VG München, Urteil vom 08.03.2012 - M 18 K 11.4896
Fundstelle
openJur 2012, 121763
  • Rkr:
Tenor

I. Die am …. September 2011 ausgesprochenen mündlichen Anordnungen in der Fassung der Ziffern I.1, I.2 und I.4 des Bescheids der Beklagten vom …. September 2011 werden aufgehoben.

II. Die Beklagte hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.

Die Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Klägerin vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand

Die Klägerin wendet sich gegen einen Bescheid der Beklagten, soweit ihr darin aufgegeben wurde, in die Operationssäle 1-5 der von ihr geführten Klinik innerhalb von sechs Monaten Türen einbauen zu lassen, Gelenkersatzverfahren und Operationen am offenen Herzen mit sofortiger Wirkung ausschließlich im Operationssaal 6 durchzuführen und endoskopische Untersuchungen nur noch unter Beachtung bestimmter Auflagen vorzunehmen.

Die Klägerin betreibt die größte chirurgische Privatklinik …. Sie verfügt über die erforderliche Konzession zur Durchführung und Anwendung operativer und konservativer Diagnostik- und Therapieverfahren in den Fachgebieten Anästhesiologie, Radiologie, Strahlentherapie und Chirurgie, im Fachgebiet Chirurgie mit den Schwerpunkten Allgemeine Chirurgie, Gefäßchirurgie, Herzchirurgie, Orthopädie und Unfallchirurgie, Thoraxchirurgie und Visceralchirurgie. Die Operationsabteilung der Klägerin hat insgesamt sechs Operationsräume. Die Operationsräume OP 1, OP 2 und OP 3 wurden Mitte der 1980er Jahre errichtet. Die Operationsräume OP 4, OP 5 und OP 6 wurden in den Jahren 2003 bis Anfang 2005 errichtet. Die Operationsräume OP 1-5 verfügen über keine Türen, nur der Operationsraum OP 6 hat Türen.

Für die Erweiterung der Operationsabteilung ab dem Jahr 2003 erteilte die Beklagte durch ihr Referat für Stadtplanung und Bauordnung am …. Dezember 2002 eine Baugenehmigung. Dabei wurde der Operationssaal 5 ohne Türen genehmigt. Die Operationssäle 1, 2 und 3 blieben trotz fehlender Türen unbeanstandet. Für den Operationssaal 4 war in den der Baugenehmigung zugrundeliegenden Planunterlagen eine Tür vorgesehen. Warum diese nicht realisiert wurde, ist heute nicht mehr nachvollziehbar. In das Baugenehmigungsverfahren war auch das Referat für Umwelt und Gesundheit der Beklagten eingebunden. Es begrüßte im Rahmen einer Besprechung mit der Klägerin, bei der auch hygienische Aspekte des Ausbaus der Operationsabteilung angesprochen wurden, eine während des Baugenehmigungsverfahrens vorgenommene Umplanung ausdrücklich als deutliche Verbesserung und beanstandete das Nichtvorhandensein von Türen in den Operationssälen 1 bis 3 und 5 nicht (Aktennotiz über eine Besprechung vom …. Februar 2002, Gerichtsakte M 18 S 11.5405 Bl. 176).

Die Erweiterung der Operationsabteilung der Klägerin wurde durch die Regierung … auf der Grundlage der Förderregelungen des Bayerischen Krankenhausgesetzes (BayKrG) gefördert. Die Einhaltung der notwendigen hygienischen Anforderungen an eine Operationsabteilung wurde im Förderverfahren mehrfach erörtert und es wurde versucht, die vorgesehene Umgestaltung der Operationsabteilung hygienisch zu verbessern. Dabei war auch der Einbau von Türen in die Operationssäle 4 und 5 Gegenstand der Überlegungen. Der dem Förderbescheid schließlich zugrunde gelegte Vorentwurfsplan für die Erweiterung der Operationsabteilung vom …. Januar 2001 sah daher für die Operationssäle 4 und 5 Türen vor. Diese Planung wurde als bestandsbedingt noch hinnehmbare Ausgestaltung des OP-Bereiches angesehen, bei deren Realisierung hygienische Bedenken zurückgestellt werden konnten (Schreiben der Regierung … an die Klägerin vom …. Juni 2001, Gerichtsakte (M 18 S 11.5405) Bl. 180). Diese Einschätzung wurde der Klägerin auch so mitgeteilt. Das Fehlen von Türen in den Operationssälen 1-3 blieb unbeanstandet.

Im Rahmen des Förderverfahrens nach dem Bayerischen Krankenhausgesetz führte das Bayerische Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit im Jahr 2004 in dem neu errichteten Operationssaal 5 und im Jahr 2005 in dem neu errichteten Operationssaal 4 eine hygienische Abnahmeprüfung der Raumlufttechnischen Anlage durch. Jedenfalls bei der zweiten Abnahmeprüfung war auch ein Vertreter des Referats für Umwelt und Gesundheit der Beklagten beteiligt. Das Bayerische Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit wies in seinem Prüfbericht über den Operationssaal 4 vom …. März 2005 ausdrücklich darauf hin, dass in dem geprüften neuen Operationssaal wie auch in den übrigen Operationssälen Türen zwischen dem Operationssaal und dem OP-Flur fehlen. Das Bayerische Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit äußerte Zweifel daran, ob sich bei diesen baulichen Gegebenheiten ein stabiles Gleichgewicht zwischen Zuluft und Abluft ausbilden könne, was Voraussetzung für die Ausbildung einer laminaren Strömung von der Decke zum Operationstisch sei. Die Richtlinie des Robert-Koch-Instituts für Krankenhaushygiene und Infektionsprävention fordere, dass Operationsräume in sich abgeschlossen sein sollten. Dies könne nur durch eine Tür zwischen Operationssaal und OP-Flur erfüllt werden.

Dieser Prüfbericht wurde am …. März 2005 an das Referat für Gesundheit und Umwelt der Beklagten weitergeleitet. Dieses übermittelte den Prüfbericht an die Klägerin. Die Beklagte äußerte in ihrem Begleitschreiben an die Klägerin Zweifel daran, ob und inwieweit bei fehlenden Türen in den Operationssälen eine geeignete Schutzdruckhaltung mit stabiler Luftströmung aufgebaut werden könne. Es wurde darauf hingewiesen, dass das Fehlen von Türen im Operationssaal bereits bei der früheren Abnahme des Operationssaals 5 als nicht den baulich-funktionellen/technischen Standards entsprechend erachtet worden sei.

Die Regierung … hat am …. Februar 2007 die erweiterte Operationsabteilung in der Klinik der Klägerin besichtigt und dabei ausdrücklich festgestellt, dass alle Operationssäle keine Türen haben und zum OP-Flur hin offen sind. Dennoch bewilligte die Regierung … mit Bescheid vom …. Februar 2007 Fördermittel für die Erweiterung der Operationsabteilung der Klägerin. Ein Teil der Fördermittel wurde dabei für den Einbau von Türen in die Operationssäle 4 und 5 gewährt.

Die Klägerin verfügt zum Betrieb ihrer Klinik über eine Konzession zum Betrieb einer privaten Krankenanstalt gemäß § 30 der Gewerbeordnung (GewO). Die Aufgaben der für Fragen des § 30 GewO zuständigen Konzessionsbehörde nimmt die Beklagte durch ihr Referat für Umwelt und Gesundheit wahr. Die Konzession der Klägerin ist mehrfach geändert bzw. ergänzt worden, zuletzt durch die Bescheide der Beklagten vom …. März 2009 und vom …. November 2010. Mit Bescheid vom …. März 2009 wurde die Konzession u. a. um den Schwerpunktbereich „Herzchirurgie“ erweitert. Hierbei erklärte die Beklagte ihre Zustimmung zur Erweiterung der bestehenden Konzession ausdrücklich auch aufgrund der bekannten und geeigneten baulichen Voraussetzungen der von der Klägerin betriebenen Klinik.

Am …. Juni 2011 ist ein Patient nach einem herzchirurgischen Eingriff im Operationssaal 6 der Klinik der Klägerin an den Folgen einer Infektion mit dem Methicillin-resistenten Stapyhlococcus aureus (MRSA) verstorben. Bislang konnte nicht geklärt werden, ob sich der Patient in der Klinik der Klägerin mit dem Erreger infiziert hat; andere Infektionsquellen außerhalb der Klinik der Klägerin kommen in Betracht.

Aufgrund von Beschwerden über die Behandlung dieses Patienten und über die Versorgung einer anderen Patientin forderte die Beklagte durch ihr Referat für Umwelt und Gesundheit die Klägerin am …. Juli 2011 zur Vorlage von Unterlagen zum Hygienemanagement in ihrer Klinik auf. Die ihr durch das Infektionsschutzgesetz zugewiesenen Aufgaben nimmt die Beklagte durch ihr Referat für Umwelt und Gesundheit wahr.

