LG München I, Beschluss vom 11.11.2011 - 1 S 12752/11 WEG
Fundstelle
openJur 2012, 119322
  • Rkr:
Tenor

1. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Amtsgerichts München vom 27.05.2011, Aktenzeichen 482 C 893/10, wird durch einstimmigen Beschluss zurückgewiesen.

2. Die Beklagten haben als Gesamtschuldner die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

3. Der Streitwert des Berufungsverfahrens wird auf 10.000,00 € festgesetzt.

4. Der Streitwertbeschluss des Amtsgerichts München vom 2.3.2011 wird gemäß § 63 III GKG dahingehend abgeändert, dass der Streitwert der ersten Instanz auf € 10.000,00 festgesetzt wird.

Gründe

1.

Die Berufung gegen das Urteil des Amtsgerichts München vom 27.05.2011, Aktenzeichen 482 C 893/10 wird durch einstimmigen Beschluss gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückgewiesen, weil das Rechtsmittel offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat, der Rechtssache auch keine grundsätzliche Bedeutung zukommt, eine gerichtliche Entscheidung durch Endurteil weder zur Fortbildung des Rechts noch zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich ist und eine mündliche Verhandlung nicht geboten erscheint.

Zur Begründung wird auf den vorausgegangenen Hinweis der Kammer vom 18.10.2011 Bezug genommen. Die Ausführungen im Schriftsatz der beklagten Partei vom 8.11.2011 geben zu einer anderweitigen Entscheidung keinen Anlass.

a. Die Kammer bleibt bei ihrer im Hinweis vom 18.10.2011 geäußerten Auffassung, dass die mit dem angefochtenen Beschluss genehmigte Kameraüberwachung und Videoaufzeichnung einen schwerwiegenden Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht der Kläger darstellt, der auch nicht durch überwiegende Belange der Beklagten gerechtfertigt ist.

4Die Beeinträchtigung der Kläger beruht dabei nicht auf einer subjektiven Überempfindlichkeit, sondern lässt sich aufgrund des unstreitig vorliegenden Sachverhalts durchaus nachvollziehen. Denn die Kläger müssen jedes Mal, wenn sie die Tiefgarage betreten oder verlassen bzw. in diese ein- und ausfahren, davon ausgehen, dass sie gefilmt werden, wobei jede ihrer Bewegungen festgehalten wird, ebenso wie die Uhrzeit, zu der sie sich in der Tiefgarage aufhalten, welche Kleidung sie tragen und mit welchen Personen sie dort gegebenenfalls ein- und ausgehen. Sie können sich daher in der Tiefgarage nicht mehr frei und ungezwungen bewegen. Dies stellt aber eine schwerwiegende Beeinträchtigung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts dar (vgl. BGH, Urteil vom 25.4.1995, Az: VI ZR 272/94, juris Rn 19). Daran ändert es auch nichts, dass nach dem Willen der Eigentümer eine Einsicht in die Videoaufzeichnungen nur im Falle einer Schadensmeldung erfolgen soll. Denn die Kläger können im Vorhinein nicht wissen und haben keinen Einfluss darauf, wann eine solche Schadensmeldung erfolgt. Darüber hinaus können sie nicht kontrollieren, ob die Vorgaben für eine Einsichtnahme in die Videoaufzeichnungen eingehalten werden. Für die Frage, ob eine erhebliche Beeinträchtigung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts der Kläger vorliegt, kann es auch nicht darauf ankommen, ob sich noch weitere Eigentümer beeinträchtigt fühlen und Einwände gegen die Installation der Videoüberwachung erhoben haben. Dies gilt umso mehr, als die Kläger durch die Maßnahme besonders betroffen sind, da sich ihr Tiefgaragenstellplatz unstreitig im Aufnahmebereich einer der Kameras befindet.

