LG Traunstein, Beschluss vom 17.02.2012 - 2 O 4213/11
Fundstelle
openJur 2012, 121074
  • Rkr:
Tenor

Der Antrag des Antragstellers auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe wird zurückgewiesen.

Gründe

Die beabsichtigte Klage, die sich entsprechend Schriftsatz vom 20.01.2012 nur noch gegen den Antragsgegner zu 1) richten soll, hat keine hinreichende Aussicht auf Erfolg.

I.

Der Antragsteller begehrt Schadensersatz wegen fehlerhafter Schuldnerberatung.

Der Antragsgegner zu 1) bietet eine Schuldnerberatung an. Der Antragsteller wandte sich am 16.01.2004 erstmalig an einen Mitarbeiter des Antragsgegners zu 1), um sich wegen seiner aus einer selbständigen Tätigkeit und einem Auslandsaufenthalt in Ghana herrührenden Schulden beraten zu lassen. Auch in der Folgezeit stand der Antragsteller mit diesem Mitarbeiter regelmäßig in Kontakt. Bis zum 10.10.2004 bezog der Antragsteller Sozialhilfe. Im Anschluss daran verdiente er bis Mai 2007 zumeist unterhalb der Pfändungsgrenze liegende Nettolöhne. Am 27.09.2007 stellte er den Antrag auf Einleitung eines Verbraucherinsolvenzverfahrens. Ab diesem Zeitpunkt überstieg sein Nettogehalt die Pfändungsgrenze regelmäßig.

Der Antragsteller behauptet, der für ihn zuständige Mitarbeiter des Antragsgegners zu 1) habe ihn in Unkenntnis einer höchstrichterlichen Entscheidung (BGH, Beschl. v. 22.05.2003, Az.: IX ZB 456/02) und eines Erlasses des Bundesfinanzministeriums vom 11.01.2002 (Az.: IV A 4 S 0550 1/02) hinsichtlich der Voraussetzungen für die Antragstellung auf Einleitung eines Verbraucherinsolvenzverfahrens falsch beraten. Aufgrund dieser Falschberatung sei der Antragsteller irrig davon ausgegangen, für die Einleitung des Verfahrens die Steuerbescheide aus den vergangenen drei Jahren vorweisen zu müssen, weshalb er den verfahrenseinleitenden Antrag trotz der hierzu bestehenden Möglichkeit nicht bereits im Jahre 2004 stellte, sondern erst am 27.09.2007, als sein Nettoeinkommen regelmäßig über der Pfändungsgrenze lag. Da er bei einer Antragstellung zum frühestmöglichen Zeitpunkt wegen seiner damaligen Einkommensverhältnisse demgegenüber nicht zur Abführung von Zahlungen an seine Gläubiger verpflichtet gewesen wäre, sei ihm durch die auf der Falschberatung beruhenden Verzögerung der Verfahrenseinleitung insgesamt ein Schaden in Höhe von 16.872,33 € entstanden.

II.

Die beabsichtigte Klage hat aus mehreren Gründen keine Aussicht auf Erfolg.

1. Anspruchsgrundlage

Eine Anspruchsgrundlage für den geltend gemachten Anspruch ist nicht ersichtlich.

1.1 Ein Beratungsvertrag ist zwischen den Parteien nicht geschlossen worden.

Ein schriftlicher Vertrag liegt nicht vor.

Ein konkludenter Vertragsschluss kann nicht angenommen werden. Aus § 675 II BGB folgt, dass die bloße Beratung als solche noch nicht zu einem Vertrag mit entsprechender Haftung führt. Zwar gilt grundsätzlich, dass ein Auskunftsvertrag auch stillschweigend geschlossen werden kann, wenn die Gesamtumstände unter Berücksichtigung der Verkehrsauffassung und der Verkehrsbedürfnisse den Rückschluss zulassen, dass beide Teile nach dem objektiven Inhalt ihrer Erklärungen die Auskunft zum Gegenstand vertraglicher Rechte und Pflichten gemacht haben. Wesentliche Indizien sollen sein, dass die Auskunft erkennbar für den Empfänger von erheblicher Bedeutung ist und der Auskunftgeber für ihre Erteilung besonders sachkundig ist oder ein eigenes wirtschaftliches Interesse an der Auskunftserteilung hat (vgl. Münchener Kommentar, 5. Auflage, § 675 BGB, Rdn 122).

