LAG Nürnberg, Urteil vom 02.11.2011 - 7 Sa 138/11
Fundstelle
openJur 2012, 119359
  • Rkr:
Tenor

1. Die Berufung der Klägerin gegen das Endurteil des Arbeitsgerichts Würzburg vom 26.01.2011 wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

2. Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand

Die Parteien streiten um die Rückzahlung von Ausbildungskosten.

Die Klägerin betreibt eine Fluglinie. Der Beklagte ist Pilot.

Die Parteien schlossen unter dem 28./31.08.2007 einen Dienstvertrag. Danach wurde der Beklagte als Luftfahrzeugführer eingestellt. § 2 des Dienstvertrags lautet auszugsweise:

1. Der Vertrag beginnt mit dem Erstflug Supervision DO 328-100.

...

7. Eine Kündigung vor Vertragsbeginn ist ausgeschlossen.

8. Die Probezeit beträgt 6 Monate, innerhalb der Probezeit kann mit Frist von 14 Tagen ohne Nennung von Gründen dieses Arbeitsverhältnis gekündigt werden.

§ 5 des Dienstvertrags lautet:

1. Der Arbeitnehmer/Pilot ist für die Aufstellung und Aufrechterhaltung seiner Lizenzen und Berechtigungen selbst verantwortlich.

2. Die Kosten für erforderliche Type-Ratings übernimmt der Arbeitgeber. Der Arbeitnehmer/Pilot ist allerdings zur vollen Rückzahlung dieser Kosten verpflichtet, wenn er das Arbeitsverhältnis vor Ablauf von 24 Monaten nach Beendigung des Type-Ratings kündigt, oder wenn er seitens des Arbeitgebers aus wichtigem Grund gekündigt wird.

3. Für jeden Monat der weiteren Beschäftigung nach Ende des Type-Ratings werden 1/24 der Kosten erlassen. Fällige Rückzahlungsforderungen werden gegen noch ausstehende Restforderungen aufgerechnet. ...

Der Beklagte verfügte bei Vertragsschluss nicht über die Musterberechtigung für das Flugzeug DO 328-300. Er durchlief daher die Ausbildung zum Erwerb der entsprechenden Musterberechtigung. Die Klägerin übernahm die hierfür anfallenden Kosten. Die Ausbildung endete am 18.10.2007.

Mit Schreiben vom 09.11.2007, das der Klägerin am 15.11.2007 zuging, kündigte der Beklagte das Arbeitsverhältnis „außerordentlich mit sofortiger Wirkung“. In dem Schreiben heißt es am Ende:

„Bitte teilen Sie mir im Hinblick auf die Ausbildungskosten DO 328-100 mit, welche Kosten bei Ihnen tatsächlich angefallen sind.“

Die damaligen Rechtsanwälte der Klägerin teilten dem Beklagten unter dem 18.12.2007 mit, der Erstflug habe im Januar 2008 stattfinden sollen.

Mit der vorliegenden Klage vom 04.08.2010 zum Arbeitsgericht Würzburg macht die Klägerin die Erstattung von Ausbildungskosten in Höhe von 18.000,00 € geltend.

Das Arbeitsgericht Würzburg wies mit Urteil vom 11.01.2011 die Klage ab. Zur Begründung führte es unter Bezugnahme auf die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts im Wesentlichen aus, bei der Rückzahlungsklausel handele es sich um eine unwirksame Allgemeine Geschäftsbedingung.

Das Urteil wurde der Klägerin am 28.01.2011 zugestellt.

Die Klägerin legte gegen das Urteil am 28.02.2011 Berufung ein und begründete sie am 26.04.2011.

Die Berufungsbegründungsfrist war bis 28.04.2011 verlängert worden.

Die Klägerin macht geltend, die Rückzahlungsklausel sei wirksam. In der vom Erstgericht zitierten Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts sei es um eine andere Klausel gegangen. Insbesondere unterscheide die streitgegenständliche Klausel deutlich nach Grund und Sphäre für die Beendigung des Arbeitsverhältnisses. Die Klägerin führt aus, entscheidend sei, ob eine Berechtigung zur Eigenkündigung gegeben sei. Diese Berechtigung sei vorliegend nicht gegeben.

Die Klägerin trägt vor, der Erstflug hätte für den Beklagten am 08.12.2007 stattgefunden. Diese Zeit des Wartens sei für den Beklagten zumutbar gewesen.

