VG Ansbach, Urteil vom 08.02.2012 - AN 11 K 11.30554
Fundstelle
openJur 2012, 120736
  • Rkr:
Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.

Gerichtskosten werden nicht erhoben.

Tatbestand

Der nach eigenen Angaben am … in … geborene Kläger, ein afghanischer Staatsangehöriger vom Volksstamm der Hazara schiitischen Glaubens begehrt Asylanerkennung, die Flüchtlingszuerkennung, hilfsweise Abschiebungsschutz.

Er reiste am … 2011 unerlaubt in das Bundesgebiet ein (Bl. 49 der Bundesamtsakte = BA) und stellte am …2011 Asylantrag (Bl. 31 BA). Zur Person war er nicht ausgewiesen. Bei einer vorbereitenden Befragung am … 2011 in Zirndorf gab der Kläger zur Niederschrift (Bl. 46 ff. BA) an, er sei afghanischer Hazara. Seine Taskira habe er in …zurückgelassen. Er habe Afghanistan mit fünf Jahren verlassen und anschließend in …gelebt. Vor fünf Monaten sei er mit dem Bus von … nach Teheran/Iran gefahren und über die Türkei, Griechenland, Italien und Paris mit dem Zug nach Deutschland gereist.

Bei seiner Anhörung am … 2011 (Bl. 57 ff. BA) im Rahmen der Vorprüfung beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) gab er an, er sei Hazara wie seine Eltern auch. Seine Taskira habe er in Afghanistan zurückgelassen. Er stamme ursprünglich aus … Den genauen Ort könne er nicht benennen. Als er fünf Jahre alt gewesen sei, sei sein Vater gestorben und er sei zusammen mit seiner Mutter, seiner Schwester und seinem Bruder nach … in Pakistan gegangen. Dort habe er sich bis zur Ausreise aufgehalten. Seine Mutter, Schwester und Bruder lebten immer noch in …. In Afghanistan habe er keinerlei Verwandte mehr. Jedenfalls sei ihm anderes nicht bewusst. In Pakistan habe er acht Jahre die Schule ohne Abschluss besucht. Eine Ausbildung habe er nicht. Er habe acht oder neun Jahre lang bei einem Schuster gearbeitet. Er habe … vor fünf oder fünfeinhalb Monaten verlassen und sei über den Iran, die Türkei, Griechenland, Italien und Paris mit einem Zug nach Deutschland gefahren, wo er am 4. Oktober 2011 angekommen sei. Die Reise habe 4500 EUR gekostet. Einen Teil des Geldes habe er gehabt, einen Teil habe sein Bruder beigesteuert, der im Iran arbeite. Auf Vorhalt, vorher angegeben zu haben, dieser sei in Pakistan, gab er an, nein, dieser sei im Iran und arbeite dort. Auf Vorhalt, dass er in …von der Bundespolizei kontrolliert worden sei, gab er an, er habe nicht nach Skandinavien, sondern nach Deutschland gewollt. Zu seinen Verfolgungsgründen befragt, gab er an, sie seien eine schiitische Minderheit und seien als solche schlecht behandelt worden. Man habe ihnen gesagt, sie sollten zurück in ihr eigenes Land gehen und man hätte sie geschlagen und schlecht behandelt. Deshalb sei er hierher gekommen. Andere Gründe habe er nicht. Auf Frage, wo er denn so behandelt worden sei, gab er an, das sei in …gewesen. Er wisse nicht, ob diese zu Al Quaida oder zu den Taliban gehört hätten. Auf Frage, was er bei einer Rückkehr nach Afghanistan befürchte, gab er an, in Afghanistan hätte er niemanden, zu dem er gehen könnte. Seine Mutter halte sich in … auf und sein Bruder arbeite im Iran. Auf Frage, ob auch seine Mutter und Schwester in … schlecht behandelt würden, gab er an, diese seien ja Frauen und zuhause, da könnten sie nicht schlecht behandelt werden. Wenn diese aber in die Stadt gingen und als Hazara und Schiiten auffielen, würden sie schon unterdrückt. Auf Frage, warum seine Mutter und Schwester nicht von …nach … gegangen seien, gab er an, das sei nicht möglich gewesen. Seine Mutter habe gesagt, dass es nicht gut sei, nach Afghanistan zu gehen. Er habe niemals in seinem Leben Schwierigkeiten mit staatlichen Sicherheitsorganen gehabt. Auch konkrete Schwierigkeiten mit anderen Personen habe er nicht gehabt. Konkret zur persönlichen Schlechtbehandlung befragt, gab er an, ihm selbst sei auch schon gesagt worden, dass er zurück in sein Land gehen solle. Schlecht behandelt worden sei er allerdings nicht.

Mit Bescheid … (Bl. 65 ff. BA) lehnte das BAMF den Antrag auf Anerkennung als Asylberechtigter ab (Ziffer 1), stellte fest, dass die Voraussetzungen für die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nicht vorliegen (Ziffer 2), stellte fest, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 2 bis 7 AufenthG nicht vorliegen (Ziffer 3) und forderte den Kläger mit Abschiebungsandrohung zuvorderst nach Afghanistan zur Ausreise auf (Ziffer 4). Die Voraussetzungen für die Anerkennung als Asylberechtigter seien nicht erfüllt, denn der Kläger habe weder eine Verfolgung durch den afghanischen Staat noch eine diesem zurechenbare Verfolgung geltend gemacht. Ebenso wenig bestehe ein Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft. Aus dem Vorbringen des Klägers ergäben sich keine Anhaltspunkte dafür, dass er politischen Verfolgungsmaßnahmen ausgesetzt gewesen sei oder bei einer Rückkehr nach Afghanistan solche befürchten müsse. Politisch motivierte Verfolgung von Seiten des afghanischen Staates sei weder vorgetragen worden noch ersichtlich. Auch aus der Zugehörigkeit des Klägers zur Volksgruppe der Hazara folge nicht die Gefahr einer landesweiten Verfolgung (wurde weiter ausgeführt). Der Kläger habe auch keine Beeinträchtigungen durch nichtstaatliche Akteure in Afghanistan vorgetragen. Vielmehr habe er nur vorgetragen, dass sie als Hazara in Pakistan schikaniert worden seien. Es sei daher offenkundig, dass er sich nicht aus begründeter Furcht vor politischer Verfolgung außerhalb seines Heimatlands aufhalte. Auch Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 2 bis 7 AufenthG lägen nicht vor (wurde ebenfalls weiter ausgeführt). Zwar sei das Vorliegen eines innerstaatlichen bewaffneten Konflikts in der Provinz …, aus der der Kläger nach eigener Aussage stamme, nicht auszuschließen. Es drohten dem Kläger dort aber keine erheblichen individuellen Gefahren für Leib oder Leben (ohne tatsächliche Begründung). Es liege auch keine extreme Gefahrenlage vor (wurde wiederum weiter ausgeführt). Es sei davon auszugehen, dass der Kläger als junger, lediger, gesunder Afghane, der jedenfalls keine Unterhaltslasten habe, auch ohne nennenswertes Vermögen und ohne abgeschlossene Berufsausbildung im Fall einer zwangsweisen Rückführung in sein Heimatland in der Lage wäre, durch Gelegenheitsarbeiten etwa in … wenigstens ein kümmerliches Einkommen zu erzielen, damit ein Leben am Rand des Existenzminimums zu finanzieren und sich allmählich wieder in die afghanische Gesellschaft zu integrieren. Da er zudem in Pakistan bei einem Schuster gearbeitet habe, sei ihm zuzumuten, auch in Afghanistan einer solchen Tätigkeit nachzugehen. Die verfügten aufenthaltsbeendenden Maßnahmen beruhten auf §§ 34 Abs. 1 AsylVfG, 59 AufenthG.

Dieser Bescheid wurde am 28. November 2011 mit Postzustellungsurkunde zugestellt.

Mit Telefax seiner Bevollmächtigten vom … 2011 ließ der Kläger hiergegen Klage erheben und beantragen,

1. den Bescheid des BAMF vom … aufzuheben,

2. die Beklagte zu verpflichten, den Kläger als Asylberechtigten anzuerkennen und festzustellen, dass die Voraussetzungen des Art. 16 a GG sowie des § 60 Abs. 1 AufenthG vorliegen, hilfsweise festzustellen, dass Abschiebungshindernisse nach § 60 Abs. 2 bis 6 AufenthG, weiter hilfsweise nach § 60 Abs. 7 AufenthG vorliegen.

Die Klage wurde mit Telefax der Bevollmächtigten des Klägers vom … 2011 begründet. Der Kläger habe seine Fluchtgründe eindringlich, anschaulich und nachvollziehbar dargelegt. In seinem Herkunftsland wäre er wegen seiner Zugehörigkeit zur Volksgruppe der Hazara mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit landesweit in seinem Leben bedroht. In Afghanistan seien die Taliban sehr stark und der afghanische Staat könne seine Bevölkerung nicht vor diesen schützen. Im Fall einer Abschiebung würden dem Kläger Folter, unmenschliche Behandlung und Bestrafung drohen. Ferner herrsche in Afghanistan nicht nur ein bewaffneter Konflikt, sondern dort sei Krieg. Zum Beleg hierfür wurde auf aktuelle Zeitungsberichte vom 22.9. bis 7.12.2011 verwiesen.

Mit Telefax seines Bevollmächtigten vom 10. Januar 2012 ließ der Kläger noch Kopien von zwei Bestätigungsschreiben in englischer Sprache aus … sowie seiner afghanischen Taskira vorlegen.

Mit Schreiben vom … 2011 beantragte die Beklagte,

die Klage abzuweisen.

Mit Beschluss vom …2011 wurde der Rechtsstreit zur Entscheidung auf den Einzelrichter übertragen und mit Schreiben vom … 2011 den Beteiligten mitgeteilt, welche Auskünfte sachkundiger Stellen in das Verfahren eingeführt wurden.

Mit Telefax seiner Bevollmächtigten vom … 2011 ließ der Kläger weiter einen Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe stellen. Diesem wurde mit Beschluss vom … 2012 teilweise entsprochen.

Mit Gerichtsschreiben vom … 2012 wurde die Erkenntnismittelliste aktualisiert.

Wegen der mündlichen Verhandlung vom … 2012 wird auf die Sitzungsniederschrift und wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Gerichtsakte und auf die beigezogene Bundesamtsakte verwiesen.

Gründe

Die zulässig erhobene und sachdienlich nach dem Begehren auszulegende Klage auf Verpflichtung zur Asylanerkennung und zur Flüchtlingszuerkennung nach § 60 Abs. 1 AufenthG, hilfsweise zur Feststellung nach § 60 Abs. 2, 3 und 7 Abs. 2 AufenthG und weiter hilfsweise nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG, unter entsprechender Aufhebung des entgegenstehenden angefochtenen Bescheids des BAMF, auf dessen Ausführungen im Übrigen nach § 117 Abs. 5 VwGO verwiesen wird, ist insgesamt unbegründet, da dem Kläger die geltend gemachten Ansprüche nicht zustehen, § 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO.

Das BAMF hat zutreffend die vom Kläger beantragte Asylanerkennung (1) und weiter die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft abgelehnt, da der Kläger nicht glaubhaft gemacht hat, den Bedrohungen nach § 60 Abs. 1 AufenthG durch relevante Akteure ausgesetzt zu sein, solche mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit auch nicht drohten und auch bei einer Rückkehr nicht zu befürchten sind, insbesondere stellt auch dien Zugehörigkeit des Klägers zur Volksgruppe der Hazara in Afghanistan und seine schiitische Glaubenszugehörigkeit keinen objektiven Verfolgungsgrund bei einer Rückkehr nach Afghanistan dar (1). Weiter wurde zutreffend ein Anspruch des Klägers auf Feststellung des Vorliegens der Voraussetzungen des § 60 Abs. 2, 3, 7 Satz 2 AufenthG, hilfsweise des § 60 Abs. 5, 7 Satz 1 AufenthG verneint (2). Schließlich ist auch die verfügte Ausreiseaufforderung mit Abschiebungsandrohung zuvorderst nach Afghanistan nicht zu beanstanden (3).