Am …. August 2011 führte die Beklagte eine angemeldete infektionshygienische Überprüfung in der Klinik der Klägerin durch. Dabei waren das Hygienemanagement und die Surveillance nosokomialer Infektionen und multiresistenter Erreger Gegen-stand der Prüfung. Die Beklagte stellte hierbei zahlreiche Hygienedefizite fest, die sie für grundsätzlich geeignet hielt, Infektionskrankheiten und multiresistente Erreger auf Patienten und Personal zu übertragen. Unmittelbar im Anschluss an die Begehung der Klinik erließ die Beklagte mündlich und am …. August 2011 schriftlich umfangreiche Anordnungen im Bereich der Hygieneanforderungen und der Aufbereitung von Medizinprodukten. Das Fehlen von Türen in den Operationssälen blieb unbeanstandet.

Am …. August 2011 führte die Beklagte eine unangemeldete Zweitüberprüfung in der Klinik der Klägerin durch, insbesondere, um die Umsetzung der am …. bzw. …. August 2011 getroffenen Anordnungen zu kontrollieren. Während dieser Begehung wurde der Beklagten ein Protokoll über die Begehung der Operationsabteilung durch die von der Klägerin beschäftigte Krankenhaushygienikerin vom …. August 2011 übergeben. Entsprechend des Protokolls erachtete die Krankenhaushygienikerin den Einbau von Türen in die Operationssäle 1 bis 5 als unbedingt notwendig.

Die Beklagte forderte die Klägerin am …. September 2011 auf, Unterlagen zur Raumlufttechnischen Anlage in der Operationsabteilung, zur Durchführung fachbereichsspezifischer Operationen in den einzelnen Operationssälen sowie zu den Leistungszahlen für endoprothetische Operationen und Eingriffe am offenen Herzen vorzulegen. Daraufhin legte die Klägerin der Beklagten u. a. den Bericht der Firma … vor, die am …. März 2011 im Auftrag der Klägerin eine Hygieneprüfung der Raumlauftechnischen Anlagen in den Operationssälen 1-6 vorgenommen hatte.

Am …. September 2011 führte die Beklagte zusammen mit Vertretern der Regierung … und des Bayerischen Landesamts für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit in der Klinik der Klägerin eine infektionshygienische Überprüfung durch. Die Beklagte verfügte sodann mit Bescheid vom …. September 2011 u. a.:

I.1 Gelenkersatzverfahren/Endoprothetik und Operationen am offenen Herzen sind mit sofortiger Wirkung ausschließlich im sogenannten OP-Saal 6 durchzuführen. Die Durchführung genannter Eingriffe in den OP-Sälen 1-5 ist mit sofortiger Wirkung untersagt. Ab sofort ist auf allen OP-Berichten objektiv nachvollziehbar zu dokumentieren, in welchem OP-Saal der operative Eingriff erfolgte.

I.2 In den OP-Sälen 1-5 sind innerhalb von 6 Monaten (automatische) OP-Türen einzubauen. Nach dem Einbau dieser OP-Türen ist unverzüglich eine technische Abnahmeprüfung der RLTA (Raumlufttechnische Anlage) gemäß DIN 1946 Teil 4 (1999) durchzuführen. Sobald das schriftliche Protokoll der von der Klinik beauftragten Fachfirma vorliegt, sind die Ergebnisse dem Referat für Umwelt und Gesundheit der Antragsgegnerin zuzuleiten.

I.4 Die weitere Durchführung endoskopischer Untersuchungen und Interventionen ist nur unter folgenden Auflagen gestattet:

4.1 Bei der intravenösen Gabe von Dormicum® bzw. bei der intravenösen Gabe von Propofol® bei gastroenterologischen Untersuchungen ist die Anwesenheit eines zweiten intensiv-/notfallmedizinisch erfahrenen Arztes sicherzustellen.

4.2 Ein Notfallkoffer mit den erforderlichen Medikamenten (Antagonisten, Medikamente zur Reanimation) sowie die Möglichkeit zur Beatmung, zur Sauerstoffgabe und zum Absaugen sind im Untersuchungsraum vorzuhalten.

4.3 Die periinterventionelle Patientenüberwachung (Sauerstoffsättigung, Blutdruck, Puls) ist nachvollziehbar auf einem Verlaufsbogen zu dokumentieren.

4.4 Die erforderliche postinterventionelle Patientenüberwachung (Sauerstoffsättigung, Blutdruck, Puls) ist in geeigneter Weise sicherzustellen:

- Monitoring des Patienten im Aufwachraum (vorzugsweise) oder

- Monitoring des Patienten auf Allgemeinstation, wenn die technischen Voraussetzungen für eine Umleitung des Alarmes vom Pulsoximeter auf die zentrale Rufanlage geschaffen sind.

Die postinterventionelle Patientenüberwachung ist nachvollziehbar auf einem Verlaufsbogen zu dokumentieren.

4.5 Die Verlegung der Patienten auf Allgemeinstation bzw. das Beenden der postinterventionellen Patientenüberwachung ist nach ärztlicher Untersuchung durch den behandelnden Arzt durch Unterschrift zu bestätigen.

4.6. Das in der Endoskopie tätige Krankenpflegefachpersonal ist nachweislich in der kardiopulmonalen Reanimation zu schulen.

Die Auflagen 4.1 bis 4.5 sind mit sofortiger Wirkung umzusetzen, die Nachweise des Erfüllens der Auflage 4.6 sind dem RGU innerhalb eines Monats unaufgefordert vorzulegen.

Für den Fall eines Verstoßes gegen die unter Ziffer I.1 oder I.2 getroffenen Anordnungen wurde ein Zwangsgeld in Höhe von jeweils 20.000 Euro angedroht, für den Fall eines Verstoßes gegen die Ziffern I.4.1, I.4.2, I.4.3, I.4.4, I.4.5 oder I.4.6 ein Zwangsgeld in Höhe von jeweils 3.000 Euro.

Zur Begründung wurde im Wesentlichen Folgendes ausgeführt:

Die Operationsabteilung der Klägerin weise baulich-funktionelle Mängel auf, die nachweislich dazu führten, dass die erforderliche Schutzdruckhaltung der Raumlufttechnischen Anlage in den Operationssälen 1 bis 5 nicht aufgebaut werden könne und nicht aufgebaut werde. Die Klägerin habe die vorgeschriebene technische Abnahmeprüfung für die Raumlufttechnische Anlage in ihrer Operationsabteilung nach DIN 1946 Teil 4 (1999) bislang nicht veranlasst. Die gesamte Raumlufttechnische Anlage in der Operationsabteilung sei aufgrund der baulichen Gegebenheiten (fehlende Türen in fünf Operationssälen) als nicht DIN-konform zu bewerten. Wie der vorgelegten Dokumentation über die Hygieneprüfung der Firma … vom …. März 2011 objektiv nachvollziehbar zu entnehmen sei, entspreche ausschließlich die Luftströmungsrichtung im sogenannten Operationssaal 6 (dem einzigen Saal mit Türen) den Anforderungen der DIN 1946 Teil 4 (1999). Alle anderen Operationssäle könnten diese Voraussetzungen bei fehlenden Türen nicht erfüllen und würden diese nachweislich auch nicht erfüllen. Daher sei nur im Operationssaal 6 vom Aufbau der erforderlichen Schutzdruckhaltung auszugehen. Entsprechend der Dokumentation der Firma … werde in den Operationssälen 1 bis 5 die geforderte Luftströmungsgeschwindigkeit von 0,23 m/s um ein Vielfaches, im Operationssaal 1 um das 12-Fache, überschritten. Bei diesen Luftströmungsgeschwindigkeiten könne es zu erheblichen hygienischen Auswirkungen wie Wirbelbildungen an den OP-Lampen und Verwirbelung von multiresistenten Erregern wie MRSA kommen.

Nach den Empfehlungen des Robert-Koch-Instituts zu den „Anforderungen der Hygiene bei Operationen und anderen invasiven Eingriffen“ (Bundesgesundheitsblatt 43 (2000), 644-659) seien Operationsräume in sich abgeschlossen und verfügten über ausreichend dimensionierte Türen. Die für die Raumlufttechnische Anlage der Klägerin maßgebliche DIN 1946 Teil 4 (1999) fordere, den Nachweis der erforderlichen Strömungsrichtung bei geschlossenen Türen mittels Rauchprobe vorzunehmen.