5Die Installation der Videoüberwachung wird nicht dadurch gerechtfertigt, dass es in der Vergangenheit zu Autoaufbrüchen und Diebstählen von gelagerten Gegenständen in der Tiefgarage gekommen ist. Insoweit überwiegt bei der Abwägung der betroffenen Rechtsgüter der Schutz des allgemeinen Persönlichkeitsrechts der Kläger gegenüber dem Interesse der Beklagten am Schutz ihres Eigentums. Soweit die Beklagten ausführen, wegen der hohen Frequentierung und der Vielzahl der Personen, die die Tiefgarage benutzen würden, sei ein effektiver Schutz des Tiefgaragenbereichs nur mittels einer Kameraüberwachung gewährleistet, ist darauf hinzuweisen, dass gerade eine hohe Anzahl verschiedener Benutzer der Tiefgarage und die hierdurch gegebene Anonymität gegen die Effektivität der Maßnahme sprechen könnte. Wenn nämlich die Tat selbst nicht durch die Kamera aufgezeichnet wurde, wird es kaum möglich sein, bei der Vielzahl der Garagennutzer, die ja auch Familienangehörige und Besucher haben, den Täter zu identifizieren oder einer Person die Tat nachzuweisen. Für eine Abschreckung bedarf es darüber hinaus keiner Videoaufzeichnung, weil hierfür das Anbringen von Hinweisschildern auf eine Videoüberwachung und die Installation von Kameraattrappen ausreichen würde. Soweit die Beklagten im Schriftsatz vom 8.11.2011 erstmals einwenden, es bestehe auch die Gefahr körperlicher Übergriffe auf Mitglieder der WEG durch unbefugte Benutzer der Tiefgarage, zumal es in der Nähe der Wohnanlage in jüngster Vergangenheit zu einer Vergewaltigung gekommen sei und bereits zweimal Mitbewohner Einbrechern direkt gegenüber gestanden hätten, ist dieser Vortrag verspätet und gemäß §§ 530, 296 I, IV ZPO zurückzuweisen. Zudem gelten die vorherigen Ausführungen, wonach eine Abschreckung von Tätern ebenso durch Warnhinweise und Installation von Kameraattrappen erfolgen könnte. Schließlich ist es in der Vergangenheit offensichtlich tatsächlich niemals zu körperlichen Übergriffen in der Tiefgarage gekommen.

Die streitgegenständliche Videoüberwachung wird entgegen der Ansicht der Beklagten nicht durch § 28 BDSG erlaubt. In Betracht käme hier allenfalls eine Erlaubnis nach § 28 I Nr. 2 BDSG. Allerdings ist nach dieser Vorschrift eine Erhebung, Speicherung, Veränderung oder Übermittlung personenbezogener Daten nur zulässig, soweit dies zur Wahrung berechtigter Interessen der verantwortlichen Stelle erforderlich ist und kein Grund zu der Annahme besteht, dass das schutzwürdige Interesse des Betroffenen an dem Ausschluss der Verarbeitung oder Nutzung überwiegt. Genau letzteres ist aber der Fall, wie zuvor sowie in dem Hinweis vom 18.10.2011 dargelegt wurde. Überdies dürfen Daten gemäß § 28 BDSG grundsätzlich nicht gespeichert werden, wenn, wie hier, der Betroffene dem widerspricht (vgl. Erbs/Kohlhaas, Strafrechtliche Nebengesetzte, 185. Ergänzungslieferung 2011, Rn 9 zu § 28 BDSG).

b. Die Sache hat weder grundsätzliche Bedeutung noch ist eine Entscheidung durch Endurteil des Berufungsgerichts zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich. Es handelt sich vielmehr um eine reine Einzelfallentscheidung, die im Wesentlichen auf einer Abwägung der individuell betroffenen Rechte unter Berücksichtigung der konkret gegebenen Umstände beruht.

c. Eine mündliche Verhandlung ist nach Auffassung der Kammer nicht geboten, weil die maßgeblichen Tatsachen zwischen den Parteien unstreitig sind und die Rechtsfragen bereits ausführlich erörtert wurden. Die Parteien hatten auch genügend Zeit, zu einer vergleichsweisen Einigung zu kommen. Nachdem ein Vergleich bislang dennoch nicht zustande gekommen ist, ist nicht ersichtlich, warum sich die Parteien nunmehr im Rahmen einer anzuberaumenden mündlichen Verhandlung einigen sollten. Eine gütliche Einigung könnte im Übrigen auch nach Abschluss des gerichtlichen Verfahrens noch erfolgen.

2.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

3.

Der Streitwert wurde gemäß § 49 a I GKG nach freiem Ermessen des Gerichts auf € 10.000,00 festgesetzt. Dabei wurde berücksichtigt, dass es den Parteien nicht nur um den Wert der installierten Kameras und die Kosten der Anbringung geht. Vielmehr war das Interesse der Kläger auf den Schutz ihres allgemeinen Persönlichkeitsrechts und das Interesse der Beklagten auf die Verhinderung weiterer Schäden durch Autoaufbrüche und Diebstähle gerichtet. Unter Abwägung aller Umstände erschien danach ein Streitwert in Höhe von € 10.000,00 als angemessen. Soweit die Beklagten eine Heraufsetzung des Streitwertes auf über € 20.000,00 begehrt haben, ist dies nach Ansicht der Kammer zu hoch. Nur ergänzend wird darauf hingewiesen, dass ein Rechtsmittel gegen die Entscheidung auch im Falle eines Streitwertes über € 20.000,00 nicht gegeben wäre, weil gemäß § 62 II WEG in Streitigkeiten nach § 43 Nr. 1 bis 4 WEG die Nichtzulassungsbeschwerde unabhängig vom Streitwert ausgeschlossen ist. Auch nach der neuen Fassung des § 522 III ZPO ist daher eine Nichtzulassungsbeschwerde gegen den vorliegenden Beschluss unabhängig vom Streitwert nicht möglich.

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