1.

Nach Art. 16 a Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) hat ein Ausländer Anspruch auf Gewährung von Asyl in der Bundesrepublik Deutschland, wenn er - sofern er nicht bereits in einem anderen Staat vor politischer Verfolgung sicher war (§ 27 AsylVfG) - für seine Person die auf Tatsachen gegründete Furcht vor Verfolgung in dem Land, dessen Staatsangehörigkeit er besitzt, wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung hegen muss. Begründet ist die Furcht vor Verfolgung, wenn dem Asylsuchenden bei verständiger Würdigung der gesamten Umstände seines Falles politische Verfolgung mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit droht, so dass ihm nicht zuzumuten ist, im Heimatstaat zu bleiben oder dorthin zurückzukehren.

Weiter ist ein Asylanspruch eines Ausländers schon dann ausgeschlossen, wenn er auf dem Landweg in das Bundesgebiet eingereist ist. Nach Art. 16 a Abs. 2 GG in Verbindung mit § 26 a Abs. 1 Satz 1 AsylVfG kann sich ein Ausländer, der aus einem sicheren Drittstaat eingereist ist, nämlich nicht mit Erfolg auf das Asylgrundrecht berufen. Sichere Drittstaaten sind dabei die Mitgliedstaaten der Europäischen Gemeinschaft, nunmehr der Europäischen Union. Dieser Drittstaat muss nicht unmittelbar an Deutschland angrenzen und auch nicht positiv benennbar sein, wenn nur feststeht, dass die Einreise aus einem Nachbarstaat erfolgte, da Deutschland von sicheren Drittstaaten umgeben ist (BVerwG vom 2.9.1997 und vom 29.6.1999, BayVGH vom 13.11.1997, zitiert nach juris).

Rechtsgrundlage für die begehrte Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft ist § 3 Abs. 4 und Abs. 1 AsylVfG (BT-Drks. 16/5065 S. 213; vgl. auch § 60 Abs. 1 Satz 6 AufenthG). Danach wird einem Ausländer, der Flüchtling nach Abs. 1 ist, die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt, es sei denn, er erfüllt die Voraussetzungen des § 60 Abs. 8 Satz 1 AufenthG; ein Ausländer ist Flüchtling im Sinne des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (Genfer Konvention - GK), wenn er in dem Staat, dessen Staatsangehörigkeit er besitzt oder in dem er als Staatenloser seinen gewöhnlichen Aufenthalt hatte, den Bedrohungen nach § 60 Abs. 1 AufenthG ausgesetzt ist. Nach § 60 Abs. 1 Sätze 1, 3, 4 und 5 des Aufenthaltsgesetzes (AufenthG) in der durch Art. 1 Nr. 48 a) des Richtlinienumsetzungsgesetzes vom 19. August 2007 geänderten Fassung, der die frühere Regelung in § 51 Abs. 1 AuslG ersetzt (BT-Drks. 15/420 S. 91) und die Vorgaben zum Flüchtlingsschutz entsprechend der Richtlinie 2004/83/EG des Rates vom 29. April 2004 über Mindestnormen für die Anerkennung und den Status von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Flüchtlinge oder als Personen, die anderweitig internationalen Schutz benötigen, und über den Inhalt des zu gewährenden Schutzes (Abl L 304/ 12). sog. Qualifikationsrichtlinie (QRL) aufnimmt (BT-Drks. 16/5065 S. 184 bis 186), darf wiederum ein Ausländer in Anwendung der GK (dort Art. 1 A Nr. 2) nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Staatsangehörigkeit, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Eine Verfolgung in diesem Sinne kann ausgehen von a) dem Staat, b) Parteien oder Organisationen, die den Staat oder wesentliche Teile des Staatsgebiets beherrschen oder c) nichtstaatlichen Akteuren, sofern die vorgenannten Akteure einschließlich internationaler Organisationen erwiesenermaßen nicht in der Lage oder nicht willens sind, Schutz vor Verfolgung zu bieten, und dies unabhängig davon, ob in dem Land eine staatliche Herrschaftsmacht vorhanden ist oder nicht, es sei denn, es besteht eine innerstaatliche Fluchtalternative. Nichtstaatliche Akteure in diesem Sinn können dabei auch Einzelpersonen sein (BVerwG vom 18.7.2006, zitiert nach juris). Für die Feststellung, ob eine solche Verfolgung vorliegt, sind Art. 4 Abs. 4 sowie die Art. 7 bis 10 QRL „ergänzend“ anzuwenden. Damit werden die dortigen Bestimmungen über den Vorverfolgungsmaßstab, die Schutzakteure, internen Schutz, Verfolgungshandlungen und -gründe für anwendbar erklärt. Hiermit soll auf wesentliche Auslegungsbestimmungen der QRL zu den einzelnen Tatbestandsmerkmalen des Flüchtlingsbegriffs verwiesen werden (BT-Drks. 16/5065 S. 184 ff). Wie sich aus Art. 4 Abs. 2, 5 a), c) und e) QRL ergibt, ist in diesem Zusammenhang die Rechtsprechung zur Glaubhaftmachung der Verfolgungsgründe (vgl. bereits BVerwG vom 20.8.1974 und vom 24.11.1981) weiterhin relevant; der Asylbewerber muss also die persönlichen Umstände seiner Verfolgung und Furcht vor einer Rückkehr hinreichend substantiiert, detailliert und widerspruchsfrei vortragen, er muss kohärente und plausible Angaben machen. Fehlt es hieran, kann sein Vorbringen insoweit als nicht glaubhaft zurückgewiesen werden (BVerwG vom 23.2.1988 und vom 26.2.2003, zitiert nach juris). Schließlich darf kein Ausschlusstatbestand nach Abs. 2 und 3 des § 3 AsylVfG, die Fälle der „Asyl“unwürdigkeit beinhalten (BT-Drks. aaO), gegeben sein.

Nach diesen Grundsätzen hat der Kläger eine dementsprechende staatliche Verfolgung bzw. Verfolgung durch nichtstaatliche Akteure schon nicht glaubhaft gemacht. Eine Verfolgung durch afghanische Behörden im Zeitpunkt seiner Ausreise aus Afghanistan nach Pakistan, die im Jahr … erfolgt sei, weil der Kläger nach eigenen Angaben damals fünf Jahre alt gewesen sei, hat er selbst schon nicht vorgetragen. Die von ihm bei seiner Bundesamtsanhörung behauptete Verfolgung in Pakistan ist rechtlich nicht relevant, da er nicht Staatsangehöriger dieses Staates ist, sondern nach eigenen Angaben allein die Staatsangehörigkeit von Afghanistan besitzt. Dies ergibt sich auch aus der vom Kläger zuletzt vorgelegten Kopie seiner Taskira (Bl. 102 der Gerichtsakte), sofern diese als authentisch angesehen wird. Deshalb sind auch die weiter vorgelegten (Gefälligkeits-) Schreiben aus … (Bl. 100 und 101 der Gerichtsakte) rechtlich ohne Relevanz, da sie sich auf die Verhältnisse in Pakistan beziehen und im Übrigen nur zu belegen vermögen, dass der Ausstellende eine solche Erklärung abgegeben hat.

Soweit der Kläger in der mündlichen Verhandlung vom… 2012 erstmals Landstreitigkeiten mit Feinden des Vaters als Grund für die Ausreise aus Afghanistan im Jahr 1997 nannte, ist dieses Vorbringen zu vage und zu unsubstantiiert, um einen Zusammenhang mit einer politischen Verfolgung und nicht nur privaten Auseinandersetzung zu begründen. Auch auf mehrmalige Nachfrage konnte der Kläger keine Einzelheiten nennen.

Ein Anspruch auf Asylanerkennung und Flüchtlingszuerkennung besteht auch nicht unter dem Gesichtspunkt einer unmittelbar oder mittelbar staatlichen oder nichtstaatlichen Gruppenverfolgung auf Grund der Zugehörigkeit zum Volksstamm der Hazara in Afghanistan und seiner schiitischen Glaubenszugehörigkeit. Eine diesbezügliche Verfolgung drohte weder im Zeitpunkt der Ausreise noch droht sie derzeit weder unmittelbar noch war oder ist sie beachtlich wahrscheinlich.

Die Annahme einer Gruppenverfolgung setzt entsprechende intensive und häufige Rechtsgutverletzungen der jeweiligen Gruppe (Verfolgungsdichte) voraus, aus denen jedes einzelne Mitglied die - bei objektiver Betrachtung - begründete Furcht herleiten kann, auch selbst alsbald Opfer solcher Verfolgungsmaßnahmen zu werden. Dabei ist von Belang, ob sich vergleichbares Verfolgungsgeschehen in der Vergangenheit schon häufiger ereignet hat und die Minderheit in einem Klima allgemeiner moralischer, religiöser oder gesellschaftlicher Verachtung leben muss (BVerfG NVwZ 1991, 768). Die Annahme einer unmittelbar staatlichen Gruppenverfolgung setzt voraus, dass mit ihr eigene staatliche Ziele offen oder verdeckt von staatlichen Kräften durchgesetzt werden sollen (BVerwG NVwZ 1990, 1175). Die entsprechende Verfolgungsdichte ist nicht nur bei Pogromen oder Massenausschreitungen, sondern auch bei entsprechend dicht und eng gestreuten Verfolgungsschlägen zu bejahen (BVerwG InfAuslR 1993, 31; NVwZ 1994, 1121). Der Feststellung einer Verfolgungsdichte bedarf es aber dann nicht, wenn hinreichend sichere Anhaltspunkte für ein staatliches Verfolgungsprogramm bestehen, dessen Umsetzung bereits eingeleitet ist oder alsbald bevorsteht, beispielsweise wenn ethnische oder religiöse Minderheiten physisch vernichtet und ausgerottet oder aus dem Staatsgebiet vertrieben werden sollen (BVerwG NVwZ 1995, 175).

Ist die Verfolgung an einen pauschalen Separatismusverdacht geknüpft, der sich nicht gegen alle Angehörigen einer bestimmten Ethnie richtet, sondern nur gegen die in bestimmten Gebieten lebenden, gehört zur verfolgten Gruppe nur, wer beide Kriterien erfüllt. Dann handelt es sich um eine örtlich begrenzte und nicht um eine regionale Verfolgung (BVerwG DVBl 1996, 1260; 1998, 274; NVwZ 2000, 332).

