Bayerischer VGH, Urteil vom 20.01.2012 - 13a B 11.30425
Fundstelle
openJur 2012, 120659
  • Rkr:
Tenor

I. Unter Abänderung des Urteils des Verwaltungsgerichts Ansbach vom 4. August 2011 wird die Klage insgesamt abgewiesen.

II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen zu tragen.

III. Das Urteil ist im Kostenpunkt vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des zu vollstreckenden Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

IV. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Der am 1. Januar 1994 in Kabul geborene Kläger ist seinen Angaben zufolge afghanischer Staatsangehöriger und Tadschike mit sunnitischem Glauben.

Am 4. November 2010 reiste er auf dem Landweg in das Bundesgebiet und stellte am 19. November 2010 Asylantrag. Bei der Befragung zur Vorbereitung der Anhörung am 19. November 2010 gab er an, er habe im Dorf J... in der Gemeinde Jalrez in der Provinz Maydan-Wardak gewohnt. Eine Schule habe er nie besucht, er habe als Küchenhilfe gearbeitet. Bei der Anhörung am 22. März 2011 trug er vor, in Afghanistan lebten neben seiner Mutter noch zwei Onkel im selben und einem benachbarten Dorf. Er habe die Schule zwei Jahre besucht, könne aber bis auf seinen Namen nicht lesen und schreiben. Sein Vater habe als Koch in der Sicherheitskommandantur des Landkreises Jalrez gearbeitet und er habe ihm dort geholfen, ohne Gehalt zu bekommen. Er habe bis zum Frühjahr 2010 dort gearbeitet, als sein Vater getötet worden sei. Dieser sei mit dem Kommandanten und Leibwächtern auf dem Weg von Jalrez nach Maydan-Wardak auf eine Mine der Taliban gefahren. Danach habe er, der Kläger, bis zur Ausreise nicht mehr gearbeitet, sondern sich in seinem Dorf aufgehalten. Auf die spätere Frage nach seinem Verfolgungsschicksal gab er an, nach dem Tod des Vaters weiterhin in der Küche der Sicherheitskommandantur gearbeitet zu haben in der Hoffnung, dort anstatt des Vaters weiterarbeiten zu können. Dann habe er aber aufgehört, nachdem er etwa zehn Tage nach dem Tod des Vaters auf dem Weg zur Arbeit von den Taliban angehalten worden sei, weil sie gewollt hätten, dass er für sie als Spitzel arbeite. „Sie hielten mich mehrmals auf dem Weg zur Arbeit an. Ich meine damit, dass sie mich einmal angehalten und mehrmals bedroht haben.“ Jugendliche hätten Kontakt zu den Taliban gehabt und hätten ihm erzählt, dass die Taliban fragten, wo er sei und warum er nicht zur Arbeit gehen würde. Er habe bis zu seiner Ausreise im Herbst 2010 sein Dorf nicht mehr verlassen. Von anderen Jugendlichen habe er letztmals ca. 10 Tage vor der Ausreise gehört, dass die Taliban nach ihm fragen würden. Die Bedrohung durch die Taliban sehe er darin, dass diese bei anderen gefragt hätten, warum er nicht mehr zur Arbeit gehe. Sie hätten wissen wollen, wann und wie er zur Arbeit fahre. Bei Rückkehr befürchte er, dass die Taliban ihn töten würden.

Mit Bescheid des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) vom 28. Juni 2011 wurden die Anträge auf Anerkennung als Asylberechtigter und auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft abgelehnt und festgestellt, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 2 bis 7 AufenthG nicht vorliegen. Der Kläger wurde aufgefordert, die Bundesrepublik Deutschland zu verlassen; ihm wurde die Abschiebung nach Afghanistan angedroht. Der Vortrag des Klägers lasse eine Anknüpfung an ein asylerhebliches Merkmal nicht erkennen. Da die von ihm geschilderte Verfolgung durch die Taliban nicht glaubhaft sei und nicht ernsthaft nachvollzogen werden könne, liege kein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 2 AufenthG vor. Der in der Heimat des Klägers vorherrschende Konflikt erreiche kein so hohes Niveau, dass dieser einer erheblichen individuellen Gefahr für Leib oder Leben im Sinne des § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG ausgesetzt wäre. Eine extreme allgemeine Gefahr nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG könne ebenfalls nicht angenommen werden, weil der Kläger mit Unterstützung durch die in der Heimat verbliebenen Angehörigen rechnen könne. Auch die Tatsache, dass er offensichtlich in der Lage gewesen sei, erhebliche Mittel für seine Ausreise aufzubringen, spreche gegen das Fehlen einer Unterstützung durch Familienangehörige.

Auf die hiergegen gerichtete Klage verpflichtete das Verwaltungsgericht Ansbach mit Urteil vom 4. August 2011 die Beklagte, festzustellen, dass die Voraussetzungen des § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG beim Kläger hinsichtlich Afghanistan vorliegen. Im Übrigen wurde die Klage abgewiesen. In der Heimatprovinz des Klägers, Wardak, herrsche ein bewaffneter Konflikt, aufgrund dessen der Kläger einer individuellen Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit ausgesetzt sei. Mangels familiärer oder stammesbezogener Verbindungen sei ihm auch ein Ausweichen auf andere, als sicher geltende Landesteile nicht zumutbar.

Am 17. August 2011 hat die Beklagte die Zulassung der Berufung beantragt (Az. 13a ZB 11.30342). Mit Beschluss vom 21. Oktober 2011 hat der Bayerische Verwaltungsgerichtshof die Berufung wegen Divergenz zugelassen. Zur Begründung trägt die Beklagte vor, Feststellungen zum Vorliegen einer Gefahren- bzw. Verfolgungsdichte – wie vom Bundesverwaltungsgericht gefordert – habe das Verwaltungsgericht in seinem Urteil nicht getroffen. Die Entscheidung stehe auch im Widerspruch zum Urteil des Verwaltungsgerichtshofs vom 3. Februar 2011 (Az. 13a B 10.30394), wonach die Wahrscheinlichkeit, in der Zentralregion im Jahr 2010 Opfer eines Anschlags zu werden, lediglich rund 0,015% betragen habe.

Die Beklagte beantragt,

die Klage unter Abänderung des Urteils vom 4. August 2011 insgesamt abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Hierzu wird ausgeführt, das Verwaltungsgericht habe die von der höchstrichterlichen Rechtsprechung entwickelten Grundsätze beachtet. Ausgehend von diesen Anforderungen sei es zum Ergebnis gelangt, dass der bewaffnete Konflikt einen solchen Grad willkürlicher Gewalt erreicht habe, dass stichhaltige Gründe für die Annahme bestünden, dass eine Zivilperson bei einer Rückkehr allein durch ihre Anwesenheit tatsächlich Gefahr liefe, einer ernsthaften Bedrohung ausgesetzt zu sein.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die Gerichts- und Behördenakten sowie auf die zum Gegenstand des Verfahrens gemachten Erkenntnisquellen verwiesen.