Der Beklagte habe sich bereits während der Ausbildung fremdbeworben, die Eigenkündigung sei erfolgt, weil der Beklagte einen vermeintlich besseren bzw. besser bezahlten Arbeitsplatz gefunden habe.

Die Klägerin macht geltend, sie berufe sich auf den Vertrauensschutz als Ausfluss des Rechtsstaatlichkeitsgebotes gemäß Art. 20 GG. Der gegenständliche Vertrag stamme vom August 2007. Zu diesem Zeitpunkt habe keine Rechtsprechung existiert, die sich mit der Wirksamkeit er vorliegenden oder einer ähnlichen Klausel befasst habe. Sie habe sich daher auf die Geltung der Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 19.02.2004 (6 AZR 552/02) verlassen dürfen.

Die Klägerin macht geltend, die Klausel entspreche dem Mustertext in Schaub, arbeitsrechtliches Formular- und Verfahrenshandbuch“ (8. Auflage, 2009).

Die Klägerin stützt ihren Anspruch hilfsweise für den Fall der Unwirksamkeit der Klausel darauf, dass der Beklagte durch die von ihr finanzierte Ausbildung ungerechtfertigt bereichert sei. Sie habe die Ausbildung zu dem Zweck finanziert, dass der Beklagte danach für sie tätig werde. Dieser Erfolg sei infolge des Ausscheidens des Beklagten nicht eingetreten.

Die Klägerin macht geltend, es sei eine ergänzende Vertragsauslegung vorzunehmen. Sie beruft sich insoweit auf die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (3 AZR 900/07 und 9 AZR 294/06).

Die Klägerin und Berufungsklägerin beantragt,

unter Abänderung des angefochtenen Urteils den Berufungsbeklagten zu verurteilen, an die Berufungsklägerin EUR 18.000,00 nebst Zinsen in Höhe von 5,00 seit dem 01.03.2008 zu zahlen.

Der Beklagte und Berufungsbeklagte beantragt dagegen,

die Berufung kostenpflichtig zurückzuweisen.

Der Beklagte führt aus, trotz seiner Aufforderung, ihn endlich einzusetzen, sei ein Einsatz nicht erfolgt. Er sei ohne Einkommen und somit in einer finanziell ausweglosen Situation gewesen.

Der Beklagte trägt vor, er habe kurzfristig im November 2007 ein anderweitiges Angebot zum Abschluss eines Arbeitsvertrags erhalten. Erst nachdem er dort auf einen anderen Flugzeugtypen geschult worden sei und eine andere Musterberechtigung erworben habe, habe er dort eingesetzt werden können.

Eine Beweisaufnahme hat nicht stattgefunden.

Gründe

Die Berufung ist zulässig. Sie ist statthaft, § 64 Absatz 1 ArbGG, sowie form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden, § 66 ArbGG.

Die Berufung ist unbegründet.

Der Beklagte hat den Anspruch nicht anerkannt, § 781 BGB. Er hat zwar die Klägerin im Kündigungsschreiben aufgefordert, mitzuteilen, welche Ausbildungskosten bei der Klägerin tatsächlich angefallen seien. Dies ist indes nicht so zu verstehen (§§ 133, 157 BGB), dass sich der Beklagte auf jeden Fall bereit erklärte, der Klägerin die angefallenen Ausbildungskosten zu erstatten. Die Anfrage des Beklagten stellt vielmehr eine unverbindliche Äußerung dar, der kein eigenständiger Verpflichtungswille innewohnt.

Der Anspruch der Klägerin auf Ersatz der Ausbildungskosten folgt nicht aus § 5 des Dienstvertrags vom 28./31.08.2007. Die Klausel ist unwirksam.

Bei der Vertragsklausel handelt es sich um eine Allgemeine Geschäftsbedingung, die den §§ 305 ff BGB unterliegt. Das Erstgericht hat zu Recht entschieden, dass die Klausel gemäß § 307 Absatz 1 Satz 1 BGB keine Geltung entfaltet, weil sie den Beklagten unangemessen benachteiligt.

Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts, der sich das erkennende Gericht anschließt, ist gemäß § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB eine formularmäßige Vertragsbestimmung unangemessen, wenn der Verwender durch einseitige Vertragsgestaltung missbräuchlich eigene Interessen auf Kosten seines Vertragspartners durchzusetzen versucht, ohne von vornherein auch dessen Belange hinreichend zu berücksichtigen und ihm einen angemessenen Ausgleich zu gewähren. Die Feststellung einer unangemessenen Benachteiligung setzt danach eine wechselseitige Berücksichtigung und Bewertung rechtlich anzuerkennender Interessen der Vertragspartner voraus. Bei diesem Vorgang sind auch grundrechtlich geschützte Rechtspositionen zu beachten. Zur Beurteilung der Unangemessenheit ist ein genereller, typisierender, vom Einzelfall losgelöster Maßstab anzulegen. Im Rahmen der Inhaltskontrolle sind dabei Art und Gegenstand, Zweck und besondere Eigenart des jeweiligen Geschäfts zu berücksichtigen. Zu prüfen ist, ob der Klauselinhalt bei der in Rede stehenden Art des Rechtsgeschäfts generell und unter Berücksichtigung der typischen Interessen der beteiligten Verkehrskreise eine unangemessene Benachteiligung des Vertragspartners ergibt (vgl. Bundesarbeitsgericht - Urteil vom 11.04.2006 - 9 AZR 610/05 = BAGE 118/36 und NZA 2006/1042).

Wie das Bundesarbeitsgericht in ständiger Rechtsprechung ausführt, benachteiligen Rückzahlungsabreden für Aus- und Fortbildungskosten den Arbeitnehmer nicht generell unangemessen. Nach der bereits vor Geltung der §§ 305 ff BGB zur allgemeinen Inhaltskontrolle von Rückzahlungsklauseln ergangenen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts waren einzelvertragliche Vereinbarungen, nach denen sich ein Arbeitnehmer an den Kosten einer vom Arbeitgeber finanzierten Ausbildung zu beteiligen hat, wenn er vor Ablauf bestimmter Fristen aus dem Arbeitsverhältnis ausscheidet, grundsätzlich zulässig.

Ausnahmsweise können jedoch derartige Zahlungsverpflichtungen wegen einer übermäßigen Beeinträchtigung der arbeitsplatzbezogenen Berufswahlfreiheit des Arbeitnehmers (Art. 12 GG) unwirksam sein. So muss einerseits eine Rückzahlungsverpflichtung bei verständiger Betrachtung einem billigenswerten Interesse des Arbeitgebers entsprechen und andererseits der Arbeitnehmer mit der Fortbildungsmaßnahme eine angemessene Gegenleistung für die Rückzahlungsverpflichtung erhalten haben. Die für den Arbeitnehmer zumutbaren Bindungen sind auf Grund einer Güter- und Interessenabwägung nach Maßgabe des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes unter Heranziehung aller Umstände des Einzelfalles zu ermitteln. Das Interesse des Arbeitgebers, der seinem Arbeitnehmer eine Aus- oder Weiterbildung finanziert, geht dahin, die vom Arbeitnehmer erworbene Qualifikation möglichst langfristig für seinen Betrieb nutzen zu können. Dieses grundsätzlich berechtigte Interesse gestattet es dem Arbeitgeber, als Ausgleich für seine finanziellen Aufwendungen von einem sich vorzeitig abkehrenden Arbeitnehmer die Kosten der Ausbildung ganz oder zeitanteilig zurückzuverlangen. Die berechtigten Belange des Arbeitgebers sind gegen das Interesse des Arbeitnehmers abzuwägen, seinen Arbeitsplatz ohne Belastung mit Kosten frei wählen zu können. Die Abwägung hat sich insbesondere daran zu orientieren, ob und inwieweit der Arbeitnehmer mit der Aus- oder Fortbildung einen geldwerten Vorteil erlangt (vgl. Bundesarbeitsgericht aaO).

Infolgedessen ist eine vom Arbeitgeber vorformulierte Rückzahlungsklausel nach § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB ebenfalls daran zu messen, ob sie den Arbeitnehmer als Vertragspartner des die Klausel verwendenden Arbeitgebers “unangemessen benachteiligt”. Dies ist dann der Fall, wenn die Klausel dem Arbeitnehmer ohne Ausnahme für jeden Fall der Beendigung des Arbeitsverhältnisses eine Rückzahlungspflicht für entstandene Ausbildungskosten auferlegt (vgl. Bundesarbeitsgericht aaO).

43Gemessen an diesen Grundsätzen ist die von der Klägerin verwendete Klausel unangemessen.