Die Annahme einer religiösen Verfolgung ist nach übereinstimmender Rechtsprechung von BVerfG und BVerwG nicht schon dann gerechtfertigt, wenn die Religionsfreiheit, gemessen an der umfassenden Gewährleistung, wie sie etwa Art. 4 Abs. 1 und 2 GG enthält, Eingriffen und Beeinträchtigungen ausgesetzt ist. Diese müssen vielmehr ein solches Gewicht erhalten, dass sie in den elementaren Bereich eingreifen, den der Einzelne unter dem Gesichtspunkt der Menschenwürde wie nach internationalem Standard als sog. religiöses Existenzminimum zum seinem Leben- und Bestehenkönnen als sittliche Person benötigt. Dieser auch als Forum internum bezeichnete unverzichtbare und unentziehbare Kern der Privatsphäre des glaubenden Menschen umfasst die religiöse Überzeugung als solche und die Religionsausübung abseits der Öffentlichkeit und in persönlicher Gemeinschaft mit anderen Gläubigen dort, wo man sich nach Treu und Glauben unter sich wissen darf. Asylrelevante religiöse Verfolgung ist demnach etwa dann gegeben, wenn den Angehörigen einer religiösen Gruppe unter Androhung von Strafen eine Verleugnung oder gar Preisgabe ihres Glaubens zugemutet wird oder sie daran gehindert werden, ihren eigenen Glauben, so wie sie ihn verstehen, im privaten Bereich und unter sich zu bekennen. Glaubensbetätigungen in der Öffentlichkeit einschließlich der Missionierung gehören dagegen nicht zum religiösen Existenzminimum. Insbesondere wenn ein Staat seine Existenz auf eine bestimmte Religion gründet, sind Maßnahmen, die er zur näheren Definition und Abgrenzung der Zugehörigkeit zu dieser Staatsreligion sowie zu deren Schutz ergreift, solange nicht als Verfolgung anzusehen, als das vorgenannte religiöse Existenzminimum belassen bleibt. Bei Verboten bestimmter Verhaltensweisen muss das betreffende Religionsmitglied selbst in seiner religiös-personalen Identität betroffen sein. Staatliche Beschränkungen und Verbote in die Öffentlichkeit hineinwirkender Formen religiöser Betätigung, wie etwa der Missionierung oder des Tragens religiöser Symbole in der Öffentlichkeit, stellen unabhängig davon, ob sie nach dem Selbstverständnis der Glaubensgemeinschaft zum unverzichtbaren Inhalt der Religionsausübung gehören, allein noch keine asylrechtlich erhebliche Verfolgung dar. Da das religiöse Existenzminimum individuell zu bestimmen ist, kommt es auf die eigenen Angaben des Ausländers über die von ihm bei einer Rückkehr beabsichtigte Glaubensausübung ebenso an wie auf seine bisherige religiöse Betätigung, was insbesondere im Grad der Verbundenheit mit seiner bisherigen Kirchengemeinde zum Ausdruck kommt (BVerwGE 120,16 und 123,18).

Über die Behandlung von Hazara in Afghanistan berichten die Auskunftsstellen in den in das Verfahren eingeführten Erkenntnismitteln weitgehend übereinstimmend. Nach dem Auswärtigen Amt beträgt der Anteil der Volksgruppe der Hazara ca. 19 % der Gesamtbevölkerung. Die afghanische Verfassung schütze sämtliche ethnischen Minderheiten. Das Parteiengesetz verbiete die Gründung politischer Parteien entlang ethnischer Grenzen. In der Regierung seien alle großen ethnischen Gruppen vertreten. Es gebe Bemühungen, Armee- und Polizeikräfte so zu besetzen, dass sämtliche Volksstämme angemessen repräsentiert seien, was in der Praxis zuweilen sogar zu einer Überrepräsentation von ethnischen Minderheiten auch in den Führungspositionen führe. Seit dem Ende der Taliban-Herrschaft habe sich die Situation auch für die traditionell diskriminierten Hazara insgesamt verbessert, obwohl die hergebrachten Spannungen in lokal unterschiedlicher Intensität fortbestünden und auch immer wieder auflebten. Die Hazara seien in der öffentlichen Verwaltung zwar noch immer stark unterrepräsentiert, was aber eher eine Folge der früheren Marginalisierung als eine gezielte Benachteiligung neueren Datums sei (ständige Lageberichterstattung vom 29.11.2005, vom 13.7.2006, vom 17.3.2007, vom 7.3.2008, vom 3.2.2009, vom 28.10.2009, vom 27.7.2010, vom 9.2.2011 und zuletzt vom 10.1.2012). Nach der Schweizerischen Flüchtlingshilfe verläuft der Ressourcenkampf oft entlang ethnischer Linien. Im Westen Kabuls lebende Hazara wurden Ziel von Gewalt und Kriminalität seitens anderer ethnischer Gruppen. Im Januar 2004 wurde eine Gruppe von Hazara bei Baghran überfallen und erschossen. Im Januar 2004 kündete der schiitische Hazara-führer und Planungsminister in der Übergangsregierung seine Präsidentschaftskandidatur an, um zu zeigen, dass es kein Verbrechen mehr sei, Hazara in Afghanistan zu sein (Update vom 1.3.2004). Nach Djelani Davary hat Präsident Karsai den Chef der hazarischen Wahdat-Partei als zweiten Stellvertreter ernannt. Die Minister mit Hazara-Herkunft seien im Kabinett gut vertreten, den Hazara falle mehr und mehr Regierungsverantwortung zu. Dies gelte auch für die Justiz. Eine hazarische Frauenrechtlerin sei zur Gouverneurin der Provinz Bamiyan ernannt worden. Seit der Machtübernahme von Karsai sei kein Fall bekannt geworden, der auf Diskriminierung und Willkür seitens des Staates hindeuten könnte. Die (hazarischen) Schiiten könnten ihren religiösen Pflichten nachgehen. Zu keinem Zeitpunkt der modernen afghanischen Geschichte mit Ausnahme der Talibanzeit seien sie deshalb verfolgt oder zumindest an der Ausübung ihrer religiösen Zeremonien gehindert worden (Stellungnahme vom 9.3.2005). Hazara werden nicht wie etwa Hindu und Sikhs zu den speziell gefährdeten Personengruppen gezählt. Allerdings sei davon auszugehen, dass Ethnien, die die Minderheit in ihrer Wohngegend bildeten verletzlicher seien (Update zur aktuellen Sicherheitslage vom 3.2.2006, vom 21.8.2008, vom 26.2. und 11.8.2009 und vom 11.8.2010). Der UNHCR ist der Auffassung, dass trotz der verfassungsrechtlichen Garantie der Gleichheit aller ethnischen Gruppen und Stämme und der Bestrebungen der Regierung, sich mit den Problemen der ethnischen Minderheiten zu befassen, weiterhin Diskriminierung und ethnische Konflikte insbesondere im Zusammenhang mit Land- und Eigentumsfragen auftreten. Es werde auch über starke Diskriminierung ethnischer Minderheiten in einigen Gegenden berichtet, meistens in Form der Versagung des Zugangs zu Bildung und anderen Diensten sowie zu politischer Vertretung. In den Gegenden, in denen eine Volksgruppe eine ethnische Minderheit darstellt, könnten die Angehörigen dieser Minderheit einer Verfolgungsgefahr aufgrund ihrer ethnischen Volkszugehörigkeit/Rasse ausgesetzt sein. In dieser Hinsicht erstrecke sich die Furcht vor Verfolgung aber nicht notwendigerweise auf das gesamte afghanische Gebiet (Stellungnahme vom 10.11.2009 und vom 30.11.2009 an BayVGH) und sei abhängig von den individuellen Umständen des Falls (Stellungnahme vom 11.11.2011 an OVG RhPf). Eine ausführliche Darstellung der Minderheit der Hazara findet sich im ÖIF-Länderinfo von Februar 2010. Die Hazara, die 9 % der Bevölkerung Afghanistans ausmachen und zum 19 %-Anteil an Schiiten zählen, stellen in doppelter Hinsicht, nämlich ethnisch und religiös, gegenüber den Paschtunen und Tadschiken eine Minderheit dar. Ihr Hauptsiedlungsgebiet ist das Hazarajat, ein Gebiet in Zentralafghanistan, verteilt auf verschiedene Provinzen mit dem Großteil der Provinz Bamyan und acht weiteren Provinzen. Daneben gibt es nennenswerte hazarische Gruppen in den größeren Städten Afghanistans, insbesondere in Kabul und Herat. Sie bildeten dort die ökonomische Unterschicht und blieben weitgehend vom Rest der Gesellschaft getrennt. Seit dem ausgehenden 19. Jahrhundert seien die Hazara meist von einer paschtunischen Elite beherrscht, benachteiligt und unterdrückt worden. Erst mit dem Beginn der kriegerischen Auseinandersetzungen im Zuge der kommunistischen Machtergreifung Ende 1970 sei es den Hazara gelungen, eine gewisse Autonomie und schließlich auch eine gemeinsame politische Führung zu erlangen. Im Jahr 1989 sei die Hizb-e Wahdat gegründet worden, die einen Großteil der Hazara hinter sich versammele. Während des Bürgerkriegs und der anschließenden Herrschaft der Taliban sei es mehrmals zu Massakern an den schiitischen Hazara gekommen (vgl. Ahmed Rashid S. 62 ff, 98 ff. und 113 ff). Nach dem Sturz der Taliban seien die Hazara immer in den verschiedenen Regierungen Präsident Hamid Karsais vertreten gewesen. Aktuell bestehe der größte Konflikt der Hazara in der ungelösten Frage der Weiderechte der Nomaden im Hazarajat, wo es alljährlich zu bewaffneten Auseinandersetzungen komme. Nach dem Sturz der Taliban im Jahr 2001 habe es keine Angriffe der Taliban auf Schiiten allgemein mehr gegeben und seien die Hazara nicht mehr aus ethnischen und religiösen Motiven von den Taliban verfolgt worden.

Nach Würdigung und Bewertung dieser Erkenntnismittel im Wege einer Gesamtschau der maßgeblichen Kriterien ist das Gericht bei Anwendung der vorgenannten Maßstäbe der Überzeugung, dass Hazara in Afghanistan keiner an ihre Volks- oder Religionszugehörigkeit anknüpfenden gruppengerichteten politischen oder religiösen Verfolgung ausgesetzt sind. So werde eine politische oder religiöse Verfolgung durch die derzeitige Regierung in den Auskünften übereinstimmend verneint. Auch die berichteten gelegentlichen Nachstellungen durch regierungsfeindliche Gruppierungen einschließlich der Taliban erreichen die vorgenannten Referenzfälle von der Anzahl der Rechtsverletzungen im Verhältnis zur Gesamtzahl dieser Gruppe und ihrer staatlichen Behandlung weder die Schwelle, ab der eine Verfolgungsdichte anzunehmen wäre noch belegen sie in ausreichendem Maß eine staatliche Untätigkeit im Vorgehen gegen solche Übergriffe mit dem Ziel der Vernichtung dieser Minderheit.

Diese Auffassung wird auch in der Rechtsprechung geteilt (OVG Hamburg vom 11.4.2003, VG Bremen vom 28.8.2003 und VG Augsburg vom 28.9.2006 und vom 3.12.2008, zitiert nach juris).

Schließlich ist hier das Asylgrundrecht jedenfalls auch deshalb ausgeschlossen, weil der Kläger auf dem Landweg über einen sicheren Drittstaat in das Bundesgebiet eingereist ist. So gab er, zuletzt in der mündlichen Verhandlung vom … 2012, selbst an, von Frankreich, nämlich Paris kommend, mit dem Zug nach Deutschland eingereist zu sein. Ausnahmen nach § 26 a Abs. 1 Satz 2 AsylVfG sind weder ersichtlich noch vorgetragen.

2.

Dem Kläger stehen auch die hilfsweise geltend gemachten Abschiebungsverbote nicht zu. In diesem Zusammenhang ist - wie hier auch geschehen - zu beachten, dass sachdienlich in erster Linie die Feststellung eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 2, 3 oder 7 Satz 2 AufenthG und hilfsweise die Feststellung eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 5 oder 7 Satz 1 AufenthG begehrt wird (BVerwG vom 24.6.2008, vom 27.4. und 29.6.2010, zitiert nach juris).