Gründe

Die Berufung ist zulässig und begründet. Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) ist nach der im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung maßgeblichen Sach- und Rechtslage (§ 77 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG) nicht verpflichtet, festzustellen, dass für den Kläger Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 2 bis 7 AufenthG bestehen.

131. Anhaltspunkte für die Erforderlichkeit der Gewährung von Abschiebungsschutz nach § 60 Abs. 2 oder 3 AufenthG (Folter oder unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung bzw. Todesstrafe) sind weder geltend gemacht worden noch sonstwie erkennbar. Auch die Voraussetzungen des weiteren unionsrechtlich begründeten Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG sind nicht gegeben. Danach ist von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat abzusehen, wenn er dort als Angehöriger der Zivilbevölkerung einer erheblichen individuellen Gefahr für Leib oder Leben im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts ausgesetzt ist (vgl. zu den Provinzen Parwan und Kabul in der Zentralregion bereits Urteil des Senats vom 3.2.2011 Az. 13a B 10.30394 <juris>).

a) Nach dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 24. Juni 2008 (BVerwGE 131, 198 = NVwZ 2008, 1241) dient das durch das Richtlinienumsetzungsgesetz vom 19. August 2007 (BGBl I S. 1970) neu in das Aufenthaltsgesetz eingefügte Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG der Umsetzung der Regelung über den subsidiären Schutz nach Art. 15 Buchst. c der Richtlinie 2004/83/EG (Richtlinie). § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG setzt – wie die umgesetzte Vorschrift des Art. 15 Buchst. c der Richtlinie – einen internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikt voraus. Erst wenn Konflikte eine solche Qualität erreicht haben, wird danach ein Schutzbedürfnis für die betroffenen Zivilpersonen anerkannt. Der Begriff des internationalen wie auch des innerstaatlichen bewaffneten Konflikts ist unter Berücksichtigung der Bedeutung dieses Begriffs im humanitären Völkerrecht auszulegen. Weiter ist die nunmehr in § 60 Abs. 7 Satz 3 AufenthG getroffene Regelung, die Abschiebungsschutz suchende Ausländer im Fall allgemeiner Gefahren auf die Aussetzung von Abschiebungen durch ausländerbehördliche Erlasse verweist, richtlinienkonform dahingehend auszulegen, dass sie nicht die Fälle erfasst, in denen die Voraussetzungen für die Gewährung subsidiären Schutzes nach Art. 15 Buchst. c der Richtlinie erfüllt sind. Es widerspricht den Vorgaben der Richtlinie, wenn einem Ausländer, der Anspruch auf subsidiären Schutz nach Art. 15 Buchst. c der Richtlinie hat und nicht den Ausschlusstatbestand des Art. 24 Abs. 2 Halbsatz 2 der Richtlinie erfüllt, kein Aufenthaltstitel, sondern lediglich eine Duldung wegen Aussetzung der Abschiebung nach § 60a AufenthG erteilt würde. Folglich entfällt dann die Sperrwirkung des § 60 Abs. 7 Satz 3 AufenthG.

Bei den Tatbestandsvoraussetzungen der „erheblichen individuellen Gefahr für Leib oder Leben“ ist zu prüfen, ob sich die von einem bewaffneten Konflikt für eine Vielzahl von Zivilpersonen ausgehende – und damit allgemeine – Gefahr in der Person des Ausländers so verdichtet hat, dass sie eine erhebliche individuelle Gefahr im Sinn von § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG darstellt. Bezüglich der Gefahrendichte ist auf die jeweilige Herkunftsregion abzustellen, in die ein Kläger typischerweise zurückkehren wird (BVerwG vom 14.7.2009 BVerwGE 134, 188 RdNr. 17 = NVwZ 2010, 196). Normalerweise hat ein innerstaatlicher bewaffneter Konflikt nicht eine solche Gefahrendichte, dass alle Bewohner des betroffenen Gebiets ernsthaft persönlich betroffen sein werden. Eine Individualisierung kann sich aber bei einem hohen Niveau willkürlicher Gewalt für die Zivilbevölkerung aus gefahrerhöhenden Umständen in der Person des Betroffenen ergeben. Dazu gehören in erster Linie persönliche Umstände, die den Ausländer von der allgemeinen, ungezielten Gewalt stärker betroffen erscheinen lassen, etwa weil er von Berufs wegen – zum Beispiel als Arzt oder Journalist – gezwungen ist, sich nahe der Gefahrenquelle aufzuhalten. Möglich sind aber auch solche persönlichen Umstände, aufgrund derer der Ausländer als Zivilperson zusätzlich der Gefahr gezielter Gewaltakte – etwa wegen seiner religiösen oder ethischen Zugehörigkeit – ausgesetzt ist, sofern deswegen nicht bereits die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft in Betracht kommt. Liegen keine gefahrerhöhenden persönlichen Umstände vor, ist ein besonders hohes Niveau willkürlicher Gewalt erforderlich (BVerwG vom 17.11.2011 BVerwGE 10 C 11.10 <juris> und vom 27.4.2010 BVerwGE 136, 360 RdNr. 33). In jedem Fall setzt § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG für die Annahme einer erheblichen individuellen Gefahr voraus, dass dem Betroffenen mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit ein Schaden an den Rechtsgütern Leib oder Leben droht (BVerwG vom 17.11.2011 a.a.O. RdNr. 18). Im Übrigen gelten für die Feststellung der Gefahrendichte ähnliche Kriterien wie im Bereich des Flüchtlingsrechts für den dort maßgeblichen Begriff der Verfolgungsdichte bei einer Gruppenverfolgung. Ob die Voraussetzungen der Verfolgungsdichte erfüllt sind, ist aufgrund einer wertenden Betrachtung im Sinn der Gewichtung und Abwägung aller festgestellten Umstände und ihrer Bedeutung zu entscheiden (BVerwG vom 21.4.2009 NVwZ 2009, 1237 = BayVBl 2009, 605).

16b) Gemessen an diesen Grundsätzen ist der Kläger in seiner Heimat – das Vorliegen einer allgemeinen Gefahr aufgrund eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts unterstellt – als Angehöriger der Zivilbevölkerung jedenfalls keiner erheblichen individuellen Gefahr für Leib oder Leben ausgesetzt. Der Kläger hat nach seinen Angaben bis zum Herbst 2010 im Dorf J..., Gemeinde Jalrez, in der Provinz Maydan-Wardak gewohnt. Dort verdichtet sich die für eine Vielzahl von Zivilpersonen aus dem Konflikt entstehende allgemeine Gefahr in der Person des Klägers nicht so, dass sie für ihn eine erhebliche individuelle Gefahr im Sinn des § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG darstellen würde.

