Bayerischer VGH, Beschluss vom 14.12.2011 - 21 CS 11.2310
Fundstelle
openJur 2012, 119581
  • Rkr:
Tenor

I. Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

II. Der Antragsteller trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

III. Der Streitwert wird unter Abänderung der Streitwertfestsetzung des Verwaltungsgerichts für beide Instanzen auf 8.750,-- Euro festgesetzt.

Gründe

I.

Der Antragsteller begehrt vorläufigen Rechtsschutz gegen die Nichtverlängerung seines bis 31. März 2010 gültig gewesenen Jagdscheins, dessen Einziehung unter Anordnung des Sofortvollzugs (§ 80 Abs. 5 Nr. 4 VwGO) sowie gegen den kraft Gesetzes (§ 45 Abs. 5 WaffG) sofort vollziehbaren Widerruf seiner Waffenbesitzkarte, in der insgesamt sieben Waffen eingetragen sind, und seines Europäischen Feuerwaffenpasses einschließlich der entsprechenden Nebenentscheidungen.

Das Verwaltungsgericht hat den Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO mit Beschluss vom 2. September 2011 abgelehnt. Auf die Gründe wird Bezug genommen.

Dagegen richtet sich die vorliegende Beschwerde.

II.

Die Beschwerde bleibt ohne Erfolg.

Der Senat teilt nach einer im vorläufigen Rechtsschutzverfahren ausreichenden summarischen Prüfung die Auffassung des Verwaltungsgerichts und des zuständigen Landratsamts, dass der Antragsteller aufgrund des Vorfalls vom 13. Juli 2009, bei dem er erheblich alkoholisiert (2,96 Promille) zwei Schüsse abgab, dabei seinen Hund tödlich verletzte und anschließend drohte, sich selbst zu erschießen sowie wegen seiner nach Aktenlage bestehenden Alkoholabhängigkeit, deren dauerhafte Überwindung derzeit nicht sicher prognostiziert werden kann, als waffen- und jagdrechtlich unzuverlässig und persönlich ungeeignet angesehen werden muss (§ 5 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a und b, § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 WaffG, § 17 Abs. 3 Nrn. 1 und 2 BJagdG). Das besondere öffentliche Interesse der Allgemeinheit, wegen der damit verbundenen Gefahren sofort vor unzuverlässigen und ungeeigneten Waffenbesitzern und Jägern geschützt zu werden, überwiegt daher das gegenläufige Interesse des Antragstellers, bis zu der Entscheidung in der Hauptsache seine Waffen behalten und die Jagd ausüben zu können, zumal er nicht vorgetragen hat, darauf beruflich oder wegen sonst schützenswerter Belange angewiesen zu sein.

Im Übrigen wird auf die Gründe des angefochtenen Beschlusses Bezug genommen und von weiteren Ausführungen abgesehen (§ 122 Abs. 2 Satz 3 VwGO).

Das Beschwerdevorbringen rechtfertigt keine andere Entscheidung.

Die Einstellung des gegen den Antragsteller auf Grund des Vorfalls vom 13. Juli 2009 eingeleiten Ermittlungsverfahrens durch die Staatsanwaltschaft Passau gemäß § 170 Abs. 2 StPO steht einer Verwertung des Sachverhalts im sicherheitsrelevanten und der Gefahrenabwehr dienenden Waffen- und Jagdrecht nicht entgegen (vgl. BayVGH vom 22.2.2010 Az. 21 CS 09.2767), zumal in der Einstellungsverfügung vom 16. Dezember 2009 dargelegt ist, dass der Antragsteller zum Tatzeitpunkt, also bei der missbräuchlichen Verwendung seiner Waffen, an Alkoholabhängigkeit und Verhaltensstörungen litt und wegen der vorhandenen erheblichen Alkoholisierung seine Einsichts- und Steuerungsfähigkeit aufgehoben war. Die bei einem Waffenbesitzer und Jäger mit einem solchen Krankheitsbild verbundenen Gefahren und Risiken für die Allgemeinheit liegen auf der Hand und können nicht hingenommen werden.