Die Anordnungen unter den Ziffern I.1 und I.2 des Bescheids stützt die Beklagte auf § 16 Abs. 1 Satz 1 1. Alt. des Infektionsschutzgesetzes (IfSG), wonach die zuständigen Behörden die erforderlichen Maßnahmen zur Gefahrabwehr treffen, sofern Tatsachen festgestellt werden, die zum Auftreten übertragbarer Krankheiten führen können. Bei ihren Begehungen in der Klinik der Klägerin seien erhebliche und gravierende Abweichungen von den normativen Vorgaben und rechtlich verbindlichen Empfehlungen des Robert-Koch-Instituts festgestellt worden. Nur bei Einhaltung und Beachtung der Empfehlungen des Robert-Koch-Instituts und der Vorgaben der einschlägigen DIN-Vorschriften könne ein tragfähiges Hygienemanagement unterstellt werden. Aufgrund der fehlenden Schutzdruckhaltung in den Operationssälen 1-5 bestehe ohne die angeordnete Einschränkung der Operationstätigkeit die Gefahr, dass sich ein Vorfall wie der im Juni 2011 wiederhole. Hinsichtlich der von der Raumlufttechnischen Anlage erzeugten vielfach überhöhten Luftströmungsgeschwindigkeit und der damit verbundenen Gefahr einer Verwirbelung von Erregern könnten normgerechte Zustände nur durch den Einbau von Türen erreicht werden. Wie auch bei sonstigen hygienerechtlichen Beanstandungen komme es nicht darauf an, wie hoch die Gefahr einer Infektion im Einzelfall einzuschätzen sei. Es genüge die generelle Gefährdungslage bei der Anwendung von Verfahren, die den DIN-Normen und den Empfehlungen des Robert-Koch-Instituts nicht entsprächen.

Die von der Klägerin vorgelegten statistischen Erhebungen über die Infektionszahlen in der Klinik könnten zu keinem anderen Ergebnis führen. Dass die Operationsräume in ihrer jetzigen baulichen Ausgestaltung von der Regierung … finanziell gefördert worden seien, treffe nicht zu und spiele auch keine Rolle, da die aktuelle Ausstattung der Operationssäle vor dem Hintergrund der neu in Kraft getretenen Verordnung zur Hygiene und Infektionsprävention in medizinischen Einrichtungen (MedHygV) zu prüfen gewesen sei.

Zur Begründung der die Durchführung endoskopischer Eingriffe betreffenden Anordnungen in Ziffer I.4 des Bescheids vom …. September 2011 geht die Beklagte davon aus, dass in der Klinik der Klägerin in der Endoskopie erhebliche Mängel bestünden und sich patientengefährdende Momente bei der Durchführung endoskopischer Untersuchungen und Interventionen ergäben. Endoskopische Untersuchungen/Interventionen würden zum weit überwiegenden Teil unter Sedierung des untersuchten Patienten durchgeführt, wobei dazu intravenös Ketanest S® (Ketamin) und Dormicum® (Midazolam) verabreicht würden. Die gleichzeitige intravenöse Verabreichung von Dormicum® und Ketanest S® entspreche jedoch nicht dem aktuellen fachlichen Standard der Sedierung bei endoskopischen Interventionen. Bei den unter Sedierung durchgeführten endoskopischen Untersuchungen/Interventionen seien zudem nur der untersuchende Arzt und eine assistierende Krankenschwester anwesend und das Antidot für Dormicum® werde nicht vor Ort für einen eventuell eintretenden Notfall (Atemstillstand) vorgehalten. Sedierte Patienten würden nach Abschluss der Untersuchung ohne nachvollziehbare ärztliche Untersuchung direkt auf die Allgemeinstation verlegt, wo keine Möglichkeit des erforderlichen adäquaten postinterventionellen Monitorings (EKG, Pulsoximetrie) bestehe.

Zum Nebenwirkungsspektrum von Sedativa zähle insbesondere die Atemdepression bis hin zum Atemstillstand. Die Voraussetzungen zur kardiopulmonalen Reanimation (Notfallkoffer mit der Möglichkeit zur Maskenbeatmung und Intubation, Basismedikamente zur Reanimation) müssten unmittelbar vor Ort zur Verfügung stehen. Zudem müssten die medikamentösen Antagonisten immer vor Ort vorhanden sein. Bei der intravenösen Gabe von Ketanest S® bzw. Propofol® müsse ein zweiter intensiv-/ notfallmedizinisch erfahrender Arzt zugegen sein. Da der Untersucher selbst wegen seiner Konzentration auf die Untersuchung nur mittelbar in die Überwachung des Patienten eingebunden sei, müsse während der Endoskopie kontinuierlich qualifiziertes, d. h. für Notfälle ausgebildetes und die Reanimation beherrschendes, Pflegepersonal anwesend sein. Weil die Wirkung der eingesetzten Sedativa teilweise bis weit nach Abschluss des Eingriffs anhalte, sei eine Überwachung der Patienten auch nach dem Eingriff erforderlich. Diese Anforderungen entnimmt die Beklagte der S3-Leitlinie „Sedierung und Überwachung bei endoskopischen Eingriffen“ der Deutschen Gesellschaft für Verdauungs- und Stoffwechselkrankheiten (Stand Oktober 2009).

Als Rechtsgrundlage für die Anordnungen unter I.4 des Bescheids vom …. September 2011 zieht die Beklagte Art. 7 Abs. 2 Nr. 3 des Gesetzes über das Landesstrafrecht und das Verordnungsrecht auf dem Gebiet der öffentlichen Sicherheit und Ordnung (LStVG) heran. Durch die Anordnungen sollen Endoskopie-Patienten der Klinik der Klägerin vor erheblichen Gesundheitsgefahren bei und nach endoskopischen Untersuchungen/Interventionen unter Sedierung geschützt werden. Es müsse sichergestellt werden, dass Endoskopie-Patienten nach der Gabe von Sedativa ausreichend überwacht würden. Die in der Klinik der Klägerin gepflegte Praxis, Patienten nach einem endoskopischen Eingriff auf die Allgemeinstation zurückzuverlegen und dort nicht zu verfolgen, ob sich Komplikationen ereignen, könne lebensbedrohlich sein. Die Beklagte führt unter der Überschrift „Normative Vorgaben“ für die Anordnungen unter I.4 des Bescheids sowohl Art. 7 LStVG als auch die S3-Leitlinie „Sedierung und Überwachung bei endoskopischen Eingriffen“ der Deutschen Gesellschaft für Verdauungs- und Stoffwechselkrankheiten (Stand Oktober 2009) an.

Es lässt sich nicht mehr feststellen, inwieweit die Beklagte die Anordnungen im Bescheid vom …. September 2011 bereits am …. September 2011 im Anschluss an die Begehung der Klinik im Rahmen der Abschlussbesprechung mit Vertretern der Klägerin mündlich verfügt hat.

In einer mündlichen Zusatzvereinbarung regelten Klägerin und Beklagte am …. September 2011, dass (endoprothetische) Notfälle von dem Verbot ihrer Durchführung in den Operationssälen 1 bis 5 ausgenommen sein sollten.

Es ist nicht aufklärbar, ob und in welchem Umfang der Klägerin im Anschluss an die Begehung der Klinik und vor Erlass der Anordnungen Gelegenheit zur Äußerung zu den den Anordnungen zugrunde gelegten Feststellungen und ihren rechtlichen Folgen gegeben wurde. Im Bescheid vom …. September 2011 wird ausgeführt, dass aufgrund Gefahr in Verzug von einer weiteren Anhörung abzusehen war. Später führte die Beklagte an, eine Anhörung sei nach den besonderen Umständen des Einzelfalls nicht geboten gewesen.

Die Klägerin erhob gegen den Bescheid der Beklagten vom …. September 2011 am …. Oktober 2011 Klage zum Bayerischen Verwaltungsgericht München.

Mit Schriftsatz vom 8. November 2011 stellte die Klägerin beim Bayerischen Verwaltungsgericht München einen Antrag nach § 80 Abs. 5 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) (M 18 S 11.5405) und beantragte die Anordnung der aufschiebenden Wirkung ihrer Klage gegen Ziffer I.1 Satz 1 1. Alt. und Satz 2 und Ziffer I.2 des Bescheids der Beklagten vom …. September 2011.

Dem Antrag wurde stattgegeben, wobei die aufschiebende Wirkung unter der Auflage angeordnet wurde, dass die Klägerin vor Wiederaufnahme der untersagten Operationstätigkeit dem Gericht die Bestätigung eines anerkannten Sachverständigen für Gesundheits- und Hygienetechnik darüber vorlegt, dass es nicht zutrifft, dass wegen fehlender Türen in den Operationssälen unter Berücksichtigung der vorhandenen Raumlufttechnischen Anlagen mit hoher Wahrscheinlichkeit Infektionen auftreten.

Mit Schriftsatz vom 22. Februar 2012 beantragte die Klägerin im Hauptsacheverfahren:

Die Anordnungen Ziff. I.1 und Ziff. I.2 sowie Ziff. I.4 des Bescheids der Beklagten vom …. September 2011 werden aufgehoben.