Eine Individualisierung ergibt sich vorliegend zunächst nicht aus gefahrerhöhenden Umständen in der Person des Klägers. Seine Schilderung zur befürchteten Gefährdung durch die Taliban begegnet erheblichen Zweifeln. Fragen wirft bereits die Darstellung zum Tod seines Vaters auf. Die ursprüngliche Aussage in der mündlichen Verhandlung, der Vater sei umgekommen, als sie gemeinsam mit dem PKW unterwegs gewesen und auf eine Mine geraten seien, stellte der Kläger erst auf Nachfrage dahingehend richtig, dass nicht er an diesem Tag im Auto gesessen sei, sondern der Vater und ein Kommandant. Dass sich der Kläger zu solch einem einschneidenden Ereignis widersprüchlich äußert, ist völlig lebensfremd. Fragwürdig ist weiter, warum der Vater als Koch öfter mit dem Kommandanten im Auto unterwegs gewesen sein sollte. Letztendlich kann dies aber dahingestellt bleiben, denn allein aus der Tatsache, dass der Vater durch eine Mine getötet wurde, ergibt sich für den Kläger keine gesteigerte Gefährdung. Dies wäre allenfalls durch die von ihm beschriebene Arbeit bei der Polizeiinspektion denkbar. Insoweit sind jedoch seine Angaben ebenfalls widersprüchlich. Einerseits sagte der Kläger beim Bundesamt aus, er habe bis zum Frühjahr 2010 dort gearbeitet, als sein Vater getötet worden sei. Andererseits führte er auf die spätere Frage nach seinem Verfolgungsschicksal aus, nach dem Tod des Vaters weiterhin in der Küche der Sicherheitskommandantur gearbeitet zu haben in der Hoffnung, dort anstatt des Vaters weiterarbeiten zu können. In der mündlichen Verhandlung gab er an, als Koch weitergearbeitet zu haben. Widersprüchlichkeiten sind damit sowohl zum Zeitpunkt der Beendigung als auch zur Art der Tätigkeit vorhanden. Es erscheint zudem völlig unrealistisch, dass es möglich wäre, in einer Polizeiinspektion ohne entsprechenden Arbeitsvertrag „einfach mithelfen“ zu können. Ungeachtet der Frage, ob der Kläger in der Polizeiinspektion gearbeitet hat, ist jedenfalls eine Bedrohung durch die Taliban nicht glaubwürdig. Die Angaben hierzu stimmen ebenfalls meist nicht überein. Das zeigt sich bereits an seiner Aussage bei der Anhörung vor dem Bundesamt, die schon in sich widersprüchlich ist: „Sie hielten mich mehrmals auf dem Weg zur Arbeit an. Ich meine damit, dass sie mich einmal angehalten und mehrmals bedroht haben.“ Abweichend hiervon hat er in der mündlichen Verhandlung vorgetragen, nach ein paar Tagen hätten ihn die Taliban erneut aufgehalten. Die Arbeit habe er erst dann beendet, als die Taliban ihn mit dem Tode bedroht hätten. Beim Bundesamt war von einer unmittelbaren Todesdrohung ihm gegenüber nicht die Rede. Weiter hat er beim Bundesamt angegeben, von anderen Jugendlichen – letztmals ca. 10 Tage vor der Ausreise – gehört zu haben, dass die Taliban nach ihm fragen würden. In der mündlichen Verhandlung hingegen sagte er aus, sein Onkel habe erfahren, dass die Taliban nach ihm suchten. Zudem kann eine ernsthafte Bedrohung schon deshalb nicht vorliegen, weil er bis zu seiner Ausreise im Herbst 2010 ungefähr ein halbes Jahr unbehelligt in seinem Heimatdorf gelebt hat. Hätten ihn die Taliban wirklich im Visier gehabt, wären in diesem Zeitraum entsprechende Aktionen leicht möglich gewesen. Insgesamt vermochte deshalb der Kläger eine besondere Gefährdung nicht überzeugend darzulegen.

Darüber hinaus wäre der Kläger – unterstellt, er habe als Küchenhelfer bei der Polizeiinspektion gearbeitet – nach Überzeugung des Senats keiner erheblichen individuellen Gefahr für Leib oder Leben ausgesetzt. Der Kläger hat nicht erläutert, worin er selbst eine Bedrohung sieht. Damals sei er angeblich als Spitzel missbraucht worden, weil er wegen seiner Tätigkeit bei der Polizeiinspektion die dortigen näheren Umstände kannte. Er hätte angeben sollen, wie viele Leute in der Polizeiinspektion arbeiteten. Da er mit Aufgabe dieser Tätigkeit selbst nicht mehr über die entsprechenden Informationen verfügt, ist eine Gefährdung insoweit entfallen. Eine Tätigkeit im Sicherheitsdienst kann zwar grundsätzlich zu einer Gefährdung führen. Dass Sicherheitskräfte in der Ausübung ihres Dienstes einer besonderen Gefährdung unterliegen, bedarf keiner ausdrücklichen Erwähnung. Im Übrigen führt der Bericht des Auswärtigen Amts über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Afghanistan vom 10. Januar 2012, Stand: Januar 2012 (Lagebericht) zur Gefährdungssituation aus, dass die Sicherheitslage in Afghanistan nach wie vor angespannt sei, auch wenn sie sich in großen Teilen zunehmend stabilisiere (S. 4). Dass die Zahl der zivilen Opfer im Jahr 2011 insgesamt zugenommen habe, beruhe in erster Linie auf Anschlägen regierungsfeindlicher Kräfte. Mehrere spektakuläre Selbstmordanschläge seien zwischenzeitlich auch im Raum Kabul zu verzeichnen; sie richteten sich gegen nichtmilitärische Ziele, wie zum Beispiel Einkaufszentren, insbesondere auf einen von Ausländern frequentierten Supermarkt, gegen das ANA-Krankenhaus, ein Intercontinental-Hotel und das Botschaftsviertel. Angeführt ist weiter die Ermordung von Ex-Präsident Rabbani. Besonders gefährdete gesellschaftliche Gruppen werden darüber hinaus nicht genannt. Bei einer risikoreichen Tätigkeit, wie dem Sicherheits- oder Militärdienst, ergibt sich die Gefährdung schon aufgrund der äußerlichen Merkmale. Anknüpfungspunkt ist hier die durch eine Uniform bzw. das Tragen einer Waffe nach außen erkennbare Tätigkeit für die jeweilige Institution. Aus den Erkenntnismitteln ergeben sich jedoch keine Anhaltspunkte für eine besondere Gefährdung von Personen, die vormals beim Sicherheitsdienst tätig waren, jetzt aber Zivilpersonen sind. Das wäre beim Kläger der Fall. Er hat die Tätigkeit bei der Polizei aufgegeben und wäre bei Rückkehr nach außen hin mangels Uniform oder Waffenträger nicht als Polizist zu erkennen. Zudem hat er seinen eigenen Angaben zufolge keinen hohen Rang eingenommen, sondern dort lediglich ausgeholfen. Es spricht nicht viel dafür, dass ein bloßer Gehilfe, also weder Soldat noch Polizist, verfolgt wird. Auch war er als Küchenhilfe nicht – etwa wie ein Bauarbeiter – nach außen erkennbar für die Regierung oder die amerikanischen Streitkräfte tätig. Besondere Gefährdungsmerkmale liegen damit nicht vor. Hinzu kommt, dass die Vorfälle mittlerweile zwei Jahre zurückliegen. Umstände, die den Kläger von der allgemeinen, ungezielten Gewalt stärker betroffen erscheinen lassen, sind damit nicht vorhanden. Insbesondere ist er nicht von Berufs wegen gezwungen, sich nahe der Gefahrenquelle aufzuhalten (BVerwG vom 17.11.2011 BVerwGE 10 C 11.10 <juris>). Da er seinen Angaben zufolge bei der Polizei lediglich Hilfstätigkeiten verrichtet hat, ist er auch nicht darauf angewiesen, dorthin zurückzukehren. Vielmehr ist ihm eine andere Erwerbstätigkeit zuzumuten, zumal er bereits vor seiner Ausreise Hilfstätigkeiten in der Landwirtschaft ausgeführt hat.