Ein eigenes wirtschaftliches Interesse des Antragsgegners zu 1) lag zweifelsfrei nicht vor. Aber auch besondere Sachkunde des Antragsgegners zu 1) ist zu verneinen. Zwar ergibt sich aus § 305 I Nr. 1 InsO i. V. m. Art. 112 AGSG, dass eine Schuldnerberatung im Rahmen eines Insolvenzverfahrens nur von einer anerkannten "geeigneten Person oder Stelle" durchgeführt werden kann. Dies lässt aber noch keinen Schluss auf besondere Sachkunde im hier interessierenden rein juristischen Bereich zu. Diese ist zu unterstellen, wenn die Beratung – was auch möglich, jedoch in der Regel kostenpflichtig ist – von einem Volljuristen geleistet wird. Für den Antragsgegner zu 1) war jedoch ein Sozialpädagoge tätig.

In jedem Fall aber fehlt es ersichtlich an einem vertraglichen Bindungswillen des Antragsgegners zu 1). Er erbringt seine Leistungen im Rahmen der Schuldnerberatung freiwillig aufgrund seines ... und sozialen Dienstverständnisses, nicht aufgrund einer dem Hilfesuchenden gegenüber bestehenden Rechtspflicht. So wird man auch nicht von einer einklagbaren Verpflichtung zur Beratung ausgehen können. Dies erhellt, dass keine vertraglichen Beziehungen zwischen dem Antragsgegner zu 1) und dem Antragsteller bestanden.

1.2 Aus den gleichen Gründen kann auch eine nebenvertragliche Beratungspflicht des Antragsgegners zu 1) nicht angenommen werden.

1.3 Zwischen den Parteien bestand auch keine vertragsähnliche Beziehung, die entsprechende Nebenpflichten im Hinblick auf die geleistete Beratung ausgelöst hätte.

In diesem Zusammenhang wären allenfalls die §§ 241 II, 311 II Nr. 3 BGB von Bedeutung, wonach ein Schuldverhältnis mit Pflichten auch durch "ähnliche geschäftliche Kontakte" entsteht. Der Kontakt zwischen den Parteien war aber nicht "geschäftlich" im Sinne dieser Bestimmung. ... Schuldnerberatung ist kein "geschäftlicher Kontakt", der der Aufnahme von Vertragsverhandlungen (§ 311 II Nr. 1 BGB) oder der Anbahnung eines Vertrages (§ 311 II Nr. 2 BGB) ähneln würde. Auch hier gilt, dass aus § 675 II BGB abzuleiten ist, dass nicht schon die tatsächlich erfolgte Beratung - und damit der notwendigerweise damit einhergehende soziale Kontakt - eine vertragsähnliche Haftung begründet.

1.4 Deliktische Ansprüche kommen von vornherein nicht in Betracht.

2. Schuldhafte Pflichtverletzung

Selbst bei Annahme einer vertraglichen Beziehung zwischen den Parteien scheitert die beabsichtigte Klage daran, dass eine schuldhafte Pflichtverletzung nicht vorliegt.

2.1 Zwar muss die auf vertraglicher Grundlage erteilte Auskunft objektiv zutreffend sein. Dies war hier nicht der Fall. Mit Beschluss vom 22.05.2003, Az.: IX ZB 456/02, hat der BGH entschieden, dass die Versagung der Restschuldbefreiung gem. § 290 I Nr. 2 InsO nicht für den Fall gilt, wenn der Schuldner - wie hier der Antragsteller - keine Steuererklärungen abgegeben hat. Die auf einer anderslautenden Entscheidung des Landgerichts Traunstein vom 25.10.2002, Az.: 4 T 1320/02, beruhende gegenläufige Auskunft des Antragsgegners zu 1) war damit objektiv unzutreffend.