Die Klägerin ist der Ansicht, die Beklagte habe den streitgegenständlichen Anordnungen unter Ziffer I.1 und Ziffer I.2 falsche Tatsachen zugrundegelegt und das ihr zustehende Ermessen fehlerhaft ausgeübt. Es stehe nicht fest, dass sich der im Juni 2011 an den Folgen einer MRSA-Infektion verstorbene Patient in der Klinik der Klägerin mit diesem Erreger infiziert habe. Ferner sei der Patient im Operationssaal 6 der Klinik der Klägerin operiert worden. Damit fehle jedenfalls der Kausalzusammenhang zwischen den aufgrund fehlender Türen behaupteten hygienisch unzuträglichen Verhältnissen in den Operationssälen 1-5 und dem Todesfall und es könne daher aus dem Todesfall keine von den Operationssälen 1 bis 5 ausgehende Gefahr abgeleitet werden. Zudem gehe die Beklagte unzutreffend davon aus, dass die von ihr herangezogene DIN 1946 Teil 4 (1999) und die Empfehlung des Robert-Koch-Instituts zu den „Anforderungen der Hygiene bei Operationen und anderen invasiven Eingriffen“ ausnahmslos den Einbau von Türen in Operationssäle vorschreiben. Die Raumlufttechnische Anlage in der Operationsabteilung schaffe auch ohne Türen einen der DIN 1946 Teil 4 (1999) entsprechenden Zustand und erfülle ihren Zweck, die Keimbelastung in der Luft im Bereich von Operations- und Instrumententisch zu begrenzen. Die gegenteilige Auffassung der Beklagten beruhe auf einer Fehlinterpretation der Dokumentation der Firma …. Insbesondere sei die Behauptung falsch, dass die von der DIN 1946 Teil 4 (1999) geforderte Luftströmungsgeschwindigkeit von 0,23 m/s um ein Vielfaches, um den 12-fachen Wert, überschritten werde. Die Beklagte habe dabei verkannt, welche Werte die Firma … wo gemessen habe. Die Ergebnisse der Jedermann zugänglichen Statistiken wiesen für die Klinik der Klägerin in allen relevanten Bereichen eine signifikant unter dem bayerischen Durchschnitt liegende Infektionsrate aus, so dass die hygienischen Verhältnisse in der Klinik nicht als unzuträglich angesehen werden könnten. Die Beklagte habe bei Erlass ihrer Anordnungen nicht berücksichtigt, dass ihr der bauliche Zustand der Klinik der Klägerin schon seit Jahren bekannt und in mehreren Verwaltungsverfahren, an denen die Beklagte teilweise sogar federführend beteiligt war, unbeanstandet geblieben sei.

Die von § 16 Abs. 1 Satz 1 1. Alt. IfSG geforderte konkrete Gefahr habe nicht vorgelegen. Den Regelungen der DIN 1946 Teil 4 (1999) und den Empfehlungen des Robert-Koch-Instituts komme keine strikte Verbindlichkeit zu und bei ihrer Nichteinhaltung liege nicht automatisch eine Gefahr vor. Bislang sei kein Fall nachgewiesen, in dem Patienten oder Personal durch die angeblich mangelhafte Hygiene in der Klinik der Klägerin zu Schaden gekommen seien.

Die Anordnungen, ab sofort Operationen am offenen Herzen nur noch im Operationssaal 6 durchzuführen und auf allen OP-Berichten objektiv nachvollziehbar zu dokumentieren, in welchem OP-Saal der operative Eingriff erfolgt sei, seien zudem nicht erforderlich. Operationen am offenen Herzen würden in der Klinik der Klägerin immer nur im Operationssaal 6 durchgeführt und könnten auch nur dort durchgeführt werden, weil nur dort die erforderlichen Einrichtungen zum Anschluss einer Herz-Lungen-Maschine vorhanden seien. Zudem erfasse die Klägerin seit Jahrzehnten in mehrfacher Weise - auf dem OP-Plan, in dem zu jeder Operation erstellten OP-Bericht, in den Anästhesieprotokollen und im sog. OP-Buch -, welche Operation in welchem Operationssaal durchgeführt werde.

Hinsichtlich der die Durchführung von endoskopischen Untersuchungen/Interventio-nen betreffenden Anordnungen bestreitet die Klägerin, dass es bei den in ihrer Klinik durchgeführten endoskopischen Verfahren zu Patientengefährdungen komme. Zudem überlasse es die S3-Leitlinie „Sedierung in der gastrointestinalen Endoskopie“ 2008 (AWMF-Register-Nr. …) der Entscheidung des behandelnden Arztes, zur Überwachung der Sedierung während einer endoskopischen Maßnahme einen zweiten Arzt hinzuzuziehen oder nicht. Den Leitlinien ärztlicher Fachgesellschaften komme keine Verbindlichkeit zu und sie seien keine normativen Vorgaben. Leitlinien seien insbesondere auch nicht geeignet, die einem Arzt in jedem konkreten Einzelfall einer Patientenbehandlung oder -untersuchung obliegende Entscheidung zu ersetzen, ob und wie er diesen Patienten angemessen behandelt oder untersucht. Dies korrespondiere mit der ärztlichen Therapiefreiheit. Daher sei es von vornherein ausgeschlossen, auf die polizeirechtliche Generalklausel des Art. 7 Abs. 2 Nr. 3 LStVG eine ausnahmslos für jeden Fall jeder Behandlung jedes Patienten geltende Anordnung zu stützen, Leitlinien ärztlicher Fachgesellschaften einzuhalten, denn damit würden die Leitlinien durch verwaltungsbehördliche Einzelentscheidung in jedem Einzelfall verbindlich. Zudem habe die Beklagte bei Erlass des streitgegenständlichen Bescheids zwei Medikamente, „Ketamin“ und „Ketamin S“ verwechselt. „Ketamin S“ sei bei der Klägerin nie zur Anwendung gekommen.

In der Erwiderung zum Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO nahm die Beklagte von ihrer Behauptung, der Todesfall vom … 2011 habe einen nachweislichen Kausalzusammenhang mit dem mangelhaften Hygienemanagement an der Klinik der Klägerin, ausdrücklich Abstand. Sie geht davon aus, dass dies für die rechtliche Bewertung keine Rolle spiele. Die Beklagte räumt ein, für die Klinik der Klägerin in Kenntnis der baulichen Situation in den Jahren 2006 und 2009 Konzessionierungen gem. § 30 Abs. 1 GewO vorgenommen zu haben. Die Konzession deklariere jedoch nur Mindestanforderungen, deren Beachtung die Erlaubnisnehmerin nicht davon befreie, alle weiteren Maßnahmen, die im konkreten Einzelfall zur Gefahrabwehr notwendig seien, unverzüglich selbst in die Wege zu leiten. Die Beklagte habe damals den Einbau von OP-Türen mangels rechtlicher Grundlagen für die Erzwingung eines generellen Einbaus von Türen in Operationssäle nicht anordnen können. Die Beklagte weist darauf hin, dass Förderangelegenheiten im Krankenhausbereich und Baugenehmigungsangelegenheiten nicht in Sachzusammenhang mit den Aufgaben des Referats für Umwelt und Gesundheit stünden, das die Aufgaben der Konzessionierungsbehörde gem. § 30 GewO wahrnehme. Dass das Referat für Umwelt und Gesundheit die Planungen für die Operationsabteilung seinerzeit gutgeheißen habe, wird ausdrücklich zurückgewiesen. Es sei zwar in die Umbauplanungen eingebunden gewesen und habe im Vergleich zu den vorher bestehenden Gegebenheiten eine positive Modifizierung bestätigt. Es sei aber im Rahmen der Planungen für die Erweiterung des Operationsbereichs in der Klinik der Klägerin in Anwesenheit eines Vertreters des Referats für Umwelt und Gesundheit nie die Absicht bekundet worden, den Umbau ohne Türen zu realisieren. Dies habe auch außerhalb jeder bisherigen Erfahrung und jeder fachlichen Vorstellungskraft gestanden. Die Beklagte hält an ihrer Feststellung fest, dass die Raumlufttechnische Anlage in der Operationsabteilung der Klägerin nicht dem Stand der Technik entspreche und dadurch das Infektionsrisiko für operierte Patienten deutlich erhöht sei. Dies stützt die Beklagte zum einen darauf, dass die Klägerin für die Raumlufttechnische Anlage keine technische Abnahmeprüfung veranlasst habe, und zum anderen darauf, dass bei der von der Firma … durchgeführten Hygieneprüfung die Strömungsrichtung nicht entsprechend der Vorgaben der DIN 1946 Teil 4 (1999), nämlich bei geschlossenen Türen, geprüft worden sei. Zudem entsprächen die gemessenen Strömungsrichtungen in den Operationssälen 1-5 nicht den Vorgaben der DIN 1946 Teil 4 (1999). Daher sei es auch irrelevant, ob und inwieweit die Beklagte einen Messwert tatsächlich falsch interpretiert hätte. In der Klagerwiderung zweifelt die Beklagte die Qualität der von der Firma … durchgeführten Hygieneprüfung der Raumlufttechnischen Anlage und die von der Firma … aus den Prüfungsergebnissen gezogenen Schlussfolgerungen insgesamt an.

