Bayerischer VGH, Urteil vom 10.10.2011 - 22 N 11.1075
Fundstelle
openJur 2012, 118572
  • Rkr:

1. In einem Gebiet können sich besondere örtliche Verhältnisse ergeben, wenn eine zahlenmäßig beträchtliche Wohnbevölkerung auf eine große Zahl von Gaststätten mit Nachtbetrieb trifft. Rn 21

2. Ein Vorgehen nur gegen einzelne Gaststättenbetriebe wäre in solchen Fällen nicht hilfreich. Rn 21

3. Auch wenn ein öffentliches Bedürfnis für eine Ausnahme vorliegt, ist doch ein gesetzeskonformer Vollzug der Verordnung verlangt. Verstöße gegen die Gemeinwohlverträglichkeit stehen einer Sperrzeitverkürzung unter jedem Gesichtspunkt entgegen. Rn 37.

(Leitsätze: Götz Jansen)

Tenor

I. Die Verordnung der Großen Kreisstadt D… zur Regelung der Sperrzeit von Gaststätten und Vergnügungsstätten vom 18. April 2011, bekannt gemacht im Amtsblatt der Stadt D… vom 28. April 2011, ist unwirksam, soweit sie sich auch auf die Östliche Zwingergasse und die Westliche Zwingergasse erstreckt.

Im Übrigen wird der Antrag abgelehnt.

II. Die Kosten des Verfahrens trägt die Antragstellerin.

III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Die Antragstellerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des zu vollstreckenden Betrags abwenden, wenn nicht die Antragsgegnerin vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

IV. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Gegenstand des Normenkontrollverfahrens ist die Verordnung der Antragsgegnerin vom 18. April 2011 zur Regelung der Sperrzeit von Gaststätten und Vergnügungsstätten (Sperrzeitverordnung - SperrzeitV). Mit dieser Verordnung setzte die Antragsgegnerin die Sperrzeit für Schank- und Speisewirtschaften sowie öffentliche Vergnügungsstätten im Innenstadtbereich von D… innerhalb der Stadtgräben auf die Zeit zwischen 2:00 Uhr und 6:00 Uhr fest (§ 1 Abs. 1 SperrzeitV), ausgenommen die Nacht zum 1. Januar, in der die Sperrzeit aufgehoben ist (§ 1 Abs. 3 SperrzeitV). Der Geltungsbereich der Verordnung ist durch Auflistung der von ihr erfassten Straßenzüge in § 1 Abs. 2 SperrzeitV und durch farbige Markierungen auf einem beigefügten Lageplan näher beschrieben. Nach § 2 SperrzeitV kann für einzelne Betriebe auf Antrag unter bestimmten Voraussetzungen die Sperrzeit ausnahmsweise verkürzt oder aufgehoben werden; gemäß § 3 SperrzeitV können Verstöße gegen die Verordnung mit Geldbußen geahndet werden. Die Sperrzeitverordnung ist am 5. Mai 2011 formell in Kraft getreten.

Die Antragstellerin hat eine gaststättenrechtliche Erlaubnis vom 29. Juli 2007 für eine Schank- und Speisewirtschaft am M…-…-Platz 4, der innerhalb des von den Stadtgräben umfassten Bereichs liegt. Sie betreibt ihr Lokal bislang auch in den Nachtstunden nach 2:00 Uhr.

Die Antragstellerin beantragt beim Verwaltungsgerichtshof,

die Unwirksamkeit der Sperrzeitverordnung der Antragsgegnerin vom 18. April 2011 festzustellen.