2.2 Einer Haftung steht jedoch entgegen, dass weder Vorsatz noch grobe Fahrlässigkeit auf Seiten des Antragsgegners zu 1) vorliegen.

Eine ausdrückliche vertragliche Haftungsbeschränkung auf Vorsatz oder grobe Fahrlässigkeit wurde zwar nicht vereinbart.

Die Haftung des Antragsgegners zu 1) ist jedoch konkludent darauf beschränkt.

Es ist in vielen Fällen so, dass bei einem unentgeltlichen Vertrag - wie hier unterstellt - die Haftung des Schuldners schon von Gesetzes wegen auf Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit beschränkt ist, vgl. §§ 521, 599, 690 BGB. Hier kommt weiter dazu, dass den Antragsteller als Gläubiger des unterstellten Vertrages keinerlei Verpflichtungen gegenüber dem Antragsgegner zu 1) treffen. Dieser hat auch kein eigenes wirtschaftliches oder rechtliches Interesse an der Beratung.

Bei dieser Konstellation ist davon auszugehen, dass der Antragsgegner zu 1), hätte er sein Haftungsrisiko erkannt, auf einem entsprechenden ausdrücklichen Haftungsverzicht des Antragstellers bestanden und die Beratung nur durchgeführt hätte, wenn dieser sich dazu bereit erklärt hätte.

Als grob fahrlässig kann aber das Verhalten des Antragsgegners zu 1) nicht gewertet werden.

Der Erlass des Bundesfinanzministeriums stellt ein reines Verwaltungsinternum dar. Seine Nichtkenntnis gereicht dem Antragsgegner zu 1) nicht zu grober Fahrlässigkeit.

Dem Antragsgegner zu 1) gereicht es auch nicht zu grober Fahrlässigkeit, wenn er nicht die Entwicklungen der höchstrichterlichen Rechtsprechung verfolgt, sondern sich erst einmal auf die Rechtsprechung des für seinen räumlichen Bereich örtlich zuständigen Gerichts, hier der Beschwerdekammer des Landgerichts Traunstein, verlässt. Er ist kein Rechtsanwalt, damit treffen ihn auch nicht in gleichem Maße Pflichten.

Der zuständige Mitarbeiter des Antragsgegners zu 1) hat zwar Ende 2006 im Zuge einer Fortbildung von dem genannten Beschluss des BGH erfahren. Er war aber nicht ohne weiteren Anlass gehalten, nunmehr sämtliche Beratungsvorgänge daraufhin zu überprüfen, ob dieser Beschluss von Relevanz sein könnte. Aufgrund der vorgelegten e-mail vom 18./22.03.2007 (Anlage K 2) steht fest, dass er den Antragsteller zeitnah mit dieser Fortbildung darauf hinwies, als er, der Mitarbeiter des Antragsgegners zu 1), erstmals wieder mit dem Problem des Antragstellers konfrontiert wurde.

3. Schaden

In jedem Fall aber fehlt es am geltend gemachten Schaden.

Die angestrebte Restschuldbefreiung nach § 301 I InsO ist noch nicht erfolgt. Es ist daher unbekannt, ob sie überhaupt erfolgen wird. Die Restschuldbefreiung führt der Antragsteller aber zur Begründung seines Anspruchs an. Sie bildet die Voraussetzung für den behaupteten Schadenseintritt, der in der Zuvielzahlung während des Laufes des Insolvenzverfahrens im Vergleich zu den fiktiven Zahlungen bei früherer Antragstellung bestehen soll. Steht aber die Restschuldbefreiung noch nicht fest, dann können die Zahlungen des Antragstellers an die Gläubiger keinen Schaden darstellen, denn im Gegenzug wird er hierdurch von den Forderungen seiner Gläubiger befreit.

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