Nach § 60 Abs. 2 des Aufenthaltsgesetzes (AufenthG) in der durch Art. 1 Nr. 48 b) des Richtlinienumsetzungsgesetzes vom 19. August 2007 geänderten Fassung, der die Vorgaben von Art. 15 b der QRL aufnimmt (BT-Drks. 16/5065 S. 186; BVerwG aaO), darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem für diesen Ausländer die konkrete Gefahr besteht, der Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Bestrafung unterworfen zu werden. Da der Wortlaut dieser Vorschrift dem Art. 3 EMRK vollständig und dem früheren § 53 Abs. 1 AuslG teilweise entspricht, kann zur Auslegung grundsätzlich auf die diesbezügliche Rechtsprechung, insbesondere auch des EGMR (Hailbronner § 60 AufenthG RdNr. 107) und auf die Literatur verwiesen werden. Für die Feststellung dieses Abschiebungsverbots gelten nach § 60 Abs. 11 AufenthG die Art. 4 Abs. 4, Art. 5 Abs. 1 und 2 und Art. 6 bis 8 QRL. Damit werden die dortigen Bestimmungen über den Vorverfolgungsmaßstab, Nachfluchtgründe, Verfolgungs- und Schutzakteure und internen Schutz auch auf dieses Abschiebungsverbot für anwendbar erklärt (BT-Drks. aaO). Es müssen konkrete Anhaltspunkte oder stichhaltige Gründe dafür glaubhaft gemacht werden, dass der Ausländer im Fall seiner Abschiebung einem echten Risiko oder einer ernsthaften Gefahr einer Art. 3 EMRK widersprechenden Behandlung ausgesetzt wäre (Hailbronner § 60 AufenthG RdNr. 108). Dies ist hier aber nach den Ausführungen unter 1. weder ersichtlich noch substantiiert vorgetragen. Auch sind unzureichende Lebensbedingungen, eine mangelhafte medizinische Versorgung oder eine allgemeine Gewaltsituation wie Bürgerkriegssituationen, innere Unruhen und bewaffnete Konflikte im Heimatland des Ausländers nur bei exzeptionellen Umständen relevant (Hailbronner § 60 AufenthG RdNrn. 119 ff.), wie sie hier aber nicht anzunehmen sind.

Nach der ständigen Lageberichterstattung des AA, zuletzt vom 10. Januar 2012, verbietet Art. 29 der afghanischen Verfassung die Folter. Es ist aber unbestritten, dass es Fälle von Folter durch Angehörige der regulären Polizei, des Gefängnispersonals, der militärischen Kräfte und des Geheimdienstes NDS gebe. Weiter ist davon auszugehen, dass Folter auch von den Warlords und Milizenführern sowie wohl auch von den Aufständischen angewandt wird. In besonderem Maß sind Frauen und Kinder im Polizeigewahrsam und in Gefängnissen betroffen.

Vorliegend sind Anhaltspunkte für eine solche Foltergefahr weder ersichtlich noch substantiiert vorgetragen.

Nach § 60 Abs. 3 Satz 1 AufenthG in der durch Art. 1 Nr. 48 c) des Richtlinienumsetzungsgesetzes vom 19. August 2007 geänderten Fassung, der den früheren § 53 Abs. 2 Satz 1 AuslG ersetzt und die Vorgaben von Art. 15 a QRL aufnimmt (BT-Drks. und BVerwG aaO), darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, wenn dieser Staat den Ausländer wegen einer Straftat sucht und die Gefahr der Verhängung oder Vollstreckung der Todesstrafe besteht. Für die Feststellung auch dieses Abschiebungsverbots gelten nach Abs. 11 hier ebenfalls die Art. 4 Abs. 4, Art. 5 Abs. 1 und 2 und Art. 6 bis 8 QRL. Damit werden auch hier die dortigen Bestimmungen über den Vorverfolgungsmaßstab, Nachfluchtgründe, Verfolgungs- und Schutzakteure und internen Schutz auf dieses Abschiebungsverbot für anwendbar erklärt (BT-Drks. aaO). Hierzu müssen ernsthafte Anhaltspunkte vorliegen, dass der Ausländer wegen einer Straftat konkret gesucht wird, deretwegen individuell die Todesstrafe verhängt werden kann (Hailbronner § 60 AufenthG RdNr. 137). Nach der ständigen Berichterstattung des AA, zuletzt vom 10. Januar 2012, ist zwar die Todesstrafe im afghanischen Recht für besonders schwerwiegende Delikte vorgesehen. Sie wird unter dem Einfluss der Scharia auch bei anderen Delikten verhängt. Die Entscheidung über die Todesstrafe wird vom Obersten Gerichtshof getroffen und kann nur mit Einwilligung des Präsidenten vollstreckt werden. Eine Kommission prüft alle Fälle, bevor diese dem Präsidenten zur Entscheidung vorgelegt werden.

Solche Anhaltspunkte für eine Verhängung der Todesstrafe sind hier aber weder ersichtlich noch substantiiert vorgetragen.

Nach § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG in der durch Art. 1 Nr. 48 d) des Richtlinienumsetzungsgesetzes vom 19. August 2007 geänderten Fassung, der die Vorgaben von Art. 15 c QRL aufnimmt (BT-Drks. und BVerwG vom 24.6.2008, zitiert nach juris), ist - also zwingend - von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat abzusehen, wenn er dort als Angehöriger der Zivilbevölkerung einer erheblichen individuellen Gefahr für Leib oder Leben im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts ausgesetzt ist. Damit sollen die Tatbestandsmerkmale des Art. 15 c QRL, der die subsidiäre Schutzgewährung in Fällen willkürlicher Gewalt im Zusammenhang mit bewaffneten Konflikten regelt, umfasst sein (BT/ Drks. aaO S. 187). Trotz teilweise geringfügig abweichender Formulierung entspricht die Bestimmung noch diesen Vorgaben (BVerwG vom 24.6.2008, 14.7.2009 und 27.4.2010, zitiert nach juris). Bei anderer Auffassung müsste ansonsten das nationale Recht richtlinienkonform ausgelegt werden. Nicht in den Regelungsbereich von Art 15 QRL sollen dagegen Schutzgewährungen aus anderen als den dort genannten Gründen fallen wie beispielsweise krankheitsbedingte Abschiebungshindernisse oder allgemeine wirtschaftliche Notlagen im Herkunftsland (BT-Drks. aaO S. 186). Hat jedoch der bewaffnete Konflikt in einem Land oder Landesteil nicht nur Auswirkungen auf die dortige Sicherheitslage, sondern mittelbar auch auf die dortige Versorgungslage, ist nach Auffassung des Gerichts auch die letztere insoweit in den Blick zu nehmen, als sich aus ihr eine individuelle erhebliche Gefahr für Leib oder Leben ergeben kann. Nach den Gesetzesmaterialien (BT/Drks. aaO) soll diese Schutzgewährung kriegerische Auseinandersetzung zwischen zwei oder mehr Staaten oder innerhalb eines Staates voraussetzen, wobei der völkerrechtliche Begriff des bewaffneten Konflikts gewählt wurde, um klarzustellen, dass nur Auseinandersetzungen ab einer bestimmten Größenordnung und für die innerstaatliche Variante mit einem bestimmten Maß an Intensität und Dauerhaftigkeit in den Regelungsbereich fallen sollen (so bereits Hess VGH vom 9.11.2006, zitiert nach juris und vom 26.6.2007 NVwZ-RR 2008, 58 aA VG Stuttgart InfAuslR 2007, 321 zum Irak). Bei der Auslegung, wann ein innerstaatlicher bewaffneter Konflikt vorliegt, sind die vier Genfer Konventionen zum humanitären Völkerrecht von 1949 und das Zusatzprotokoll II von 1977 zu berücksichtigen. Danach müssen die Kampfhandlungen von einer Qualität sein, jedenfalls ein gewisses Maß an Intensität und Dauerhaftigkeit aufweisen wie sie u.a. für Bürgerkriegsauseinandersetzungen oder Guerillakämpfe kennzeichnend sind, und damit über innere Unruhen, und Spannungen wie Tumulte, vereinzelt auftretende Gewalttaten und ähnliche Handlungen hinausgehen. Ein entsprechend hoher Organisationsgrad und eine solche Kontrolle der Konfliktparteien über einen Teil des Staatsgebiets, wie sie für die Erfüllung der Verpflichtungen nach den Genfer Konventionen von 1949 erforderlich sind, werden aber nicht zwingend vorausgesetzt. Vielmehr kann es bei einer Gesamtwürdigung der Umstände auch genügen, dass die Konfliktparteien in der Lage sind, anhaltende und koordinierte Kampfhandlungen von solcher Intensität und Dauerhaftigkeit durchzuführen, dass die Zivilbevölkerung davon typischerweise erheblich in Mitleidenschaft gezogen wird. Dabei muss sich der innerstaatliche Konflikt nicht auf das gesamte Staatsgebiet erstrecken und es genügt daher vielmehr, dass bewaffnete Gruppen Kampfhandlungen in einem Teil des Hoheitsgebiets durchführen. Dabei ist auf das Herkunftsgebiet des Ausländers abzustellen. Allerdings muss der Ausländer von dem bewaffneten Konflikt individuell bedroht sein (BVerwG aaO). Allgemeine mit dem bewaffneten Konflikt im Zusammenhang stehende Gefahren sollen dabei entsprechend dem Erwägungsgrund 26 der QRL und nach § 60 Abs. 7 Satz 3 AufenthG allein aber nicht genügen (BT-Drks. aaO). Nach der unter dem Gesichtspunkt der richtlinienkonformen Auslegung (BVerwG aaO) beachtlichen Rechtsprechung des EuGH (Urteil vom 17.2.2009, zitiert nach juris) kann das Vorliegen einer ernsthaften individuellen Bedrohung von Leib und Leben oder der Unversehrtheit des Ausländers (selbst bei entsprechenden allgemeinen Gefahren) ausnahmsweise aber dann als gegeben angesehen werden, wenn der den bestehenden bewaffneten Konflikt kennzeichnende Grad willkürlicher Gewalt ein so hohes Niveau erreicht, dass stichhaltige Gründe für die Annahme bestehen, dass eine Zivilperson bei einer Rückkehr in das betreffende Land oder die betroffene Region allein durch ihre Anwesenheit in diesem Gebiet Gefahr liefe, einer solchen Bedrohung ausgesetzt zu sein. Es muss also - auch gemeinschaftsrechtlich - eine insoweit auch individuell besonders exponierte Gefahrensituation vorliegen (Hailbronner § 60 AufenthG RdNr. 183). Es muss sich diese Gefahr in der Person des Ausländers daher verdichtet haben, was sich aus gefahrerhöhenden persönlichen Umständen selbst oder ausnahmsweise auch bei Eintritt der bezeichneten außergewöhnlichen Situation ergeben kann (BVerwG aaO). Hierzu ist entsprechend der Feststellung einer Gruppenverfolgung eine jedenfalls annäherungsweise quantitative Ermittlung der Gesamtzahl der in dem betreffenden Gebiet lebenden Zivilpersonen einerseits und der Akte willkürlicher Gewalt andererseits, die von den Konfliktparteien gegen Leib oder Leben von Zivilpersonen in diesem Gebiet verübt werden, sowie eine wertende Gesamtbetrachtung mit Blick auf die Anzahl der Opfer und die Schwere der Schädigungen bei der Zivilbevölkerung erforderlich, wobei neben völkerrechtswidrigen auch andere nicht zielgerichtete Gewaltakte zu berücksichtigen sind (BVerwG aaO). Bei der vorgenannten Betrachtung ist auf die Herkunftsregion des Ausländers abzustellen (BVerwG aaO). Dabei kann nach Ansicht des Gerichts grundsätzlich von der dort bestehenden Verwaltungsgliederung (34 Provinzen und 329 Distrikte) ausgegangen werden. Für die Feststellung auch dieses Abschiebungsverbots gelten nach § 60 Abs. 11 AufenthG wiederum die Art. 4 Abs. 4, 5 Abs. 1 und 2 und die Art. 6 bis 8 QRL. Damit werden die dortigen Bestimmungen über die Vorfluchtgründe, die Nachfluchtgründe, die Verfolgungs- und Schutzakteure und den internen Schutz auch auf dieses Abschiebungsverbot für anwendbar erklärt (BT/Drks. aaO). Von Bedeutung ist hier vor allem der in Art. 4 Abs. 4 QRL enthaltene, von der bisherigen Rechtslage abweichende herabgestufte Wahrscheinlichkeitsmaßstab, die Einbeziehung von Nachfluchtgründen entsprechend Art. 5 QRL in diesen Abschiebungsverbotstatbestand, die Einbeziehung auch nichtstaatlicher Akteure als Verfolger nach Art. 6 c QRL, sofern Staat und staatsähnliche oder internationale Organisationen erwiesenermaßen nicht in der Lage oder nicht willens sind, Schutz vor Verfolgung bzw. ernsthaftem Schaden im Sinne des Art. 7 QRL zu bieten und Art. 8 QRL über den internen Schutz, wobei insbesondere die Herkunft und die Sicherung des Existenzminimums in dem Gebiet des internen Schutzes zu berücksichtigen sind (BVerwG aaO und vom 29.5.2008, zitiert nach juris). Für das Eingreifen der Beweiserleichterung ist es auch in diesem Zusammenhang erforderlich, dass ein innerer Zusammenhang zwischen dem vor der Ausreise erlittenen oder unmittelbar drohenden ernsthaften Schaden und dem befürchteten künftigen Schaden besteht (BVerwG vom 24.7.2010, zitiert nach juris). Dagegen kann eine evtl. Sperrwirkung ausländerbehördlicher Erlasse den internen Schutz gemeinschaftsrechtlicher Art nicht einschränken (BVerwG vom 24.6.2008, zitiert nach juris).