Sie macht geltend, die im Weg der Verordnung verfügte Sperrzeitverlängerung betreffe gerade ihre umsatzstarken Stunden und bedrohe sie in ihrer Existenz. Besondere örtliche Verhältnisse oder ein öffentliches Bedürfnis, die die Sperrzeitverordnung rechtfertigen könnten, lägen nicht vor. Die von der Antragsgegnerin behauptete Lokaldichte im Innenstadtbereich gebe es nicht, soweit man auf die Betriebe mit Öffnungszeiten nach 2:00 Uhr abstelle. Die Antragsgegnerin habe zudem die Lokaldichte durch die uneingeschränkte Erteilung von Genehmigungen selbst herbeigeführt und damit zum Ausdruck gebracht, dass sie im Stadtbereich mehr Wert auf die gewerbliche Betätigung lege als auf das Wohnen. Die Sperrzeitverordnung greife unzulässig in den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb der Antragstellerin ein und verstoße wettbewerbsverzerrend gegen den Gleichheitssatz, da vergleichbare Betriebsarten außerhalb des räumlichen Geltungsbereichs der Sperrzeitverordnung der verlängerten Sperrzeit nicht unterlägen und da den lärmintensivsten Betrieben (Diskotheken, Musikbars) Ausnahmen von der Sperrzeitverordnung gewährt worden seien. Es gebe keine belastbare Feststellung von Ruhestörungen, die eindeutig der Gastronomie zuzuordnen und nur durch eine Sperrzeitverordnung abzustellen wären. Die vorgenommenen Lärmmessungen in jüngerer Zeit seien unzureichend, im Hinblick auf die Maßgaben der TA Lärm fehlerhaft und bezüglich der ausgewählten Messpunkte nicht repräsentativ; sie widersprächen zudem einem auf korrekten Messungen beruhenden älteren Gutachten vom 26. Mai 2010, demzufolge an einem repräsentativen Immissionsort gerade keine übermäßige Lärmbelästigung, sondern sogar eine ab 2:00 Uhr nachlassende Lautstärke festgestellt worden sei. Unzulässig sei, dass die Sperrzeitverordnung beschlossen worden sei, bevor das Gutachten vom 20. April 2011 mit der Auswertung der Lärmmessungen vorgelegen habe. Auch die zur Begründung der Sperrzeitverordnung herangezogene Gefährdungslage bestehe so nicht. Ausweislich der Polizeistatistik habe sich in der Zeit von 2007 bis zum 19. April 2010 deutlich weniger als die Hälfte aller gemeldeten Vorfälle nach 2.00 Uhr ereignet. Die ermittelten Zahlen seien auch nicht aussagekräftig, weil Angaben fehlten, ob insoweit Strafverfahren oder andere Verfahren eingeleitet worden und wie sie ausgegangen seien. Vor Erlass der Sperrzeitverordnung hätte die Antragsgegnerin die gesetzlich möglichen milderen Mittel ausschöpfen müssen; sie habe auch nicht berücksichtigt, dass die Antragstellerin bereits wirksame Maßnahmen zum Schutz der Umgebung vor Lärm getroffen habe. Mit der Sperrzeitverordnung werde ein „Diskotheken-Tourismus“ verursacht, indem nach Beginn der Sperrzeit Gäste auf Betriebe außerhalb des Geltungsbereichs der Sperrzeitverordnung ausweichen oder innerhalb des Geltungsbereichs verstärkt zu Lokalen mit einer verkürzten Sperrzeit wechseln würden.

Die Antragsgegnerin beantragt,

den Antrag abzulehnen.

Sie trägt vor, der Stadtrat habe beim Erlass der Sperrzeitverordnung die finanziellen Auswirkungen auf einzelne Lokalbetreiber berücksichtigt, jedoch der Gesundheit der vom nächtlichen Lärm betroffenen Einwohner und den Sicherheitsbelangen zu Recht höheres Gewicht beigemessen als den grundrechtlich nicht geschützten bloßen Erwerbschancen der Gaststätteninhaber. Im räumlichen Geltungsbereich der Sperrzeitverordnung gebe es - anders als außerhalb dieses Bereiches, wo man mit Einzelanordnungen arbeiten könne - eine konfliktträchtige Gemengelage mit etwa 80 gastronomischen Betrieben (davon 25 mit besonderer Betriebsform und Nachtbetrieb) bei etwa 1.400 Einwohnern. Das Lärmgutachten vom 20. April 2011 habe die besondere Störempfindlichkeit der Innenstadt belegt. Die mit der Sperrzeitverordnung bekämpften Probleme seien vor allem durch das Umherziehen der Besucher von einer Gaststätte zur nächsten entstanden und könnten angesichts der vielen Gaststätten nicht mit Einzelanordnungen gelöst werden. An verschiedenen Messpunkten im Geltungsbereich der Sperrzeitverordnung seien erhebliche Überschreitungen der nach der TA Lärm maßgeblichen Richtwerte bis hin zu einem gesundheitsgefährdenden Maß gemessen worden, hervorgerufen u.a. von Gaststättenbesuchern, Personengruppen vor den Lokalen und durch laute Gespräche, Lachen und Geschrei von Fußgängern. Die gemessenen Werte hätten dem Stadtrat bei seinem Beschluss zum Erlass der Sperrzeitverordnung vorgelegen, nur das ausführliche Gutachten sei später zugegangen. Das Gutachten vom 26. Mai 2010 sei zur Beschlussfassung nicht vorgelegt worden, weil es nur einen Messpunkt betroffen habe. Die damalige Messung habe indes eine beträchtliche Überschreitung der zulässigen Immissionsrichtwerte im 1. Stock des Gebäudes erbracht und habe insofern den Anstoß zur jetzigen Sperrzeitverordnung gegeben. Die jetzigen Schallpegelmessungen seien vorschriftsmäßig gewesen; es sei nicht um die Zurechnung bestimmter Pegel zu einzelnen Lokalen gegangen, sondern um eine verhaltensbezogene Überwachungsmessung. Weil sich die Lärmbelästigung einerseits auf die Innenstadt beschränke, andererseits nicht nur einzelne Lokale betroffen habe, sei die Begrenzung der Sperrzeitverordnung auf den Innenstadtbereich gerechtfertigt; eine weitere Differenzierung innerhalb dieses Bereichs sei aber nicht sinnvoll. Mildere Mittel gebe es nicht. Ein privater Sicherheitsdienst sei zu teuer und angesichts der fehlenden Kompetenzen (wie sie z.B. die Polizei habe) nicht wirksam genug. Eine Kommune müsse zur Lärmbekämpfung nur ein geeignetes, aber nicht das geeignetste und das bestmögliche Mittel einsetzen. Mit der Möglichkeit, Ausnahmegenehmigungen zu erteilen, könne die Antragsgegnerin die Besucherströme im Geltungsbereich der Verordnung und damit die Problematik entscheidend beeinflussen. Dass bei der Vorbereitung der Sperrzeitverordnung vor einem Lokal ein hoher Schallpegel gemessen worden sei, stehe einer im Einzelfall erteilten Ausnahmegenehmigung nicht entgegen. Die inzwischen an drei Diskotheken und zwei Nachtlokale - ohnehin nur widerruflich und zeitlich beschränkt - erteilten Ausnahmen rechtfertigten sich mit dem öffentlichen Bedürfnis an Lokalen mit Tanzveranstaltungen; insoweit werde dem Ausgehverhalten der studentischen Einwohner Rechnung getragen. In Diskotheken spiele der Alkoholkonsum eine untergeordnete Rolle. Zudem sei ohne die Verordnung die Sicherheitslage im Innenstadtbereich problematisch, wie sich aus dem Bericht der Polizeiinspektion vom 26. November 2010 ergebe. Ob die polizeilich erfassten Sicherheitsstörungen und Lärmbelästigungen nach 2:00 Uhr die Mehrzahl aller Störungen ausmachen würden, sei unerheblich, zumal es auch auf die Qualität der Störung ankomme.

