Bayerischer VGH, Urteil vom 15.12.2011 - 16a D 09.1836
Fundstelle
openJur 2012, 119885
  • Rkr:
Tenor

I. In Abänderung der Ziff. I und III des Urteils des Verwaltungsgerichts München vom 8. Juli 2009 wird gegen den Ruhestandsbeamten auf die Disziplinarmaßnahme der Kürzung des Ruhegehalts um ein Zehntel auf drei Jahre erkannt.

II. Der Ruhestandsbeamte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens und die ihm darin erwachsenen notwendigen Aufwendungen.

Tatbestand

I.

Der Beschuldigte trat am 12. September 1973 unter Berufung in das Beamtenverhältnis auf Probe als Studienrat zur Anstellung (A 13) in den Dienst der Stadt M.. Am 12. September 1976 wurde er in das Beamtenverhältnis auf Lebenszeit berufen. Am 1. Oktober 1979 wurde er zum Oberstudienrat (A 14) und am 1. August 1994 zum Studiendirektor (A 15) ernannt. Am 1. Mai 1994 wurde der Beschuldigte zum zentralen Fachkoordinator für … an den städtischen Gymnasien bestellt. Unter dem 15. Dezember 2000 erhielt der Beschuldigte als Anerkennung für seine herausragende besondere Gruppenleistung im Zusammenhang mit Öffentlichkeitsarbeit für die Schule eine Leistungsprämie in Höhe von 3.512,72 DM. Ab dem Schuljahr 2001/2002 war er kommissarischer zentraler Jungenbeauftragter.

Am 20. Juli 2004 wurde der Beamte von seinen Funktionen als kommissarischer Jungenbeauftragter entbunden. Seit dem 13. September 2004 bis zum Eintritt in die Freistellungsphase der Altersteilzeit im August 2006 war er in der Fachabteilung 2 des Schul- und Kultusreferats beschäftigt. Seine gegen die Umsetzungsverfügung eingelegten Rechtsmittel blieben erfolglos. Seit dem 1. August 2010 ist der Beschuldigte im Ruhestand.

Seine dienstlichen Leistungen wurden wie folgt bewertet: 1974 „entspricht voll den Anforderungen“, 1976 „übertrifft erheblich die Anforderungen“, 1980, 1984, 1988, 1992 und 1996 „sehr tüchtig“.

Der Angeschuldigte ist seit … verwitwet und hat zwei Kinder (geboren 1971 und 1976). ….

Der Beklagte ist strafrechtlich und disziplinarisch nicht vorbelastet.

II.

Am 27. Juli 2004 leitete der …bürgermeister der …stadt … Vorermittlungen gemäß Art. 27 Abs. 1 BayDO wegen des Verdachts eines Dienstvergehens ein. Der Beamte sei Gründungs- und Kuratoriumsmitglied der Arbeitsgemeinschaft … e.V. (…), die u.a. befürworte, dass gleichberechtigte, einvernehmliche und verantwortliche sexuelle Handlungen zwischen Kindern und Erwachsenen nicht mehr strafbar sein sollten. In der … sei die Fachgruppe … aktiv. Gegen pädophile Mitglieder dieser Gruppe werde polizeilich ermittelt. Der Beamte sei Mitorganisator der …-Tagung in München gewesen.

Dies habe der Beamte nicht offenbart, als er zum zentralen Fachkoordinator … und mit der Funktion des kommissarischen Jungenbeauftragten bestellt worden sei. In der …-Sendung „…“ am … habe er einvernehmliche Zärtlichkeiten zwischen einem sechs- oder siebenjährigen Kind und einem 40- bis 50-jährigen Mann auf eine Frage zur Pädophilie befürwortet. Noch am 27. Juli 2004 wurde der Beschuldigte nach Art. 27 Abs. 4 Satz 4 BayDO angehört. Unter dem 3. August 2004 berichtigte und ergänzte der Beschuldigte das Protokoll seiner Anhörung vom 27. Juli 2004. Mit Schreiben vom 30. November 2004 beantragte der Beschuldigte die Einleitung eines förmlichen Disziplinarverfahrens nach Art. 35 BayDO. Unter dem 18. März 2005 wurden die Vorermittlungen erweitert. Der Verwaltungs- und Personalausschuss der Stadt M. beschloss am 15. Juni 2005 die Einleitung eines förmlichen Disziplinarverfahrens gemäß Art. 34 Abs. 1 Satz 2 BayDO. Zu einer persönlichen Anhörung am 7. August 2007 durch den Untersuchungsführer erschien der Beschuldigte unter Berufung auf sein Aussageverweigerungsrecht nicht. Auf eine abschließende Äußerung gemäß Art. 57 Abs. 1 BayDO verzichtete der Beschuldigte mit Schreiben vom 25. Februar 2008.

Unter dem 18. April 2008 erstellte der Untersuchungsführer seinen zusammenfassenden Bericht gemäß Art. 57 Abs. 2 BayDO. Am 22. Oktober 2008 beschloss der Verwaltungs- und Personalausschuss der Stadt M. die Einreichung der Anschuldigungsschrift beim Verwaltungsgericht …, die dort am 28. November 2008 eingereicht wurde. Dem Beschuldigten werden darin folgende Sachverhalte vorgeworfen:

Anschuldigungspunkt 1:

Der Beamte habe in der …-Sendung „…“ am 19. Juli 2004 gegenüber einem Millionenpublikum in seiner Funktion als Lehrer, Fachkoordinator für … und kommissarischer zentraler Jungenbeauftragter der Stadt M. einvernehmliche Zärtlichkeiten zwischen Erwachsenen und Kindern öffentlich befürwortet. Gleichzeitig habe er damit seine positive Einstellung zu Erscheinungsformen der Pädophilie plakativ in einem engem Zusammenhang zu seinem Wirken als Lehrer, Fachkoordinator für … und Jungenbeauftragter näher gebracht.

Anschuldigungspunkt 2:

Der Beschuldigte sei für die Interessen der … in den Jahren 1994-2004 an hervorragender Stelle und unter Ausnutzung seiner beruflichen Funktionen medienwirksam eingetreten (Fernsehen/Internet), obwohl die von der … vertretenen Positionen zur Akzeptanz pädophil geprägter Verhaltensweisen Erwachsener gegenüber Kindern im Widerspruch zu seinem sensiblen Aufgabenbereich stünden. Außerdem habe der Beschuldigte seine Vereinsmitgliedschaft und Aktivitäten im Vorstand und Kuratorium der … weder bei seiner Bestellung zum zentralen Fachkoordinator für … noch bei seiner Betrauung mit der Funktion des kommissarischen zentralen Jungenbeauftragten seiner Dienstherrin mitgeteilt.

Anschuldigungspunkt 3:

Im Rahmen seiner Tätigkeit für die …-Fachgruppe … habe der Beamte auf der Website der … über seine dienstlichen Erfahrungen mit der Jungenarbeit berichtet und sich kritisch über seine Dienstherrin und die zentrale Mädchenbeauftragte geäußert.

Anschuldigungspunkt 4:

In der … erschienenen Broschüre „…“ aus der Schriftenreihe der … habe der Beamte unter Angabe seines Namens sowie aller dienstlichen Funktionen das Gedicht „…“ veröffentlicht. Das Gedicht beschreibe in der Ich-Form die sexuelle Beziehung eines Kindes zu seinem Pater und degradiere die Hostie zum Gegenstand erotischer Spiele.

Anschuldigungspunkt 5:

Der Beamte habe es ermöglicht und unterstützt, dass die …. Tagung der …, einer internationalen Pädophilenorganisation, im … in … überhaupt habe stattfinden können. Außerdem habe sich der Beschuldigte in der …-Sendung in seinem Amt und in seinen Funktionen ausdrücklich als Mitorganisator dieser Tagung bekannt.

Anschuldigungspunkt 6:

Im Zusammenhang mit einer Tagung zum Thema … am … habe der Beamte als der für die Planung Federführende und Ansprechpartner vor Ort seine dienstliche Telefonnummer, seine dienstliche E-Mail-Adresse sowie die dienstliche Faxnummer bekannt gemacht bzw zur Veröffentlichung freigegeben. Damit habe es der Beamte zumindest billigend in Kauf genommen, dass seine dienstliche E-Mail-Adresse für private Mails auf der Homepage der … (…) sowie im sog. … veröffentlicht und einer unbestimmt großen Anzahl von Menschen zugänglich gemacht worden sei. Das Gleiche gelte in Bezug auf die öffentliche Verbreitung seiner dienstlichen Telefonnummer sowie Telefaxnummer.

Anschuldigungspunkt 7:

Im Januar 2004 habe der Beamte in der 12. Klassenstufe eine Ethikklausur gestellt, deren sog. „Dilemma-Aufgabe“ sich mit dem sexuellen Missbrauch eines Kindes durch seinen Vater und mit dem dadurch ausgelösten Zwiespalt der Mutter befasst habe. Aufgabenstellung und Korrektur seien nicht akzeptabel gewesen.

Anschuldigungspunkt 8:

Der Beschuldigte habe bei seiner Anhörung am 27. Juli 2004 und seiner ergänzenden Einlassung vom 3. August 2004 drei Sachverhalte angegeben, von denen er gewusst habe, dass sie unzutreffend seien.

Die Vorwürfe machten eine Degradierung des Beschuldigten unerlässlich.

Mit Urteil vom 8. Juli 2009 erkannte das Verwaltungsgericht auf die Disziplinarmaßnahme der Entfernung aus dem Dienst. Die dem Beschuldigten vorgeworfenen Sachverhalte stünden zur Überzeugung des Gerichts fest. Der Beamte habe ein schweres Dienstvergehen begangen, er habe schuldhaft in schwerwiegender Weise gegen die ihm obliegende Pflicht, der Achtung und dem Vertrauen gerecht zu werden, die sein Beruf erfordere, verstoßen. Das Interview in der Sendung „…“, die jahrelange Mitgliedschaft in der … und die Aktivitäten des Beamten seien hier von besonderem Gewicht. Der Beamte sei 1983 der … beigetreten. Auf Bitte des … habe er sich in den Vorstand der … wählen lassen. Nach ca. sechs Jahren sei er aus dem Vorstand ausgeschieden. 2002 sei er in das Kuratorium der … berufen worden. Der Beamte könne sich nicht darauf berufen, er habe keine Kenntnis von der … und ihren Untergruppen gehabt. Immerhin sei er 20 Jahre in dem Verein engagiert tätig gewesen. Er sei Mitglied der …-Fachgruppe „…“ gewesen. Er sei sechs Jahre Mitglied des fünfköpfigen Vorstands gewesen. Dieser habe u.a. die Aktivitäten der Fachgruppen zu koordinieren gehabt und habe auch selbst Fachgruppen errichten können. So habe auf Antrag der … der Vorstand der … - zu dieser Zeit sei der Beschuldigte Mitglied des fünfköpfigen Vorstandes der … gewesen - am 11. Mai 1997 diese als Fachgruppe der … eingerichtet. Soweit die Fachgruppen öffentliche Stellungnahmen abgäben, müssten diese mit dem Vorstand abgestimmt werden (§ 9 Abs. 5 der Satzung der …). In der Folge seiner weiteren Mitgliedschaft sei er in das Kuratorium berufen worden, weil der Vorstand der Meinung gewesen sei, der Beamte sei eine „Persönlichkeit, die sich im Sinne der Zielsetzungen der … besonders verdient gemacht“ habe oder dessen „wissenschaftliches, gesellschaftliches oder politisches Wirken den Zielen der … besonders förderlich“ sei (§ 11 der Satzung der …). Es könne dahinstehen, wie seine Erfahrungen mit der Jungenarbeit und sein Unterrichtskonzept auf die Website der … gelangt seien. Als Mitglied der …-Fachgruppe „…“ sei der Beamte für die dortigen Veröffentlichungen (mit-)verantwortlich, zumal ihm das Urheberrecht an seinem Beitrag zustehe. Dies gelte auch für die Veröffentlichung des Gedichts „…“ in der …-Schriftenreihe „…“ (1997). Hier werde ein pädophiles Geschehen unmissverständlich beschrieben, für gut befunden („…“) und als positive wünschenswerte Alternative für die kindliche Entwicklung dem Verhalten des unsensiblen Geigenlehrers gegenüber gestellt. Dass der Beamte die Tagung der … „mitorganisiert“ habe, habe er im Interview am … selbst eingeräumt. Auch die Angabe seiner dienstlichen Telefon- und Faxnummer sowie der dienstlichen E-Mail-Adresse auf der Seite … müsse er sich zurechnen lassen. Selbst wenn die Angaben ohne sein Zutun auf die Website aufgenommen worden seien, hätte er bei einer ersten Kontaktaufnahme durch bekannte Dritte dies unterbinden müssen. Die Mitgliedschaft und die Aktivitäten in der … würden zeigen, dass sich der Beamte deren Auffassung zu Eigen gemacht habe und diese gegenüber der Öffentlichkeit vertrete. Hinzu komme, dass ein Beamter sich überlegen müsse, ob eine Mitgliedschaft in einem bestimmten Verein mit seinen beamtenrechtlichen Pflichten zu vereinbaren sei. Werde er ohne eine solche Prüfung (aktives) Mitglied, könne er sich anschließend nicht auf Unkenntnis der Ziele und Positionen des von ihm gewählten Vereins berufen. Auch die Ethik-Klausur zeige, dass der Beamte der sexuell gefärbten Beziehung zwischen einem erwachsenen Mann (Vater) und einem Kind (Sohn) größte Bedeutung zumesse. Zudem sei das vom Beamten zur Entscheidung gestellte „Dilemma“ nicht lösbar, da die strafrechtliche Seite völlig ausgeblendet werde. Dass der Beamte sich - im Gegensatz zu seinen verbalen Bekundungen - die Ziele und Auffassung der … zu Eigen gemacht habe, zeige sich ganz besonders in seinem Interview für die Sendung „…“ am …. Die Kammer habe sich durch Augenschein davon überzeugt, dass der Beamte den Einwurf der Reporterin „aber darum gehe es ja Pädophilen nicht - es gehe ja eher darum, ein sechs- oder siebenjähriges Kind mit einem 40- oder 50-jährigen Mann…“ gehört und zur Kenntnis genommen habe. Nach kurzem Überlegen habe er mit „wenn es sich um einvernehmliche - um Zärtlichkeiten handelt, bin ich dafür, aber sonst nicht“ geantwortet. Von einem Augenblicksversagen könne dabei nicht die Rede sein, denn auch die nicht gesendeten Passagen würden sich mit dem Thema Pädophilie befassen. Der Beamte habe also über die Frage nicht überrascht sein können. Die Filmsequenz des Beitrags lege zudem nahe, dass sich das Interview ursprünglich auf die Arbeit des Beamten als Jungenbeauftragter bezogen habe. Dass der Beamte sich auf das Thema Sexualität/Zärtlichkeit zwischen Kindern und Erwachsenen eingelassen habe, liege in seiner eigenen Verantwortung. Er müsse prüfen, ob er überhaupt ein Interview gebe und welche Fragen er wie beantworte. Er trage die volle Verantwortung für die Rechtmäßigkeit seines dienstlichen Handelns. Angesichts der genannten dienstlichen Verfehlungen würden etwaige Verletzungen der Wahrheitspflicht für die Bemessung der Disziplinarmaßnahme nicht ins Gewicht fallen. Der dargestellte Sachverhalt und die Korrekturfehler würden zeigen, dass der Beamte als Lehrer nicht tragbar sei. Er habe der Lehrerschaft, dem Beamtentum und seiner Dienstherrin einen immensen, nicht wieder gutzumachenden Schaden zugefügt. Seit Jahren vertrete er in einschlägigen, aber nicht abgeschotteten Kreisen Ansichten, die mit seinen Pflichten als Lehrer in keinster Weise vereinbar seien. Er propagiere sexuelle Zärtlichkeiten zwischen erwachsenen Männern und Kindern. Dies sei ein Verhalten, das nach geltendem Strafrecht verboten sei. Allein die Äußerungen in Publikationen der … und seine herausgehobene Stellung bei diesem Verein (Vorstand/Kurator) würden ein Verbleiben im Beamtenverhältnis unmöglich machen. Vollends untragbar habe sich der Beamte jedoch durch seine Äußerungen in dem …-Beitrag vom … gemacht. Damit habe er das Vertrauen der Dienstherrin und der Allgemeinheit endgültig und unwiderbringlich zerstört. Der Stadt sei es nicht zuzumuten, dass ihr Ansehen bundesweit vor einem Millionenpublikum beschädigt werde. Milderungsgründe lägen ersichtlich nicht vor. Das Engagement in der … habe bei Einleitung des Disziplinarverfahrens bereits seit 20 Jahren bestanden. Das sei keine Augenblickstat und auch keine negative Lebensphase. Schließlich würden auch die guten Beurteilungen des Beamten sowie der Umstand, dass er bisher weder strafrechtlich noch disziplinarrechtlich in Erscheinung getreten sei, zu keiner anderen Betrachtungsweise führen. Diese Umstände würden das normale Verhalten zur Erfüllung der Dienstpflichten darstellen.