Dass der Kläger wegen seiner religiösen oder ethnischen Zugehörigkeit zusätzlich der Gefahr gezielter Gewaltakte ausgesetzt wäre, ist weder ersichtlich noch hat er sich hierauf berufen. Er gehört der Minderheit der Tadschiken an, die in der Provinz einen Anteil von 27% ausmachen (http://en.wikipedia.org zu Maidan Wardak Province), und mit etwa 33% die zweitgrößte Gruppe in Gesamtafghanistan darstellen (http://de.wikipedia.org zu Afghanistan, Ethnien). Sie bilden keine ethnische Gruppe im engeren Sinn, eine erkennbare kulturelle, soziale oder politische Abgrenzung zu anderen Gruppen besteht nicht. Auch dem Lagebericht lässt sich nicht entnehmen, dass diese Bevölkerungsgruppe Diskriminierungen ausgesetzt wäre. Dort wird ausgeführt (S. 16), dass Afghanistan ein Vielvölkerstaat sei. In der Vergangenheit hätten ethnischen Spannungen oft zu gewaltsamen Auseinandersetzungen beigetragen. Auch heute hätten gesellschaftliche und politische Konflikte häufig einen ethnischen Hintergrund. Der Anteil der Volksgruppe der Tadschiken an der Gesamtbevölkerung wird mit ca. 25% angegeben. Allerdings schütze die Verfassung sämtliche ethnischen Minderheiten. Es gibt gebe Bemühungen, Armee und Polizeikräfte so zu besetzen, dass sämtliche Volksstämme angemessen repräsentiert seien, was in der Praxis zuweilen sogar zu einer Überrepräsentation von ethnischen Minderheiten auch in Führungspositionen führe. Insgesamt habe sich die Situation der ethnischen Minderheiten seit dem Ende der Talibanherrschaft verbessert. Demgegenüber führt die Schweizer Flüchtlingshilfe (Afghanistan: Update. Die aktuelle Sicherheitslage, 23.8.2011, S. 17) an, dass die Zugehörigkeit zu einer Ethnie in verschiedenen Lebensbereichen wieder an Bedeutung gewinne. Zu Spannungen führten insbesondere Fragen in Bezug auf Land-, Wasser- und Weiderechte. Bei einer Einbindung der Taliban in die Regierung fürchteten ethnische Minoritäten Übergriffe seitens der Taliban. Regierungsfeindliche Gruppierungen versuchten, ethnische Spannungen gezielt zu schüren. Auch die Unterstützungsmission der Vereinten Nationen in Afghanistan (United Nations Assistance Mission in Afghanistan – UNAMA, Afghanistan, Annual Report 2010, März 2011 – Report 2010, abrufbar auch über Internet: <UNAMA.unmissions.org>) weist nicht auf Diskriminierung der Tadschiken hin. Angesichts dessen kann nicht davon ausgegangen werden, dass die Zugehörigkeit zur Gruppe der Tadschiken zu einem gefahrerhöhenden Umstand führen würde.

Eine Individualisierung tritt auch nicht ausnahmsweise durch eine außergewöhnliche Situation in der Heimatprovinz des Klägers, Maydan-Wardak, ein, die durch einen so hohen Gefahrengrad gekennzeichnet wäre, dass praktisch jede Zivilperson allein aufgrund ihrer Anwesenheit einer ernsthaften individuellen Bedrohung ausgesetzt wäre (BVerwG vom 17.11.2011 BVerwGE 10 C 11.10 <juris> und vom 14.7.2009 BVerwGE 134, 188 RdNrn. 13 und 15 mit Verweis auf EuGH vom 17.2.2009 NVwZ 2009, 705). Da beim Kläger nach obigen Feststellungen keine gefahrerhöhenden persönlichen Umstände vorliegen, ist ein besonders hohes Niveau willkürlicher Gewalt erforderlich (BVerwG vom 27.4.2010 BVerwGE 136, 360 RdNr. 33). Dies ist in der Provinz Maydan-Wardak jedoch nicht der Fall.

Nach der erforderlichen wertenden Gesamtbetrachtung mit Blick auf die Gesamtzahl der in dem betreffenden Gebiet lebenden Zivilpersonen einerseits und der Akte willkürlicher Gewalt andererseits kann in der Provinz Maydan-Wardak in der Zentralregion eine entsprechende Gefahrverdichtung nicht angenommen werden. Dies hat der Verwaltungsgerichtshof bereits mit rechtskräftigem Urteil vom 2. Februar 2011 (Az. 13a B 10. 30394 <juris>) betreffend die in der Zentralregion gelegenen Provinzen Parwan und Kabul festgestellt. Aus der neueren Entwicklung ergibt sich nichts anderes.

Die Heimatprovinz des Klägers, Maydan-Wardak, hat ca. 0,55 Mio. Einwohner (Central Statistics Organization, Afghanistan, „Settled Population by Province -2010-11“ aus http://cso.gov.af). Von UNAMA werden Opferzahlen genannt, allerdings nicht bezogen auf die Provinzen, sondern auf Regionen. Dabei wird Maydan-Wardak gemeinsam mit Kabul und den Provinzen Panjsher, Kapisa, Logar und Parwan der Zentralregion Afghanistans zugerechnet (Einteilung siehe UNAMA, Afghanistan Annual Report 2010, Executive Summary). UNAMA hat im Jahre 2009 für diese Region 280 zivile Tote bei einer Gesamteinwohnerzahl von ca. 5,8 Mio. gezählt. Für das Jahr 2010 wurden 231 zivile Tote in der Zentralregion ermittelt (UNAMA, Report 2010, S. xi). Eine weitere Angabe hinsichtlich der Verletzten enthalten die genannten Quellen nicht. Allerdings geht UNAMA für Gesamtafghanistan für das Jahr 2009 von 2.412 getöteten und 3.566 verletzten Zivilpersonen aus (UNAMA, Report 2009, Executive Summary). Für 2010 werden insgesamt 7.120 Opfer genannt, davon 4.343 Verletzte und 2.777 Tote (UNAMA, Report 2010, S. i, ii, x). Damit beträgt für die Jahre 2009/2010 das Verhältnis Tote zu Tote/Verletzte rund 1 zu 2,6. Für die Zentralregion kann daher bei 231 Toten im Jahr 2010 von insgesamt rund 600 toten und verletzten Zivilpersonen ausgegangen werden. Die Wahrscheinlichkeit, in der Zentralregion (mit der Provinz Maydan-Wardak) im Jahr 2010 Opfer eines Anschlags zu werden, betrug damit rund 0,01%. Selbst wenn die Stadt Kabul, auf die sich mit 3,7 Mio. Einwohnern der Großteil der Bevölkerung dieser Region konzentriert, herausgenommen, und alle Anschläge den umliegenden Provinzen der Zentralregion zugerechnet würden, läge die Wahrscheinlichkeit mit ca. 0,03% unverändert unterhalb des Promillebereichs.