Soweit der Antragsteller vorträgt, er sei zu Unrecht wegen Alkoholabhängigkeit als persönlich ungeeignet gemäß § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 WaffG eingestuft worden, kommt es darauf nicht mehr entscheidungserheblich an. Bereits die offensichtlich missbräuchliche, leichtfertige und unvorsichtige Verwendung einer Schusswaffe unter Alkoholeinfluss bei dem Vorfall vom 13. Juli 2009 rechtfertigt die Annahme, dass der Antragsteller die erforderliche waffen- und jagdrechtliche Zuverlässigkeit nicht mehr besitzt, so dass der angegriffene Bescheid des Landratsamtes Freyung-Grafenau vom 8. Juli 2011 schon deswegen aller Voraussicht nach rechtmäßig ist ((§ 5 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a und b WaffG, § 17 Abs. 3 Nrn. 1 und 2 BJagdG). Davon abgesehen ist den im Verfahren eingeholten und vorgelegten Gutachten und Bescheinigungen keinesfalls die notwendige gesicherte Prognose einer dauerhaften Alkoholabstinenz zu entnehmen. So heißt es in dem Psychiatrischen Fachgutachten vom 25. November 2010 zwar, dass derzeit bei dem Antragsteller kein Alkoholproblem mehr bestehe. Der Gutachter Dr. E. fährt aber fort, dass sich der Antragsteller allerdings hüten müsse, wieder in den Sog zu geraten; er brauche daher psychologische Hilfe und Überwachung zu seinem Schutz und dem der Gesellschaft. Diese Hilfe und Überwachung müsse nicht lebenslänglich erfolgen; die Entscheidung über die Beendigung oder Fortführung einer Maßnahme fälle aber üblicherweise derjenige, der die Therapie durchführe (vgl. Erläuterung des Dr. E. vom 1.9.2011 zum Gutachten vom 25.11.2010). Eine solche Entscheidung über die endgültige Nichterforderlichkeit weiterer Therapiemaßnahmen ist nach Aktenlage bisher nicht getroffen worden. Auch dem zur Fahreignung eingeholten Medizinisch-Psychologischen Gutachten der DEKRA vom 4. April 2011 ist lediglich zu entnehmen, dass der Antragsteller trotz der festgestellten Alkoholabhängigkeit ein Kraftfahrzeug der Gruppe 1 sicher führen könne, weil davon ausgegangen werden könne, dass eine stabile Abstinenz vorliege und eine Rückfallprävention durch die aktive Mitarbeit in einer Selbsthilfegruppe / Beratungsstelle getroffen sei. Die erforderliche gesicherte Prognose einer dauerhaften Alkoholabstinenz ergibt sich daraus nicht, auch wenn sich der Antragsteller durch die mit entsprechenden Bestätigungen nachgewiesenen Teilnahmen an stationären und ambulanten Therapien insoweit auf einem guten Weg zu befinden scheint. Auch die Tatsache, dass der Antragsteller zwischenzeitlich die Fahrerlaubnis zur Fahrgastbeförderung erhalten hat, rechtfertigt - abgesehen von der fehlenden Zuverlässigkeit - nicht zwingend den Schluss, dass er wieder als waffen- und jagdrechtlich persönlich geeignet angesehen werden muss, da hierfür andere Voraussetzungen gelten.

Schließlich bleibt der Eilantrag nach § 80 Abs. 5 VwGO auch insoweit erfolglos, als die mit Bescheid vom 8. Juli 2011 angeordnete sofortige Einziehung des Jagdscheins des Antragstellers nach Ablauf von dessen Gültigkeit am 31. März 2010 erfolgte. Zwar trifft dieser Sachverhalt zu. Der Antragsteller ist dadurch aber jedenfalls nicht beschwert. Er hat nicht dargelegt, aus welchen Gründen er ein Interesse am weiteren Besitz eines ungültigen Jagdscheins haben könnte. Solche Interessen sind auch nicht ersichtlich.

Die Kostenentscheidung stützt sich auf § 154 Abs. 2 VwGO.

Die Streitwertfestsetzung ergibt sich aus § 47 Abs. 1 und 2, § 53 Abs. 2 Nr. 2, § 52 Abs. 1 und 2 GKG i.V.m. Nrn. 1.5, 20.3 und 50.2 des Streitwertkatalogs 2004 für die Verwaltungsgerichtsbarkeit (abgedr. in Kopp/Schenke, VwGO, 16. Aufl. 2009, Anhang zu § 164 RdNr. 14; NVwZ 2004, 1327). Danach sind in der Hauptsache für die Waffenbesitzkarte des Antragstellers und eine eingetragene Waffe der Auffangstreitwert von 5.000,-- Euro, für die eingetragenen sechs weiteren Waffen je 750,-- Euro und für den Jagdschein 8.000,-- Euro, insgesamt 17.500,-- Euro anzusetzen. Der Europäische Feuerwaffenpass bleibt bei der Streitwertfestsetzung unberücksichtigt. Der Hauptsachestreitwert ist im vorläufigen Rechtsschutzverfahren zu halbieren, wobei sich ein Streitwert in Höhe von 8.750,-- Euro ergibt. Die erforderliche Abänderung der Streitwertfestsetzung für das erstinstanzliche Verfahren beruht auf § 63 Abs. 3 Satz 1 GKG.

Dieser Beschluss ist gemäß § 152 Abs. 1 VwGO unanfechtbar.