Desweiteren trägt die Beklagte vor, die von der Klägerin angeführten statistisch erhobenen Infektionsraten seien fachlich nicht plausibel und angesichts der geringen Fallzahlen der erfassten Eingriffe sei nicht von einer statistischen Signifikanz der Daten auszugehen. Zudem seien die Daten nicht valide erhoben worden, da die Datenerhebung nicht durch Hygienefachpersonal erfolge.

Die Beklagte ist unter Berufung auf die zivilrechtliche Rechtsprechung zu Arzthaftungsfragen der Auffassung, dass Hygienemängel per se als Gefahren gelten. Die Beklagte erkennt ausdrücklich an, dass die Empfehlungen des Robert-Koch-Instituts im Einzelfall unterschritten werden können, ohne dass dies zwingend den Stand der medizinischen Wissenschaft unterschreiten würde. Die bei Unterschreiten des von den Empfehlungen des Robert-Koch-Instituts vorgegebenen Standards notwendige Einzelfallprüfung sei selbstverständlich auch im vorliegenden Fall durchgeführt worden.

Die Anordnung, ab sofort Operationen am offenen Herzen nur noch im Operationssaal 6 durchzuführen, sei jedenfalls zur Klarstellung erforderlich gewesen. Der Sicherstellung des Zwecks dieser Anordnung sei die Pflicht, auf allen OP-Berichten objektiv nachvollziehbar zu dokumentieren, in welchem OP-Saal der operative Eingriff erfolgt sei, geschuldet. Derartige Klarstellungen und Konkretisierungen seien gerade bei strittigen Anordnungen nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts auch bei bereits angegangenen Verpflichtungen zulässig.

Zu den unter Ziffer I.4 des Bescheids vom …. September 2011 getroffenen Anordnungen führt die Beklagte in der Klageerwiderung aus, Klinikärzte hätten den jeweiligen ärztlichen, allgemein gültigen Standard einzuhalten. Behandlungsfehler lägen vor, wenn gegen die allgemein anerkannten und gesicherten medizinischen Standards verstoßen werde. In diesem Fall seien erhebliche Gefahren für die betroffenen Patienten gegeben. Die ärztliche Therapiefreiheit finde ihre Grenzen dort, wo Patienten über allgemeine unvermeidliche Behandlungsrisiken hinausgehend vermeidbaren Gefahren ausgesetzt würden.

Klägerin und Beklagte haben im November und Dezember 2011 versucht, bezüglich der Anordnungen unter Ziffer I.1 und Ziffer I.2 des Bescheids vom …. September 2011 eine außergerichtliche Einigung herbeizuführen. Die von der Klägerin vorgeschlagene Regelung hat die Beklagte am …. Dezember 2011 abgelehnt. Zur Begründung führte die Beklagte dabei aus, dass sich auch nach erneuter eingehender Prüfung unter besonderer Berücksichtigung der nachträglich von der Klägerin vorgebrachten Angaben bzw. vorgelegten Unterlagen vor dem Hintergrund des letztlich zu schützenden hochwertigen Rechtsguts der Volksgesundheit keine Neubewertung ergebe. Wie sie die von der Klägerin vorgebrachten Aspekte in diese erneute eingehende Prüfung einbezogen hat, wird nicht näher ausgeführt.

Die Klägerin hatte vorgeschlagen, das Verbot der Durchführung von Operationen am offenen Herzen in den Operationssälen 1 bis 5 aufzuheben, da dafür keine Veranlassung bestanden habe, weil Operationen am offenen Herzen aufgrund der dafür notwendigen technischen Ausstattung ohnehin nur im Operationssaal 6 vorgenommen würden. Auch dies lehnte die Beklagte ab, da es operationstechnisch möglich sei, am offenen Herzen auch ohne Herz-Lungen-Maschine zu operieren. Beispiel hierfür seien Perikardfensterungen und Bypass-Operationen am schlagenden Herzen bei gutem Zugang zum stenosierten Herzkranzgefäß. Dem entgegnet die Klägerin, dass es operationstechnisch nicht möglich sei, am offenen Herzen ohne Einsatz einer Herz-Lungen-Maschine zu operieren. Bei Operationen am offenen Herzen werde das Herz eröffnet, was ohne Herz-Lungen-Maschine in kürzester Zeit sicher zum Tod des Patienten führe. Die von der Beklagten angeführten Operationen, die operationstechnisch ohne (sofortigen) Einsatz einer Herz-Lungen-Maschine ausgeführt werden könnten, seien keine Operationen am offenen Herzen. Zudem würden die genannten Bypassoperationen aufgrund des eventuell notwendigen Einsatzes einer Herz-Lungen-Maschine in der Klinik der Klägerin nur im Operationsraum OP 6 durchgeführt.

Im Februar 2012 legte die Klägerin dem Gericht ein weiteres von ihr in Auftrag gegebenes Gutachten über die intraoperative Belastung durch aerogen übertragbare Bakterien in den Operationsräumen OP 1, OP 3, OP 4, OP 5 und OP 6 ihrer Klinik vor. Der Gutachter, …, stellte darin am …. Februar 2012 fest, dass aufgrund der vorliegenden Daten, die im Rahmen eines intraoperativen Monitorings mittels Sedimentationsplatten im Zeitraum von …. bis. …. Februar 2012 in der Klinik der Klägerin gewonnen wurden, die „Spezifische Kolonienzahl“ in allen fünf Operationsräumen die geltenden Grenzwerte des Anhangs F der DIN 1946-4 (2008) unterschreitet. Die Beklagte erkennt die Qualität des Gutachtens und insbesondere auch des Gutachters an, merkt jedoch an, dass das Gutachten wegen einer zu geringen Fallzahl nicht aussagekräftig sei, nur einen Teilaspekt, nicht die Gesamtsituation in der Klinik beleuchte und zum eigentlichen Thema, der ordnungsgemäßen Funktion der in der Klinik installierten Raumlufttechnischen Anlage bei fehlenden OP-Türen, keine Aussage mache.

Die Klägerin setzt die unter den Ziffern I.1 und I.4 des Bescheids vom …. September 2011 angeordneten Verpflichtungen seit ihrem Erlass bzw. schon zuvor jedenfalls teilweise um.

In der mündlichen Verhandlung am 7. März 2012 wurde deutlich, dass die Verfahrensbeteiligten unterschiedlicher Ansicht über den Begriff des Notfalls sind, der ihrer Vereinbarung, dass (endoprothetische) Notfälle von dem Verbot ihrer Durchführung in den Operationssälen 1 bis 5 ausgenommen sein sollen, zugrunde liegt. Die Klägerin geht davon aus, es werde jeder Fall erfasst, in dem so schnell wie möglich operiert werden müsse, um Schaden von dem Patienten abzuwenden. Die Beklagte versteht unter Notfällen nur vital-indizierte Notfalloperationen.

Die Klägerin erklärte in der mündlichen Verhandlung, inzwischen bei der Regierung … die Förderung des Einbaus von Türen in die Operationssäle beantragt zu haben. Sie habe bereits einen vorläufigen Förderbescheid erhalten. Der vorzeitige Baubeginn sei beantragt. Die Auszahlung der Fördermittel sei aber erst für das Jahr 2013 vorgesehen, so dass der vorzeitige Einbau der Türen eine Zwischenfinanzierung erfordere.

Nach Angaben der Klägerin ist ihr durch die streitgegenständlichen Anordnungen und die Presseberichterstattung hierüber bislang ein Schaden von schätzungsweise drei Millionen Euro entstanden. In der Klinik seien ca. 550 Operationen weniger als im gleichen Zeitraum des Vorjahres durchgeführt worden; inzwischen sei jedoch wieder der Stand des Vorjahres erreicht. Die Nutzung des Operationssaals 6 für Herzchirurgie und Endoprothetik erweise sich als sehr problematisch. Für endoprothetische Eingriffe fehle insbesondere der dafür besonders geeignete Operationssaal 4.

Die Klägerin beantragte:

Die Anordnung in Ziffer I.1, Ziffer I.2 sowie Ziffer I.4 des Bescheids der Beklagten vom …. September 2011 und die gleichlautenden Anordnungen in der mündlichen Anordnung vom …. September 2011 werden aufgehoben.

Hilfsweise es wird festgestellt, dass die o. g. Anordnungen rechtswidrig sind bzw. waren.

Die Beklagte beantragte,

die Klage abzuweisen.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 7. März 2012 und den Inhalt der Gerichts- und Behördenakten Bezug genommen.