Über die vorgenannten Voraussetzungen eines innerstaatlichen bewaffneten Konflikts in den einzelnen Regionen Afghanistans und das dortige Ausgesetztsein einer erheblichen individuellen Gefahr für Leib oder Leben infolge willkürlicher Gewalt berichten die Auskunftsstellen weitgehend übereinstimmend.

Nach dem Auswärtigen Amt (Lageberichte vom 3.11.2004, vom 21.6.2005 vom 29.11.2005, vom 13.7.2006, vom 17.3.2007, vom 7.3.2008, vom 3.2.2009, vom 28.10.2009, vom 27.7.2010, vom 9.2.2011 und zuletzt vom 10.1.2012), ist die Sicherheitslage in Afghanistan regional sehr unterschiedlich (wurde weiter ausgeführt). Die größte Bedrohung für die Bevölkerung geht weiterhin von der bewaffneten Aufstandsbewegung, deren Intensität und regionale Ausbreitung bereits seit 2006 zugenommen habe, aus. Während vor allem im Süden (Provinzen Helmand, Kandahar, Uruzgan) insbesondere aufgrund militärischer Operationen dort und teilweise auch im Osten (Provinzen Kunar, Khost, Paktika, Paktia) schon wegen der ISAF-Truppenverstärkung stärker gekämpft wird, bleibt die Lage in Kabul insoweit weitgehend stabil. Seit Anfang 2009 hat sich die Sicherheitslage zunehmend auch in Teilen des Nordens (Kundus, Takhar, Baghlan, Badghis und Faryab) verschlechtert. Der landesweite Trend zeige für 2010 eine weitere Zunahme sicherheitsrelevanter Ereignisse um 30 bis 50 % gegenüber dem Vorjahr. In weiten Teilen des Landes finden zunehmend gewalttätige Auseinandersetzungen zwischen regierungsfeindlichen Kräften einerseits sowie afghanischen Sicherheitskräften und ISAF-Truppen andererseits statt, die seit 2008 auch auf Gebiete übergegriffen haben, die bislang nicht oder kaum betroffen waren wie die zentralen Provinzen um Kabul (Wardak, Logar, Kapisa). Die größten Gruppierungen regierungsfeindlicher Kräfte sind die vor allem im Süden des Landes aktiven Taliban, das auf den Südosten konzentrierte Haqqani-Netzwerk und die Hezb-e Islami Gulbuddin, die ihren Schwerpunkt in Teilen des Ostens und Nordostens hat. Nach dem UNHCR (Stellungnahmen von Januar 2008, vom 25.2. und vom 6.10.2008, vom 10.11.2009 und vom 30.1.2009 an BayVGH) sind erhebliche Teile von Afghanistan nach wie vor aktive Kampfgebiete und befinden sich nicht unter der Kontrolle der Regierung. Gefahren für die Zivilbevölkerung gehen dabei von intensivierten Aktivitäten gegen Aufständische aus, einschließlich Bombenangriffe aus der Luft, deren Eskalation zu einem offenen Krieg in den südlichen, südöstlichen und östlichen Provinzen geführt hat, von wahllosen Anschlägen regierungsfeindlicher Elemente, insbesondere Selbstmordanschläge einschließlich weicher Ziele, und von Akten der Einschüchterung einschließlich willkürlicher Tötungen, Entführungen und anderer Bedrohungen des Lebens, der Sicherheit und der Freiheit durch regierungsfeindliche Elemente. Die in diesem Sinne unsicheren Provinzen und Distrikte wurden im Einzelnen aufgeführt. Nach Ansicht von Amnesty International im Schreiben vom 28. Juli 2003 sei eine Rückkehr von Flüchtlingen nach Afghanistan bei der derzeitigen Sicherheits- und Menschenrechtslage dort nicht zumutbar. Nach einer weiteren Einschätzung der Situation im Schreiben vom 17. Januar 2007 an HessVGH sei dort die Sicherheitslage als prekär und desolat und die Versorgungslage als hochproblematisch zu bezeichnen. Nach der Schweizerischen Flüchtlingshilfe (Updates vom 21.8.2008, vom 26.2.2009, vom 11.8.2009, vom 6.10.2009 und vom 11.8.2010) gehen Gewaltakte gegen die Zivilbevölkerung von regierungsfeindlich eingestellten, bewaffneten Gruppierungen wie Taliban, Hezb-e Islami von Gulbuddin Hekmatyar und anderen sowie von Reaktionen der afghanischen und ausländischen Sicherheitstruppen im Kampf gegen die aufständischen Gruppierungen aus. Zivilisten gehören zu den immer stärker von Selbstmordanschlägen betroffenen Opfern. Für verschiedene Provinzen wurde die betreffende Sicherheitslage dort geschildert. Sie habe sich die letzten fünf Jahre ständig verschlechtert. Die gewaltsamen Auseinandersetzungen hätten 2009 nach Angaben der UNO 2412 Opfer unter der Zivilbevölkerung gefordert. Diese leide zusehends auch an den Nebeneffekten der Kampfhandlungen wie der Einschränkung der Bewegungsfreiheit. Die Lage in der Provinz Ghazni, insbesondere in den dortigen Distrikten Jaghori und Malistan werden in der Auskunft vom 6. Oktober 2009 beschrieben. Nach Meinung der Gesellschaft für bedrohte Völker-Schweiz (Reisebericht von Juli 2003) sei auf Grund der prekären Sicherheitssituation in weiten Teilen des Landes eine zwangsweise Rückführung afghanischer Flüchtlinge in absehbarer Zeit nicht zumutbar. Der Bericht von D-A-CH Kooperation Asylwesen gibt Auskunft über die Sicherheitslage allgemein und speziell in den Provinzen Balkh, Herat und Kabul. Auf Abbildungen dort sind die regierungsfeindlichen Angriffe je Provinz von Januar bis März 2010 sowie die Einfluss- und Operationszonen der militanten Gruppierungen zu ersehen. Nach dem Jahresbericht 2009 der UNAMA über den Schutz der Zivilbevölkerung im bewaffneten Konflikt von Januar 2010 wurden hierbei mindestens 5978 Zivilisten getötet (2412) oder verletzt (3566). In einer Anlage ist die Zahl der im Jahr 2009 insgesamt getöteten Zivilisten nach Regionen verzeichnet. Nach dem entsprechenden Halbjahresbericht der UNAMA von August 2010 nahmen die zivilen Zwischenfälle in diesem Sinn im ersten Halbjahr 2010 gegenüber dem Vorjahr um 31% zu. Insgesamt wurden 3268 Zivilisten getötet (1271) oder verletzt (1997). Nach dem Halbjahresbericht 2011 der UNAMA von Juli 2011 wurden in diesem Zeitraum 1462 Zivilisten getötet und 2144 Zivilisten verletzt. Aus einem Anhang kann der prozentuale Anteil für die jeweiligen Regionen entnommen werden. Nach dem Jahresbericht 2011 der UNAMA sind insgesamt 3021 Zivilisten getötet worden, wie sich aus dem vom Bevollmächtigten des Klägers in der mündlichen Verhandlung vom 8. Februar 2012 übergebenen Zeitungs-bericht (NN vom 6.2.2012) ergibt. Der weiter vorgelegte Bericht aus der SZ vom 1.1.2012 enthält keine konkreten Zahlen hierüber, sondern nur eine bloße Lageeinschätzung. Der Stand des Konflikts kann auch aus den vierteljährlichen Berichten des ANSO, zuletzt für das dritte und vierte Quartal 2010 und das erste bis vierte Quartal 2011, ersehen werden. Die Bevölkerungszahl in den jeweiligen Provinzen und Distrikten kann der zentralen afghanischen Statistik entnommen werden (Gesamtbevölkerungszahl 23.993.500 Einwohner).

Die vorliegende Rechtsprechung ist uneinheitlich. Ein bewaffneter Konflikt und eine daraus resultierende extreme individuelle Gefahrensituation in Afghanistan werden gänzlich ausgeschlossen (VG Meiningen vom 16.9.2010, zitiert nach juris), nicht für das gesamte Land, sondern nur für den Süden und Südosten Afghanistans angenommen (VG Kassel vom 1.7.2009, HessVGH vom 12.6.2008 bestätigt durch BVerwG, zitiert nach juris ), was insbesondere für die Provinz Kandahar (VG Schleswig vom 22.4.2010, zitiert nach juris) gelte, ebenso für die Provinz Paktia (HessVGH vom 11.12.2008 aufgehoben durch BVerwG, zitiert nach juris), verneinend für den Großraum Kabul (VG Kassel vom 1.7.2009 und VG Saarland vom 26.11.2009, zitiert nach juris) und verneinend für die Stadt Herat (VG Osnabrück vom 16.6.2009, zitiert nach juris) oder wird ohne regionale Differenzierung bejaht (VG Regensburg vom 15.4.2010 und VG Giessen vom 26.8.2010, zitiert nach juris).

Nach diesen Grundsätzen kann vorliegend unter Beachtung der oben genannten Voraussetzungen bei entsprechend wertender Betrachtung der Auskunftslage und der vorliegenden Rechtsprechung ein bewaffneter Konflikt im vorgenannten Sinn in der Herkunftsregion/Heimat des Klägers und jedenfalls weiter eine individuelle Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit durch die bloße Anwesenheit dort nicht angenommen werden. Nach eigenen Angaben, die der Kläger in der mündlichen Verhandlung vom … 2012 ausdrücklich bestätigte, soll er zwar in der Provinz …geboren und dort bis zum Alter von fünf Jahren gelebt haben und danach nach Pakistan ausgereist sein, wo er fortan gelebt habe. Verwandte in der Provinz … oder im übrigen Afghanistan habe er nicht. Auch einen Grundbesitz habe seine Familie nicht mehr dort. Daher kann der Kläger auch nicht auf eine Rückkehr in diese Provinz verwiesen werden. Vielmehr ist in diesem Zusammenhang auf die Situation in der Hauptstadt Kabul abzustellen, weil der Kläger dort zuerst wieder einreisen müsste und ihm in erster Linie ein Aufenthalt dort zuzumuten wäre.