III.

Am 29. Juli 2009 hat der Beschuldigte durch seinen Bevollmächtigten Berufung eingelegt. Am 13. Oktober 2009 teilte der Bevollmächtigten des Beschuldigten mit, dass er in der Berufungsschrift aus Arbeitsüberlastung versehentlich nicht ausgeführt habe, inwieweit das Urteil des Verwaltungsgerichts angefochten werde und welche Änderungen beantragt würden. Die Berufungsschrift sei auslegungsfähig und bei Fehlen der genannten Ergänzungen sei zu ermitteln, was der Berufungsführer mit seinem Rechtsmittel erreichen wolle. Diese Ermittlung führe angesichts des Akteninhalts zu einem eindeutigen Ergebnis. Dennoch werde rein vorsorglich eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt. Es werde erklärt, dass das Urteil des Verwaltungsgerichts in vollem Umfang angefochten werde, die Berufung sich nicht nur gegen das verhängte Disziplinarmaß, sondern auch gegen die Tat- und Schuldfeststellungen richte und eine Einstellung des Verfahrens angestrebt werde.

Mit Schriftsatz vom 21. Oktober 2009 hat der Beschuldigte beantragt,

unter Abänderung des Urteil des Verwaltungsgerichts vom 8. Juli 2008 das Verfahren einzustellen.

Das Verwaltungsgericht habe eine Auseinandersetzung mit den Argumenten des Beamten, den von ihm gestellten Beweisanträgen, den von ihm vorgelegten Gutachten und nicht zuletzt mit dem Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 3. August 2005 (Az. 3 CE 05.811) vermieden. Der inkriminierte Satz aus dem …interview beruhe auf einem Augenblicksversagen, das aufgrund der Tatsache, dass sich frühere, nicht gesendete Passagen mit dem Thema Pädophilie befasst hätten, nicht ausgeschlossen werde. Im Übrigen sei das Thema nicht Pädophilie, sondern Zärtlichkeiten gewesen. Dem Beamten werde in der Anschuldigungsschrift vorgeworfen, dass er einvernehmliche Zärtlichkeiten zwischen Erwachsenen und Kindern öffentlich befürworte, ohne dass dabei differenziert worden wäre zwischen dem, was dem Beamten vorgeworfen werde, und Zärtlichkeiten zwischen erwachsenen Verwandten, familiären Freunden, Paten, Eltern ect. und Kindern. Der 3. Senat des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs habe sich wesentlich differenzierter mit dieser Frage auseinandergesetzt, wobei nicht in Vergessenheit geraten dürfe, dass in dem Beschluss vom 3. August 2005 der Prüfungsmaßstab nicht etwa eine mögliche Entlassung aus dem Beamtenverhältnis gewesen sei, sondern lediglich die Frage, ob die von der Einleitungsbehörde vorgenommene Umsetzung sich noch im Rahmen des der Dienstherrin zur Seite stehenden Gestaltungsermessens bewegt habe. Die im Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs im Rahmen des Verfahrens nach § 123 VwGO nicht mögliche endgültige Aufklärung hinsichtlich Wahrheitsgehalt und Erweislichkeit sei auch nicht in dem Verfahren vor der Disziplinarkammer erfolgt. Dazu hätte es beispielsweise gehört, sich ein „Gesamtbild“ von den Auffassungen des Beamten zum Thema Sexualität, insbesondere wenn Kinder oder Jugendliche involviert seinen, zu verschaffen. Dazu wäre beispielsweise der in der … veröffentlichte Artikel „…“ geeignet gewesen, aber auch sein Artikel in der Zeitschrift „…. Die schon aus Rechtsgründen gebotene Auseinandersetzung mit den persönlichen Auffassungen des Beamten suche man allerdings in dem gesamten Verfahren vergeblich. Der Grund liege darin, dass es, von dem missverständlichen …interview abgesehen, in den vergangenen Jahrzehnten keine einzige Äußerung des Beamten gebe, aus der sich ableiten ließe, der Beamte unterstütze aktiv und auch öffentlich pädophile Ideen. Der Beamte sei - dies sei zweifellos ein Fehler gewesen, den er auch einräume - bei der Antwort auf die Frage der Reporterin in Gedanken bei seiner Antwort noch bei der vorhergehenden Frage gewesen. Diese Erklärung sei angesichts der Tatsache, dass sich der Beamte jahrzehntelang zum Thema Sexualität schriftlich und mündlich geäußert habe, ohne dass ihm in all diesen Jahren auch nur irgendjemand auf die Idee gekommen wäre, ihm die Befürwortung von Pädophilie zu unterstellen, glaubwürdig. Der Beamte habe sich auf ausdrückliche Bitte des … in den Vorstand der … wählen lassen. Aus der Satzung ergebe sich, dass es in dieser Organisation, wie in allen Organisationen, durchaus unterschiedliche Auffassungen gebe. Im Kuratorium der … seien in den Jahren nach 1993 Professoren und u.a. auch ein Bundesanwalt Mitglieder gewesen, selbstverständlich habe keiner der jeweiligen Dienstherren Anstoß an dieser Mitgliedschaft genommen. Der 3. Senat des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs habe in seinem Beschluss vom 31. Oktober 2006 (Az. 3 ZB 06.231) im Hinblick auf das Positionspapier festgestellt, dass es sich um intern wohl noch nicht ausdiskutierte Positionen handle. Bestehe auch nur der geringste Zweifel in objektiver oder subjektiver Hinsicht, so sei nach dem Grundsatz „in dubio pro reo“ der erforderliche volle Beweis nicht geführt. Bei den Aktivitäten, die nach Ansicht des Verwaltungsgerichts von besonderem Gewicht seien, werde an erster Stelle der Aufsatz des Beamten „…“ in der Zeitschrift „…“ der …, in der der Beamte Mitglied sei, genannt. Eine Würdigung im Hinblick auf Art. 9 Abs. 3 GG (Grundrecht der Koalitionsfreiheit) durch das Verwaltungsgericht sei unterblieben. Aber auch eine inhaltliche Auseinandersetzung mit dem Aufsatz sei nicht erfolgt. Dem Gericht habe die Schublade … genügt, um diesem Aufsatz besonderes Gewicht beizumessen. Bei Anwendung der Rechtsgrundsätze, die das Disziplinarrecht beherrschten, könne die Frage, wie es im vorliegenden Fall zu einem Nachdruck durch die … auf deren Homepage gekommen sei, nicht dahinstehen. Darüber hinaus habe sich der Beamte, nachdem die Anspannung des Fernsehinterviews vorbeigewesen sei, durch Kontakte mit den Zeugen G. und V. nachdrücklich darum bemüht, eine Ausstrahlung des Fernsehinterviews zu verhindern. Diese Bemühungen seien vergeblich gewesen, obwohl es der Dienstherrin doch ohne Weiteres möglich gewesen wäre, durch eine entsprechende Intervention eine Ausstrahlung des Fernsehinterviews zu verhindern. Wenn aber die Dienstherrin nichts unternommen habe, wäre es problematisch, wenn sie sich auf eine von ihr verhinderbare Ansehensschädigung berufe. Ein besonderes Gewicht habe nach Ansicht des Gerichts die Veröffentlichung des Gedichts „…“. Die Würdigung dieses Gedichts umfasse drei Zeilen. Hier sei das Grundrecht der Meinungsäußerungsfreiheit in den Blick zu nehmen. Nicht beachtet worden sei der ebenfalls in der Broschüre veröffentlichte Aufsatz des Beamten („…“). Keine Erwähnung habe schließlich der Kunstvorbehalt des Art. 5 Abs. 3 GG gefunden. Dazu seien zwei Gutachten anerkannter Wissenschaftler vorgelegt worden. Von besonderem Gewicht sei für das Verwaltungsgericht auch die …-Tagung, die der Beamte „ermöglicht“ haben solle, gewesen. Der Beamte habe selbst eingeräumt, die Tagung mitorganisiert zu haben. Diese Annahme des Verwaltungsgerichts entspreche nicht den Tatsachen und die entsprechende Formulierung des Beamten in dem Fernsehinterview sei der Anspannung geschuldet gewesen und stelle lediglich eine unglückliche Wortwahl (das Aufsperren einer Tür sei sicherlich etwas anderes als eine „Mitorganisation“) dar. Von besonderem Gewicht sei für das Verwaltungsgericht weiter die Tatsache, dass die dienstlichen Kontaktadressen des Beamten im Zusammenhang mit der Fachtagung … veröffentlicht worden seien. Die Veröffentlichung sei „ohne Rücksprache“ mit dem Beschuldigten (s. Schreiben der Zeugin A. vom 1.6.2005) erfolgt. Der Ethikklausur gebe das Verwaltungsgericht eine Bedeutung, auf die bisher noch niemand verfallen sei. Was die pädagogische Qualität betreffe, so werde ein Urteil gefällt („nicht lösbar“), welches einem Gericht wegen nicht vorhandener Fachkompetenz wohl kaum zustehe. Auch in diesem Zusammenhang falle auf, dass das Verwaltungsgericht eine Auseinandersetzung mit dem Beschluss des 3. Senats vom 31. Oktober 2006 sorgfältig vermieden habe. Dort heiße es nämlich, dass sich aus den vorliegenden fachlichen Äußerungen entnehmen lasse, die Ethikklausur könne im Hinblick auf ihre Vertretbarkeit nach Form und Inhalt der Darstellung durchaus seriös kontrovers gesehen werden. Es fehle auch eine Erwähnung der Tatsache, dass auch der Bericht des Untersuchungsführers vom 18. April 2008 zu dem Ergebnis komme, der Vorwurf hinsichtlich des Inhalts der Ethikklausur könne nicht aufrechterhalten werden. Der Beamte sei seit Jahrzehnten als Lehrer tätig, habe seit 1980 dienstliche Beurteilungen mit jeweils dem besten Gesamturteil erhalten und in dieser Zeit eine Fülle von Schulaufgaben gestellt, ohne dass diese oder deren Korrektur auch in einem einzigen Fall bemängelt worden seien. … Prof. K. komme zu dem Ergebnis, dass der Inhalt der Klausur nicht zu beanstanden sei. Hinsichtlich der vorgeworfenen Korrekturfehler hätte dem Verwaltungsgericht auffallen müssen, dass die Einleitungsbehörde nicht dem detaillierten Vorbringen des Beamten und seinen Beweisanträgen habe entgegentreten können. Es stehe fest, dass es ohne das unglückliche …interview nicht zu diesem Verfahren gekommen wäre. Niemand bedauere die unglückliche Ausdrucksweise in dem …interview, die auf einer fahrlässigen Unaufmerksamkeit beruhe, mehr als der Beamte selbst, der sich in der Folgezeit massiven Diskriminierungen als Pädophiler ausgesetzt gesehen habe und darunter sehr gelitten habe, zumal er bis dahin aufgrund seines Engagements, seiner Aktivitäten und seiner Veröffentlichungen nicht nur in Fachkreisen ein hohes Ansehen genossen habe. Die tatsächlichen Positionen des Beamten zu den Themen Zärtlichkeit einerseits und Sexualität andererseits seien nicht nur in diesen Fachkreisen, sondern weit darüber hinaus bekannt, sie seien im Rahmen dieses Verfahrens mehrfach dargelegt worden. Es sei also unangemessen, eine einzige Fehlleistung des Beamten als Grundlage für eine Einschätzung seiner Ansichten zu nehmen. Nicht gewichtet worden seien dagegen die zahlreichen hervorragenden dienstlichen Beurteilungen, sein in Jahrzehnten völlig beanstandungsfreies dienstliches Verhalten und vor allem seine bei zahlreichen Gelegenheiten geäußerten inhaltlichen Auffassungen. Stattdessen werde ihm eine Einstellung unterstellt, die es schlicht und einfach nicht gebe.