Für das gesamte Jahr 2011 liegen noch keine endgültigen Zahlen vor. Es kann jedoch davon ausgegangen werden, dass sich die Sicherheitslage in ganz Afghanistan landesweit nicht verschlechtert, sondern eher etwas verbessert hat. Der Lagebericht (S. 4, 12) stellt fest, dass sich die Sicherheitslage in großen Teilen zunehmend stabilisiert habe, jedoch nach wie vor angespannt sei. Nach einer stetigen Verschlechterung seit 2006 sei die Zahl der Angriffe und Gefechte im Jahr 2011 insgesamt zurückgegangen. Dass die Zahl der zivilen Opfer 2011 insgesamt zugenommen habe, sei in erster Linie den Anschlägen regierungsfeindlicher Kräfte geschuldet, die etwa 80% der zivilen Opfer des bewaffneten Konflikts ausmachten. Die Bevölkerung distanziere sich überall dort zunehmend deutlicher von der Aufstandsbewegung, wo es gelinge, ihre Lebensverhältnisse durch afghanisches Regierungshandeln spürbar zu verbessern. Inwieweit die Einschätzung des Lageberichts zutreffend ist (kritisch zum vorangegangenen Lagebericht HessVGH vom 25.8.2011 Az. 8 A 1659/10.A <juris>), kann letztlich dahinstehen, da jedenfalls für das erste Halbjahr 2011 konkrete Zahlen vorliegen. Landesweit verzeichnet UNAMA 1.462 getötete sowie 2.144 verletzte Zivilpersonen, was einer Zunahme von 10% gegenüber dem Vorjahreszeitraum entspricht (Midyear Report 2011, Juli 2011, S. 1 Fußnote 22). Die Opferdichte steigt hierdurch zwar in geringem Umfang, bleibt jedoch weiterhin im unteren Promillebereich.

Für Maydan-Wardak, der Herkunftsprovinz des Klägers, sind keine Opferzahlen verfügbar. Allerdings verzeichnet Afghanistan NGO Safety Office (ANSO) die Angriffe Aufständischer in Afghanistan, aufgeteilt nach Provinzen. Danach ist für das Jahr 2010 von 511 Angriffen auszugehen, die von Regierungsgegnern ausgeführt wurden (AOG - Armed Opposition Groups – Initiated Attacks). Inwieweit es bei den Anschlägen zu Toten und Verletzten gekommen ist, ergibt sich hieraus nicht. Landesweit wurden allerdings von UNAMA im Jahr 2009 rund 6.000 Tote und Verletzte, im Jahr 2010 7.120 Tote und Verletzte und im ersten Halbjahr 2011 3.606 Tote und Verletzte festgestellt. Demgegenüber betrug die Zahl der Angriffe landesweit im Jahr 2009 nach ANSO 8.031, im Jahr 2010 12.929 und im ersten Halbjahr 2011 7.368. Hieraus ergibt sich, dass ein von ANSO gezählter Anschlag nicht immer zu Toten und Verletzten geführt hat. Bezogen auf die Einwohnerzahl von Maydan-Wardak mit rund 0,55 Mio. ergibt sich nach den von ANSO gezählten 511 Anschlägen für 2010 dort eine Anschlagsdichte von 93 Anschlägen pro 100.000 Einwohner. Für das erste Halbjahr 2011 sind bei ANSO für die Provinz Maydan-Wardak 185 „Attacks“ genannt (ANSO Quarterly Data Report Q. 2 2011 - 1.1. bis 30.6.2011), was gegenüber der Zahl des Jahres 2009 (mit 143 Anschlägen) eine Mehrung um 29% bedeute. Auch wenn damit eine Zunahme gegenüber dem ersten Halbjahr 2009 festzustellen ist, bleibt die Anschlagsdichte nach wie vor im unteren Promillebereich. Im Vergleich zum Jahr 2010 mit insgesamt 511 Anschlägen dürfte zudem bei 143 Anschlägen im ersten Halbjahr 2011 in der Hochrechnung sogar ein Rückgang zu verzeichnen sein.

Wenngleich die von UNAMA bzw. ANSO ermittelten Zahlen nicht exakt sein können, weil die Listen der Vorfälle nicht unbedingt erschöpfend sind und in Einzelfällen nur schwer zwischen Terrorismus und Kriminalität unterschieden werden kann, so vermitteln sie jedenfalls eine realistische Basis, die eine verlässliche Risikoabschätzung ermöglicht. Es gibt keine Anhaltspunkte dafür, dass eventuelle statistische Ungenauigkeiten selbst unter Berücksichtigung einer unzureichenden Schätzung für das zweite Halbjahr 2011 bei den Verletzten- und Totenzahlen die Größenordnung des Gefahrenpotentials in Frage stellen würde. Die proportionale Abschätzung zeigt, dass die Gefahrendichte im Promillebereich liegt.