Nach der genannten Lageberichterstattung des AA hat sich 2010 die Sicherheitslage im Raum Kabul zwar nicht verbessert, aber auch nicht wesentlich verschlechtert. Im landesweiten Vergleich ist Kabul objektiv betrachtet eine leidlich sichere Stadt, auch wenn das Gefühl der Unsicherheit durch eine Serie spektakulärer Terroranschläge allgemein zugenommen hat. Mehrere Angriffe in Kabul haben jedoch eine neue Intensität des taktischen Vorgehens der Aufständischen gezeigt. So wurde im Oktober 2009 erstmals gezielt ein Wohnhaus der UNO angegriffen. In den vergangenen Monaten kam es wiederholt zu Raketenbeschuss auch in der Innenstadt Kabuls. Die Raketen können aufgrund veralteter Baureihen und primitiver Abschussvorrichtungen zumeist nicht gegen konkrete Ziele eingesetzt werden und verursachen in der Regel nur Verletzte und keine Todesopfer. Obwohl die Anzahl an Selbstmordattentaten seit 2008 abgenommen habe, hätten vereinzelte spektakuläre Anschläge eine neue Qualität erreicht und zu einer Zunahme des Unsicherheitsgefühls geführt. Hauptanschlagsziele seien nach wie vor neben den afghanischen Sicherheitskräften und Regierungsgebäuden auch ausländische Truppen und ausländische Vertretungen. Seit Herbst 2009 mehren sich erstmals jedoch auch Anschläge und Anschlagswarnungen gegen die von UNO und Ausländern genutzten Gästehäuser. Nach der genannten Stellungnahme des UNHCR zeige sich der stärkste Wandel im bewaffneten Konflikt in den zentralen Provinzen um Kabul. Aber auch innerhalb Kabuls steige die Anzahl von Angriffen. In 2008 und 2009 haben dort einige Selbstmordanschläge stattgefunden. Als unsicher würden in der Provinz Kabul die Distrikte Sarobi, Paghman, Khak-e Jabar, Musahi und Charasyab eingestuft. Nach der genannten Berichterstattung der SFH sei es der afghanischen Regierung trotz der enormen Sicherheitsaufgebote nicht gelungen, Anschläge im Rahmen der Friedensjirga und der Konferenz in Kabul zu verhindern. Regierungsfeindlichen Gruppierungen sei es inzwischen gelungen, sich auch in der Provinz Kabul auszubreiten. Nach der detaillierten Lageanalyse von D-A-CH Kooperation Asylwesen lasse sich insgesamt feststellen, dass die afghanischen Sicherheitskräfte mit Unterstützung durch die internationalen Truppen die Stadt Kabul weitgehend kontrollieren. Den verschiedenen aufständischen Gruppen gelinge es jedoch immer wieder, spektakuläre Anschläge zu verüben, die vor allem dem Haqqani-Netzwerk zugeschrieben würden. Die Ziele dieser Anschläge seien neben Regierungsgebäuden und -vertretern internationale militärische und zivile Organisationen. Da diese aber immer besser vor diesen Anschlägen geschützt würden, seien die meisten Opfer unter der afghanischen Zivilbevölkerung zu beklagen. Während die Stadt weitgehend unter Kontrolle der afghanischen Regierung sei, sei der Einfluss der Aufständischen außerhalb von Kabul Stadt ungleich größer. Vor allem der Osten und Südosten der Provinz Kabul würden als unruhig gelten. Diese Einschätzung kommt auch in den aktuellen Berichten der UNAMA und des ANSO zum Ausdruck. In der Zentralregion, zu der der Provinz Kabul zählt, wurden im Jahr 2009 im Zusammenhang mit dem dargestellten bewaffneten Konflikt insgesamt 280 getötete Zivilisten und im ersten Halbjahr 2010 insgesamt 103 getötete Zivilisten gemeldet. Nach dem Bericht der AIHRC über die ersten sieben Monate des Jahres 2010 wurden insgesamt 1325 solcher ziviler Zwischenfälle gemeldet, davon 141 in der Zentralregion. Nach dem dritten bzw. vierten Quartalsbericht 2010 sowie dem ersten bis vierten Quartalsbericht 2011 der ANSO hat die Zahl der Angriffe Aufständischer in der Provinz Kabul in diesem Zeitraum in Bezug zum Vergleichszeitraum von 150 auf 110 bzw. von 177 auf 146 bzw. von 24 auf 22 bzw. von 79 auf 53 bzw. von 112 auf 97 bzw. von 151 auf 115 abgenommen. Nach den zweiwöchentlichen Berichten der ANSO sind auch aktuell die Anschläge der Aufständischen in der Provinz Kabul auf einem vergleichsweise niedrigen Level. In den ländlichen Distrikten ereignen sich mehr Zwischenfälle als in Kabul Stadt. Die Provinz Kabul mit der Hauptstadt Kabul wird daher als „moderately insecure“ (gemäßigt unsicher) bzw. „low“ (gering) eingestuft. In Anbetracht einer amtlich geschätzten Gesamtbevölkerung in der Provinz Kabul von über 2,4 Millionen Menschen, davon über 1,9 Millionen Menschen in Kabul Stadt, kann eine konkrete individuelle Gefahr durch die bloße Anwesenheit dort daher nicht angenommen werden. Diese Einschätzung wurde auch in der oben genannten Rechtsprechung vertreten (sowie BayVGH vom 3.2.2011 und VG Berlin vom 30.6.2011, zitiert nach juris).

Nach § 60 Abs. 5 AufenthG in der Fassung von Art. 1 des Zuwanderungsgesetzes vom 30. Juli 2004 darf ein Ausländer nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten vom 4. November 1950 (EMRK) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist. Diese Vorschrift entspricht dem früheren § 53 Abs. 4 AuslG (BT-Drks. 15/420 S. 91), weshalb die hierzu ergangene Rechtsprechung und Literatur weiter herangezogen werden kann. Sie verweist auf die EMRK, soweit sich aus dieser Abschiebungshindernisse ergeben und bezieht sich nur auf solche zielstaatsbezogener Art (Hailbronner § 60 AufenthG RdNr. 145). Soweit Art. 3 EMRK zur Anwendung steht, dürfte § 60 Abs. 2 AufenthG als weitergehende Schutzvorschrift und aus Gründen der gemeinschaftsrechtlichen Umsetzungspflicht der QRL vorrangig sein. Das Recht auf Achtung des Familienlebens nach Art. 8 EMRK dürfte grundsätzlich nicht zielstaatsbezogen wirken. Jedenfalls ist für eine vergleichbare Beeinträchtigung grundlegender Menschenrechtsgarantien Voraussetzung, dass der äußerste menschenrechtliche Mindeststandard unterschritten wird (Hailbronner § 60 AufenthG RdNrn. 150 ff.). In diesem Zusammenhang ist hier aber zu beachten, dass nach der Rechtsprechung des BVerwG (NVwZ 1996, 199, 476 und 1997, 1127 = DVBl 1997, 1384 und 1998, 271) grundsätzlich nur eine im Zielstaat von einer staatlichen, ausnahmsweise auch von einer staatsähnlichen Herrschaftsmacht begangene oder von ihr zu verantwortende Mißhandlung eine unmenschliche Behandlung in diesem Sinne ist (aA zu Art. 3 EMRK EGMR InfAuslR 1997, 279 und 381 sowie 2000, 321). Diese Rechtsprechung ist auch weiterhin heranzuziehen, da § 60 Abs. 11 AufenthG nicht auf § 60 Abs 5 AufenthG verweist und gemeinschaftsrechtlich hierauf auch nicht verwiesen werden muss, so dass Art. 6 QRL nicht anwendbar ist.

Vorliegend ist aber weder ersichtlich noch vorgetragen, welches - nicht bereits bei der vorrangigen Prüfung zu berücksichtigendes - Recht der EMRK hier ein Abschiebungshindernis begründen soll.

Nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG soll - also im Sinne intendierten Ermessens - von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. Insoweit kann auf die Rechtsprechung zum bisherigen § 53 Abs. 6 Satz 1 AuslG zurückgegriffen werden, da in dieser Vorschrift wie bisher Gefahren umfasst sind, die nicht bereits in den Regelungsbereich der vorhergehenden Absätze dieser Vorschrift fallen, wie beispielsweise allgemeine Notlagen im Zielstaat (BT/Drks. aaO S. 187). Nach Satz 3 sind aber Gefahren nach dem Satz 1, also außerhalb bewaffneter Konflikte, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, aber (nur) bei Anordnungen nach § 60 a Abs. 1 Satz 1 AufenthG zu berücksichtigen, wozu insbesondere auch Gefahren durch eine unzureichende Versorgungslage oder eine schwierige Existenzlage bei Rückkehr zählen (BVerwG vom 29.6.2010, zitiert nach juris). Danach kann die oberste Landesbehörde aus völkerrechtlichen oder humanitären Gründen oder zur Wahrung politischer Interessen anordnen, dass die Abschiebung von Ausländern aus bestimmten Staaten oder von sonstigen Ausländergruppen allgemein oder in einzelne Zielländer für längstens sechs Monate ausgesetzt wird. Mit dieser Regelung soll nach dem Willen des Gesetzgebers erreicht werden, dass dann, wenn eine bestimmte Gefahr der ganzen Bevölkerung oder einer im Abschiebezielstaat lebenden Bevölkerungsgruppe gleichermaßen droht, über deren Aufnahme oder Nichtaufnahme nicht im Einzelfall durch das Bundesamt und eine Ermessensentscheidung der Ausländerbehörde, sondern für die ganze Gruppe der potentiell Betroffenen einheitlich durch eine politische Leitentscheidung des Innenministeriums befunden wird. Diese Rechtslage ist in diesem Zusammenhang heranzuziehen (BVerwG aaO), da § 60 Abs. 11 AufenthG eben nicht auf § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG verweist und gemeinschaftsrechtlich hierauf auch nicht verweisen muss, so dass auch die Rechtsprechung des EuGH zu Art. 15 c QRL sowie zu Art. 4 Abs. 4 QRL nicht anwendbar ist. Schutz vor Abschiebung darf aber bundesrechtlich in verfassungskonformer Anwendung des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG ausnahmsweise dann (nur) gewährt werden, wenn der Ausländer in seinem Heimatstaat einer extremen Gefahrenlage dergestalt ausgesetzt wäre, dass er im Fall seiner Abschiebung dorthin gleichsam sehenden Auges dem sicheren Tod oder schwerster Verletzungen ausgeliefert wäre (BVerwG NVwZ 1999, 666 = InfAuslR 1999, 266). Eine solche extreme allgemeine Gefahrenlage wird dahin umschrieben, dass eine Abschiebung in diesem Fall bedeute, den Ausländer gleichsam sehenden Auges dem sicheren Tod oder schwersten Verletzungen auszuliefern. Damit sind nicht nur Art und Intensität der drohenden Rechtsgutverletzungen, sondern auch die Unmittelbarkeit der Gefahr und ihr hoher Wahrscheinlichkeitsgrad angesprochen. Diese Gefahren müssen alsbald nach Rückkehr in die Heimat drohen, wenn auch nicht schon am Tag der Ankunft dort (BVerwG NVwZ 1999, 668 = InfAuslR 1999, 265 und DVBl 2001, 1772). Die Rückkehr in den Heimatstaat muss für den Ausländer verfassungsrechtlich unzumutbar sein (BVerwG vom 29.6.2010 aaO). Die so beschriebene Gefahr muss auch landesweit drohen (BVerwG NVwZ 1997, 1127 = DVBl 1997, 1384). Sichere Landesteile müssen ohne extreme Gefahren erreichbar sein (BVerwG DVBl 1998, 271). Die Sperrwirkung des nunmehrigen Satz 3 des § 60 Abs. 7 AufenthG ist nicht nur zu beachten, wenn Abschiebungshindernisse nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG oder ein Abschiebestopp-Erlass nach § 60 a AufenthG besteht, sondern auch dann, wenn - aus den Gründen der genannten Abschiebungsverbote - eine andere ausländerrechtliche Erlasslage oder eine aus individuellen Gründen erteilte Duldung dem betroffenen Ausländer einen vergleichbar wirksamen Schutz vor Abschiebung vermitteln (BVerwG NVwZ 2001, 1420 = DVBl 2001, 1531 = InfAuslR 2002, 48). Weiter bezieht sich § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG wie schon die Vorgängervorschrift und die Regelung in § 60 Abs. 2 bis 7 AufenthG insgesamt auf zielstaatsbezogene Abschiebungshindernisse und nicht auf inlandsbezogene Vollstreckungshindernisse. Erstere ergeben sich der Sache nach nämlich aus der Unzumutbarkeit des Aufenthalts des Ausländers im Zielland und sind damit in Gefahren begründet, die im Zielstaat der Abschiebung drohen. So sind beispielsweise durch die Trennung (von den Eltern) im Inland bedingte Gefahren (von Kindern) bei Rückkehr in das Heimatland inlands- und nicht zielstaatsbezogen (BVerwGE 109, 305 = NVwZ-Beilage 2000, 25 = InfAuslR 2000, 33; Nds OVG InfAuslR 2001, 94).