Gründe

1. Gegenstand des Verfahrens sind die Anordnungen im schriftlichen Bescheid der Beklagten vom …. September 2011, soweit die Klägerin ihre Aufhebung beantragt hat. Diese schriftlich verfügten Anordnungen sind als Verwaltungsakt im Sinne von Art. 35 Satz 1 des Bayerischen Verwaltungsverfahrensgesetzes (BayVwVfG) einzuordnen. Dabei wird berücksichtigt, dass die schriftliche Bestätigung eines mündlichen Verwaltungsakts im Sinne von Art. 37 Abs. 2 Satz 2 BayVwVfG keinen neuen und eigenständigen Verwaltungsakt, sondern schlichthoheitliches Handeln darstellt. Wenn und soweit die Bestätigung aber von dem ursprünglichen Verwaltungsakt abweicht, ist sie als selbständiger Verwaltungsakt anzusehen (Kopp/Ramsauer, VwVfG, 12. Auflage 2011, RdNr. 23 zu § 37). Vorliegend ist nicht feststellbar, inwieweit die Anordnungen des Bescheids vom …. September 2011 bereits zuvor im Anschluss an die infektionshygienische Überprüfung der Klinik der Klägerin am …. September 2011 mündlich verfügt worden sind. Daher sind die Anordnungen des Bescheids vom …. September 2011 insgesamt als erstmalige Regelung und damit als Verwaltungsakt anzusehen.

2. Die Klage, mit der die Aufhebung der Anordnungen in den Ziffern I.1, I.2 und I.4 des Bescheids der Beklagten vom …. September 2011 begehrt wird, ist zulässig. Insbesondere ist die im Hauptantrag erhobene Anfechtungsklage gemäß § 42 Abs. 1 1. Alt. VwGO vollumfänglich statthaft. Die angegriffenen Anordnungen haben sich bislang nicht im Sinne von § 113 Abs. 1 Satz 4 erledigt, was der Statthaftigkeit der Anfechtungsklage entgegenstehen würde (Happ, in: Eyermann, VwGO, 13. Auflage 2010, RdNr. 12 zu § 42). Eine Erledigung liegt nur dann vor, wenn die mit einem Verwaltungsakt verbundene rechtliche oder tatsächliche Beschwer nachträglich weggefallen ist und von dem Verwaltungsakt keine (Regelungs-)Wirkung mehr ausgeht (vgl. Kopp/Schenke, VwGO, 17. Auflage 2011, RdNr. 102 zu § 113). Vorliegend ist dadurch, dass die Klägerin die sich aus den Ziffern I.1 und I.4 des streitgegenständlichen Bescheids ergebenden Verpflichtungen (teilweise) umgesetzt hat, keine (teilweise) Erledigung dieser Anordnungen eingetreten. Die Vollziehung und damit auch die freiwillige Umsetzung eines Verwaltungsakts führt jedenfalls dann nicht zu seiner Erledigung, wenn durch die Vollziehung ein jederzeit wieder rückgängig machbarer Zustand entstanden ist (BVerwG v. 17.11.1998, 4 B 100/98; Kopp/Schenke, VwGO, 17. Auflage 2011, RdNr. 104 zu § 113). Vorliegend könnte die Klägerin ihr Verhalten jederzeit wieder dahingehend ändern, die unter den Ziffern I.1 und I.4 des Bescheids vom …. September 2011 getroffenen Anordnungen nicht mehr zu beachten, wodurch ein Zustand wie vor Umsetzung dieser Anordnungen einträte. Insofern ist durch die freiwillige Erfüllung der im Bescheid angeordneten Verpflichtungen kein irreversibler Zustand und damit auch keine Erledigung des Verwaltungsakts eingetreten. Vielmehr würden die streitgegenständlichen Anordnungen im Fall ihrer Nicht-Mehr-Beachtung durch die Klägerin ihre Regelungswirkung, d. h. die Pflicht zur Umsetzung des Angeordneten, wieder vollumfänglich entfalten.

3. Die Klage ist auch begründet. Die streitgegenständlichen Anordnungen sind rechtswidrig und verletzen die Klägerin dadurch in ihren Rechten, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO. Insofern sind sie aufzuheben.

a) Die streitgegenständlichen Anordnungen sind formell rechtswidrig. Die Beklagte hat ihre Pflicht gemäß Art. 28 Abs. 1 BayVwVfG, der Klägerin vor Erlass der streitgegenständlichen Anordnungen Gelegenheit zu geben, sich zu den für die Entscheidung erheblichen Tatsachen zu äußern, verletzt.

Art. 28 Abs. 1 BayVwVfG bedeutet, dass die Behörde den Beteiligten Gelegenheit gibt, zum Gang des Verfahrens, zum Gegenstand, zu den entscheidungserheblichen Tatsachen und zu dem möglichen Ergebnis innerhalb angemessener Frist Stellung zu nehmen. Die Anhörung erschöpft sich aber nicht in dem Vortrag des Angehörten. Vielmehr eröffnet das Recht auf Anhörung den Beteiligten die Möglichkeit, auf den Gang und das Ergebnis des Verfahrens Einfluss zu nehmen. Dies beinhaltet, dass die Behörde die Stellungnahme des Angehörten zur Kenntnis nimmt und sie bei ihrer Entscheidung ernsthaft in Erwägung zieht (BVerwG v. 17.8.1982, 1 C 22/81). Die Form der Anhörung steht im Ermessen der Behörde und kann z. B. schriftlich, mündlich oder u. U. fernmündlich erfolgen. Die Behörde kann den Beteiligten für ihre Stellungnahme auch eine Frist setzen, die nach den Umständen des Einzelfalls angemessen und zumutbar sein muss (Bonk/Kaller-hoff, in: Stelkens/Bonk/Sachs, Verwaltungsverfahrensgesetz, 7. Auflage 2008, RdNr. 44 zu § 28). Es ist vorliegend nicht mehr aufklärbar, ob und inwieweit die Beklagte der Klägerin vor dem Erlass der streitgegenständlichen Anordnungen Gelegenheit zur Äußerung gegeben hat. Es ist bereits unklar, welche der in dem Bescheid vom …. September 2011 enthaltenen Anordnungen die Beklagte bereits am …. September 2011 bei der Abschlussbesprechung im Anschluss an die Begehung der Klinik verfügt hat. Zudem ist hierbei zwischen den Beteiligten umstritten und auch nicht anderweitig aufklärbar, ob und inwieweit die Beklagte der Klägerin bei der Abschlussbesprechung die Möglichkeit eröffnete, ihren Standpunkt im Hinblick auf die den streitgegenständlichen Anordnungen zugrundeliegenden Tatsachen darzulegen. Die Beklagte kann die Durchführung einer ordnungsgemäßen Anhörung im Rahmen der Abschlussbesprechung nach der Klinikbegehung auch nicht durch die Vorlage eines für mündliche Anhörungen empfohlenen Aktenvermerks nachweisen (VG Münster v. 21.12.1979, 1 K 2332/78). Ebensowenig gibt es einen Anhaltspunkt dafür, dass die Beklagte die Klägerin zu einem anderen Zeitpunkt vor Erlass des schriftlichen Verwaltungsakts am …. September 2011 im Sinne von Art. 28 Abs. 1 BayVwVfG angehört hat. Allein die Tatsache, dass der Bescheid erst am …. September 2011 und damit mehr als eine Woche nach der Kontrolle in der Klinik am …. September 2011 erlassen wurde, lässt nicht darauf schließen, dass der Klägerin in der Zwischenzeit Gelegenheit zur Äußerung im Sinne von Art. 28 Abs. 1 BayVwVfG gegeben wurde. Dem Gericht liegt weder ein in dieser Zeit ergangenes Anhörungsschreiben an die Klägerin noch ein Aktenvermerk oder ein anderweitiger Nachweis darüber vor, dass die Beklagte die Klägerin zur Äußerung aufgefordert hätte. Die Einräumung einer Gelegenheit zur Äußerung im Sinne von Art. 28 Abs. 1 BayVwVfG setzt grundsätzlich voraus, dass dem Anzuhörenden deutlich gemacht wird, dass er sich äußern kann und darin eine Anhörung im Sinne von Art. 28 Abs. 1 BayVwVfG liegt (VGH Kassel v. 20.5.1988, 4 TH 3354/87). Allein die aufgrund des zeitlichen Ablaufs des Verwaltungsverfahrens bestehende Möglichkeit für den Adressaten eines Verwaltungsakts, sich vor dem Erlass des Verwaltungsakts zu den entscheidungserheblichen Tatsachen zu äußern, z. B. weil er mit dem Erlass eines Bescheids rechnet, erfüllt nicht die Voraussetzungen einer Anhörung.

