Urteil vom 11.01.2011 (NZG 2011, 276, 279) ausführt, "zum unverzichtbaren Kernbereich der Gesellschafterrechte".

Für die Annahme eines Rechts des Klägers, seine jeweiligen Vertragspartner zu kennen, spricht auch die Willensbildung in der Fondsgesellschaft: Eine Abstimmung der Treugeber untereinander vor der Stimmabgabe in der Gesellschafterversammlung ist nach den Regelungen des Treuhand- und Beteiligungsverwaltungsvertrags nicht vorgesehen. Vielmehr gilt nach § 4 Ziff. 2 dieses Vertrags bei unterschiedlichen Weisungen der Treugeber, dass der Treuhänder seine Stimme gespalten abzugeben hat. Eine Diskussion mit einem Austausch und Abwägen verschiedener Standpunkte ist demnach hier nicht vorgesehen. Nur bei Annahme des streitigen Auskunftsanspruchs wird der einzelne Treugeber mithin in die Lage versetzt, aktiv auf die Willensbildung in der Gesellschaft Einfluss zu nehmen und seine Argumente den Mitgesellschaftern zu Gehör zu bringen (siehe dazu auch OLG München, Urt. vom 18.05.2011, 7 U 190/11, S. 11).

c) Gehört dieser Auskunftsanspruch "zum unverzichtbaren Kernbereich der Gesellschafterrechte", so besteht er - entgegen der Auffassung der Berufung - unabhängig davon, ob der Auskunft verlangende Treugeber den Zweck der Auskunftserteilung angibt.

c) Die Beklagte ist auch für die Erteilung der vom Kläger begehrten Auskünfte passiv legitimiert. Nach § 17 Ziff. 1 der vom Kläger abgeschlossenen Treuhand- und Beteiligungsverwaltungsverträge (Anl. B 1 - B 3) ist jeweils der Beklagten die Führung des Registers über die persönlichen und beteiligungsbezogenen Daten aller Zeichner übertragen. Daneben enthält § 17 Ziff. 3 dieser Verträge jeweils detaillierte Regelungen über die Auskunftserteilung durch den Beteiligungstreuhänder und den hierbei zu beachtenden Datenschutz. Von daher ist der Kläger nicht gehalten, seinem Auskunftsanspruch gegenüber der Fondsgesellschaft geltend zu machen. Vielmehr kann er Auskunft (auch) von der Beklagten verlangen.

d) Der Auskunftsanspruch des Klägers scheitert auch weder an den Vorschriften des jeweiligen Treuhand- und Beteiligungsverwaltungsvertrags und des § 67 Abs. 6 AktG noch unter dem Gesichtspunkt des Rechtsmissbrauchs.

Die Regelungen in § 17 Ziff. 3 der Treuhandverträge stehen entgegen der Auffassung der Beklagten einer Auskunftserteilung hier schon nicht zwingend entgegen. Zwar soll nach § 17 Ziff. 3 Satz 1 der Treuhandverträge kein Anspruch des Treugebers bestehen, gleichwohl aber der Treuhänder/Verwalter zur Erteilung von Auskünften über die übrigen Zeichner berechtigt sein.

Im Übrigen hätte ein Ausschluss des Informationsrechts auch keinen rechtlichen Bestand. Wie vom Bundesgerichtshof wiederholt entschieden, halten solche Datenschutzklauseln schon einer Inhaltskontrolle nach § 242 BGB nicht stand (siehe BGH NZG 2010, 61/62; NZG 2011, 276, 279). Auch bei einer Publikumsgesellschaft in der Form einer GmbH & Co. KG, bei der die Treugeber durch den Gesellschaftsvertrag den unmittelbar beteiligten Gesellschaftern gleichgestellt sind, handelt es sich um ein auf einem Vertrag beruhendes Schuldverhältnis, in dem das Recht, seinen Vertragspartner zu kennen, derart selbstverständlich ist, dass es nicht wirksam ausgeschlossen werden kann.