Es trifft zwar zu, dass die in der zitierten Entscheidung zu beurteilende Vertragsklausel nicht identisch mit der von der Klägerin verwendeten ist. In dem vom Bundesarbeitsgericht entschiedenen Fall lautete die Klausel:

„Die voraussichtlichen Ausbildungskosten werden ca. DM 15.000 betragen. Sie gelten für die Dauer von zwei Jahren ab dem Ausbildungsende als Vorschuss. Wird das Arbeitsverhältnis vor Ablauf dieser Zeit beendet, verpflichtet sich der Mitarbeiter, den Betrag, der nach abgeschlossener Ausbildung genau ermittelt und dem Mitarbeiter gesondert mitgeteilt wird, anteilig an die T... zurückzuzahlen. Dabei wird für jeden Monat 1/24 verrechnet.“

Entscheidend ist, dass sowohl die dortige als auch die von der Klägerin verwendete Klausel keine (ausreichende) Differenzierung nach dem Grund der Beendigung enthalten.

47§ 5 des Dienstvertrags unterscheidet bei der arbeitnehmerseitig veranlassten Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht nach dem Grund. Vielmehr wird ausschließlich darauf abgestellt, ob der Arbeitnehmer das Arbeitsverhältnis kündigt.

48Danach müssten die Ausbildungskosten auch zurückverlangt werden, wenn der Arbeitnehmer das Arbeitsverhältnis berechtigterweise aus wichtigem Grund kündigt oder die Kündigung durch das Verhalten des Arbeitgebers veranlasst wird. Dies stellt eine unangemessene Benachteiligung des Arbeitnehmers dar.

In diesem Zusammenhang kommt es nicht darauf an, ob - worauf noch eingegangen wird - der Beklagte berechtigt war, das Arbeitsverhältnis außerordentlich zu kündigen. Insbesondere ist die Frage, ob eine bestimmte Klausel wirksam ist, von der Frage zu unterscheiden, ob, wäre sie anders formuliert, ihre Voraussetzungen gegeben wären. Auf den vorliegenden Fall bezogen wäre das die Frage, ob der Beklagte einen Grund für die außerordentliche Kündigung hatte.

50Eine weitere unangemessene Benachteiligung jedenfalls gemäß § 307 Absatz 1 Satz 2 BGB liegt darin, dass die Bindungsdauer zwar in zulässiger Weise an sich 24 Monate beträgt. Aufgrund des Umstandes, dass gemäß § 2 Ziffer 1 des Dienstvertrags das Arbeitsverhältnis erst mit dem Erstflug Supervision beginnt, was wiederum in der Hand des Arbeitgebers liegt, wird die Regelung aber unklar. Nach § 5 Ziffer 3 des Dienstvertrags werden für jeden „weiteren Monat der Beschäftigung“ 1/24 der Kosten erlassen. Dadurch kann die Bindungsdauer über die genannten zwei Jahre hinaus in einer für den Arbeitnehmer nicht vorhersehbaren Weise verlängert werden. Dabei kann dahinstehen, ob die Formulierung „Beschäftigung“ in § 5 Ziffer 3 sich auf die tatsächliche Beschäftigung oder auf den rechtlichen Bestand des Arbeitsverhältnisses bezieht. Da nach der Klausel der Beginn des Arbeitsverhältnisses vom Erstflug abhängt und jedenfalls die vertragsgemäße Beschäftigung nicht vor diesem Zeitpunkt beginnt, ist nicht vorhersehbar, wann die Reduzierung der Ausbildungskosten beginnt, und die Bindungsdauer wird ungewiss.

Darüber hinaus war für die außerordentliche Kündigung des Beklagten jedenfalls ein wichtiger Grund an sich gegeben. Die Klägerin hat nach ihrer Vertragsgestaltung einerseits den Beginn des Arbeitsverhältnisses vom Erstflug Supervision abhängig gemacht, andererseits aber diesen Erstflug nicht durchgeführt. Zum Zeitpunkt der Kündigung des Beklagten sollte der Erstflug Supervision erst am 08.12.2007 stattfinden, nach dem Schreiben der Rechtsanwältin P... vom 18.12.2007 sogar erst im Januar 2008. Bis zu diesem Zeitpunkt hätte der Beklagte keine Einkünfte erzielen können. Insbesondere befand sich die Klägerin, da ein Arbeitsverhältnis noch nicht bestand, nicht im Annahmeverzug. Ein anderes Arbeitsverhältnis konnte der Beklagte nicht eingehen, da die ordentliche Kündigung des Arbeitsverhältnisses gemäß § 2 Ziffer 7 des Dienstvertrags ausgeschlossen war. Dies war für den Beklagten unzumutbar.

Fraglich kann hier allenfalls sein, ob der Beklagte die Klägerin hätte abmahnen, insbesondere unter Androhung der Kündigung zur Durchführung des Erstflugs auffordern müssen.