Der Vertreter des öffentlichen Interesses stellt keinen Antrag, ist jedoch der Auffassung, die strittige Sperrzeitverordnung sei derzeit rechtmäßig.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichts- und die beigezogenen Behördenakten, insbesondere auf die Niederschrift über die mündliche Verhandlung vom 29. September 2011 Bezug genommen.

Gründe

Der Normenkontrollantrag ist im Wesentlichen unbegründet.

1. Gegenstand des Normenkontrollverfahrens ist die Sperrzeitverordnung der Antragsgegnerin vom 18. April 2011 in der Fassung, die im Amtsblatt Nr. 4 der Antragsgegnerin vom 28. April 2011 bekannt gemacht worden und am 5. Mai 2011 formell in Kraft getreten ist. Die Änderungen der Sperrzeitverordnung, die während des Normenkontrollverfahrens ohne vorausgehenden Stadtratsbeschluss am 5. September 2011 von der Oberbürgermeisterin der Antragsgegnerin verfügt und im Amtsblatt Nr. 9 vom 7. September 2011 bekannt gemacht wurden, sind von der Antragstellerin nicht zum Gegenstand des Normenkontrollverfahrens gemacht worden; ihre Unwirksamkeit ist im Hinblick auf Art. 42 Abs. 1 Satz 1 LStVG nicht zweifelhaft und war in der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgerichtshof nicht ernstlich umstritten.

2. Die angegriffene Verordnung ist in geringfügigen Teilbereichen mangels hinreichender Bestimmtheit unwirksam. Auf ihre Wirksamkeit im Übrigen hat dies keinen Einfluss; durchgreifende Bedenken gegen die hinreichende Bestimmtheit bestehen insofern nicht.

a) Vorliegend fehlt es der am 28. April 2011 bekannt gemachten Sperrzeitverordnung an der nötigen Normklarheit, soweit es um die Frage geht, ob die Verordnung auch für die Westliche und die Östliche Zwingergasse gilt. Zwar spricht § 1 Abs. 1 SperrzeitV dafür, dass die Rechtsverordnung im gesamten Bereich innerhalb der Stadtgräben gelten soll. Andererseits werden in § 1 Abs. 2 Satz 1 SperrzeitV („der Geltungsbereich ... erstreckt sich auf folgende Straßenzüge“) sämtliche Straßen bzw. Straßenteile und Plätze innerhalb der Stadtgräben namentlich benannt, mit Ausnahme der beiden Zwingergassen. Zusätzlich bestimmt zwar § 1 Abs. 2 Satz 3 SperrzeitV, dass sich der Geltungsbereich „im Einzelnen“ aus einem als Bestandteil der Sperrzeitverordnung beigefügten Lageplan ergeben soll. Dies scheitert aber schon daran, dass dieser mangels Ausfertigung nicht Bestandteil der Verordnung geworden ist. Im Übrigen würde er die Unklarheit noch verstärken, denn in ihm sind die Westliche und die Östliche Zwingergasse nicht farbig markiert und damit nicht als zum Geltungsbereich der Sperrzeitverordnung gehörend gekennzeichnet. Hinsichtlich der Zugehörigkeit der beiden Zwingergassen zum Geltungsbereich der Sperrzeitverordnung ist diese somit unklar.