Die Einleitungsbehörde hat beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Bei dem maßgeblichen Satz aus dem …interview handle es sich um kein Augenblicksversagen. Die gesendeten Passagen sowie das Zustandekommen des Interviews würden vielmehr zeigen, dass der Beamte sehr gut vorbereitet und im Bewusstsein der Brisanz des Themas dem Interview zugestimmt habe. Dass im Rahmen des Interviews zum Thema … auch Fragen zum Thema „Pädophilie“ kommen würden, sei für den Beamten aufgrund der Positionen und Zielsetzungen der … vorsehbar gewesen. Während des Interviews habe sich der Beamte die Fragen häufig erst angehört, dann gebeten, die Kamera auszuschalten, um nachdenken oder etwas erklären zu können und habe dann ein Zeichen gegeben, um anschließende Fragen bei eingeschalteter Kamera zu beantworten. Der Kameramann habe den Beamten jedes Mal informiert, wenn die Kamera wieder eingeschaltet gewesen sei. Teilweise habe der Beamte auch mitten in seinen Antworten darum gebeten, die Kamera wieder auszuschalten. Diesem Wunsch sei der Kameramann immer nachgekommen.

Das Verwaltungsgericht führe zutreffend aus, dass von einem Augenblicksversagen auch deshalb nicht die Rede sein könne, weil sich auch die nicht gesendeten Passagen des Interviews mit dem Thema Pädophilie befasst hätten, so dass der Beamte über die Frage („darum gehe es ja Pädophilen nicht“) nicht habe überrascht sein können. Zu dem Ergebnis sei auch der Bayerische Verwaltungsgerichtshof gekommen, der bereits im Jahr 2006 zutreffend ausgeführt habe, dass sich aus dem Gesamtablauf des Interviews, also auch aus dem umfangreichen nicht gesendeten Material ergebe, dass das Thema Pädophilie einen erheblichen Teil des Interviews eingenommen habe.

Um sich ein Gesamtbild von den Auffassungen des Beamten zum Thema „Sexualität“ zu verschaffen, habe sich das Verwaltungsgericht weder mit den Thesen des Beamten aus dem Jahr 1997 auf einer Podiumsdiskussion noch mit Veröffentlichungen des Beamten in der Zeitschrift „…“, noch mit Definitionen von Freud etc., auf die sich der Beamte berufe, auseinandersetzen müssen. Die Auffassung des Beamten zum Thema „Sexualität“ in Abgrenzung zu „Zärtlichkeiten“ ergebe sich viel mehr klar und eindeutig insbesonders aus dem nachfolgenden, nicht veröffentlichtem Teil des Interviews. Auf die Frage von … „Gut, aber die internationale Pädophilenorganisation setzt sich dafür ein, dass Pädophile ihre Sexualität ausleben dürfen. Finden Sie das gut?“ habe der Beamte geantwortet, dass dies von der Definition von Sexualität abhänge. „Wenn man unter Sexualität Geschlechtsverkehr meint oder gar Vergewaltigung, dann finde ich das selbstverständlich nicht gut. Aber wo beginnt denn die Sexualität und wo hört sie auf.“ …: „Das frage ich Sie“. Der Beamte: „Das ist der Punkt, wo es unheimlich schwierig wird, eine Definition zu geben. Ich persönlich rede ja immer von Zärtlichkeiten“. Der Beamte, noch dazu in seiner Funktion als Jungenbeauftragter, hätte diese Frage unmissverständlich mit „Nein“ beantworten können und müssen. Anstatt sich bereits an dieser Stelle eindeutig und klar zu positionieren, erwidere der Beamte, dass dies vielmehr von der Definition von Sexualität abhänge. Mit dieser Antwort gebe der Beamte zu erkennen, dass das Ausleben der Sexualität bei Pädophilen seiner Auffassung nach nicht per se zu verneinen sei, sondern es vielmehr darauf ankomme, was man alles unter Sexualität verstehe. Da es, so der Beamte, jedoch schwierig sei, zu definieren, wo Sexualität beginne und wo sie aufhöre, spreche er selbst nicht von Sexualität, sondern immer nur von Zärtlichkeiten. Damit habe der Beamte klar zum Ausdruck gebracht, dass für ihn der Begriff Zärtlichkeit ein Synonym für Sexualität darstelle und damit eine Auslegung getroffen, die keinen Raum für nachträgliche Begriffsdefinitionen zulasse. Ein Ausleben der Sexualität durch Pädophile verneine der Beamte in dem …interview explizit nur für die Bereiche Geschlechtsverkehr und Vergewaltigung, jedoch nicht für alle sonstigen sexuellen Handlungen bzw. für sämtliche sexuell gefärbten Handlungen und Grenzüberschreitungen Pädophiler. Für die Kinder seien derartige Übergriffe, selbst wenn es sich um bloße Sexualhandlungen unterhalb von Geschlechtsverkehr und Vergewaltigung handle, fürchterlich. Nach der geltenden Rechtsordnung seien mit gutem Grund jegliche Sexualkontakte zwischen Erwachsenen und Kindern unter Strafe gestellt. Aufgrund seiner guten Kenntnisse der Sexualforschung und Sexualpädagogik sowie seiner langjährigen Aktivitäten bei der … habe es dem Beamten bewusst sein müssen, dass er sich mit seinen Äußerungen zu den herrschenden wissenschaftlichen Erkenntnissen in Widerspruch setze. Ebenso, dass er damit eine moralische und sittliche Haltung vertrete, die mit den geltenden Strafnormen und dem gesellschaftlichen Moralverständnis absolut unvereinbar sei. Hinzu komme, dass im Schulbereich - der Beamte habe besagtes Interview gerade in seiner Funktion als Jungenbeauftragter der Stadt M. geführt - jegliche Grenzüberschreitung und körperliche Annäherungen von Lehrkräften gegenüber Schülern explizit verboten seien. In dem Interview sei es nicht darum gegangen, ob Verwandte, familiäre Freunde, Paten oder Eltern zu ihren Kindern zärtlich sein dürften. In dem Interview sei es vielmehr einzig darum gegangen, dass der Beamte auf die Frage, ob er freiwilligen Geschlechtsverkehr zwischen einem sechs- oder siebenjährigen Kind mit einem 40- oder 50jährigen pädophilen Mann befürworte, geantwortet habe, dass er dafür sei, wenn es sich um einvernehmliche Zärtlichkeiten handle. Ein Beamter, noch dazu in seiner Funktion, hätte diese Frage erneut unmissverständlich mit Nein beantworten können und müssen. Stattdessen habe er ausdrücklich einvernehmliche Zärtlichkeiten, die er zwei Antworten vorher unmissverständlich als Synonym für Sexualhandlungen erklärt habe, befürwortet. Die Reaktionen auf das Interview hätten gezeigt, dass auch die breite Öffentlichkeit die Befürwortung einvernehmlicher Zärtlichkeiten ausschließlich als Synonym für Sexualkontakte verstanden habe, obwohl die Öffentlichkeit im Gegensatz zur Einleitungsbehörde den unveröffentlichten Teil des Interviews nicht gekannt habe. Dass sich der Beamte bei seiner inkriminierten Antwort in Gedanken noch bei der vorhergehenden Frage befunden habe, habe sich im Rahmen der vorangegangenen Beweisaufnahmen nicht bestätigt. Im Gegenteil. Die Beweisaufnahmen hätten einheitlich ergeben, dass der Beamte den Einwurf der Reporterin aufmerksam angehört habe, durch Körperhaltung und -sprache (Zurücklehnen und Nicken des Kopfes) zu erkennen gegeben habe, dass er den Einwurf verstanden gehabt habe, also gerade nicht mit den Gedanken woanders gewesen sei, und anschließend klar, ruhig und überlegt auf diesen Einwurf geantwortet habe. Nur Frau V. - wenn überhaupt - hätte die Ausstrahlung des Interviews verhindern können. Sie könne jedoch bestätigen, dass sie der Beamte vor Ausstrahlung des Interviews nicht aufgefordert habe, die Ausstrahlung zu verhindern. Auch sei zu keinem Zeitpunkt vor der Ausstrahlung des Interviews von einer Gefahr der Rufschädigung der Stadt M. die Rede gewesen. Anzumerken sei, dass Frau V. dem Beamten vorab zwar eine Genehmigung für eine Berichterstattung über seine Tätigkeit als Jungenbeauftragter erteilt habe. Das vom Beamten dann tatsächliche gegebene Interview zu seiner Tätigkeit bei der …, der … und zur … sei von dieser Genehmigung jedoch nicht umfasst gewesen. Auch Frau Dr. B. habe der Einleitungsbehörde gegenüber bestätigt, dass sich vor der Ausstrahlung des Interviews niemand an sie gewandt habe. Am … habe Herr G. vor der Sendung in der Rechtsabteilung angerufen und berichtet, dass das …team bei dem Beamten nochmals erschienen sei und ihm das Gedicht und die Satzung der … vorgehalten hätte. Der Beamte habe jedoch keinen Kommentar dazu abgegeben. Von Hereinlegen bzw. Rufschädigung sei nicht die Rede gewesen.

In dem der Beamte für die … als Vorstands- und später Kuratoriumsmitglied innerhalb der …, aber auch medienwirksam nach außen (Fernsehen, Internet) aufgetreten sei, habe er seine beruflichen Funktionen, die sowohl innerhalb der … über die Vereinspublikation „…“ kommuniziert worden seien als auch der Website der … entnommen werden könnten, für die Ziele der … eingesetzt. Der Beamte habe seinen sensiblen dienstlichen Aufgabenbereich in missbräuchlicher Art und Weise mit seinen Aktivitäten bei der … verknüpft. Dafür, dass der Beamte bewusst seine beruflichen Funktionen und das entsprechende Ansehen und Vertrauen in der Öffentlichkeit für die Ziele der … eingesetzt habe, spreche auch, dass der Beamte selbst vor dem Verwaltungsgericht … vorgetragen habe, seinen guten Namen zur Verfügung gestellt zu haben. Zutreffend habe das Verwaltungsgericht festgestellt, dass die Mitgliedschaft und Aktivitäten des Beamten in der … zeigen würden, dass sich dieser die Auffassungen der … zu eigen gemacht und diese gegenüber der Öffentlichkeit vertreten habe. Die konkreten Auffassungen der … zum Thema Sexualität zwischen Kindern und Erwachsenen könnten unmissverständlich dem aktualisierten Positionspapier der … entnommen werden. Dass der Diskussionsstand innerhalb der … ausweislich der Website der … als nicht abgeschlossen gelte, ändere nichts daran, dass das Positionspapier den derzeitigen Diskussionsstand bis heute unverändert wiedergebe. Nachdem die … auf den S. 1/2 des Positionspapiers ausdrücklich betone, dass es sich hierbei um das Positionspapier der … handle, sei es auch völlig unerheblich, ob das Positionspapier von der Gesamtorganisation beschlossen worden sei oder nicht. Feststehe, dass sich die … dieses bewusst und gewollt als offizielles Positionspapier zu Eigen gemacht habe. Wie der Bayerische Verwaltungsgerichtshof in seinem Beschluss vom 31. Oktober 2006 zutreffend ausgeführt habe, müsse der Beamte in Kauf nehmen, dass ihm veröffentlichte Positionen, die in erkennbarem Zusammenhang mit innerhalb der … geführten Diskussionen stünden und brisante Themen behandelten, zugerechnet würden, auch wenn er sie vielleicht nicht kennen möge. Zuletzt habe der Beamte im Rahmen des …interviews für die Sendung … nicht nur zu dem Positionspapier Stellung genommen und betont, dass er sich (mangels Kenntnis) von diesem nicht distanzieren wolle, sondern durch sein Befürworten von einvernehmlichen Zärtlichkeiten zwischen einem sechs- oder siebenjährigen Kind mit einem 40- oder 50-jährigen pädophilen Mann auch genau die Auffassungen der … in der breiten Öffentlichkeit vertreten, die im Positionspapier niedergelegt seien. Darüber hinaus zeige sich am Beispiel der Ethik-Klausur, dass der Beamte die Auffassungen der … nicht nur in der Öffentlichkeit vertrete, sondern sogar in den Unterricht hineingetragen habe.