Bei der Gesamtschau der allgemeinen Risikoumstände, wie sie sich aus den Erkenntnismitteln ergeben, ist auch unter Berücksichtigung der individuellen Gefährdung nicht ersichtlich, dass sich die aufgezeigten Risiken beim Kläger in gefährlicher Weise kumulieren könnten. Es ist nicht davon auszugehen, dass praktisch jede Zivilperson schon alleine aufgrund ihrer Anwesenheit in dem betreffenden Gebiet einer ernsthaften individuellen Bedrohung ausgesetzt wäre. Dies gilt angesichts des festgestellten Risikos auch unter Einbeziehung der in Maydan-Wardak und im gesamten Land unzureichenden medizinischen Versorgungslage (Lagebericht S. 27; vgl. BVerwG vom 17.11.2011 BVerwG 10 C 13.10 <juris>). Schließlich führt auch ein Vergleich mit der aktuellen Rechtsprechung der anderen Verwaltungsgerichtshöfe bzw. Oberverwaltungsgerichte nicht zu einer anderen Einschätzung. Zwar hat der Hessische Verwaltungsgerichtshof mit zwei Urteilen vom 25. August 2011 das Vorliegen der Voraussetzungen des § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG für aus der Provinz Logar (Az. 8 A 1657/10.A <juris>) sowie für aus der in der Südostregion liegenden Provinz Paktia (Az. 8 A 1659/10.A <juris>) stammende Kläger angenommen. Ob dabei die Vorgehensweise bei der Feststellung eines den bewaffneten Konflikt kennzeichnenden hohen Niveaus willkürlicher Gewalt bzw. einer hohen Gefahrendichte für die Zivilbevölkerung der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (z.B. BVerwG vom 27.4.2010 BVerwGE 136, 316) entspricht, kann dahinstehen, da das Gericht jeweils gefahrerhöhende persönliche Umstände angenommen hat. Neuere Entscheidungen anderer Oberverwaltungsgerichte in diesem Zusammenhang liegen nicht vor.

272. Der Kläger hat auch keinen Anspruch auf Verpflichtung der Beklagten zur Feststellung eines nationalen Abschiebungshindernisses nach § 60 Abs. 5 oder Abs. 7 Satz 1 AufenthG. Da die Voraussetzungen für die Feststellung eines unionsrechtlich begründeten Abschiebungsverbots nicht erfüllt sind, sind – wie auch vom Kläger vor dem Verwaltungsgericht beantragt – Abschiebungsverbote nach nationalem Recht zu prüfen (vgl. BVerwG vom 24.6.2008 BVerwGE 131, 198). Anhaltspunkte für ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 AufenthG sind jedoch nicht ersichtlich. Die Voraussetzungen für ein Abschiebungsverbot gemäß § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG liegen ebenfalls nicht vor.

Nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG soll von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. Gemäß § 60 Abs. 7 Satz 3 AufenthG sind die Gefahren nach Satz 1, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 AufenthG zu berücksichtigen. Nach § 60a Abs. 1 Satz 1 AufenthG kann die oberste Landesbehörde anordnen, dass die Abschiebung für längstens sechs Monate ausgesetzt wird.

Dem Kläger droht keine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit im Sinn von § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG. Wie bereits bei der Frage einer Gefahrenverdichtung aufgrund besonderer persönlicher Merkmale dargelegt, ist weder sein Vortrag glaubhaft, noch ist im Falle einer Rückkehr eine Bedrohung ersichtlich. Dies zeigt sich, wie schon erläutert, daran, dass sich der Kläger bis zu seiner Ausreise noch ca. ein halbes Jahr in seinem Heimatdorf aufgehalten hat, ohne dass es zu Vorkommnissen gekommen wäre. Völlig unrealistisch ist weiter seine Behauptung, die Taliban hätten nach ihm gefragt. Es wäre ein Leichtes gewesen, seinen Aufenthalt zu ermitteln, wenn er nicht untergetaucht ist, sondern sich nur in seinem Heimatdorf aufgehalten hat. Schließlich ergibt sich auch nicht daraus eine Nachwirkung, dass er als Überläufer betrachtet würde. Er hat – wie ebenfalls schon erwähnt – weder für die Amerikaner, zum Beispiel am Bau, gearbeitet noch sonstige „feindliche“ Tätigkeiten verrichtet. Eine konkrete individuelle Gefährdung ist damit nicht zu erkennen.

Grundsätzlich kann eine Gefahr im Sinn von § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG allerdings auch in einer unzureichenden Versorgungslage in Afghanistan, die insbesondere für Rückkehrer ohne Berufsausbildung und ohne familiäre Unterstützung besteht, begründet sein. Dies stellt jedoch eine allgemeine Gefahr im Sinn des § 60 Abs. 7 Satz 3 AufenthG dar, die auch dann nicht als Abschiebungshindernis unmittelbar nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG berücksichtigt werden kann, wenn sie durch Umstände in der Person oder in den Lebensverhältnissen des Ausländers begründet oder verstärkt wird, aber nur eine typische Auswirkung der allgemeinen Gefahrenlage ist (BVerwG vom 8.12.1998 BVerwGE 108, 77). Dann greift grundsätzlich die Sperrwirkung des § 60 Abs. 7 Satz 3 AufenthG. Eine Abschiebestoppanordnung besteht jedoch für die Personengruppe, der der Kläger angehört, nicht (mehr). Der Erlass des Bayerischen Staatsministeriums des Innern vom 3. August 2005 (Az. IA2-2086.14-12/Ri), der dementsprechende Beschlüsse der Ständigen Konferenz der Innenminister und Senatoren der Länder umsetzt, sieht vor, dass „vorrangig zurückzuführen sind nunmehr auch alleinstehende männliche afghanische Staatsangehörige, die volljährig sind“.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist jedoch im Einzelfall Ausländern, die zwar einer gefährdeten Gruppe im Sinn des § 60 Abs. 7 Satz 3 AufenthG angehören, für welche aber ein Abschiebestopp nach § 60a Abs. 1 AufenthG oder eine andere Regelung, die vergleichbaren Schutz gewährleistet, nicht besteht, ausnahmsweise Schutz vor der Durchführung der Abschiebung in verfassungskonformer Handhabung des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG zuzusprechen, wenn die Abschiebung wegen einer extremen Gefahrenlage im Zielstaat Verfassungsrecht verletzen würde. Das ist der Fall, wenn der Ausländer gleichsam sehenden Auges dem sicheren Tod oder schwersten Verletzungen ausgeliefert würde (st. Rspr. des BVerwG vgl. nur BVerwGE 99, 324; 102, 249; 108, 77; 114, 379; 137, 226). Diese Grundsätze über die Sperrwirkung bei allgemeinen Gefahren und die Voraussetzungen für eine ausnahmsweise verfassungskonforme Anwendung in den Fällen, in denen dem Betroffenen im Abschiebezielstaat eine extrem zugespitzte Gefahr droht, sind auch für die neue Rechtslage nach dem Inkrafttreten des Aufenthaltsgesetzes maßgeblich (BVerwG vom 23.8.2006 Buchholz 402.242 § 60 Abs. 2 ff. AufenthG Nr. 19).