Entgegen der Auffassung der Beklagten liegt kein Fall vor, in dem die Anhörung gem. Art. 28 Abs. 2 BayVwVfG nach den Umständen des Einzelfalls nicht geboten und insofern entbehrlich wäre. Da die von Art. 28 Abs. 1 BayVwVfG statuierte Pflicht zur Anhörung das wichtigste Recht der Beteiligten im Verwaltungsverfahren darstellt (Kopp/Ramsauer, VwVfG, 12. Auflage 2011, RdNr. 1 zu § 28) und im Rechtsstaatsprinzip verfassungsrechtlich verankert ist (OVG Lüneburg v. 28.4.1989, 1 B 114/88) sowie dem Schutz der materiellen (Grund-)Rechtsposition der Beteiligten dient (BVerwG v. 21.03.1986, 4 C 48/82), ist bei der Annahme einer Ausnahme von der Anhörungspflicht gemäß Art. 28 Abs. 2 BayVwVfG ein strenger Maßstab anzuwenden (BGH v. 10.1.2002, III ZR 212/01). Die Behörde hat bei der Annahme einer Ausnahme keinen Beurteilungsspielraum.

Gefahr in Verzug im Sinne von Art. 28 Abs. 2 Nr. 1 1. Alt. BayVwVfG setzt voraus, dass durch die vorherige Anhörung auch bei Gewährung kürzester Anhörungsfristen ein Zeitverlust einträte, der mit hoher Wahrscheinlichkeit zur Folge hätte, dass der Zweck der zu treffenden Regelung nicht oder nur in geringerem Ausmaß als erforderlich erreicht würde (BVerwG v. 15.12.1983, 3 C 27/82). Abzustellen ist darauf, ob die Maßnahme selbst bei mündlicher, eventuell telefonischer Anhörung zu spät käme (Bonk/Kallerhoff, in: Stelkens/Bonk/Sachs, Verwaltungsverfahrensgesetz, 7. Auflage 2008, RdNr. 51 zu § 28). Vorliegend ist nicht erkennbar, dass der Zweck der Anordnungen der Beklagten, die Abwehr der von ihr angenommenen Infektionsgefahr für Patienten und Personal in den Operationssälen 1 bis 5 sowie der Gesundheitsgefahren für Patienten bei Durchführung endoskopischer Untersuchungen/Eingriffe, nicht oder in geringerem Maß erreicht worden wäre, wenn die Beklagte die Klägerin unmittelbar nach der Begehung der Klinik zu den Grundlagen der von ihr beabsichtigten Anordnungen wenigstens mündlich angehört hätte. Dabei ist sich das Gericht bewusst, dass es ausreichend ist, wenn die Behörde nach ihrer ex-ante-Sicht aufgrund der Umstände sofortiges Handeln für geboten halten durfte, auch wenn sie sich diesbezüglich in einem entschuldbaren Irrtum befand (BVerwG v. 15.12.1983, 3 C 27/82). Bei der Frage der Entbehrlichkeit der Anhörung ist zum einen zu berücksichtigen, dass der Beklagten die baulichen Gegebenheiten in der Operationsabteilung der Klägerin mindestens seit März 2005 bekannt waren. Damals hatte das Bayerische Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit bei der hygienischen Abnahmeprüfung des Operationssaals 4 ausdrücklich auf das Fehlen von Türen in allen Operationssälen hingewiesen. Die Beklagte hat diese baulichen Gegebenheiten in der Operationsabteilung der Klägerin seit so langer Zeit gekannt und unbeanstandet geduldet sowie im Rahmen der Konzessionsänderung vom 24. März 2009 sogar ausdrücklich gebilligt. Warum trotz unveränderter Sachlage plötzlich eine derart große Gefahr von den baulichen Gegebenheiten in der Klinik der Klägerin ausgehen sollte, dass eine mündliche Anhörung der Klägerin selbst unter Bestimmung kürzester Anhörungsfristen, z. B. von einer Stunde im Rahmen der Besprechung im Anschluss an die Begehung der Klinik am …. September 2011, den Zweck der Gefahrabwehr-Anordnungen mit hoher Wahrscheinlichkeit gefährdet hätte, ist nicht ersichtlich. Es ist auch zu beachten, dass zu diesem Zeitpunkt kein einziger Fall bekannt war, in dem ein Mensch aufgrund der angeblich unzuträglichen hygienischen Verhältnisse in der Operationsabteilung der Klägerin und der angeblich patientengefährdenden Durchführung endoskopischer Verfahren nachweislich zu Schaden gekommen ist. Zudem gab es keinen Nachweis dafür, dass die Keimbelastung in der Operationsabteilung zum Zeitpunkt der Kontrolle am …. September 2011 tatsächlich die dafür maßgeblichen Grenzwerte überschritten hat. Eine besonders große oder unmittelbare Gefahr von Infektionen aufgrund der baulichen Gegebenheiten in den Operationsräumen der Klägerin kann zudem, auch ex-ante, nicht daraus abgeleitet werden, dass Ende Juni 2011 ein Patient der Klägerin nach einem herzchirurgischen Eingriff in ihrer Klinik an den Folgen einer MRSA-Infektion verstorben ist. Denn die Infektion mit multiresistenten Erregern in Krankenhäusern stellt angesichts der Zahl der davon Betroffenen ein weitverbreitetes Phänomen dar. In Deutschland erkranken jährlich ca. 400.000 bis 600.000 Patientinnen und Patienten an Krankenhausinfektionen und schätzungsweise 7.500 bis 15.000 sterben daran (BT-Drs. 17/5708, S. 1). Insofern kann von nur singulärem Auftreten von Infektionen mit multiresistenten Erregern ohne weitere Anhaltspunkte nicht auf allgemein hygienisch unzureichende Verhältnisse in einem Krankenhaus geschlossen werden. Zudem war der Patient im Operationssaal 6, der über Türen verfügt, operiert worden. Daher können aus seiner Infektion und seinem Tod keine Rückschlüsse auf eine Infektionsgefahr aufgrund fehlender Türen in den Operationssälen 1-5 gezogen werden.

Wenn man davon ausginge, dass die Beklagte die streitgegenständlichen Anordnungen tatsächlich erst schriftlich mit dem Bescheid vom …. September 2010 verfügt hat, spricht zudem ihr eigenes Verhalten im Vorfeld des Bescheiderlasses gegen die eine Ausnahme von der Anhörung rechtfertigende Annahme von Gefahr in Verzug. Denn dann hätte die Beklagte zwischen dem Erkennen der Gefahren spätestens bei der Klinikbegehung am …. September 2011 und dem Bescheiderlass selbst mehr als eine Woche zugewartet, was gegen die besondere Dringlichkeit der Gefahrabwehr spricht.

Selbst wenn die Beklagte die Gefahr einer Infektion aufgrund der baulichen Ausgestaltung der Operationsabteilung und die Gesundheitsgefahr bei der Durchführung endoskopischer Eingriffe zulässigerweise als so groß eingestuft hätte, dass die Durchführung der besonders infektionskritischen endoprothetischen und herzchirurgischen sowie der endoskopischen Eingriffe aus ihrer Sicht sofort, ohne das Risiko der Durchführung auch nur einer weiteren derartigen Operation bzw. eines weiteren endoskopischen Eingriffs bis zum Abschluss der Anhörung und der darauffolgenden behördlichen Entscheidung, zu unterbinden bzw. zu beauflagen war, hätte es das Übermaßverbot geboten, die ohne die Anhörung getroffenen Anordnungen auf eine unerlässliche Mindestmaßnahme vorläufiger Art zu beschränken und endgültige Regelungen erst nach der Anhörung zu treffen (BVerwG v. 15.12.1983, 3 C 27/82).

Andere Aspekte, aufgrund derer gemäß Art. 28 Abs. 2 BayVwVfG die Anhörung nach den Umständen des Einzelfalls nicht geboten gewesen wäre, sind nicht ersichtlich.

Der Verfahrensfehler der fehlenden Anhörung ist auch nicht durch Nachholung der Anhörung gem. Art. 45 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 2 BayVwVfG geheilt worden. Denn Äußerungen und Stellungnahmen von Beteiligten im gerichtlichen Verfahren, sei es durch den Austausch von Schriftsätzen, sei es durch Stellungnahmen in der mündlichen Verhandlung, genügen jedenfalls in den Fällen, in denen die Behörde - wie im vorliegenden Fall - eine Ermessensentscheidung getroffen hat, zur Nachholung der Anhörung nicht (BVerwG v. 24.6.2010, 3 C 14/09; BVerwG v. 15.12.1983, 3 C 27/82). Die Anhörung gem. Art. 28 Abs. 1 BayVwVfG ist Teil des Verwaltungsverfahrens und ist daher, auch wenn sie zeitlich während des Gerichtsverfahrens nachgeholt wird, grundsätzlich auch auf der Ebene des Verwaltungsverfahrens nachzuholen (OVG Koblenz v. 17.01.1979, 2 B 268/78; Bonk/ Kallerhoff, in: Stelkens/Bonk/Sachs, Verwaltungsverfahrensgesetz, 7. Auflage 2008, RdNr. 72 zu § 28; Kopp/Ramsauer, VwVfG, 12. Auflage 2011, RdNr. 27 zu § 45).