Ziel der Broschüre „…“ der … sei gewesen, Sexualität zwischen Erwachsenen und Kindern mit Hilfe quasi-wissenschaftlicher Argumente zu bejahen und zu idealisieren - ganz im Sinne der Positionen für die … stehe. Entgegen dem Vorbringen des Verteidigers greife das Berufen auf die Freiheit der Kunst und damit den Freiraum des Art. 5 GG nicht durch; auf einem wie auch immer gearteten Wert des Gedichts komme es vorliegend gerade nicht an. Disziplinarrechtlich relevant sei vielmehr, dass der Beamte dieses Gedicht unter Angabe seines Namens sowie aller dienstlichen Funktionen bei der … in der Broschüre veröffentlicht habe. Disziplinarrechtlich relevant sei weiter, dass der Beamte, der offen firmierend als Lehrer und zentraler Fachkoordinator für … ein solches Gedicht auch noch in einer solchen Broschüre veröffentlicht habe, dann „als Künstler“ genau die Werte und Überzeugungen in Frage stelle, verhöhne und verspotte, die er beruflich Kindern und Jugendlichen jederzeit eindeutig und absolut uneingeschränkt zu vermitteln habe.

Auch eine unglückliche Wortwahl aufgrund der angeblichen Anspannung könne nicht erklären, wie die … darauf gekommen sei, dem Beamten auf ihrer Website im Rahmen des Newsletters … explizit dafür zu danken, dass dieser es ermöglicht habe, dass diese Konferenz nun in den Räumen der … habe stattfinden können. Vor diesem Hintergrund sei es auch völlig unglaubwürdig, dass der Beamte lediglich den Raum aufgeschlossen, den Schlüssel übergeben und ein bayerisches „Grüß Gott“ getätigt haben solle.

Die fachliche Bewertung der Ethikklausur obliege einzig und allein dem zuständigen Ministerialbeauftragten. Seine fachliche Bewertung der Ethikklausur sei für die Einleitungsbehörde bindend, so dass das vom Beamten vorgelegte Gutachten von Prof. Dr. K. oder das Arbeitsbuch von Dr. … P. völlig unerheblich seien. Der Stadt M. komme bei Fragen der Werteerziehung der Schüler an den ihren Schulen das letzte Wort zu, ohne dass der Beamte als bei der Stadt M. bediensteter Lehrer hier für sich einen durch ein eigenständiges Recht garantierten Freiraum reklamieren könne. Der Ministerialbeauftragte habe den Inhalt der Ethikklausur beanstandet. Auch hinsichtlich der Korrektur der Klausur habe er ausgeführt, dass diese völlig unzulänglich sei und in keiner Weise den Anforderungen entspreche. Auf Nachfrage habe das Schul- und Kultusreferat mit Schreiben vom 30. Juni 2009 nochmals ausdrücklich mitgeteilt, dass Leistungserhebungen nicht mit Bleistift korrigiert werden dürften. Um Täuschungsversuche seitens der Schüler zu unterbinden, habe die Korrektur immer dokumentenecht zu erfolgen.

Das Dienstvergehen habe sich in erheblicher Weise negativ auf das Ansehen der … in der Öffentlichkeit ausgewirkt und habe das Vertrauen seiner Dienstherrin sowie der Allgemeinheit massiv erschüttert. Da der Beamte seine Äußerungen im Rahmen eines …interviews getätigt habe, habe er bewusst in Kauf genommen, dass diese in der breiten Öffentlichkeit bekannt und von sämtlichen Medien über die Landesgrenzen hinaus aufgegriffen würden. Die damit verbundene Rufschädigung der Stadt M. sei ihm daher unmittelbar zuzurechnen. Das Vertrauen der Allgemeinheit in die Zuverlässigkeit der Beamten sei durch die hier in Rede stehenden Ereignisse in hohem Maße beeinträchtigt worden. Vor diesem Hintergrund sei bei der Bemessung der Disziplinarmaßnahme auch dem Gesichtspunkt der Generalprävention Rechnung zu tragen. Das bisherige dienstliche Verhalten des Beamten sei im Rahmen der Erfüllung der Dienstpflichten zu erwarten. Hinzu komme, dass der Beamte bis heute keinerlei Einsicht in die Dienstpflichtwidrigkeit seines Handelns zu erkennen gegeben habe. Dem Beamten stehe auch nicht der Milderungsgrund des Handelns in einer psychischen Ausnahmesituation zur Seite. Soweit der Beamte sich darauf berufen habe, dass er von der Reporterin überrumpelt worden sei, habe sich dieser Einwand weder in der Untersuchung vor dem Untersuchungsführer noch in den Beweisaufnahmen vor dem Verwaltungsgericht … bestätigt. Auch der Milderungsgrund der einmaligen persönlichkeitsfremden Gelegenheitstat sei nicht gegeben. Die Tathandlung des Beamten sei weder einmalig noch persönlichkeitsfremd gewesen. Der Beamte habe sich über einen Zeitraum von insgesamt zehn Jahren für die Interessen pädophiler Menschen eingesetzt und sich deren Argumentionen bedient, sei es im Rahmen seiner Tätigkeit für die …, die …, bei der Erstellung der sog. Dilemma-Aufgabe oder seines Gedichtes. Auch seien die Einlassungen im Rahmen des Fernsehinterviews keineswegs spontan oder unüberlegt, quasi kurzschlussartig erfolgt. Der Beamte habe sich vielmehr in Ruhe jede Frage angehört und habe anschließend klar, ruhig und überlegt geantwortet.

Der Beamte hat hierzu ausgeführt, die Einleitungsbehörde habe erneut nicht ansatzweise versucht, das nach dem Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 3. August 2005 notwendige Gesamtbild zu gewinnen. Beim …interview gehe es um einen einzigen, missverstandenen Satz des Beamten, der in diesem missverstandenen Sinne in keiner Weise mit auch nur einer einzigen Äußerung des Beamten in seiner jahrzehntelangen Tätigkeit in Verbindung gebracht werden könne und ohne den es dieses Verfahren überhaupt nicht gegeben hätte. Der Beamte räume ein, bei seiner Antwort (auf die vorhergehende Frage) nicht auf die aktuelle Frage der Interviewerin geantwortet und damit dieses Missverständnis verursacht zu haben. Es handle sich also um ein offensichtliches Augenblicksversagen und niemand könne dem Beamten vorwerfen, sich in anderem Zusammenhang ähnlich geäußert zu haben. Zum Zustandekommen des Interviews werde auf die Stellungnahmen des Beamten vom 21. Juli 2004 bzw. 22. Juli 2004 sowie seine eidesstattliche Versicherung vom 2. August 2004 verwiesen. Für den Beamten sei das Thema der Sendung „Zärtlichkeiten“ gewesen. Zu diesem Thema habe sich der Beamte ständig geäußert. Auch in einer Veröffentlichung der Stadt M. aus dem … habe der Beamte seine Vorstellungen zum Thema „Zärtlichkeit und Sexualität“ zusammengefasst, ohne dass irgendjemand auch nur ansatzweise auf den Gedanken verfallen wäre, diese Vorstellungen zu inkriminieren. Nur als absurd bezeichnet werden könne deshalb auch die Behauptung, für den Beamten würden die Begriffe „Zärtlichkeit“ einerseits und „Sexualität“ andererseits ein Synonym darstellen. Soweit die Einleitungsbehörde versuche, sich auf Reaktionen der breiten Öffentlichkeit zu berufen, habe sie des weiteren übersehen, dass diese Reaktionen sich auf die tendenziöse Berichterstattung in den Medien beziehen würden, der ungeprüft geglaubt worden sei. Im Übrigen gebe es auch genug Stimmen von Menschen, die den Beamten gekannt und sich für ihn ausgesprochen hätten. Dies werde aber nicht berücksichtigt. Ebenfalls stehe fest, dass es keine einzige Äußerung von damaligen oder früheren Kollegen des Beamten, damaligen oder früheren Schülern oder Eltern oder Vorgesetzten gebe, die sich gegen den Beamten ausgesprochen hätten.

Die Behauptung der Einleitungsbehörde, die … würde eine Lobbyfunktion für Pädophilie übernehmen, sei ebenfalls unzutreffend. Richtig sei, dass ein entsprechender, allerdings nicht berechtigter Vorwurf erst in jüngster Zeit erhoben worden sei. Richtig sei, dass die … aus den von ihr dargelegten Gründen die weitere Zusammenarbeit mit der … eingestellt habe. Dasselbe gelte übrigens für den Beamten, der bereits am …, also vor der erwähnten Erklärung der … vom … seinen Austritt aus der … erklärt habe. Die Einleitungsbehörde klammere sich an ein Positionspapier einer Untergruppe der …, welches der Beamte weder gekannt noch gebilligt habe und auch von der Gesamtorganisation nicht gebilligt worden sei. Die Einleitungsbehörde stütze ihre Vorwürfe gegen den Beamten auf eine Art Sippenhaftung. Extrem einseitig sei auch der Versuch der Einleitungsbehörde, entgegen der Intention der Herausgeber der Broschüre „…“ eine Zielrichtung zu geben. Es komme also gar nicht mehr darauf an, dass diese Broschüre selbstverständlich unterschiedliche Beiträge enthalte, wobei das vom Beamten verfasste Gedicht unter dem Kunstvorbehalt des Art. 5 Abs. 3 GG stehe. Hinsichtlich der …-Tagung sei nicht berücksichtigt worden, welchen Beitrag der Beamte zu der Tagung tatsächlich geleistet habe und all dies nicht etwa aus eigener Initiative heraus, sondern auf ausdrückliche Bitte der verhinderten …. Im Übrigen habe sich die … keineswegs bei dem Beamten, sondern bei der Gastgeberin, also der … bedankt. Wie es zu der Internetveröffentlichung gekommen sei, könne der Beamte nicht sagen. Ihm selbst sei diese Veröffentlichung erstmals im Rahmen des Fernsehinterviews bekannt geworden. Auch bezüglich der Fachtagung … fehle schlicht und einfach ein Ansatz dafür, dass der Beamte die Veröffentlichung seiner dienstlichen Kontaktadressen veranlasst habe.

IV.

Mit Schreiben vom 28. Juli 2011 wies der Senat den Verteidiger des Beschuldigten darauf hin, dass bei einer Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gemäß Art. 26 BayDO, §§ 44, 45 StPO dem Beamten ein etwaiges Verschulden seines Verteidigers nicht zuzurechnen sei. Die Voraussetzungen einer Wiedereinsetzung seien im Hinblick auf den Beschuldigten darzustellen und glaubhaft zu machen. Mit Schriftsatz vom 8. August 2011 erklärte der Verteidiger des Beschuldigten, dass den Beamten keinerlei Verschulden an der nicht formgerechten Berufungseinlegung treffe und beantragte erneut die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand. Am 12. August 2011 versicherte der Beschuldigte eidesstattlich, er habe nicht bemerkt, dass sein Verteidiger in der Berufungsschrift nicht explizit Berufungsanträge aufgeführt habe.

In der mündlichen Verhandlung am 15. Dezember 2011 gab der Senat durch Beschluss dem Wiedereinsetzungsantrag statt.

Gemäß Art. 61 b Abs. 1 BayDO hat der Senat die Anschuldigungspunkte 3 (Veröffentlichung seiner Erfahrungen mit Jungenarbeit), 6 (Fachtagung …/…) und 8 (Verstoß gegen die Wahrheitspflicht) durch Beschluss in der mündlichen Verhandlung ausgeklammert und das Verfahren auf die übrigen Vorwürfe beschränkt.

Die in der mündlichen Verhandlung vom Beschuldigten gestellte Beweisanträge hat der Senat als nicht entscheidungserheblich abgelehnt, da die Beweistatsachen als wahr unterstellt werden.