Soweit sich die Sperrzeitverordnung (nach den Vorstellungen der Antragsgegnerin) auch auf die Östliche Zwingergasse und die Westliche Zwingergasse erstreckt, ist sie wegen der geschilderten Unklarheit der Fassung vom 18. April 2011 und des gescheiterten Versuchs, diese Unklarheit durch eine Änderung der Sperrzeitverordnung ohne zugrundeliegenden Stadtratsbeschluss zu beheben, rechtswidrig und insoweit für unwirksam zu erklären.

b) Die geschilderten Zweifel in Bezug auf die Zugehörigkeit der Östlichen und der Westlichen Zwingergasse zum räumlichen Geltungsbereich der Sperrzeitverordnung führen nicht dazu, dass diese insgesamt unwirksam wäre. Aus § 1 Abs. 1 und Abs. 2 Sätze 1 und 2 SperrzeitV mit dem oben beschriebenen Inhalt ergibt sich nämlich hinreichend deutlich der Wille der Antragsgegnerin, (jedenfalls) den gesamten übrigen Bereich öffentlicher Verkehrsflächen innerhalb der Begrenzungsstraßen Nördlicher-, Westlicher- und Östlicher Stadtgraben der Sperrzeitverordnung zu unterwerfen.

Durchgreifende Bedenken gegen die hinreichende Bestimmtheit bestehen insofern nicht. An denjenigen Stellen, an denen Straßen über diese äußere Begrenzung durch den genannten Umgriff hinausreichen, ist die Grenze des Geltungsbereichs durch Angabe der kreuzenden Straße bzw. des kreuzenden Platzes definiert und für die Begrenzungsstraßen bestimmt, dass diese mit beiden Straßenseiten von der Sperrzeitverordnung erfasst sind, wobei die Hausanschrift maßgeblich ist (§ 1 Abs. 2 Satz 2 SperrzeitV). Einer zusätzlichen Darstellung des räumlichen Geltungsbereichs in einem Lageplan bedurfte es nicht. Nur ein offensichtlicher bloß redaktioneller und für die Wirksamkeit der Sperrzeitverordnung unschädlicher Fehler liegt vor, soweit es in der dritten Zeile von § 2 SperrzeitV „und“ heißt anstelle von „, wenn “.