Eine Heilung des Verfahrensfehlers durch Nachholung tritt zudem nur insoweit ein, als die Anhörung formell ordnungsgemäß erfolgt und dabei ihre Funktion für den Entscheidungsprozess der Behörde uneingeschränkt erreichen kann (BVerwG v. 24.6.2010, 3 C 14/09; Kopp/Ramsauer, VwVfG, 12. Auflage 2011, RdNr. 26 zu § 45). Die Qualität einer nachgeholten Anhörung darf nicht hinter der einer Anhörung vor Bescheiderlass zurückbleiben (Bonk/Kallerhoff, in: Stelkens/Bonk/Sachs, Verwaltungsverfahrensgesetz, 7. Auflage 2009, RdNr. 71 zu § 28). Dies setzt voraus, dass die Nachholung der Anhörung als solche bezeichnet wird bzw. als solche erkennbar ist (Bonk/Kallerhoff, in: Stelkens/Bonk/Sachs, Verwaltungsverfahrensgesetz, 7. Auflage 2009, RdNr. 72 zu § 28; Kopp/Ramsauer, VwVfG, 12. Auflage 2011, RdNr. 81, § 28). Zudem muss die Nachholung der Anhörung als solche durchgeführt werden. Dies bedeutet, dass die Behörde die Stellungnahme des Beteiligten nicht nur zur Kenntnis, sondern auch zum Anlass nimmt, ihre Entscheidung kritisch zu überdenken und zu prüfen, ob eine Aufhebung oder Änderung geboten ist. Dabei muss eine neue und im Grundsatz ergebnisoffene inhaltliche Befassung mit den von dem Angehörten vorgebrachten Aspekten stattfinden (Kopp/Ramsauer, VwVfG, 12. Auflage 2011, RdNr. 82 zu § 28 und RdNr. 26 zu § 45). Es muss erkennbar sein, dass aufgrund der nachträglichen Einwendungen eine neue, unvoreingenommene Prüfung des Sachverhalts durchgeführt wird (BVerwG v. 14.1.1983, 8 C 180/81; Sachs, in: Stelkens/Bonk/Sachs, Verwaltungsverfahrensgesetz, 7. Auflage 2008, RdNr. 85 zu § 45). Bei der Frage, ob die Nachholung der Anhörung während des gerichtlichen Verfahrens, wenn auch auf der Ebene des Verwaltungsverfahrens, diesen Anforderungen entspricht, ist besonders sorgfältig zu prüfen, ob aufgrund der Stellungnahme des Anzuhörenden tatsächlich eine ergebnisoffene Prüfung des Sachverhalts stattgefunden hat, da die Gefahr besteht, dass die Befassung mit der Stellungnahme des Beteiligten von prozesstaktischen Überlegungen beeinflusst wird und der Vortrag des Angehörten gerade nicht ernsthaft zur Kenntnis genommen und in eine nochmalige Überprüfung der Entscheidung einbezogen wird (Kopp/Ramsauer, VwVfG, 12. Auflage 2011, RdNr. 83 zu § 28 und RdNr. 34 zu § 45).

Vorliegend haben die Verfahrensbeteiligten nach der Klageerhebung und dem Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage, in dem die Klägerin in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht detailliert zu den streitgegenständlichen Anordnungen in den Ziffern I.1 und I.2 des Bescheids vom …. September 2011 Stellung genommen hat, versucht, bezüglich dieser streitgegenständlichen Anordnungen eine außergerichtliche Einigung herbeizuführen. Die Beklagte hat die von der Klägerin vorgeschlagene Regelung am …. Dezember 2011 abgelehnt. Zur Begründung führte die Beklagte dabei lediglich aus, dass sich auch nach erneuter eingehender Prüfung unter besonderer Berücksichtigung der nachträglich von der Klägerin vorgebrachten Angaben bzw. vorgelegten Unterlagen vor dem Hintergrund des letztlich zu schützenden hochwertigen Rechtsguts der Volksgesundheit keine Neubewertung ergebe. Aus dem Schreiben geht jedoch nicht hervor, ob und inwieweit sich die Beklagte außerhalb des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens inhaltlich mit den von der Klägerin in ihrem Antragsschriftsatz vorgebrachten Argumenten tatsächlich auseinandergesetzt und sie trotz des bereits anhängigen gerichtlichen Verfahrens zum Anlass genommen hat, die Anordnungen in den Ziffern I.1 und I.2 des Bescheids vom …. September 2011 nochmals ergebnisoffen zu überprüfen. Auch wenn die Pflicht zur Anhörung nicht beinhaltet, dass sich die Behörde mit jedem einzelnen Aspekt der Stellungnahme des Angehörten auseinandersetzt (Bonk/Kallerhoff, in: Stelkens/Bonk/Sachs, Verwaltungsverfahrensgesetz, 8. Auflage 2008, RdNr. 16 zu § 28), wird die knappe Feststellung, es habe sich nach erneuter eingehender Prüfung unter besonderer Berücksichtigung der vorgebrachten Angaben und vorgelegten Unterlagen keine Neubewertung ergeben, den Erfordernissen einer Anhörung nicht gerecht, gerade weil die Klägerin ihren Standpunkt in der 50-seitigen Antragsschrift sehr ausführlich und detailliert dargelegt hatte. Die Nachholung der Anhörung setzt in einem solchen Fall voraus, dass sich die Behörde wenigstens mit den Hauptargumenten des Angehörten inhaltlich substantiiert auseinandersetzt und diese würdigt. Zudem muss die Behörde im Anschluss daran unter Einbeziehung des in der Anhörung dargelegten Standpunkts des Beteiligten begründen, warum sie trotz der Stellungnahme des Angehörten im Ergebnis an ihrer Entscheidung festhält oder sie in einer bestimmten Weise abändert. Vorliegend ist jedenfalls für das Gericht nicht erkennbar, dass dies in der geforderten Form geschehen ist. Insofern konnte die Beklagte den ihr obliegenden Nachweis (Kopp/Schenke, VwVfG, 12. Auflage 2011, RdNr. 82a zu § 28), dass sie die nach dem Erlass der Anordnungen in den Ziffern I.1 und I.2 des Bescheids vom …. September 2011 erfolgte Stellungnahme der Klägerin zu den für diese Anordnungen entscheidungserheblichen Tatsachen zur Kenntnis genommen, gewürdigt und in eine ergebnisoffenen Überprüfung ihrer Anordnungen einbezogen hat, nicht erbringen. Daher kann dahinstehen, ob das schriftsätzliche Vorbringen der Klägerin überhaupt die Funktion einer nachgeholten Anhörung erfüllen kann.

Die streitgegenständliche Anordnung bezüglich der Durchführung endoskopischer Eingriffe war nicht Gegenstand des Versuchs der außergerichtlichen Einigung. Insofern konnte die diesbezüglich fehlende Anhörung nicht im Rahmen der Vergleichbemühungen geheilt werden.

Der Verfahrensfehler der fehlenden Anhörung ist nicht nach Art. 46 BayVwVfG unbeachtlich. Denn bei Ermessensentscheidungen ist es im Regelfall nicht auszuschließen, dass bei durchgeführter Anhörung in der Sache anders entschieden worden wäre, so dass es nicht offensichtlich ist, dass der Verfahrensfehler die Entscheidung in der Sache nicht beeinflusst hat. Anhaltspunkte dafür, dass dies im vorliegenden Fall ausnahmsweise anders zu beurteilen ist, bestehen nicht.

Die mangels ordnungsgemäßer Anhörung gem. Art. 28 Abs. 1 BayVwVfG formell rechtswidrigen Anordnungen unter den Ziffern I.1, I.2 und I.4 des Bescheids der Beklagten vom …. September 2011 verletzen die Klägerin als Adressatin der Anordnungen jedenfalls in ihrem Recht aus Art. 2 Abs. 1, Art. 19 Abs. 3 des Grundgesetzes (GG). Sie sind daher gem. § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO aufzuheben.

Wegen des Erfolgs des Hauptantrags ist auf den Hilfsantrag nicht einzugehen.

b) Aufgrund der formellen Rechtswidrigkeit der streitgegenständlichen Anordnungen ist die Beurteilung der materiellen Rechtmäßigkeit der streitgegenständlichen Anordnungen nicht entscheidungserheblich. Wegen der Bedenken des Gerichts hinsichtlich der materiellen Rechtmäßigkeit der streitgegenständlichen Anordnungen unter den Ziffern I.1 und I.2 des Bescheids vom …. September 2011 wird auf die Gründe des Beschlusses im Antragsverfahren gem. § 80 Abs. 5 VwGO verwiesen (M 18 S 11.5405).

4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.

5. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit im Kostenpunkt folgt aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. der Zivilprozessordnung (ZPO).

6. Die Berufung war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 124 Abs. 1 Satz 1 i. V. m. § 124 Abs. 2 Nrn. 3 und 4 VwGO nicht vorliegen.

Beschluss

Der Streitwert wird auf EUR 5.000,-- festgesetzt (§ 52 Abs. 2 Gerichtskostengesetz -GKG-).