Ergänzend wird auf die Gerichts- und vorgelegten Behördenakten Bezug genommen. Dem Gericht lagen die Disziplinarakten, die Personalakten des Beschuldigten, der Abschlussbericht des Untersuchungsführers vom 18. April 2008, die Vorermittlungsakten, die Akten der Landeshauptstadt München über die gerichtlichen Verfahren betreffend Umsetzung, Fürsorge und Anordnung einer ärztlichen Untersuchung, ferner die Akten des Verwaltungsgerichts München aus den Verfahren M 5 E 04.5140, M 5 E 04.6379, M 5 K 05.990, M 5 K 05.2068, M 5 E 05.2343, M 5 K 06.1429, M 5 M 07.1568, M 13 DE 04.6220 und die Akten des Verwaltungsgerichtshofs aus den Verfahren 3 CE 05.811 und 3 ZB 06.231 vor.

Gründe

Die zulässige Berufung hat in der Sache teilweise Erfolg und führt zu einer Kürzung des Ruhegehalts um ein Zehntel auf die Dauer von drei Jahren.

I.

Das Disziplinarverfahren ist gemäß Art. 78 Abs. 3 BayDG nach den Vorschriften des bisherigen Rechts, d.h. der Bayerischen Disziplinarordnung (BayDO) fortzuführen.

1. Die Berufung ist in Anwendung der BayDO zulässig. Dem Ruhestandsbeamten war in der mündlichen Verhandlung antragsgemäß Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Frist für eine formgerechte Berufungseinlegung zu gewähren.

Gemäß Art. 26 Satz 1 BayDO sind die Vorschriften der StPO u.a. für die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand anzuwenden, soweit nicht die Eigenart des Disziplinarverfahrens entgegensteht. An die Stelle der in § 45 Abs. 1 Satz 1 StPO genannten Antragsfrist von einer Woche tritt eine Frist von zwei Wochen (Art. 26 Satz 2 BayDO).

Gemäß Art. 74 Abs. 1 BayDO steht dem Beamten gegen Urteile des Verwaltungsgerichts die Berufung an den Verwaltungsgerichtshof zu. Sie ist innerhalb eines Monats nach Zustellung einzulegen. In der Berufungsschrift ist das angefochtene Urteil zu bezeichnen und anzugeben, inwieweit es angefochten wird und welche Änderungen beantragt werden (Berufungsanträge), Art. 74 Abs. 1 Satz 5 BayDO.

Letzteres hat der Verteidiger des Ruhestandsbeamten in seinem fristgemäß eingegangenen Berufungsschriftsatz vom 28. Juli 2009 versäumt. Mit Schriftsatz vom 13. Oktober 2009 hat er das Versäumnis unter Stellung formgerechter Berufungsanträge und unter vorsorglicher Stellung eines Wiedereinsetzungsantrags mit der Begründung, er habe infolge von Arbeitsüberlastung das Stellen von Berufungsanträgen übersehen, mitgeteilt und die Richtigkeit der vorgetragenen Tatsachen an Eidesstatt versichert.

Eine Auslegung des Berufungsschriftsatzes vom 28. Juli 2009, inwieweit das Urteil angefochten werde und welche Änderungen beantragt würden, ist nicht möglich. Nachdem der Schriftsatz sich auf die Berufungseinlegung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts beschränkt, lässt sich dem Schriftsatz nicht entnehmen, in welchem Umfang das Rechtsmittel (beschränkt oder unbeschränkt) eingelegt werden sollte und welche Anträge gestellt werden sollten (Freispruch oder mildere Disziplinarmaßnahme).

Unter Aufgabe der vom Senat zwischen 1999 und 2007 (vgl. Beschluss des Senats vom 22.10.1999, Az. 16a D 99.2696; Beschluss des Senats vom 26.06.2007 Az. 16a D 07.1388, jeweils <juris>) vertretenen Rechtsansicht finden jedoch die Regeln der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand auf den Fall eines solchen Formmangels bei der Berufungsschrift Anwendung. Dies entspricht der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (Beschluss vom 11.02.2011 Az. 2 WD 1/11 <juris>, Beschluss vom 09.12.1975, Az. 1 DB 17.75, DokBerB 1976, 126), der sich der Senat anschließt und die er bereits vor 1999 vertreten hatte (vgl. BayVGH Beschluss vom 11.03.1998 16 D 97.3727 <juris>). Zwar finden vom Gesetzeswortlaut her die Wiedereinsetzungsvorschriften nur auf die Versäumung von Fristen Anwendung. Damit würde aber im Fall einer „echten“ Fristversäumung der Betroffene besser gestellt werden als im vorliegenden Fall der „unechten“ Fristversäumnis, was im Hinblick auf Sinn und Zweck der Wiedereinsetzungsvorschriften - Einschränkung der Rechtssicherheit zugunsten des Rechtsstaatsprinzips und der materiellen Gerechtigkeit - unangemessen wäre (vgl. zu weiteren Anwendungsfällen Kopp/Schenke, VwGO, 17. Aufl., § 60 VwGO Anm. 3 a E.).

Die Voraussetzungen der Wiedereinsetzung gemäß Art. 26 BayDO, § 44 f. StPO sind erfüllt. Bei der Prüfung der Frage, ob einen Beamten an der Fristversäumung gemäß § 44 StPO ein Verschulden trifft, ist dem Beamten auch im Disziplinarrecht ein Verschulden seines Verteidigers nicht zuzurechnen (BVerwG, Beschluss vom 18.03.1991, Az. 1 DB 1/91 <juris>).

Vorliegend beruht die Säumnis auf einem Verschulden des Verteidigers, da die vorgetragene Arbeitsüberlastung nur in hier nicht dargelegten Ausnahmefällen das Verschulden des Bevollmächtigten ausschließt. Ein mitwirkendes Verschulden des Ruhestandsbeamten liegt dagegen nicht vor, er hat nicht gegen seine Sorgfaltspflichten verstoßen. Er hat zwar das Urteil mit der zutreffenden Rechtsmittelbelehrung selbst zugestellt bekommen. Mit der Beauftragung eines nicht erkennbar unzuverlässigen Rechtsanwalts hat der Beamte aber seine ihn treffenden Sorgfaltspflichten erfüllt. Zur Überwachung des Verteidigers war er nicht mehr verpflichtet (vgl. BayVGH, Beschluss vom 10.12.2003 Az. 16a D 03.2668 <juris>). Die übrigen Voraussetzungen der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand sind erfüllt. Falls der Ruhestandsbeamte erst mit Schriftsatz des Gerichts vom 28. Juli 2011 von der Unzulässigkeit der Berufung erfahren hat und damit das Hindernis erst mit Kenntnis dieses Schriftsatzes weggefallen ist, ist die mit Schriftsatz vom 8. August 2011 beantragte Wiedereinsetzung direkt gemäß § 44 f. StPO zu gewähren. Falls der Beamte bereits den Schriftsatz seines Bevollmächtigten vom 13. Oktober 2009 erhielt, ist Wiedereinsetzung unter Wiedereinsetzung in die Wiedereinsetzungsfrist zum Antrag vom 13. Oktober 2009 zu gewähren, da von dem Ruhestandsbeamten nicht erwartet werden kann, dass er die Maßgeblichkeit seines Verschuldens hätte erkennen müssen, mithin dieses Hindernis erst mit dem Schreiben des Gerichts vom 28. Juli 2011 entfallen ist und seine eidesstattliche Versicherung vom 11. August 2011 fristgemäß einging. Die Verursachung der Säumnis durch den Verteidiger wird von Verteidiger bestätigt. Angesichts dieser zum gleichen Ergebnis führenden Alternativen sah der Senat keine Veranlassung, den Wiedereinsetzungsantrag des Beschuldigten mangels Angaben zum Zeitpunkt des Wegfalls des Hindernisses als unzulässig abzuweisen. Wie der Beamte in der mündlichen Verhandlung angegeben hat, weiß er nicht, ob er den Schriftsatz seines Verteidigers vom 13. Oktober 2009 erhalten hat, der Verteidiger kann die Übersendung des Schriftsatzes an seinen Mandanten nicht mit Sicherheit bestätigen. Angesichts der Tatsache, dass in beiden Sachverhaltsalternativen Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren ist, kann der konkrete Sachverhalt offen bleiben (vgl. auch BVerfG, Kammerbeschluss vom 30.3.1995, 2 BvR 2119/94).

2. Das Disziplinarverfahren weist in formeller Hinsicht keine Mängel auf. Solche sind auch nicht vorgetragen. Die Rügen des Beamten sind materiell-rechtlicher Natur, nämlich auf die Bewertung des vorgetragenen und ermittelten Sachverhalts gerichtet.

II.

Die vom Verwaltungsgericht festgestellten Sachverhalte, soweit sie nach der Beschränkung des Disziplinarverfahrens gemäß Art. 61 b, Art. 77 Satz 1 BayDO durch Beschluss in der mündlichen Verhandlung am 15. Dezember 2011 noch verfahrensgegenständlich sind, sind im Wesentlichen auch zur Überzeugung des Senats erwiesen.

Anschuldigungspunkt 1:

Der Ruhestandsbeamte hat in der …-Sendung „…“, die am … ausgestrahlt wurde, unter Nennung seines Amts und seiner dienstlichen Funktionen einvernehmliche Zärtlichkeiten zwischen pädophilen Erwachsenen und Kindern befürwortet.

Dieser Sachverhalt wird vom Ruhestandsbeamten nicht bestritten. In der mündlichen Verhandlung am 15. Dezember 2011 hat er erneut erklärt, er sei bei der Ausstrahlung der Sendung am … völlig überrascht über den Inhalt seiner Äußerungen gewesen. Dem Senat obliegt im Rahmen der Feststellung des Sachverhalts wegen der verfassungsrechtlichen Verbürgung der Meinungsfreiheit (Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG) auch die Deutung des Sinnes der dem Beamten vorgeworfenen Äußerungen auf die Fragen der Reporterin. Aus Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG ergeben sich Anforderungen an die Bewertung umstrittener Äußerungen insoweit, als diese mit dem Ziel gedeutet werden müssen, ihren objektiven Sinn zu ermitteln. Maßgeblich ist dabei weder die subjektive Absicht des Äußernden, noch das subjektive Verständnis der Adressaten der Äußerung. Entscheidend ist der Sinn, den die Äußerung nach dem Verständnis eines unvoreingenommenen und verständigen Publikums hat. Dabei ist von dem Wortlaut auszugehen, der aber den Sinn nicht abschließend festlegt. Dieser wird vielmehr auch von dem sprachlichen Kontext, in dem die umstrittene Äußerung steht, und den Begleitumständen, unter denen sie fällt, bestimmt, soweit diese Umstände für die Rezipienten erkennbar sind (BVerwG, Urteil vom 20.02.2001, Az. 1 D 55/99, RdNr. 16 <juris>; BVerwG, Urteil vom 22.10.2008, Az. 2 WD 1/08 RdNr. 34 <juris>).

Daran gemessen ist die umstrittene Äußerung eindeutig in oben genanntem Sinne zu verstehen. Im Interview erkennbare Anhaltspunkte dafür, dass der Ruhestandsbeamte sich so nicht äußern wollte, bestehen nicht.

Anschuldigungspunkt 2:

Der Beschuldigte ist unter Nennung seiner dienstlichen Positionen als Vorstand und Kurator für die Interessen der … im Interview und im Internet aus objektiver Sicht eingetreten. Objektiv sind dem Beschuldigten als Vorstand und Kurator die veröffentlichten Positionen der … zuzurechnen. Er hat seine Vereinsmitgliedschaft und seine Funktionen innerhalb der … ab 1997 seiner Dienstherrin nicht offenbart.

Anschuldigungspunkt 4:

Der Beamte hat in der Broschüre der … „…“ aus dem Jahr … sein Gedicht „…“ unter Angabe seiner - damaligen -Funktionen bei der Stadt M. veröffentlicht.

Anschuldigungspunkt 5:

Der Beamte hat in der …sendung am … erklärt, er habe die …. Tagung der … am … mitorganisiert, die in Räumen der … in … stattfand. Tatsächlich sperrte er die Räume wegen Verhinderung … auf. Der Senat hält die entsprechende Schilderung des Beschuldigten für glaubhaft. Sie ist aufgrund der Darstellung des damaligen … (S. 92 d. Akte d. VG) plausibel und entspricht im Übrigen den Einlassungen des Beamten bereits bei der ersten Anhörung am 27. Juli 2004 (S. 837 d. Vorermittlungsakte II). Warum die … dem Ruhestandsbeamten unter ausdrücklicher Nennung seines Namens im Internet-Protokoll gedankt hat, konnte schon vom Untersuchungsführer aufgrund der Anonymität dieses Protokolls nicht weiter aufgeklärt werden. Das Internet-Protokoll enthält jedoch ebenfalls das von der Versammlung verfasste Dankschreiben an die …, was für die Darstellung des Beamten spricht. In der Gesamtschau der Indizien ist die Darstellung des Ruhestandsbeamten plausibel und damit glaubhaft, so dass seine Angaben im Interview, er habe die Veranstaltung „mitorganisiert“, als falsche Wortwahl zu bewerten sind. Die vom Ruhestandsbeamten beantragte Beweiserhebung durch Vernehmung u.a. der … war deshalb nicht erforderlich.