3. Die materiell-rechtlichen Voraussetzungen für den Erlass der vorliegenden Sperrzeitverordnung sind erfüllt.

Nach § 10 GastV (in der Fassung des Gesetzes zur Änderung des Feiertagsgesetzes und der Gaststättenverordnung vom 27.12.2004, GVBl S. 539) kann bei Vorliegen eines öffentlichen Bedürfnisses oder besonderer örtlicher Verhältnisse die Sperrzeit durch Verordnung verlängert oder aufgehoben werden, so dass nicht mehr die einstündige allgemeine Sperrzeit zwischen 5:00 und 6:00 Uhr gemäß § 8 Abs. 1 GastV gilt („Putzstunde“). Nach der Begründung zum Entwurf des Gesetzes vom 27. Dezember 2004 (LT-Drs. 15/1892, S. 3 ff.) soll die landesweite Festsetzung der allgemeinen Sperrzeit auf die Putzstunde dem geänderten Ausgehverhalten weiter Kreise der Bevölkerung und den wirtschaftlichen Interessen der Gastronomie gerecht werden. Die Gemeinden sollen aber „wie bisher“ bei Vorliegen eines öffentlichen Bedürfnisses oder besonderer örtlicher Verhältnisse durch Rechtsverordnung für ihr ganzes Gemeindegebiet oder Teile davon oder durch Einzelfallbescheid für einzelne Betriebe eine abweichende Sperrzeit festsetzen können. Weil die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 10 GastV, der seine Ermächtigungsgrundlage in § 18 Abs. 1 Satz 2 GastG hat, gleich geblieben sind, kann zu ihrer Auslegung im Wesentlichen auf die bisherige Rechtsprechung hierzu zurückgegriffen werden (BayVGH vom 17.6.2008 BayVBl 2009, 695/696, vom 25.1.2010 GewArch 2010, 118 und vom 10.8.2011 Az. 22 N 10.1867 u.a.). Für eine Verlängerung der Sperrzeit, also ein früheres Schließen von Gaststätten, wird regelmäßig das Tatbestandsmerkmal der besonderen örtlichen Verhältnisse herangezogen - so auch vorliegend. Besondere örtliche Verhältnisse in diesem Sinn liegen vor, wenn sich die Verhältnisse im örtlichen Bereich so von den Verhältnissen anderer örtlicher Bereiche unterscheiden, dass deswegen eine Abweichung von der allgemeinen Sperrzeit gerechtfertigt erscheint; sie setzt in der Regel atypische Gebietsverhältnisse im Sinn einer besonderen Störungsempfindlichkeit (oder auch Unempfindlichkeit) der Umgebung voraus (BayVGH vom 17.6.2008 a.a.O., vom 25.1.2010 a.a.O. und vom 10.8.2011 a.a.O., jeweils m.w.N.). In Rechtsprechung und Literatur besteht Einigkeit, dass Gesichtspunkte des Schutzes vor schädlichen Umwelteinwirkungen im Sinn des Bundes-Immissionsschutzgesetzes und vor sonstigen erheblichen Nachteilen, Gefahren oder Belästigungen für Bewohner der Nachbargrundstücke wie auch für die Allgemeinheit (§ 5 Abs. 1 Nr. 3 GastG) bei der Prüfung einer Sperrzeitfestsetzung zu berücksichtigen sind (BayVGH vom 17.6.2008 a.a.O., vom 25.1.2010 a.a.O. und vom 10.8.2011 a.a.O.; BVerwG vom 10.5.1995 GewArch 1995, 382 und vom 7.5.1996 BVerwGE 101, 157; BVerwG vom 9.4.2003 GewArch 2003, 300). Je nachdem, ob eine Sperrzeitverlängerung nur im Einzelfall für einen bestimmten Betrieb oder abstrakt und generell für einen bestimmten räumlichen Geltungsbereich vorgenommen wird, müssen die tatbestandlichen Voraussetzungen nur für diesen Betrieb oder für den gesamten räumlichen Geltungsbereich vorliegen. Im räumlichen Geltungsbereich der strittigen Verordnung liegen besondere örtliche Verhältnisse in diesem Sinn vor.

a) Besondere örtliche Verhältnisse bestehen hier im Hinblick auf unzumutbare Störungen der Nachtruhe.

Besondere örtliche Verhältnisse können sich unter dem Aspekt der Bekämpfung schädlicher Lärmeinwirkungen daraus ergeben, dass in einem Gebiet eine zahlenmäßig beträchtliche Wohnbevölkerung auf eine große Zahl von Gaststätten mit Nachtbetrieb trifft und damit eine konfliktträchtige Gemengelage entsteht, die als solche untypisch ist und eine Besonderheit darstellt. Eine ungewöhnliche Dichte von gastronomischen Betrieben, die zwischen 1:00 Uhr und 5:00 Uhr geöffnet sind, führt häufig dazu, dass alkoholisierte Ruhestörer, sich laut unterhaltende Gäste oder Passanten, von denen Störungen der Nachtruhe oder der öffentlichen Sicherheit und Ordnung ausgehen, als Kunden einer bestimmten Gaststätte nicht zugeordnet werden können. Ein Vorgehen nur gegen einzelne Gaststättenbetriebe wäre in solchen Fällen nicht hilfreich. Die Gaststättenbesucher könnten leicht auf andere Betriebe ausweichen.

Eine konfliktträchtige Gemengelage in diesem Sinn hat der Verwaltungsgerichtshof in dem mit Urteil vom 25. Januar 2000 (a.a.O.) entschiedenen Fall angenommen, in dem einer Wohnbevölkerung von etwa 13.000 Menschen 173 Gaststätten mit Nachtbetrieb gegenüber standen. Vorliegend ist die Lokaldichte im Innenstadtbereich der Antragsgegnerin (innerhalb der Stadtgräben) bei etwa 1.400 Bewohnern und 25 Gaststätten mit Nachtbetrieb und einer besonderen Betriebsform, wie z.B. Diskos, Bars, Nachtlokale und Spielhallen, vergleichbar. Aus der Übersichtsliste im Ordner 2, Abschnitt III, der Akte der Antragsgegnerin ergibt sich, dass diese 25 Lokale nicht auf ein kleines Gebiet konzentriert sind, sondern sich im gesamten Bereich innerhalb der Stadtgräben befinden, wenngleich schwerpunktmäßig in der südlichen Hälfte der Innenstadt. Besondere örtliche Verhältnisse sind deshalb im räumlichen Geltungsbereich der Sperrzeitverordnung zwar nicht überall gleich stark, aber unter Lärmschutzaspekten dennoch insgesamt vorhanden.