Letztlich kann dies dahinstehen, da es wegen der Unwirksamkeit der Rückzahlungsklausel nicht auf die Wirksamkeit der Kündigung ankommt.

Die Klägerin kann sich nicht auf den gemäß Art. 20 GG zu beachtenden Vertrauensschutz berufen.

Das Schuldrechtsmodernisierungsgesetz und mit ihm § 310 Absatz 4 Satz 2 BGB sind seit dem 01.01.2002 in Kraft. Bereits vorher hat die Rechtsprechung eine Inhaltskontrolle von Rückzahlungsklauseln vorgenommen. Zwar ist es zutreffend, dass das Bundesarbeitsgericht in seiner Entscheidung vom 19.02.2004 (6 AZR 552/02) sich nicht mit der Frage auseinandergesetzt hat, ob der Grund für die Beendigung des Arbeitsverhältnisses Auswirkungen auf die Kostentragungsklausel hat. Vielmehr hat das Bundesarbeitsgericht sich, gemessen an § 242 BGB, in erster Linie mit der Frage der Bindungsdauer befasst.

Das Bundesarbeitsgericht hat sich indes bereits in dem zitierten Urteil vom 11.04.2006 (9 AZR 610/05) in der oben dargestellten Weise mit der durch die §§ 305 ff BGB entstandenen neuen Rechtslage befasst und insoweit eine neue rechtliche Bewertung vorgenommen. Der Vertrag mit dem Beklagten wurde erst danach, nämlich im August 2007 abgeschlossen. Zu diesem Zeitpunkt war bekannt, dass bezüglich der Rückzahlungspflicht des Arbeitnehmers nach dem Grund für die Beendigung des Arbeitsverhältnisses zu differenzieren ist.

Aus einer möglicherweise nicht angepassten Formularsammlung kann Vertrauensschutz nicht abgeleitet werden. Insbesondere ist die Formularsammlung nicht von staatlichen Stellen zu verantworten.

Eine ergänzende Vertragsauslegung kommt nicht in Betracht.

Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts, dem die Kammer uneingeschränkt folgt, sind nach dem Recht der Allgemeinen Geschäftsbedingungen unwirksame Klauseln grundsätzlich nicht auf einen damit zu vereinbarenden Regelungsgehalt zurückzuführen. § 306 BGB gibt eine solche Rechtsfolge nicht vor. Eine Aufrechterhaltung mit eingeschränktem Inhalt wäre auch nicht mit dem Zweck der §§ 305 ff. BGB vereinbar. Es ist Ziel des Gesetzes, auf einen angemessenen Inhalt der in der Praxis verwendeten Allgemeinen Geschäftsbedingungen hinzuwirken. Dem Vertragspartner des Verwenders soll die Möglichkeit sachgerechter Information über die ihm aus dem vorformulierten Vertrag erwachsenden Rechte und Pflichten verschafft werden. Dieses Ziel ist jedoch nicht zu erreichen, wenn jeder Verwender von Allgemeinen Geschäftsbedingungen zunächst die Grenze dessen überschreiten könnte, was er zu seinen Gunsten in gerade noch vertretbarer Weise vereinbaren dürfte. Würde dies als zulässig angesehen, hätte das zur Folge, dass die Vertragspartner des Verwenders in der Vertragspraxis mit überzogenen Klauseln konfrontiert würden. Erst in einem Prozess könnten sie dann den Umfang ihrer Rechte und Pflichten zuverlässig erfahren. Das Transparenzgebot des § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB liefe weitgehend leer (vgl. Bundesarbeitsgericht - Urteil vom 14.01.2009 - 3 AZR 900/07 = BAGE 129/121 und NZA 2009/666).

Eine ergänzende Vertragsauslegung kommt vielmehr nur dort in Betracht, wo der Gesetzgeber dies selbst vorgesehen hat, nämlich in § 306 Absatz 3 BGB. Dies setzt voraus, dass ein Festhalten am Vertrag, der sich gemäß § 306 Absatz 2 BGB an den gesetzlichen Regelungen richtet, für den Verwender eine unzumutbare Härte darstellen würde. Als unzumutbare Härte reicht es dabei nicht aus, dass sich die Rechtsstellung des Verwenders verschlechtert. Dies ist das Risiko desjenigen, der Allgemeine Geschäftsbedingungen aufstellt.