Anschuldigungspunkt 7:

Im Januar 2004 stellte der Beamte in der 12. Klassenstufe eine Ethikklausur mit einer sog. Dilemma-Aufgabe, die sexuelle Kontakte eines Vaters zu seinem Kind thematisierte. Die Korrektur war hinsichtlich Punkteschlüssels, Transparenz sowie Verwendung eines Bleistifts zu beanstanden.

III.

Die festgestellten Sachverhalte sind disziplinarisch wie folgt zu bewerten:

Anschuldigungspunkt 1:

Die maßgebliche Äußerung des Ruhestandsbeamten in der Sendung … am … stellt eine innerdienstliche, grob-fahrlässige Verletzung der Pflicht zu achtungs- und vertrauenswürdigem Verhalten (Art. 64 Abs. 1 Satz 3 BayBG a.F. zum Tatzeitpunkt; seit 1.4.2009 § 34 Satz 3 BeamtStG) dar.

Der Ruhestandsbeamte handelte innerdienstlich, weil er sich in seiner Stellung als Lehrer und Jungenbeauftragter vom … interviewen ließ (vgl. BVerwG, Urteil vom 19.08.2010, Az. 2 C 5/10 <juris>).

Diese Äußerung stellt eine schwere Pflichtverletzung des Beamten dar.

Art. 64 Abs. 1 Satz 3 BayBG a.F. und § 34 Satz 3 BeamtStG normieren als einfach- rechtliche Umsetzung eines hergebrachten Grundsatzes des Berufsbeamtentums i.S.v. Art. 33 Abs. 5 GG bestimmte Anforderungen an das Verhalten von Beamten. Sie gelten in besonderem Maße für einen Lehrer, noch dazu in herausgehobenen Funktionen. Seine spezifische Erziehungsaufgabe verbietet ein inner- oder außerdienstliches Verhalten, das Anlass zu Zweifeln an seiner Eignung gibt. Der Ruhestandsbeamte wird vorliegend nicht durch die verfassungsrechtliche Gewährleistung der Meinungsfreiheit geschützt. Sie ist nicht ohne Einschränkungen gewährleistet. Sie findet ihre Schranke u.a. in den Vorschriften der allgemeinen Gesetze (Art. 5 Abs. 2 GG). Die von Art. 33 Abs. 5 GG gedeckten Regelungen des Beamten- und Disziplinarrechts sind allgemeine Gesetzes im Sinne des Schrankenvorbehalts (BVerwG, Urteil vom 20.02.2001, 1 D 55/99 <juris>). Das Gebot des verhältnismäßigen Ausgleichs des Grundrechts und seiner Einschränkung ist hier gewahrt. Die öffentliche, an einen großen Empfängerkreis gerichtete Äußerung des Beamten steht in krassem Widerspruch zu seinen Aufgaben als Lehrer und überschreitet die von Art. 64 Abs. 1 Satz 3 BayBG a.F. der Meinungsfreiheit gezogene Grenze.

Der Senat konnte jedoch nicht die erforderliche Überzeugung gewinnen, dass der Ruhestandsbeamte vorsätzlich handelte.

Vorsatz bedeutet Wissen und Wollen des der Dienstpflichtverletzung zugrundeliegenden Sachverhalts (im Einzelnen ausführlich BVerwG, Urteil vom 22.10.2008, 2 WO 1/08, RdNr. 48 <juris>). Vorliegend müsste der Ruhestandsbeamte mithin den objektiven Erklärungsgehalt seiner Äußerung gekannt und gewollt haben, wobei hinsichtlich des Wollens ein sich Abfinden mit dem Eintreten des Erfolges genügt.

Der Ruhestandsbeamte macht seit seiner ersten Anhörung am 27. Juli 2004 geltend, er habe das Wort „Pädophiler“ nicht gehört, er sei in Gedanken noch bei seiner vorigen Antwort gewesen. Diese Darstellung hält der Senat nicht für überzeugend: Wie bereits im Beschluss des 3. Senats vom 31. Oktober 2006 (Az. 3 ZB 06.231) ausgeführt, nahm Pädophilie einen erheblichen Teil des Interviews ein. Dem Beamten wurde genügend Zeit für seine Äußerungen eingeräumt. Eine Kontrolle seiner aufgenommenen Aussagen und eine Löschung wäre ihm möglich gewesen. Bereits auf die - nicht gesendete - Frage der Reporterin, ob er es gut finde, dass sich die … dafür einsetze, dass Pädophile ihre Sexualität ausleben dürften, beantwortet der Ruhestandsbeamte damit, dass das von der Definition von Sexualität abhänge. Die verfahrensgegenständliche, gesendete Äußerung folgt inhaltlich der bereits zuvor gegebenen Antwort. Der Senat ist deshalb der Überzeugung, dass der Ruhestandsbeamte diese Äußerung bewusst gemacht hat, d.h. er wusste, was er objektiv äußerte.

Es kann aber nicht mit der erforderlichen Gewissheit der Nachweis erbracht werden, dass der Beamte den objektiven Erklärungsgehalt seiner Äußerung auch so wollte im Sinne eines Sichabfindens, Inkaufnehmens, Billigens oder Fürmöglichhaltens des Erfolgs. Nach dem im Disziplinarrecht geltenden Grundsatz „in dubio pro reo“ ist der Schuldvorwurf deshalb auf eine fahrlässige Tatbegehung zu begrenzen.

Ausschlaggebend für die fehlende Überzeugung des Senats ist die Tatsache, dass der Ruhestandsbeamte in seiner 30-jährigen Dienstzeit bis zur Ausstrahlung des Interviews offensichtlich keine vergleichbare Äußerung abgegeben hat. Der Ruhestandsbeamte ist über 20 Jahre lang überdurchschnittlich beurteilt und in der Folge davon befördert worden. Er war Lehrer im Fach … und bei vielen Veranstaltungen im Bereich der Sexualerziehung tätig. Mit anderen Worten: Eine zu beanstandende Einstellung des Ruhestandsbeamten zur Pädophilie wäre nach Einschätzung des Senats durch Reaktionen von Schülern, Eltern, Veranstaltungsteilnehmern ect. bereits früher aktenkundig geworden. Das ist aber nicht der Fall.

Eine Überzeugung des Wollens des Erfolges im o.g. Sinne seitens des Beschuldigten ergibt sich für den Senat auch nicht aus den übrigen Disziplinarvorwürfen.

Es kann kein Beweis erbracht werden, dass der Beschuldigte das Positionspapier der … als Vorstand oder Kurator veröffentlicht oder gebilligt hat (s. unten 2.). Vom Gedicht „…“ auf eine zu beanstandende Haltung des Ruhestandsbeamten zur Pädophilie zu schließen, ist nicht möglich. In der Literatur ist die Darstellung aller Facetten des menschlichen Seins, mögen sie auch noch so verwerflich oder strafrechtlich relevant sein, üblich und deshalb ungeeignet, Rückschlüsse auf die persönlichen Ansichten des Autors zu ziehen (siehe auch die vom Ruhestandsbeamten vorgelegten Stellungnahmen der Professoren … vom 10. Mai 2005 und 18. Mai 2005, S. 88ff d. Disziplinarakte I). Der Senat hält es auch nicht für möglich, aus den übrigen Beiträgen in der Broschüre auf eine zu beanstandende Haltung des Ruhestandsbeamten zu schließen, zumal ihm nach seinen Angaben die anderen Beiträge erst nach der Herausgabe bekannt wurden. Das „Mitorganisieren“ der …-Tagung … beschränkte sich auf ein Aufschließen der Räume. Das Aufschließen erfolgte auf Bitte …, weil … an jenem Wochenende verhindert war (s. unten 4). Die Dilemma-Aufgabe der Ethikklausur ist inhaltlich disziplinarrechtlich nicht zu beanstanden (s. unten 5).

Damit verbleibt eine einzige bekannte Äußerung des Ruhestandsbeamten, die disziplinarrechtlich zu beanstanden ist. Sie genügt in der Gesamtschau der Umstände nicht, dem Senat die erforderliche Gewissheit für das „Wollen“ dieser Äußerung seitens des Beschuldigten zu erbringen. Nach dem Grundsatz „in dubio pro reo“ ist daher von einer grob fahrlässigen Pflichtverletzung durch den Beschuldigten auszugehen.

Anschuldigungspunkt 2:

1. Das objektiv vorliegende Eintreten für die Interessen der … sowohl im Interview als auch als Vorstand und Kurator unter Angabe seiner dienstlichen Funktion ist als grob fahrlässige innerdienstliche Verletzung der Pflicht zu achtungs- und vertrauenswürdigem Verhalten (Art. 64 Abs. 1 Satz 3 BayBG a.F.) zu werten. Das Interview hat der Ruhestandsbeamte innerdienstlich gegeben. Die in dem Positionspapier der … vertretenen Auffassungen sind mit den Pflichten des Beschuldigten als Lehrer mit herausgehobenen Funktionen zu achtungs- und vertrauenswürdigem Verhalten nicht vereinbar. Das Positionspapier gipfelt in der Forderung, dass einvernehmliche und verantwortliche sexuelle Handlungen, weil sie nicht schädigen würden, auch zwischen Erwachsenen und Kindern nicht mehr strafbar sein dürften.

Dem Ruhestandsbeamten kann jedoch nicht nachgewiesen werden, dass er das fragliche Positionspapier der … bis zu dem Interview … kannte. Dafür sprechen seine unmittelbare Reaktion bei der Konfrontation mit dem Papier und den Positionen der … durch die Reporterin (vgl. Schilderung des Interviewablaufs durch die Reporterin, S. 821, Vorermittlungsakte II), seine Angaben bei der ersten Anhörung am 27. Juli 2004 (S. 51 der Disziplinarakte II) sowie sein Austritt aus der … am … nach unbestrittener Kenntnisnahme der veröffentlichten Positionen.

Ein früherer Kenntniszeitpunkt ist dem Beschuldigten nicht nachzuweisen. Das fragliche Positionspapier (S. 442 der Vorermittlungsakte I) gibt zwar als Überarbeitungsdatum 1998/99 an und wird als Positionspapier der … dargestellt, nach den Ermittlungsunterlagen ist jedoch kein Beweis vorhanden, dass dieses Papier während der Zeit des Ruhestandsbeamten als Vorstand von diesem (oder der …-…) gebilligt und zur Veröffentlichung freigegeben wurde, was der Ruhestandsbeamte auch bestreitet. Laut Protokoll der 15. Versammlung der … am 26./27. Juli 1997 (S. 267 der Vorermittlungsakte I) forderte die Versammlung die Mitgliederversammlung der … auf, das Positionspapier „…“ in überarbeiteter Form neu aufzulegen, verbunden mit einem Antrag an den Vorstand, die Neuauflage des Positionspapiers durch Aufforderung der Mitglieder zur Einreichung von Änderungsvorschlägen vorzubereiten. Laut Protokoll der 16. Versammlung am 12. Dezember 1998 (S. 273 der Vorermittlungsakte I) sei die Schrift überarbeitet worden. Es bestehe noch kein Konsens in der …, man warte auf eine Stellungnahme des Kuratoriums. Es sei diskutiert worden, ob die alte Fassung in der Homepage veröffentlicht werden solle, jedoch ohne Beschluss. Es sei beschlossen worden, dass die nächste …-Mitgliederversammlung die überarbeitete Schrift als ihr Positionspapier zu diesem Thema annehme oder sie an die Urheber zurückgeben solle. Die Urheber würden dann das Papier gegebenenfalls auf einem anderen Wege veröffentlichen. Im Protokoll der 17. Versammlung (wohl Ende 1999) (S. 279 der Vorermittlungsakte I) steht, dass es einen Beschluss des …-… gebe, dass die „alte“ Broschüre ins Archiv gestellt werden solle - auch im Internet verfügbar. Es werde jedoch keine Neuauflage veröffentlicht. Die Versammlung wolle sich erneut für eine Veröffentlichung der Broschüre in der überarbeiteten Fassung einsetzen. In der 19. Versammlung am 8./9. September 2001 ist die Rede von einem Antrag auf der …versammlung der … 2001, dass die … die juristische Verantwortung für ein aufzubauendes Archiv zum Thema Pädosexualität übernehme.

Diesen Protokollen ist demnach nicht zu entnehmen, dass das Positionspapier in der Zeit des Ruhestandsbeamten als Vorstand veröffentlicht und vom Vorstand oder der Mitgliederversammlung der … gebilligt worden wäre. Ebenfalls ist kein Beweis dafür vorhanden, dass der Ruhestandsbeamte als Kurator das Positionspapier der … gekannt, gebilligt oder einer Veröffentlichung zugestimmt hätte. Wann und mit wessen Kenntnis und Billigung es veröffentlicht wurde, ist nicht ersichtlich. Eine vorsätzliche Dienstpflichtverletzung scheidet damit aus.

Dem Beamten ist aber eine fahrlässige Verletzung seiner Dienstpflichten vorzuwerfen. Diese ist sogar als grob fahrlässig, leichtfertig, zu bewerten. Hinsichtlich des Interviews folgt sie schon daraus, dass er sich auf das dienstliche Interview u.a. zum Thema … überhaupt eingelassen hat. Die veröffentlichten Positionen der … hätte der Beamte jedenfalls ab der Aufnahme der … im Jahre 1997 im Hinblick auf seine Dienstpflichten prüfen müssen. Dass er dies unterlassen hat, war grob fahrlässig.