32Die allgemeine Gefahr in Afghanistan hat sich für den Kläger aber nicht derart zu einer extremen Gefahr verdichtet, dass eine entsprechende Anwendung von § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG geboten ist (vgl. bereits Urteil des Senats vom 3.2.2011 Az. 13a B 10.30394 <juris>). Die von der höchstrichterlichen Rechtsprechung hierfür aufgestellten Voraussetzungen sind nicht erfüllt. Wann allgemeine Gefahren von Verfassungs wegen zu einem Abschiebungsverbot führen, hängt wesentlich von den Umständen des Einzelfalls ab und entzieht sich einer rein quantitativen oder statistischen Betrachtung. Die drohenden Gefahren müssen jedoch nach Art, Ausmaß und Intensität von einem solchen Gewicht sein, dass sich daraus bei objektiver Betrachtung für den Ausländer die begründete Furcht ableiten lässt, selbst in erheblicher Weise ein Opfer der extremen allgemeinen Gefahrenlage zu werden. Bezüglich der Wahrscheinlichkeit des Eintritts der drohenden Gefahren ist von einem im Vergleich zum Prognosemaßstab der beachtlichen Wahrscheinlichkeit erhöhten Maßstab auszugehen. Die Gefahren müssen dem Ausländer daher mit hoher Wahrscheinlichkeit drohen. Dieser Wahrscheinlichkeitsgrad markiert die Grenze, ab der seine Abschiebung in den Heimatstaat verfassungsrechtlich unzumutbar erscheint. Das Erfordernis des unmittelbaren – zeitlichen – Zusammenhangs zwischen Abschiebung und drohender Rechtsgutverletzung setzt zudem für die Annahme einer extremen Gefahrensituation wegen der allgemeinen Versorgungslage voraus, dass der Ausländer mit hoher Wahrscheinlichkeit alsbald nach seiner Rückkehr in sein Heimatland in eine lebensgefährliche Situation gerät, aus der er sich weder allein noch mit erreichbarer Hilfe anderer befreien kann (Renner, Ausländerrecht, 9. Aufl. 2011, RdNr. 54 zu § 60 AufenthG). Das bedeutet nicht, dass im Falle der Abschiebung der Tod oder schwerste Verletzungen sofort gewissermaßen noch am Tag der Abschiebung eintreten müssen. Vielmehr besteht eine extreme Gefahrenlage auch dann, wenn der Ausländer mangels jeglicher Lebensgrundlage dem baldigen sicheren Hungertod ausgeliefert werden würde (vgl. BVerwG vom 29.6.2010 BVerwGE137, 226).

Nach sämtlichen Auskünften und Erkenntnismitteln, die Gegenstand des Verfahrens sind, ist jedoch nicht davon auszugehen, dass der Kläger als alleinstehender arbeitsfähiger männlicher afghanischer Rückkehrer mit hoher Wahrscheinlichkeit alsbald nach einer Rückkehr in eine derartige extreme Gefahrenlage geraten würde, die eine Abschiebung in den Heimatstaat verfassungsrechtlich als unzumutbar erscheinen ließe. Zwar ist die Versorgungslage in Afghanistan schlecht. So weist der Lagebericht (S. 26 f.) darauf hin, dass der Staat, einer der ärmsten der Welt, in extremem Maß von Geberunterstützung abhängig sei. Der Entwicklungshaushalt sei zu 100% geberfinanziert. Die Landwirtschaft habe sich nach einer außergewöhnlich guten Ernte im Jahr 2009 und einer etwas schwächeren, aber dennoch überdurchschnittlichen Ernte 2010 stabilisiert. Allerdings sei 2011 die Getreideernte aufgrund unzureichender Niederschlagsmengen wieder signifikant niedriger gewesen als in den Vorjahren. Problematisch bleibe die Versorgungslage der Menschen, insbesondere in abgelegenen ländlichen Gebieten des zentralen Hochlands. Staatliche soziale Sicherungssysteme existierten praktisch nicht. Die medizinische Versorgung sei trotz erkennbarer Verbesserungen immer noch unzureichend. Auch die Schweizer Flüchtlingshilfe verweist in ihrem Update vom 23. August 2011 (a.a.O., S. 18 f.) darauf, dass in Afghanistan, einem der ärmsten Länder der Welt, etwa ein Drittel der Bevölkerung unter der Armutsgrenze leben würde. Aufgrund der andauernden Gewalt, der politischen Instabilität sowie der extremen Armut und den zahlreichen Naturkatastrophen befinde sich das Land in einer humanitären Notlage. Die Arbeitslosenrate betrage rund 40%. Die medizinische Versorgung sei völlig unzureichend. 40% der Rückkehrer bräuchten auch immer wieder Eingliederungshilfe.

Dr. Mustafa Danesch verweist in seinem Gutachten vom 7. Oktober 2010 an den Hessischen Verwaltungsgerichtshof unter anderem darauf, dass 36% der Afghanen in absoluter Armut leben würden. Das durchschnittliche Monatseinkommen in Afghanistan betrage 35 Dollar. Die Lebensverhältnisse in Afghanistan seien inzwischen so dramatisch, dass ein alleinstehender Rückkehrer keinerlei Aussicht habe, sich aus eigener Kraft eine Existenz zu schaffen. Auch betrage die Arbeitslosenquote in Kabul schätzungsweise 60%. Das einzige „soziale Netz“, das in Afghanistan in der Lage sei, einen älteren Arbeitslosen aufzufangen, sei die Großfamilie und/oder der Freundeskreis. Bereits in früheren Auskünften (etwa vom 21.8.2008 und vom 3.12.2008) hatte Danesch die Vorsorgungslage in Afghanistan und insbesondere in Kabul als katastrophal bezeichnet. Amnesty International weist in seinen Stellungnahmen vom 20. Dezember 2010 an den Hessischen Verwaltungsgerichtshof und vom 29. September 2009 an den Bayerischen Verwaltungsgerichtshof ebenfalls darauf hin, dass sich die schon in den letzten Jahren hoch problematische Versorgungslage in Afghanistan noch weiter verschlechtert habe. Eines der dringenden Probleme sei, bedingt durch eine andauernde Dürre, die Nahrungsmittelversorgung. Die Lebensmittelpreise hätten sich entsprechend vervielfacht. Nichtregierungsorganisationen und andere internationale Organisationen würden bei ihrer humanitären Arbeit durch die zunehmenden Anschläge noch stärker eingeschränkt als bisher. Auch in Kabul verschlechtere sich die ohnehin verheerende humanitäre Situation weiter, die vor allem durch den rasanten Bevölkerungsanstieg und die kriegsbeschädigte Infrastruktur bedingt sei. Es herrsche akute Wohnungsnot. Der Großteil der Einwohner von Kabul lebe in slumähnlichen Wohnverhältnissen. Es fehlten sanitäre Einrichtungen und vor allem die Trinkwasserversorgung sei sehr schlecht.