Schädliche Umwelteinwirkungen sind nach § 3 Abs. 1 BImSchG Immissionen, die nach Art, Ausmaß oder Dauer geeignet sind, Gefahren, erhebliche Nachteile oder erhebliche Belästigungen für die Allgemeinheit oder die Nachbarschaft herbeizuführen. Zu den zu berücksichtigenden Lärmeinwirkungen gehören dabei nicht nur die Geräusche durch den eigentlichen Gaststättenbetrieb, also der Lärm aus der Gaststätte, sondern auch sonstiger, der Gaststätte zurechenbarer Lärm wie der durch Gäste hervorgerufene Lärm auf dem Weg von und zu der Gaststätte, sofern er einen erkennbaren Bezug zu dem Betrieb hat. Die Beurteilung der Zumutbarkeit von Geräuschen hat nach der Lärmart und -intensität zu erfolgen, die nach dem einschlägigen technischen Regelwerk der TA Lärm ermittelt werden kann (BayVGH vom 17.6.2008 a.a.O., vom 25.1.2010 a.a.O. und vom 10.8.2011 a.a.O.; BVerwG vom 9.4.2003 GewArch 2003, 300). Danach sind im räumlichen Geltungsbereich der strittigen Verordnung nachts unzumutbare Lärmimmissionen zu erwarten.

Gestützt wird diese Einschätzung durch das von der Antragsgegnerin vorgelegte schalltechnische Gutachten des Immissionsschutz- und Akustik-Büros „… ingenieure“ vom 20. April 2011, in dem das Ergebnis einer Lärmmessung am 20. März 2011 dargestellt und bewertet worden ist. Zwar lag dieses Gutachten im Zeitpunkt der Beschlussfassung des Stadtrats über die Sperrzeitverordnung noch nicht vor. Dies ist aber unschädlich, weil den Stadträten jedenfalls die Messergebnisse vorlagen, die durch dieses Gutachten ausgewertet werden, und das Gutachten letztlich die Einschätzung des Normgebers stützt, dass nach diesen Messergebnissen von unzumutbaren Lärmimmissionen im fraglichen Bereich ausgegangen werden kann. Die Einwände der Antragstellerin gegen die Ordnungsgemäßheit der Messungen bzw. Beurteilungen greifen nicht durch.

Zu Recht wird in diesem Gutachten der für Mischgebiete wie für Kerngebiete gleichermaßen in der Nacht geltende Immissionsrichtwert von 45 dB(A) gemäß Nummer 6.1 Satz 1 Buchst. c der TA Lärm zugrunde gelegt; die vom Gutachter vorgefundenen Nutzungsstrukturen entsprechen den Katalogen von § 6 und § 4 BauNVO. Dem Gutachten zufolge ergaben die Messungen am Sonntag, den 20. März 2011, etwa zwischen 1:46 Uhr und 4:50 Uhr (an den verschiedenen Messpunkten wurde nacheinander, teilweise zeitlich überlappend gemessen), Überschreitungen des maßgeblichen Immissionsrichtwerts von 45 dB(A) um 16 bis 34 dB(A); der für einzelne kurzzeitige Geräuschspitzen geltende nächtliche Maximalpegel in Mischgebieten (20 dB(A) über dem Immissionsrichtwert für die Nacht, vergleiche Nr. 6.1 Satz 2 der TA Lärm) wurde gleichfalls an allen Messpunkten überschritten, und zwar um bis zu 25 dB(A) (vgl. die Zusammenfassung unter Nr. 4 auf S. 13 des Gutachtens vom 20.4.2011). Der Gutachter hat auch einen Zuschlag für Impulshaltigkeit nach Nr. A.3.3.6 des Anhangs zur TA Lärm und - wegen der vielfach klar verständlichen Gespräche und Zurufe - einen Zuschlag für Ton- und Informationshaltigkeit in Höhe von sechs dB(A) gemäß Nr. A.3.3.5 des Anhangs zur TA Lärm berücksichtigt; eliminiert wurden der Darstellung unter Nr. 3.5.2 des Gutachtens zufolge die vom öffentlichen Straßenverkehr beeinflussten Fremdgeräuschperioden.