Nach Aktenlage ist es zwar glaubhaft, dass der Beamte sich auf Bitte des … 1994 in den Vorstand der … hat wählen lassen (vgl. auch S. 453 der Vorermittlungsakte I: Grußwort der … an die Mitgliederversammlung der … am 30.10.2004). Eine Verletzung von Dienstpflichten zum damaligen Zeitpunkt lässt sich nicht sicher feststellen, da der von der Einleitungsbehörde für den Zeitpunkt 1994 ermittelte Sachverhalt (Austritt zweier Vorstandsmitglieder) zu wenig aussagekräftig ist.

1997 beantragte jedoch die … ihre Aufnahme in die …. Dort existierte sie als … bis zu ihrer Auflösung durch die Mitgliederversammlung der … im November 2004 (Selbstdarstellung der …, S. 323 der Vorermittlungsakte II; …“, …). Die Aufnahme der … in die … als solches beinhaltet keine mögliche Pflichtverletzung des Beamten, weil sie von der Absicht getragen war, durch eine Selbsthilfegruppe den Missbrauch von Kindern zu vermeiden (vgl. Pressemitteilung der … vom 28.10.1998, S. 404 der Vorermittlungsakte II). Gleichwohl ist dem Beamten vorzuwerfen, dass er im Hinblick auf seine von der … mit seiner Zustimmung publizierten dienstlichen Positionen jedenfalls grob fahrlässig seine Dienstpflichten verletzte, indem er die Tätigkeiten der … in seiner Funktion als Vorstand und später Kurator der … nicht genauestens beobachtete. Die Möglichkeit eines Missbrauchs der … und auch seines Namens verbunden mit seinen bekannten dienstlichen Funktionen durch die Fachgruppe lag auf der Hand. Darüber hinaus hätte die bereits 1997 erschienene …-Schrift „…“, zu der der Beamte unter Angabe seiner dienstlichen Stellung und damaligen Funktion zwei Beiträge leistete, den Beamten zu einer Überprüfung der veröffentlichten Positionen der … veranlassen müssen. Die darin veröffentlichten Beiträge, die dem Beschuldigten nach seinem Vortrag erst nach Erscheinen bekannt wurden, sind jedenfalls zum Teil geeignet, die Eignung eines Lehrers, der darin ebenfalls Beiträge leistet, in Frage zu stellen (z.B. „Erinnerung an unsere erste Begegnung“: Dankschreiben an pädophilen Freund nach 14-jähriger Beziehung; „Nelli – zaghafte Annäherung an ein Mädchen“; „Das öffentliche Bild des Kinderschänders“: Pädophilie sei in erster Linie das Problem des Nicht-Pädophilen der Gesellschaft). Dass er dies unterlassen hat, ist eine grob fahrlässige Dienstpflichtverletzung.

2. Der Beamte hätte seine Tätigkeiten in der … ab 1997 seiner Dienstherrin offenbaren müssen. Die Tätigkeit der … jedenfalls ab 1997 erfolgte in einem sensiblen, öffentlichkeitsrelevanten Bereich, der leicht in Widerspruch zu seinen dienstlichen Aufgaben treten konnte. Die Treuepflicht des Beamten hat deshalb seit 1997 geboten, dass er seine Mitgliedschaft und Funktionen bei der … seiner Dienstherrin mitteilt. Dass er dies unterlassen hat, ist als vorsätzliche innerdienstliche Pflichtverletzung zu werten. Der Beamte kannte 1997 alle Umstände, die seine Handlungspflicht begründeten (seine dienstlichen Aufgaben/ die Angabe seiner dienstlichen Funktionen in Veröffentlichungen der …/ Beitritt der … zur …/ Veröffentlichung der Broschüre „…“ mit Angabe seiner dienstlichen Aufgaben). Ein etwaiger Irrtum über die Handlungspflicht ist ein Gebotsirrtum (§ 17 StGB), dessen Vermeidbarkeit von einem Studiendirektor erwartet werden kann und ihn nicht entlastet.

Anschuldigungspunkt 4:

Die Veröffentlichung des Gedichts „…“ unter Angabe seiner dienstlichen Aufgaben ist als vorsätzliche Verletzung der Pflicht zu achtungs- und vertrauenswürdigen Verhalten zu werten. Sie erfolgte zwar außerdienstlich, erhält aber ihre disziplinarische Relevanz (Art. 84 Abs. 1 Satz 2 BayBG a.F. zum Tatzeitpunkt; seit 1.4.2009 § 47 Abs. 1 Satz 2 BeamtStG) durch den starken Bezug zu seinen dienstlichen Aufgaben.

Die Veröffentlichung dieses Gedichts, das als solches inhaltlich nicht zu beanstanden ist (Art. 5 Abs. 3 GG), jedoch in der Broschüre „…“ unter Angabe seiner dienstlichen Aufgaben erfolgte, ist geeignet, in bedeutsamer Weise den Beamten bei seiner Dienstausübung zu beeinträchtigen. Insofern hätte der Beamte auf seine dienstlichen Aufgaben Rücksicht nehmen müssen, um seine Akzeptanz hinsichtlich seiner Erziehungsaufgabe nicht in Frage zu stellen und eine etwaige Ansehensschädigung seiner Dienstherrin zu vermeiden. Für die Frage der Relevanz des außerdienstlichen Verhaltens genügt die bloße Eignung zur Ansehensschädigung (BVerwG, Urteil vom 19.08.2010, Az. 2 C 5/10 <juris>).

Diese Dienstverletzung erfolgte vorsätzlich, der Ruhestandsbeamte wusste, dass seine dienstliche Funktionen angegeben werden. Er rechtfertigt die Angabe mit seinem zweiten Beitrag in dieser Broschüre. Dies führt jedoch zu keiner rechtlichen Entlastung des Beamten, weil er dann auch für den zweiten Beitrag auf die Angabe seiner dienstlichen Aufgaben hätte verzichten müssen.

Anschuldigungspunkt 5:

Auch die Vorwürfe einer Beteiligung hinsichtlich der …-Tagung sind als Dienstpflichtverletzungen zu bewerten.

Als Lehrer, Fachkoordinator für … und kommissarischer zentraler Jungenbeauftragter hätte der Ruhestandsbeamte sich jeder irgendwie gestalteten Beteiligung an dieser Veranstaltung enthalten müssen. Die Auffassungen der … waren mit den dienstlichen Aufgaben des Beamten nicht vereinbar ( „…“, z.B. keine Ausbeutung von Kindern zur Triebbefriedigung, sondern Entgegenkommen für viele Kinder, die auch sexuellen Kontakt zu Erwachsenen suchen und als schön erleben; Kleine Mädchen, die sexuelle Erfahrungen mit einem alten Mann hatten, haben auch noch im Alter mit einem alten Mann Spaß, S. 548 ff. Vorermittlungsakte II).

Insoweit hätte dem Beamten klar sein müssen, dass jede noch so geringe Beteiligung an der Veranstaltung bei ihrem Bekanntwerden zu einer massiven Beeinträchtigung seiner Dienstausübung und Ansehensschädigung seiner Dienstherrin führen würde, so dass die disziplinarische Relevanz dieses außerdienstlichen Verhaltens erreicht ist (Art. 84 Abs. 1 Satz 2 BayBG a.F.).

Der Beamte handelte vorsätzlich in Kenntnis aller relevanten Sachverhaltsumstände. Er wusste, dass die Veranstalter bereits große Schwierigkeiten bei der Anmietung von Veranstaltungsräumen hatten. Dass er eine Dienstpflichtverletzung nicht bedachte, ist ein vermeidbarer Verbotsirrtum (§ 17 StGB).

Die Äußerungen der Sendung …, er habe die Veranstaltung mitorganisiert, ist ebenfalls eine Verletzung der Pflicht zu achtungs- und vertrauenswürdigem Verhalten, jedoch innerdienstlicher Art.

Dem Ruhestandsbeamten ist jedoch nicht nachzuweisen, dass er die Angabe, er habe das Treffen „mitorganisiert“ bewusst und gewollt so geäußert hat. Da er sich tatsächlich nur durch Aufsperren der Räume beteiligt hat, liegt ein „Versprecher“ nahe. Diese Pflichtverletzung ist daher als fahrlässige Verletzung zu werten.

Anschuldigungspunkt 7:

Inhalt und Korrektur der Ethikklausur sind dagegen keine disziplinarrechtlich relevanten Dienstpflichtverletzungen.

Der Inhalt der Klausur ist disziplinarisch nicht zu beanstanden. Wie der 3. Senat bereits in seiner Entscheidung vom 31. Oktober 2006 (Az. 3 ZB 06.231) ausgeführt hat, ist die Dilemma-Aufgabe der Klausur durchaus seriös kontrovers bewertbar. Vor dem Hintergrund der Angaben des Beschuldigten am 25. Juli 2004 gegenüber seinem Fachbetreuer (S. 698 der Vorermittlungsakte II) hatten die Schüler des Kurses den Beschuldigten um ein lebensnäheres Thema als in den vorher besprochenen Aufgaben gebeten. Nach seinen Angaben wollte er den Schülern auch einen klaren Fall von Missbrauch vorgeben. Weshalb der Ministerialbeauftragte in seinem Gutachten vom 2. August 2004 die Ausblendung strafrechtlicher Fragen durch den Beschuldigten rügt, ist dies für den Senat nicht verständlich, da die Aufgabe mit der Fragestellung endet, ob die Ehefrau ihren Mann anzeigen soll. Die Dienstherrin des Beschuldigten hätte aufgrund ihres Ermessens in der Folge die weitere Stellung solcher Aufgaben untersagen können. Eine Dienstpflichtverletzung ohne eine solche vorige Weisung ist jedoch nicht gegeben.

Soweit dem Beschuldigten die nicht den Vorschriften entsprechende Korrektur der Klausur vorgeworfen wird, ist dies ebenfalls nicht disziplinarisch relevant. Der Ruhestandsbeamte hat die Klausur mit zu wenigen Korrekturangaben und mit Bleistift korrigiert. Möglicherweise war er auch in der Notengebung zu großzügig und hat den Punkteschlüssel fehlerhaft gewichtet. Angesichts der Tatsache, dass der Ruhestandsbeamte viele Jahre ausgezeichnet beurteilt und zuvor sein Korrekturverhalten nicht beanstandet worden war, ist eine disziplinarische Ahndung bei einer erstmaligen Rüge nicht angemessen. Die Dienstherrin hätte sich auf eine entsprechende Weisung für die Zukunft beschränken müssen und erst bei ihrer Nichtbefolgung disziplinarisch einschreiten können.

IV.

Die festgestellten Dienstpflichtverletzungen sind nach dem Grundsatz der Einheit des Dienstvergehens, der sich aus Art. 84 Abs. 1 BayBG a.F., nunmehr § 47 Abs. 1 Satz 1 BeamtStG ergibt, einheitlich zu würden. Sie wiegen sehr schwer und würden nach Ansicht des Senats eine Zurückstufung gemäß Art. 11 BayDO (Art. 10 BayDG) erfordern. Da der Beschuldigte aber zwischenzeitlich in den Ruhestand getreten ist, ist gemäß Art. 6 Abs. 6 BayDO nur die Kürzung des Ruhegehalts gemäß Art. 13 Abs. 1, Art. 10 Abs. 1 BayDO möglich.

Der Senat wendet auch in Verfahren, die - wie hier - gemäß Art. 78 Abs. 3 BayDG noch nach den Bestimmungen der Bayerischen Disziplinarordnung durchzuführen sind, die sich aus Art. 14 BayDG ergebenden Zumessungskriterien an (vgl. BayVGH, Urteil vom 11.08.2010, Az. 16a D 09.1161 <juris>). Hinsichtlich der Zumessungskriterien folgt der Senat der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zu § 13 BDG.

1. 1. Den Bedeutungsgehalt der in § 13 Abs. 1 Sätze 2 bis 4 BDG für die disziplinarrechtliche Maßnahmenbemessung aufgestellten Kriterien hat das Bundesverwaltungsgericht u. a. in den Urteilen vom 20. Oktober 2005 (Az. 2 C 12/04 <juris>, vom 3. Mai 2007 (Az. 2 C 9/06 <juris), vom 25. Oktober 2007 (Az. 2 C 43/07 <juris>) und vom 29. Mai 2008 (Az. 2 C 59.07, <juris>) näher bestimmt. Obwohl Art. 14 Abs. 1 Satz 2 BayDG mit § 13 Abs. 1 Sätze 2 bis 4 BDG nicht uneingeschränkt übereinstimmt (das Bayerische Disziplinargesetz stellt den Vorrang des Zumessungsgesichtspunkts "Schwere des Dienstvergehens" nicht so deutlich heraus, wie das in § 13 Abs. 1 Satz 2 BDG geschieht, verpflichtet den Rechtsanwender andererseits aber ausdrücklich zur Berücksichtigung des bisherigen dienstlichen Verhaltens des Beamten), können die Aussagen des Bundesverwaltungsgerichts auch zur Konkretisierung des Art. 14 Abs. 1 Satz 2 BayDG herangezogen werden (BayVGH, Urteil vom 23.09.2009, Az. 16a D 07.2355 <juris>).