Damit ist zweifellos von einer schlechten Versorgungslage in Afghanistan auszugehen. Im Wege einer Gesamtgefahrenschau ist jedoch nicht anzunehmen, dass dem Kläger bei einer Rückführung nach Afghanistan alsbald der sichere Tod droht oder er alsbald ernste Gesundheitsbeeinträchtigungen zu erwarten hätte. So wird im Lagebericht (S. 26 ff.) darauf hingewiesen, dass sich nahezu alle volkswirtschaftlichen Indikatoren Afghanistans positiv entwickelt hätten. Der Internationale Währungsfonds (IWF) rechne für das laufende afghanische Fiskaljahr mit einem Wachstum von 8% des Bruttoinlandsprodukts. Bis etwa Mitte des Jahrzehnts werde ein reales jährliches Wachstum zwischen 6 und 8% erwartet, in der Langfristprognose rechneten die Experten mit einer durchschnittlichen jährlichen Steigerungsrate von 5%. Auch die fiskalische Situation entspreche dank des bemerkenswerten Wachstums der Staatseinnahmen den Vorgaben des IWF und übersteige diese in vielen Bereichen sogar. Von den verbesserten Rahmenbedingungen profitierten grundsätzlich auch Rückkehrer. Die Versorgung mit Wohnraum zu angemessenen Preisen in den Städten sei allerdings nach wie vor schwierig. Das Ministerium für Flüchtlinge und Rückkehrer bemühe sich um eine Ansiedlung der Flüchtlinge in Neubausiedlungen für Rückkehrer. Dort erfolge die Ansiedlung unter schwierigen Rahmenbedingungen; für eine permanente Ansiedlung seien die vorgesehenen „Townships“ kaum geeignet. Auch sei der Zugang für Rückkehrer zu Arbeit, Wasser und Gesundheitsversorgung häufig nur sehr eingeschränkt möglich. Damit geht der Lagebericht letztlich davon aus, dass trotz großer Schwierigkeiten jedenfalls der Tod oder schwerste Gesundheitsgefährdungen alsbald nach der Rückkehr nicht zu befürchten sind.

Ähnliches ergibt sich aus den anderen Erkenntnismitteln. Die Feststellungen in der Stellungnahme der Schweizerischen Flüchtlingshilfe vom 23. August 2011 (a.a.O.) zur Armutsgrenze und zur Arbeitslosenrate führen nicht zur Annahme einer Gefahrenlage im beschriebenen Sinn. Für den Hinweis zur Wohnungsknappheit und dem Zugang zu Trinkwasser und Lebensmitteln gilt das Gleiche. Hinsichtlich der Arbeitsmöglichkeiten geht Danesch in seiner Auskunft vom 7. Oktober 2010 (a.a.O.) davon aus, dass am ehesten noch junge kräftige Männer, häufig als Tagelöhner, einfache Jobs, bei denen harte körperliche Arbeit gefragt sei, fänden. In diesen Sektor, meist im Baugewerbe, ströme massiv die große Zahl junger Analphabeten. Ein älterer Mann, der vorher schon lange im Westen gelebt habe, hätte keine Chance auf einen solchen Arbeitsplatz. Daraus ergibt sich jedoch im Umkehrschluss, dass bei anderen Voraussetzungen eine Beschäftigung möglich ist. Nach Amnesty International (Afghanistan Report 2010) lebten Tausende von Vertriebenen in Behelfslagern, wo sie nur begrenzten Zugang zu Lebensmitteln und Trinkwasser, Gesundheitsversorgung und Bildung erhielten. Eine Mindestversorgung ist damit aber gegeben.

In ihrer Stellungnahme vom 8. Juni 2011 an das OVG Rheinland-Pfalz (zum dortigen Verfahren 6 A 11048/10.OVG) äußert sich Dr. Karin Lutze (stellvertretende Geschäftsführerin der AGEF – Arbeitsgruppe Entwicklung und Fachkräfte im Bereich der Migration und der Entwicklungszusammenarbeit) ausführlich zu den Erwerbsmöglichkeiten in Afghanistan. Danach gebe es für qualifiziertes Personal ein umfangreiches Angebot an offenen Stellen. Für einen nicht oder gering qualifizierten Rückkehrer bestünden nur geringe Chancen für eine dauerhafte Beschäftigung mit geregeltem Einkommen. Das Existenzminimum für eine Person könne durch Aushilfsjobs ermöglicht werden (S. 9). Fälle, in denen Rückkehrer aufgrund von Hunger oder Unterernährung verstorben seien, seien nicht bekannt.

Insgesamt ergibt sich aus diesen Auskünften, dass grundsätzlich auch für Rückkehrer aufgrund der geschilderten verbesserten Rahmenbedingungen durchaus Perspektiven im Hinblick auf die Sicherung des Lebensunterhalts bestehen. Insbesondere Rückkehrer aus dem Westen sind in einer vergleichsweise guten Position. Durch Sprachkenntnisse und oftmals auch gute Ausbildung sind ihre Chancen, einen Arbeitsplatz zu erhalten, gegenüber den Flüchtlingen, die in die Nachbarländer geflüchtet sind, wesentlich höher (Lagebericht S. 27). Hinzu kommt, dass – wie bereits dargestellt – eine extreme Gefahrenlage zwar auch dann besteht, wenn der Ausländer mangels jeglicher Lebensgrundlage dem baldigen sicheren Hungertod ausgeliefert werden würde (vgl. BVerwG vom 29.6.2010 BVerwGE 137, 226), jedoch Mangelernährung, unzureichende Wohnverhältnisse und eine schwierige Arbeitssuche nicht mit hoher Wahrscheinlichkeit „alsbald“ zu einer extremen Gefahr führen. Diese muss zwar nicht sofort, also noch am Tag der Ankunft eintreten. Erforderlich ist allerdings eine hinreichende zeitliche Nähe zwischen Rückkehr und unausweichlichem lebensbedrohenden Zustand. Die Gefahr muss sich alsbald nach der Rückkehr realisieren. Dies ist aus den genannten Erkenntnismitteln nicht ersichtlich.

Nach alldem ist davon auszugehen, dass der Kläger, ein heute volljähriger, gesunder Afghane, der mangels familiärer Bindungen keine Unterhaltslasten hat, auch ohne nennenswertes Vermögen, ohne abgeschlossene Berufsausbildung und ohne familiären Rückhalt im Falle einer zwangsweisen Rückführung in sein Heimatland in der Lage wäre, durch Gelegenheitsarbeiten, etwa in Kabul, aber auch in seiner Heimatprovinz Maydan-Wardak wenigstens ein kleines Einkommen zu erzielen, sich damit zumindest ein Leben am Rand des Existenzminimums zu finanzieren und allmählich wieder in die afghanische Gesellschaft zu integrieren. Hierfür spricht auch, dass der Kläger nach seinen Angaben vor seiner Ausreise nicht nur bei der Polizei tätig war, sondern auch in der Landwirtschaft. Es ist nicht ersichtlich, weshalb er bei Rückkehr nicht erneut Hilfstätigkeiten in der Landwirtschaft aufnehmen könnte. Die für eine verfassungskonforme Anwendung des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG erforderliche hohe Wahrscheinlichkeit, dass der Kläger bei einer Rückkehr nach Afghanistan dort alsbald verhungern würde oder ähnlichen existenzbedrohenden Mangellagen ausgesetzt wäre, liegt nicht vor.

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Das Verfahren ist gemäß § 83b AsylVfG gerichtskostenfrei. Der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 Abs. 1 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO. Die Revision war nicht zuzulassen, da keiner der Gründe des § 132 Abs. 2 VwGO vorliegt.