Durchgreifende Bedenken gegen die Korrektheit der Messungen bestehen nicht. Dass an zwei der acht vorgesehenen Messpunkte keine Messung stattfand, weil ein Kino und ein Lokal im Westlichen- beziehungsweise im Östlichen Stadtgraben bereits geschlossen hatten, schmälert den Wert der Messung nicht wesentlich. Die Positionierung der übrigen sechs Messpunkte und die dort ermittelten Schallpegel ergeben einen ausreichend verlässlichen Befund, um die von der Antragsgegnerin für die Notwendigkeit der Sperrzeitverordnung herangezogene konfliktträchtige Gemengelage im Hinblick auf schädliche Lärmeinwirkungen für den Bereich innerhalb der Stadtgräben auch messtechnisch belegen zu können. Soweit die Antragstellerin bemängelt, dass nicht in einer Entfernung von 0,5 m vor den geöffneten Fenstern der am stärksten schutzbedürftigen, vorliegend meist über den Erdgeschossen liegenden Wohnräume (vgl. Nr. A.1.3 Buchst. a des Anhangs zur TA Lärm), sondern in etwa 1,6 m Höhe und durchschnittlich ca. 10 m von der Lärmquelle entfernt gemessen worden sei, steht dies der Verwertung der Messergebnisse nicht entgegen, weil sie Rückschlüsse auf die Verhältnisse an den maßgeblichen Immissionsorten zulassen. Angesichts der gemessenen teilweise sehr beträchtlichen Überschreitungen der Immissionsrichtwerte, der kleinräumigen Verhältnisse und der meist engen Straßen im Innenstadtbereich der Antragsgegnerin bestehen gegen die Verwertbarkeit der Messergebnisse keine Bedenken. Die Einschätzung des Gutachters (S. 14 des Gutachtens vom 20.4.2011), dass die Messergebnisse direkt als Grundlage zur Beurteilung der Geräuschsituation vor den Fenstern der Aufenthaltsräume in den Obergeschossen übertragen werden können, ist nachvollziehbar. Zudem erbrachte bereits die vom Büro „Geoplan“ in der Nacht zum Sonntag, den 18. April 2010, durchgeführte Messung an einem im Obergeschoss liegenden Hotelfenster gegenüber dem Stadtplatz eine Überschreitung des maßgeblichen Immissionsrichtwerts um 15 dB(A) in der Zeit von 0:00 Uhr bis 2:00 Uhr und eine Überschreitung um ca. 10 dB(A) zwischen 3:00 Uhr und 4:00 Uhr (vgl. den umwelttechnischen Bericht vom 26.5.2010). Hinzu kommt, dass z.B. in einer milden Sommernacht mit geöffneten Gaststättenfenstern und mit einer größeren Zahl von „Nachtschwärmern“ deutlich mehr Lärm zu erwarten ist als unter den im Gutachten genannten Witterungsverhältnissen in der Nacht der Messung im März 2011 (etwa 4° C, etwa 68% rel. Luftfeuchtigkeit).

Der Verwaltungsgerichtshof verkennt nicht, dass vorliegend die zwei höchsten von sechs Immissionsrichtwert- und Spitzenpegelüberschreitungen vor den Messpunkten MB 5 und MB 8 gemessen wurden, also vor zwei Diskotheken. Auch kann nach den Örtlichkeiten sowie der Beschreibung der Messbereiche unter Nr. 3.4 und der Beobachtungen und Höreindrücke unter Nr. 3.5.1 des Gutachtens vom 20. April 2011 vermutet werden, dass unter den lärmenden Jugendlichen und vorbeiziehenden Personengruppen am Messpunkt MB 4 (Bereich L…platz bis zur und vor allem an der Einmündung der B…gasse) auch Personen waren, die Besucher der in der B…gasse liegenden Diskothek waren; ähnliches gilt für den Messpunkt MB 6 (Rückseite einer der Diskotheken), wo Passanten zwischen der Diskothek und umliegenden Lokalen wechselten. Andererseits wurden auch an den Messpunkten MB 2 bzw. MB 7 Immissionsrichtwertüberschreitungen (um 25 dB(A) bzw. 16 dB(A)) und Maximalpegelüberschreitungen (um 20 dB(A) bzw. 7 dB(A)) ermittelt, obgleich dort aufgrund der örtlichen Lage und der beschriebenen Art der Lärmquellen ein Bezug zu Gästen einer der beiden Diskotheken nicht ohne weiteres hergestellt werden kann. Deshalb kann trotz der im Bereich zweier Diskotheken festgestellten starken Immissionsrichtwert- bzw. Maximalpegelüberschreitungen die Lärmproblematik nicht allein diesen Betrieben zugerechnet werden.