Die Disziplinarmaßnahme ist insbesondere nach der Schwere des Dienstvergehens, der Beeinträchtigung des Vertrauens des Dienstherrn oder der Allgemeinheit, dem Persönlichkeitsbild und dem bisherigen dienstlichen Verhalten zu bemessen (Art. 14 Abs. 1 Satz 2 BayDG). Beamte, die durch ein schweres Dienstvergehen das Vertrauen des Dienstherrn oder der Allgemeinheit endgültig verloren haben, sind gemäß Art. 14 Abs. 2 Satz 1 BayDG aus dem Beamtenverhältnis zu entfernen.

Die Schwere des Dienstvergehens beurteilt sich zum einen nach Eigenart und Bedeutung der verletzten Dienstpflichten, Dauer und Häufigkeit der Pflichtenverstöße und den Umständen der Tatbegehung (objektive Handlungsmerkmale), zum andern nach Form und Gewicht des Verschuldens und den Beweggründen des Beamten für sein pflichtwidriges Verhalten (subjektive Handlungsmerkmale) sowie nach den unmittelbaren Folgen für den dienstlichen Bereich und für Dritte (BVerwG, Urteil vom 29.05.2008, Az. 2 C 59/07, RdNr. 13 <juris>; BayVGH, Urteil vom 23.09.2009, a.a.O).

Maßgebendes Kriterium für die Bemessung der Disziplinarmaßnahme ist die Schwere des Dienstvergehens. Sie ist richtungsweisend für die Bestimmung der erforderlichen Disziplinarmaßnahme. Dabei ist das festgestellte Dienstvergehen nach seinem Gewicht einer der im Gesetz aufgeführten Disziplinarmaßnahme zuzuordnen; hierbei können die in der disziplinarrechtlichen Rechtsprechung für bestimmte Fallgruppen herausgearbeiteten Regeleinstufungen von Bedeutung sein. Davon ausgehend kommt es für die Bestimmung der Disziplinarmaßnahme darauf an, ob Erkenntnisse zur Vertrauensbeeinträchtigung, zum Persönlichkeitsbild und zum bisherigen dienstlichen Verhalten im Einzelfall derart ins Gewicht fallen, dass eine andere als die durch die Schwere des Dienstvergehens indizierte Disziplinarmaßnahme geboten ist (BVerwG, Urteil vom 29.05.2008 a.a.O. RdNr. 20). Wiegt das Dienstvergehen schwer, kann das Persönlichkeitsbild des Beamten nur ausnahmsweise die Disziplinarmaßnahme noch im Sinne einer Milderung beeinflussen (BVerwG, Beschluss vom 15.04.2009, Az. 2 B 1/09 <juris>).

Das Kriterium „Beeinträchtigung des Vertrauens des Dienstherrn oder der Allgemeinheit“ gemäß Art. 14 Abs. 1 Satz 2 BayDG erfordert eine Würdigung des Fehlverhaltens des Beamten im Hinblick auf seinen allgemeinen Status, seinen Tätigkeitsbereich innerhalb der Verwaltung und seine konkret ausgeübte Funktion (BVerwG, Urteil vom 29.05.2008, a.a.O, RdNr. 15.; BayVGH, Urteil vom 23.09.2009, a.a.O.).

Die Bemessenskriterien „Persönlichkeitsbild des Beamten“ und „bisheriges dienstliches Verhalten“ gemäß Art. 14 Abs. 1 Satz 2 BayDG erfassen dessen persönliche Verhältnisse und sein sonstiges dienstliches Verhalten vor, bei und nach Tatbegehung (BVerwG, Urteil vom 29.05.2008, a.a.O., RdNr. 14; BayVGH, Urteil vom 23.09.2009, a.a.O.). Sie erfordern eine Prüfung, ob das festgestellte Dienstvergehen mit dem bisher gezeigten Persönlichkeitsbild des Beamten übereinstimmt oder etwa als persönlichkeitsfremdes Verhalten in einer Notlage oder psychischen Ausnahmesituation davon abweicht.

Aus Art. 14 Abs. 1 BayDG folgt die Verpflichtung des Gerichts, über die erforderliche Disziplinarmaßnahme aufgrund einer prognostischen Würdigung unter Berücksichtigung aller im Einzelfall belastenden und entlastenden Gesichtspunkte zu entscheiden. Gegenstand der disziplinarrechtlichen Bewertung ist die Frage, welche Disziplinarmaßnahme in Ansehung der Persönlichkeit des Beamten geboten ist, um die Funktionsfähigkeit des öffentlichen Dienstes und die Integrität des Berufsbeamtentums möglichst ungeschmälert aufrecht zu erhalten (BVerwG, Urteil vom 29.05.2008, a.a.O., RdNr. 16; Urteil vom 03.05.2007, Az. 2 C 9/09 <juris>; BayVGH, Urteil vom 23.09.2009, a.a.O.).

Bei dieser Gesamtwürdigung haben die Gerichte zunächst die im Einzelfall bemessensrelevanten Tatsachen zu ermitteln und sie mit dem ihnen zukommenden Gewicht in die Bewertung einzubeziehen. Während bei der Bestimmung der Schwere des Dienstvergehens nur solche belastenden Tatsachen berücksichtigt werden dürfen, die zur Überzeugung des Gerichts feststehen, sind entlastende Umstände schon dann beachtlich, wenn hinreichende tatsächliche Anhaltspunkte für ihr Vorliegen gegeben sind und eine weitere Sachverhaltsaufklärung nicht möglich ist (BVerwG vom 29.05.2008, a.a.O., RdNr. 17).

Auf der Grundlage des so zusammengestellten Tatsachenmaterials haben die Gerichte eine Prognose über das voraussichtliche künftige dienstliche Verhalten des Beamten zu treffen und das Ausmaß der von ihm herbeigeführten Ansehensbeeinträchtigung des Berufsbeamtentums einzuschätzen. Bei schweren Dienstvergehen stellt sich vorrangig die Frage, ob der Beamte nach seiner gesamten Persönlichkeit noch im Beamtenverhältnis tragbar ist. Ein endgültiger Vertrauensverlust i.S.v. Art. 14 Abs. 4 Satz 1 BayDG ist anzunehmen, wenn aufgrund der prognostischen Gesamtwürdigung und auf der Grundlage aller im Einzelfall bedeutsamen be- und entlastenden Gesichtspunkte der Schluss gezogen werden muss, der Beamte werde auch künftig in erheblicher Weise gegen Dienstpflichten verstoßen oder die durch sein Fehlverhalten herbeigeführte Schädigung des Ansehens des Berufsbeamtentums sei bei einer Fortsetzung des Beamtenverhältnis nicht wieder gutzumachen (BVerwG vom 29.5.2008 a.a.O. RdNr. 18).

2. Für den hier zu entscheidenden Fall ergibt sich danach Folgendes:

a) Setzt sich das Dienstvergehen aus mehreren Dienstvergehen zusammen, bestimmt sich die zu verhängende Disziplinarmaßnahme in erster Linie nach der schwersten Verfehlung (BVerwG, Urteil vom 23.02.05, Az. 1 D 1/04 <juris>).

aa) Die schwerste Verfehlung ist vorliegend der Anschuldigungspunkt 1, also die Befürwortung einvernehmlicher Zärtlichkeiten zwischen einem pädophilen Erwachsenen und einem Kind in dem am … ausgestrahlten Interview. Für eine solche Dienstpflichtverletzung gibt es eine in der disziplinarrechtlichen Rechtsprechung herausgearbeitete Regeleinstufung nicht.

Eine Einstufung anhand der Kriterien der Schwere des Dienstvergehens ergibt vorliegend eine Zurückstufung gemäß Art. 11 BayDO (Art. 12 BayDG) als angemessene, aber erforderliche Disziplinarmaßnahme. Dies folgt aus folgenden Überlegungen: Der Beschuldigte hat durch die Aussage im Interview die Pflicht zu achtungs- und vertrauenswürdigem Verhalten innerdienstlich verletzt. Angesichts des Amtes und der Funktionen des Beschuldigten wiegt diese Dienstpflichtverletzung besonders schwer. Es handelt sich zwar um ein einmaliges Fehlversagen, dieses erfolgte aber grob fahrlässig. Der Beschuldigte war sich darüber im Klaren, dass dieses Interview nicht von der erteilten Genehmigung seiner Dienstherrin abgedeckt war. Er versuchte zwar noch, seinen Vorgesetzten zu informieren, hätte aber das Ansinnen der Reporterin ablehnen müssen, nachdem er den Vorgesetzten nicht erreichte. Die Reporterin mag ihn zwar, wie in der mündlichen Verhandlung vorgetragen, hinsichtlich des „Ob“ des Interviews unter Druck gesetzt haben. Im Ablauf des Interviews war dies aber nicht der Fall: Der Beschuldigte konnte in Ruhe seine Äußerungen überlegen, ansehen und gegebenenfalls sogar löschen lassen. Dass es in dieser Situation zu der angeschuldigten Dienstpflichtverletzung überhaupt kam, war vom Beschuldigten äußerst leichtfertig. Das Interview hat unstreitig zu einer gravierenden Ansehenschädigung für seine Dienstherrin geführt. Dass die Ansehensschädigung seitens der Dienstherrin vermeidbar gewesen wäre, ergibt sich aus dem Sachverhalt nicht: Gemäß Aktenvermerk vom … (S. 753 der Vorermittlungsakte II) hatte der Beschuldigte seinen Vorgesetzten zwar auf die Abweichung vom genehmigten Thema des Interviews hingewiesen, aber keine mögliche Ansehensschädigung erwähnt. Dem entspricht auch die Einlassung des Beschuldigten in der mündlichen Verhandlung, wonach er am Abend des … nach Ausstrahlung des Interviews selbst völlig perplex über den Inhalt seiner Aussagen gewesen sei.

bb) Hinzu treten die weiteren Dienstpflichtverletzungen durch den Beschuldigten. Schwer wiegt insbesondere das grob fahrlässige Eintreten für die Interessen der … (Anschuldigungspunkt 2), indem er die veröffentlichten Positionen der … im Hinblick auf seine Dienstpflichten nicht prüfte. Der Beschuldigte hat hier jahrelang leichtfertig eine mögliche, gravierende Ansehensschädigung seiner Dienstherrin ignoriert, obwohl er aufgrund seines Amtes und seiner Funktionen im Themenbereich „Pädophilie“ zur besonderen Sorgfalt verpflichtet war. Auch die übrigen Dienstpflichtverletzungen belegen einen zu leichtfertigen Umgang des Beamten mit den mit seinem Amt und seinen Funktionen verbundenen Sorgfaltspflichten. Im Ergebnis ist der Beschuldigte aufgrund der Schwere des Dienstvergehens im Beamtenverhältnis noch tragbar, weil er die schwerste Tat (Befürwortung einvernehmlicher Zärtlichkeiten zwischen pädophilen Erwachsenen und Kindern) nicht vorsätzlich, sondern lediglich grob fahrlässig begangen hat. Auch die besonderen dienstlichen Leistungen des Beschuldigten während seiner gesamten Lehrerlaufbahn sind zu seinen Gunsten zu gewichten. Weniger gewichtig spricht zugunsten des Beamten die Tatsache, dass der schwerste Vorwurf auf einer besonderen Ausnahmesituation resultiert. Der Beschuldigte war über das eigentliche Interviewthema nicht vorab informiert worden, die Reporterin hatte ihm gegenüber einen Zeitdruck geltend gemacht. Gleichwohl liegt kein Augenblicksversagen im engeren Sinne vor (vgl. BVerwG, Urteil vom 05.05.1998, Az. 1 D 12/97 <juris>), weil dem Beamten ausreichend Zeit gelassen wurde und ihm eine Kontrolle seiner Aussagen möglich gewesen wäre.

Bei einer Abwägung aller belastenden und entlastenden Gesichtspunkte sieht der Senat eine Zurückstufung als erforderlich und angemessen an. Diese Maßnahme kann bei einem Ruhestandsbeamten aber nicht verhängt werden, so dass als angemessene Disziplinarmaßnahme die Kürzung des Ruhegehalts gemäß Art. 13 Abs. 1, Art. 10 Abs. 1 BayDO auszusprechen ist. Hinsichtlich der Höhe und der Dauer der Gehaltskürzung ist von einer Höchstdauer von drei Jahren und einer Kürzungsquote von einem Zehntel auszugehen (zum Kürzungsbruchteil vgl. BVerwG, Urteil vom 21.03.2001, Az. 1 D 29/00 <juris>). Soweit Art. 13 Abs.1, Art. 10 Abs. 1 BayDO und Art. 12 BayDG in der Fassung des Gesetzes vom 8. Dezember 2009 (GVBl S. 605) es erlauben, die Kürzung auf fünf Jahre auszusprechen, kommt dies im konkreten Fall nicht in Betracht. Art. 12 BayDG in der Fassung vom 24. Dezember 2005 (GVBl S. 665) ist hier als materiellrechtlich günstigeres Recht anzuwenden.

Die Kostenentscheidung folgt aus Art. 103 Abs. 2, Art. 104 Abs. 2 BayDO.

Das Urteil ist mit seiner Verkündung rechtskräftig geworden (Art. 79 BayDO).