Dass die unter dem Gesichtspunkt des Schutzes des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung eingeführte Vorschrift des § 67 Abs. 6 AktG auf die Personengesellschaften des HGB auch nicht entsprechend anwendbar ist, bedarf angesichts der grundlegend abweichenden Struktur von Kapitalgesellschaften keiner näheren Darlegungen.

Zu einer drohenden missbräuchlichen Verwendung der Daten der Mitgesellschafter/-treugeber hat die Beklagte nichts Substantielles vorgetragen. Soweit eine konkrete Gefahr darin gesehen wird, dass die Prozessbevollmächtigten des Klägers andere Anleger unaufgefordert anschreiben, um Mandanten für „Sammelklagen“ zu gewinnen (Berufungsbegründung S. 3 - 5), ist schon nicht ersichtlich, weshalb dies den Auskunftsanspruch des Klägers zu Fall bringen könnte.

e) Daneben ergibt sich der Auskunftsanspruch des Klägers - wie vom Erstgericht angenommen - auch auf der Grundlage der Treuhandverträge.

Der Kläger hat gegen die Beklagte Anspruch auf Erteilung des begehrten Verzeichnisses über die Mitgesellschafter/-treugeber aus § 4 Ziffer 1 Satz 1 der Treuhandverträge in Verbindung mit § 666 BGB. Nach diesen Bestimmungen unterliegt die Beklagte bei Durchführung ihrer Aufgaben den Weisungen des Klägers. Sie ist als Treuhänderin und als gemäß § 2 Ziff. 2 des Treuhandvertrags zur Ausübung der mit der Beteiligung des Klägers an der Gesellschaft verbundenen Auskunfts- und Kontrollrechte Beauftragte verpflichtet, dem Kläger die erforderlichen Nachrichten im Sinne des § 666 BGB zu geben. Auf den behaupteten Auskunftsrechtsausschluss gemäß § 17 Ziff. 3 Satz 1 des Treuhandvertrages kann die Beklagte sich demgegenüber nicht berufen, da ein solcher Ausschluss unwirksam wäre (vgl. oben 1.d); OLG München Urteil vom 12.02.2010, 5 U 3140/09, juris Rn. 17).

2. Auch die Berufung des Klägers erweist sich als unbegründet.

Die Beklagte hat sich im Prozess auf ihr Zurückbehaltungsrecht wegen der Kosten der Auskunftserteilung berufen. Dies führt, wie das Landgericht zutreffend erkannt hat, dazu, dass die Beklagte nur Zug um Zug verurteilt werden darf.

Selbst wenn sich die Beklagte hinsichtlich der Gegenleistung in Annahmeverzug befinden würde, würde dies entgegen der mit der Berufung vertretenen Ansicht nichts daran ändern, dass Zug um Zug zu verurteilen ist (Palandt-Grüneberg, 71. Aufl. Rn. 2 zu 274 BGB).

Tatsächlich befindet sich die Beklagte auch nicht im Gläubigerverzug, da der Kläger seine Gegenleistung (Ersatz der durch Auskunft entstehenden Aufwendungen) nicht nach den Erfordernissen des § 294 BGB („so, wie sie zu bewirken ist“) tatsächlich angeboten hat.

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf §§ 708 Nr. 10 und 711 ZPO.

4. Zulassung der Revision

Die Revision ist nach § 543 Abs. 2 Nr. 1 ZPO für die Beklagte zuzulassen, weil die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat. Die Rechtsfrage des Bestehens eines Anspruchs auf Mitteilung von Namen und Anschriften der Mitgesellschafter von Fondsgesellschaften ist in der vorliegenden Sachverhaltsgestaltung der Gleichstellung der Treugeber mit den unmittelbar beteiligten Gesellschaftern durch die obergerichtliche Rechtsprechung noch nicht abschließend geklärt (ebenso Wollenhaupt BB 2011, 466). Das Interesse an einer einheitlichen Handhabung ist nicht zuletzt aufgrund des berührten Rechts auf informationelle Selbstbestimmung der weiteren Kapitalanleger und der Reichweite der Entscheidung für zahlreiche Publikumsgesellschaften und ihre Gesellschafter erheblich.