Nach diesen Grundsätzen liegen bei Auswertung und Würdigung der Auskunftslage nach Überzeugung des Gerichts aber auch die Voraussetzungen des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG mit der hier erforderlichen beachtlichen Wahrscheinlichkeit nicht vor. Durch das Klagevorbringen, bei einer Rückkehr nach Afghanistan bestehe auf Grund der allgemeinen Lage und Verhältnisse dort, auch wenn sie nicht in Zusammenhang mit einem bewaffneten Konflikt stehen, keine ausreichende Existenzgrundlage, wird schon das Vorliegen dieses Abschiebungshindernisses im maßgeblichen jetzigen Zeitpunkt nicht substantiiert. Denn solche lagebedingten, mindestens eine ganze Bevölkerungsgruppe - wie hier alle aus dem Ausland rückkehrenden afghanischen Flüchtlinge - betreffenden Beeinträchtigungen sind entsprechend der vorstehenden ausgeführten Rechtslage unter die Sätze 1 und 3 - und nicht des Satzes 2 - des § 60 Abs. 7 AufenthG zu subsumieren, weshalb der Schutzbereich dieses Abschiebungsverbots erst dann eröffnet ist, wenn die allgemeine Gefahrenlage derart extrem ist, dass praktisch jeder einzelne Gruppenangehörige im Falle der Abschiebung gleichsam sehenden Auges dem sicheren Tod oder schwersten Verletzungen ausgeliefert würde, sowie wenn diese Gefahr landesweit bestünde oder zumindest ein Ausweichen bei Rückkehr nicht möglich wäre. Das Vorliegen einer derartigen extremen Gefahrenlage mit der erforderlichen hohen Wahrscheinlichkeit kann nach Überzeugung des Gerichts den verfahrensgegenständlichen Erkenntnisquellen grundsätzlich - von Ausnahmen abgesehen - aber nicht entnommen werden.

Nach der Berichterstattung des Auswärtigen Amts (Lageberichte vom 13.7.2006, vom 17.3.2007, vom 7.3.2008, vom 3.2.2009, vom 28.10.2009, vom 27.7.2010, vom 9.2.2011 und zuletzt vom 10.1.2012), stellt sich die Sicherheitslage (auch außerhalb bewaffneter Konflikte) regional sehr unterschiedlich dar. Während im Süden und Osten des Landes Aktivitäten regierungsfeindlicher Kräfte gegen die Zentralregierung und die Präsenz der internationalen Gemeinschaft die primäre Sicherheitsbedrohung darstellen, beeinträchtigen im Norden und Westen die Rivalitäten lokaler Machthaber und Milizenführer die Sicherheitssituation. Die organisierte Kriminalität hat landesweit stark zugenommen. Wachsende Unzufriedenheit weiter Bevölkerungskreise mit der bisherigen Regierungspolitik, das Wiedererstarken der Taliban und die zunehmende Kriminalität sowie die Aktivitäten illegaler Milizen und bewaffnete Konflikte zwischen Ethnien bestimmen das Bild. Ob eine Person sich einer möglichen Gefährdung durch ein Ausweichen im Land entziehen kann, hängt maßgeblich von dem Grad ihrer familiären, tribalen und sozialen Vernetzung ab. Auch im Raum Kabul hat sich die Sicherheitslage zwar nicht verbessert, aber auch nicht wesentlich verschlechtert. Im landesweiten Vergleich ist Kabul eine leidliche sichere Stadt, auch wenn das Gefühl der Unsicherheit durch eine Serie spektakulärer Terroranschläge allgemein zugenommen hat. Für frühere Bewohner Kabuls ist sie in Teilen ausreichend sicher mit Ausnahme von Distrikten, in denen mitunter von lokalen Machthabern und kriminellen Banden ausgehende Bedrohungen gegen die Bevölkerung und gegen Rückkehrer beobachtet wurden. Gelegentlich kommt es zu Raketenbeschuss und Selbstmordattentaten. Auch gibt es vereinzelt Übergriffe von Polizei und Sicherheitskräften auf die Zivilbevölkerung. Hauptanschlagsziele waren neben afghanischen Sicherheitskräften auch ausländische Truppen und Nichtregierungsorganisationen sowie bei Entführungen afghanische Staatsangehörige zumeist mit allgemein kriminellem Hintergrund zwecks Erpressung von Lösegeld. Die Menschenrechtssituation hat sich zuletzt nicht wesentlich verbessert. Die größte Bedrohung der Menschenrechte geht von lokalen Machthabern und Kommandeuren (Warlords) aus, deren Tätigkeit die Zentralregierung nur begrenzt kontrollieren kann. Die Wirtschaftslage ist weiterhin desolat, auch wenn ein bescheidener wirtschaftlicher Aufschwung in manchen Städten wie Kabul und Herat eingesetzt hat. Erste Schritte zur Verbesserung der Rahmenbedingungen sind eingeleitet. Die Ernte 2009 ist besser ausgefallen als erwartet und hat zu einer Verbesserung der Gesamtversorgungslage im Land geführt. Die Vereinten Nationen versorgen nach wie vor Millionen von Afghanen mit Nahrungsmitteln und Hilfsgütern. In Kabul und zunehmend auch in anderen großen Städten hat sich die Versorgungslage zwar grundsätzlich verbessert, weil es dort Nahrungsmittel in ausreichendem Maße gibt und auch Wohnraum zu Verfügung steht, wenn auch Mieten stark gestiegen sind; aber wegen mangelnder Kaufkraft profitieren längst nicht alle Bevölkerungsschichten davon. In anderen Gebieten Afghanistans kann die Versorgungslage als weiterhin nicht zufriedenstellend bis völlig unzureichend beschrieben werden, wobei gerade in ländlichen Gebieten starke Mangelernährung herrscht. Die individuelle Versorgung hängt entscheidend davon ab, über welche finanziellen Mittel der Einzelne verfügt und ob er Grundeigentum hat. Diese Einschätzung gilt auch für rückkehrende Frauen. Mangels staatlicher Sozialsysteme übernehmen Familien und Stammesverbände die soziale Absicherung. Rückkehrer, die außerhalb des Familienverbands oder nach einer längeren Abwesenheit im westlich geprägten Ausland zurückkehren, stoßen auf größere Schwierigkeiten als Rückkehrer, die in Familienverbänden geflüchtet sind oder in einen solchen zurückkehren, wenn ihnen das notwendige soziale oder familiärer Netzwerk sowie die notwendigen Kenntnisse der örtlichen Verhältnisse fehlen. Sie können auf übersteigerte Erwartungen ihrer finanziellen Möglichkeiten treffen, so dass von ihnen überhöhte Preise verlangt und sie nicht als vollwertigen Afghanen behandelt werden. Andererseits bringe diese in der Mehrzahl der Fälle höhere Finanzmittel, eine qualifiziertere Ausbildung und umfangreichere Sprachenkenntnisse mit, was bei der Reintegration einen deutlichen Vorteil darstelle, zumal es dem Land an ausgebildeten Facharbeitern und Akademikern fehlt. Die medizinische Versorgung ist aufgrund fehlender Medikamente, Geräte und Ärzte und mangels ausgebildeten Hilfspersonals trotz mancher Verbesserungen völlig unzureichend. Aufgrund der schlechteren Sicherheitslage ist die Zahl der freiwillig Rückkehrenden, die zwischen März 2002 und April 2010 auf etwa 4,5 Millionen Menschen geschätzt wurde, signifikant zurückgegangen. Freiwillig zurückkehrende Afghanen kamen früher meist bei Familienangehörigen unter, was die nur knapp vorhandenen Ressourcen wie Wohnraum und Versorgung noch weiter strapazierte. Eine zunehmende Zahl von Rückkehrern verfüge aber nicht mehr über diese Anschlussmöglichkeiten, weshalb sich ein zuständiges afghanisches Ministerium mit Unterstützung des UNHCR um eine Neuansiedlung dieser Flüchtlinge bemühe. Der UNHCR (Stellungnahmen von Mai 2006, vom 25.4.2007, von Januar 2008, vom 25.2. und vom 6.10.2008, vom 10.11.2009, vom 30.11.2009 an BayVGH und vom 17.12.2010) hält die Voraussetzungen für eine Rückkehr afghanischer Flüchtlinge aus Europa derzeit weder unter dem Gesichtspunkt der Sicherheit noch im Hinblick auf die Versorgungslage als gegeben. Es sollten solche Personen nicht zur Rückkehr gezwungen werden, die sich in einer schwierigen Situation befinden, etwa weil sie mittellos und ohne Land sind oder aber weil sie in dem von Familien- und Stammesverbänden geprägten Afghanistan ohne Unterstützung durch ihre Familie auskommen müssten; es wurden bestimmte Hauptgruppen mit besonderem Schutzbedarf aufgelistet, die aus humanitären Gründen nicht zurückkehren sollten. Bestimmte Landesteile sind von der schwierigen Sicherheitssituation besonders betroffen. Diese wurden im Einzelnen aufgelistet. Erwerbsmöglichkeiten seien nur sehr eingeschränkt vorhanden. Die Situation am Arbeitsmarkt habe sich weiter verschärft. Die Lebenshaltungskosten seien stark angestiegen und die Versorgungssituation mit Grundnahrungsmitteln und die Zugangsmöglichkeiten hierzu seien unzureichend. Ob ein Rückkehrer von einer Mangelsituation betroffen sein werde, hänge von den konkreten Umständen des jeweiligen Einzelfalls ab (Stellungnahme vom 11.11.2011 an OVG RhPf). Nach Ansicht von Amnesty International im Schreiben vom 28. Juli 2003 sei eine Rückkehr von Flüchtlingen nach Afghanistan bei der derzeitigen Sicherheits- und Menschenrechtslage dort nicht zumutbar. Nach einer weiteren Einschätzung der Situation im Schreiben vom 17. Januar 2007 an HessVGH sei dort die Sicherheitslage als prekär und desolat und die Versorgungslage als hochproblematisch zu bezeichnen. Nach Auffassung der Schweizerischen Flüchtlingshilfe (Updates vom 3.2.2006, vom 21.8.2008, vom 26.2.2009, vom 11.8.2009, vom 11.8.2010 und vom 23.8.2011), hat sich die Sicherheitslage in Afghanistan das fünfte Jahr in Folge verschlechtert. Die Gewaltakte seien um 40 % gegenüber dem Vorjahr gestiegen. Lokale Kriegsherren halten ihre starken Machtstellungen nach wie vor durch Einschüchterung und Gewaltanwendung gegenüber der Bevölkerung aufrecht. Kriminelle Banden und regierungsfeindliche Gruppierungen führen weiterhin auch in Kabul und Zentralafghanistan Entführungen zwecks Lösegelderpressung durch. Im Folgenden wurden 15 Personengruppen als speziell gefährdet geltender Menschen aufgezählt. In wirtschaftlicher Hinsicht sei zu beachten, dass Afghanistan das zweitärmste Land der Welt sei. Es würden mehr Menschen an den Folgen der Armut als an den direkten Folgen des bewaffneten Konflikts sterben. Es gebe eine große Unterernährung. Der Zugang zu Lebensmitteln, Wasser und Unterkünften habe sich aufgrund der gewaltsamen Auseinandersetzungen insbesondere im Süden und Südosten des Landes massiv verschlechtert. Die Arbeitslosenquote sei hoch. Die Zahl der freiwilligen Rückkehrer sei stark gesunken. Ein Großteil der Rückkehrer sehen sich mit Unterkunftsproblemen konfrontiert oder verfügen über kein stabiles Einkommen. Viele Rückkehrer haben sich am Rand von Kabul in informellen Siedlungen niedergelassen, wo sie oft keinen Zugang zu Elektrizität, sauberem Wasser und sanitären Einrichtungen haben. Im Jahr 2010 lebten in Afghanistan etwa 240.000 intern Vertriebene. Nach Meinung der Gesellschaft für bedrohte Völker-Schweiz (Reisebericht von Juli 2003) sei auf Grund der prekären Sicherheitssituation in weiten Teilen des Landes eine zwangsweise Rückführung afghanischer Flüchtlinge in absehbarer Zeit nicht zumutbar. Nach dem Untersuchungsbericht vom Informationsverbund Asyl e.V. für den Zeitraum März/April bis Juni 2005 gestaltet sich das Leben für Rückkehrer aus dem westlichen Ausland nach Afghanistan generell problematisch, jedoch unterschiedlich für einzelne Personengruppen. Nach Dr. Danesch (Gutachten vom 13.1.2006 an VG Wiesbaden, vom 23.1.2006, vom 4.12.2006 an HessVGH und vom 3.12.2008 an HessVGH), ist die Lage zurückkehrender Flüchtlinge so katastrophal, dass unmittelbar eine Existenzgefährdung für sie bestehe. Die Sicherheitslage habe sich in letzter Zeit dramatisch verschärft und hinsichtlich der Versorgungslage sei Lebensmittelknappheit gegeben. Nach Panhölzl (Humanitäre Lage in Kabul in: Informationsverbund Asyl e.V. 2006 Seite 9), habe der unkontrollierte Bevölkerungszuwachs in Kabul zu ernsten Problemen bei der Versorgung mit Wohnraum, Wasser, Strom, bei der ohnehin unzureichenden Gesundheitsversorgung, beim Arbeitsmarkt und bei der allgemeinen Sicherheitslage geführt. Diese Quellenauswertung wurde von Yoshimura (Sicherheitslage in Afghanistan und humanitäre Lage in Kabul in: Asylmagazin 2011, 406 bis411) fortgeführt. Zur Arbeitsmarktsituation nimmt Riek im Schreiben vom 15. Januar 2008 an RhPf OVG Stellung. Danach ist die Arbeitslosigkeit und Unterbeschäftigung in den Städten und ländlichen gebieten hoch. Die Wahrscheinlichkeit, eine auf Dauer angelegte und den Lebensunterhalt sichernde Erwerbsmöglichkeit zu finden, ist gering. Diese Einschätzung gilt besonders für ungelernte männlicher Arbeitskräfte. Allerdings sei davon auszugehen, dass Rückkehrer nach Kabul dort über persönliche Kontakte verfügten, diese auch nutzen und an Informationen über Arbeit und Beschäftigung kommen würden. Wesentlicher Faktor für eine erfolgreiche Reintegration sei jedenfalls die berufliche Qualifikation. Nach Dr. Glatzer (Stellungnahme vom 31. Januar 2008 an RhPf OVG) sei diese Einschätzung zutreffend. Legale Erwerbsmöglichkeiten seien kaum gegeben, es sei denn der Rückkehrer verfüge über eine besondere berufliche Qualifikation. Ansonsten sei die Gefahr, das Existenzminimum nicht sichern zu können, hoch. Auf eine Unterstützung von Hilfsorganisationen könne man sich nicht verlassen. Nach den Berichten der AGEF Berlin vom 8.6.2011 sei davon auszugehen, dass für einen nicht oder nur geringfügig qualifizierten Rückkehrer ebenso wie für einen einheimischen Arbeitssuchenden mit diesen Voraussetzungen geringe Chancen für eine dauerhafte Beschäftigung mit geregeltem Einkommen bestehen. Das Existenzminimum für eine Einzelperson könne aber durch Tagelöhner- und Aushilfsjobs ermöglicht werden. Fälle mit Todesfolge von Rückkehrern aufgrund von Hunger und Mangelernährung seien nicht feststellbar. Migranten, denen es gelungen sei, schwierige Wege und Situationen bis nach Europa zu meistern, gehörten zum mobileren Teil der afghanischen Bevölkerung und schafften es erfahrungsgemäß, ihre Beziehungen so zu gestalten, das sie ihr Überleben sichern könnten. Auch könnte eine Neuansiedlung insbesondere im städtischen Raum heute auch ohne Bindung oder Abhängigkeit bzw. Unterstützung familiärer Strukturen erfolgen.