Allerdings hat das Bundesarbeitsgericht in seiner Entscheidung vom 14.01.2009 gemäß § 310 Absatz 4 Satz 2 BGB der ergänzenden Vertragsauslegung dort Raum gegeben, wo es für den Arbeitgeber objektiv schwierig ist, eine angemessene vertragliche Regelung zu finden. Dies hat das Bundesarbeitsgericht im Fall der Bindungsdauer in Rückzahlungsvereinbarungen wegen des für den Arbeitgeber bestehenden Prognoserisikos bejaht.

Aus dieser Entscheidung ergibt sich nicht der allgemeine Grundsatz, dass unwirksame Vertragsklauseln stets zu ergänzen seien. Insbesondere hat das Bundesarbeitsgericht in der von der Klägerin zitierten Entscheidung vom 19.12.2006 die ergänzende Vertragsauslegung einer unwirksamen vertraglichen Klausel, in der sich der Arbeitgeber das Recht Vorbehalten hat, das auch privat nutzbare Firmenfahrzeug jederzeit und aus jedem Anlass herauszuverlangen, abgelehnt (9 AZR 294/06 = AP Nr. 21 zu § 611 BGB Sachbezüge und NZA 2007/809).

Vorliegend sind die Voraussetzungen für eine ergänzende Vertragsauslegung nicht gegeben. Insbesondere hatte die Klägerin kein Prognoserisiko zu tragen. Dass eine Rückzahlungsvereinbarung nach dem Grund für die Beendigung des Arbeitsverhältnisses zu differenzieren hat, bedarf keiner weiteren Wertung im Einzelfall. Auch der Umstand, dass die Klausel wegen mangelnder Transparenz unwirksam ist, beruht nicht darauf, dass der Begriff der Transparenz einer Wertung unterliegt, sondern auf der vorgenommenen Subsumtion der Vertragsklausel unter die rechtlichen Vorgaben.

64Schließlich kann der geltend gemachte Anspruch auch nicht auf § 812 BGB gestützt werden.

Zwar richtet sich der Inhalt des Vertrags, soweit Allgemeine Geschäftsbedingungen unwirksam sind, nach den gesetzlichen Vorschriften, § 306 Absatz 2 BGB.

Es liegen auch an sich Voraussetzungen des § 812 Absatz 1 BGB vor. So hat der Beklagte etwas erlangt. Er hat die Musterberechtigung für das Flugzeug DO 328-100 erworben. Dies erfolgte auf Kosten der Klägerin. Es kann auch davon ausgegangen werden, dass die Klägerin mit der Übernahme der Ausbildungskosten den Zweck verfolgte, den Beklagten zumindest für die Dauer von drei Jahren in ihrem Geschäftsbetrieb als Piloten einsetzen zu können. Dieser Zweck kann, da der Beklagte das Arbeitsverhältnis beendet hat, nicht mehr erreicht werden.

67Die Anwendbarkeit der §§ 812 ff BGG ist indes durch die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zur Verpflichtung des Arbeitnehmers, vom Arbeitgeber verauslagte Ausbildungskosten zurückzuzahlen, modifiziert worden. Danach kann von den Arbeitsvertragsparteien vereinbart werden, dass der Arbeitnehmer unter bestimmten Bedingungen Ausbildungskosten, die der Arbeitgeber übernommen hat, zurückzuzahlen hat. Eine derartige Rückzahlungsvereinbarung stellt einen Vertrag im Sinne des § 311 Absatz 1 BGB dar, durch den die vom Arbeitgeber übernommene Zahlung der Ausbildungskosten an weitere Voraussetzungen geknüpft wird. Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts sind diese Bedingungen unter dem Gesichtspunkt des Arbeitnehmerschutzes, insbesondere gemäß Art. 12 GG nur eingeschränkt zulässig. Diese Einschränkungen gelten auch bei der Anwendung des § 812 BGB.

Unter dem Begriff „gesetzliche Vorschriften“ des § 306 Absatz 2 BGB fallen nicht nur gesetzliche Regelungen, sondern auch die von der Rechtsprechung und Lehre herausgebildeten Rechtsgrundsätze (vgl. Palandt, Bürgerliches Gesetzbuch, 70. Auflage, RdNr. 12 zu § 306).

Das Erstgericht hat somit die Klage zu Recht abgewiesen. Die Berufung war deshalb zurückzuweisen.

Die Revision wurde gemäß § 72 Absatz 2 Ziffer 1 ArbGG zugelassen.

WeißenfelsVorsitzende Richterinam Landesarbeitsgericht

Herrmannehrenamtlicher Richter

Bickertehrenamtliche Richterin