Nach alledem kann trotz der dargestellten überaus schlechten Sicherheits- und Versorgungslage, soweit letztere nicht durch einen bewaffneten Konflikt bedingt ist, ausgehend vom vorgenannten rechtlichen Maßstab aber nicht mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit davon ausgegangen werden, dass jeder Rückkehrer aus Europa mit der definitionsmäßig bestimmten existenziellen Bedrohung rechnen müsste. Irgendwelche besonderen Umstände, die speziell bei diesem volljährigem, gesunden und arbeitsfähigen Kläger ausnahmsweise doch eine relevante Gefährdung insbesondere wegen Zugehörigkeit zu einer der betreffenden schutzwürdigen Personengruppe (vgl. hierzu UNHCR vom 10.11.2009 und vom 17.12.2010 sowie SFH vom 11.8.2010 und vom 23.8.2011), begründen würden, sind hier ebenfalls nicht anzunehmen. Eine Einzelfallprüfung führt hier auch nicht dazu, dass nach Würdigung der Auskunftslage selbst ein bescheidenes Auskommen in Afghanistan durch einfache Tätigkeit ausgeschlossen wäre. Entsprechendes gilt für eine Unterkunft. Denn nach den eigenen Angaben des Klägers, zuletzt in der mündlichen Verhandlung vom …2012, hat er jedenfalls für acht bis neun Jahre in Pakistan in einem Schuhgeschäft als Verkäufer gearbeitet und könnte daher eine entsprechende Tätigkeit als junger, gesunder und lediger Mann auch in Kabul auszuüben versuchen.

Diese Auffassung wird auch in der (obergerichtlichen) Rechtsprechung überwiegend vertreten (VG Gelsenkirchen InfAuslR 2005, 169; OVG NRW vom 5.4.2006 sowie SächsOVG vom 23.8.2006, wonach auf die Verhältnisse in Kabul abzustellen sei, zitiert jeweils nach juris; OVG Berlin-Brandenburg vom 5.5.2006, OVG NRW vom 21.3.2007, VG Frankfurt/Main vom 5.6.2007, zitiert jeweils nach juris; junge, alleinstehende und arbeitsfähige Männer, auch wenn sie keinen sozialen und familiären Rückhalt haben und keine besonderen individuellen Risiken bestehen Hess VGH vom 7.2.2008, zitiert nach juris; OVG NRW vom 28.2.2008 für die Verhältnisse in Kabul, VG Schleswig vom 6.3. 2008, RhPf OVG vom 12.8.2008, Sh OVG vom 10.12.2008, HessVGH vom 11.12.2008 und vom 26.11.2009 bestätigt durch BVerwG, BayVGH vom 26.3.2009, vom 3.2. und 8.12.2011, VG Regensburg vom 15.4.2010, zitiert nach juris; siehe auch die Rechtsprechungsnachweise bei Wolff Asylmagazin 1-2/2004, Hollmann in: Informationsverbund e.V. 2006 Seite 17, und Dolk in: Asylmagazin 201,416 bis 424; eine bloße Mangelernährung genügt nicht und der Vortrag einer fehlenden Unterstützung durch Familie, Sippe oder Stamm oder internationale Organisationen muss substantiiert sein BVerwG vom 29.6.2010 aaO aA für Rückkehrer ohne Unterstützung wegen der desolaten Versorgungslage VG Neustadt/Wein-straße vom 11.10.2006, VG Meiningen vom 16.11.2006, VG Gießen vom 18.4.2007, VG Koblenz vom 21.5.2007 und VG Kassel vom 24.5.2007, zitiert jeweils nach juris; für allein stehende bzw. geschiedene Frau VG Frankfurt/Main vom 1.11.2006 und VG Potsdam vom 14.11.2006, zitiert jeweils nach Asylmagazin; bei alten, behinderten und schwer erkrankten Personen ohne für eine Hilfestellung in Betracht kommende Bezugspersonen OVG NRW vom 15.5.2003 und vom 21.3.2007, zitiert nach juris; im Einzelfall VG Karlsruhe InfAuslR 2008, 272, außer bei finanzieller Hilfe VG Karlsruhe InfAuslR 2008, 277; anders RhPf OVG vom 6.5.2008 aufgehoben durch BVerwG, VGH BW vom 14.5.2009, VG Meiningen vom 21.1. und 16.9.2010, zitiert jeweils nach juris).

Nach alledem kann ausgehend vom vorgenannten rechtlichen Maßstab trotz der vorstehend dargestellten überaus schlechten allgemeinen Sicherheits- und Versorgungslage nicht mit der erforderlichen hohen Wahrscheinlichkeit davon ausgegangen werden, dass der Kläger als Rückkehrer aus Europa in Kabul alsbald den Tod oder schwerste Gesundheitsschäden erleiden müsste. Irgendwelche besonderen Umstände, die speziell bei diesem volljährigem, gesunden und arbeitsfähigen Kläger ausnahmsweise doch eine relevante Gefährdung insbesondere wegen Zugehörigkeit zu einer der betreffenden schutzwürdigen Personengruppe, begründen würden, sind hier weder im Einzelnen geltend gemacht worden noch sonst ersichtlich. Entgegen der Ansicht des Klägers kann ebenfalls unter Bezugnahme auf vorstehende Ausführungen insoweit auch keine besondere davon abweichende Situation angenommen werden.

Diese Auffassung, auf die auch maßgeblich abzustellen ist, da nach den derzeitigen ausländerbehördlichen Verwaltungsvorschriften in Bayern nicht (mehr) davon ausgegangen werden kann, dass eine Erlass- oder Weisungslage besteht, die vergleichbar wirksamen Abschiebungsschutz bietet (BayVGH vom 9.1.2007, zitiert nach juris), wird auch in der (obergerichtlichen) Rechtsprechung überwiegend vertreten (Zitate wie oben).

3.

Schließlich besteht in Anknüpfung an die soeben niedergelegten Erkenntnisse ebenfalls kein Anlass, der Klage wenigstens im Hinblick auf die verfügte Ausreiseaufforderung mit Abschiebungsandrohung zu entsprechen. Die betreffende Entscheidung beruht auf §§ 34 Abs. 1 AsylVfG, 59 Abs. 1 bis 3 AufenthG, 38 Abs. 1 AsylVfG, deren Voraussetzungen vorliegen. Ein asylunabhängiger Aufenthaltstitel ist auch nicht geltend gemacht worden oder sonst ersichtlich, und zugleich genügt die Bezeichnung des Abschiebezielstaates im Bescheid des Bundesamts den Rechtmäßigkeitsvoraussetzungen (BVerwGE 110, 74 = NVwZ 2000, 331/2; BayVGH vom 10.1.2000 Az. 19 ZB 99.33208). Es bleibt Sache der für eine Abschiebung zuständigen Ausländerbehörde, - unter Berücksichtigung der im Asylverfahren gewonnenen Erkenntnisse - sicherzustellen, dass die betreffenden Ausländer nicht in für sie gefährliche Gebiete des Zielstaates abgeschoben werden.

Nach alledem ist die Klage insgesamt abzuweisen. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 154 Abs. 1 VwGO und 83 b AsylVfG.

Beschluss

Der Gegenstandswert beträgt 3.000 EUR, § 30 RVG.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar, § 80 AsylVfG.