Der in der mündlichen Verhandlung erhobene Einwand, die in der Nacht von Samstag auf Sonntag vorgenommenen Lärmmessungen erlaubten keinen Rückschluss auf die Lärmbeeinträchtigungen während der übrigen Woche, überzeugt nicht. Zwar handelt es sich bei diesem Messzeitraum nach Angaben der Antragstellerin um denjenigen mit dem zahlen- und umsatzmäßig stärksten Gaststättenbesuch. Es können sich aber - wie die Aussagen in der mündlichen Verhandlung ergaben - derartige Schwerpunkte im Lauf der Zeit auch auf andere Wochentage verschieben. So hat die Antragstellerin erklärt, im letzten Jahr habe sich die Nacht von Samstag auf Sonntag zur hauptsächlichen Weggehzeit entwickelt, wogegen es früher auch Schwerpunkte in der Nacht von Donnerstag auf Freitag gegeben habe (vgl. die Niederschrift über die mündliche Verhandlung vom 29.9.2011 S. 2 f.). Zudem wäre zu befürchten, dass bei einer zeitlichen Begrenzung der Sperrzeitverordnung nur auf das Wochenende sich die mit der Sperrzeitverordnung bekämpften Beeinträchtigungen zwar nicht vollständig, aber doch in einem nicht unerheblichen Ausmaß auf andere Wochentage verlagern könnten.

b) Die Sperrzeitverordnung ist vorliegend zu Recht auch auf sicherheitsrechtliche Erfordernisse gestützt.

Insoweit ist in der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs anerkannt, dass eine Sperrzeitverlängerung hinsichtlich des Tatbestandsmerkmals des öffentlichen Bedürfnisses oder der besonderen örtlichen Verhältnisse neben dem Gesichtspunkt des Schutzes vor schädlichen Umwelteinwirkungen im Sinn des Bundes-Immissionsschutzgesetzes auch bei sonstigen Sicherheitsbeeinträchtigungen in Betracht kommt, etwa bei Tätlichkeiten und Ordnungswidrigkeiten, auch in Form von Verstößen gegen das Jugendschutzrecht (vgl. BayVGH vom 10.8.2011 a.a.O.). Es ist hierbei darauf abzustellen, ob Tatsachen vorliegen, die die Annahme rechtfertigen, dass bei Beibehaltung der allgemeinen Sperrzeit die öffentliche Sicherheit und Ordnung in Frage steht (vgl. BayVGH vom 17.6.1999 Az. 22 N 98.2229).

Vorliegend ergeben sich derartige besondere örtlichen Verhältnisse u.a. aus der Schilderung der Polizeiinspektion D… vom 26. Februar 2011, wonach nach Einführung der „Putzstundenregelung“ im Jahr 2005 die Straftaten und Sicherheitsstörungen in den Innenstädten landesweit, auch in der Stadt D…, angestiegen sind, und zwar in D… in den Jahren von 2007 bis einschließlich 2010 von 261 Fällen auf 638 Fälle, wobei etwa 75% dieser Fälle zwischen 0:00 Uhr und 6:00 Uhr und mehr als die Hälfte aller Fälle zwischen 2:00 Uhr und 6:00 Uhr vorgekommen sind und - über die Woche gesehen - die allermeisten Fälle sich in den Nächten von Freitag bis Sonntag ereignet haben. Es sei auch darauf hinzuweisen, dass es fast keine Sicherheitsstörung gebe, bei der nicht mindestens ein Beteiligter teilweise erheblich alkoholisiert sei. Die von der Antragstellerin problematisierte Frage, ob und inwieweit die insoweit polizeilich erfassten Fälle zu straf- oder ordnungsrechtlichen Ahndungen geführt haben, betrifft nur die Folgen einer stattgefundenen Sicherheitsstörung für den oder die Täter. Das Ausbleiben derartiger Folgen ändert nichts an der Tatsache der Störung. Zu bedenken ist auch, dass mit einem repressiven Einschreiten gegen lärmende Personen die eigentlichen Ursachen der schädlichen Lärmeinwirkung nicht bekämpft werden, sondern dass nur reagiert wird (vgl. SächsOVG vom 27.9.2007 Az. 3 BS 100/07) und dass regelmäßig die eigentlichen Verursacher beim Eintreffen der Ordnungskräfte nicht mehr zu greifen sind und abschreckende Bußgelder dann nicht mehr verhängt werden können.

4. Der strittigen Sperrzeitverlängerung kann die Eignung zum Zweck der Bekämpfung von schädlichen Lärmeinwirkungen und Sicherheitsstörungen nicht abgesprochen werden. Hierfür reicht es aus, wenn durch die Regelung der gewünschte Erfolg gefördert werden kann. Es genügt also die Möglichkeit einer Zweckerreichung (BayVGH vom 25.1.2010 a.a.O.; BVerfG vom 30.7.2008 NJW 2008, 2409/2413, m.w.N.), hier also einer Verbesserung insbesondere der Lärmsituation. Eine solche Verbesserung tritt vorliegend auch dann ein, wenn der „Gaststättentourismus“ nach 2:00 Uhr zwar nicht ausgeschlossen, aber doch verringert und kanalisiert wird. Zudem kommt dem Verordnungsgeber bei der Beurteilung dessen, was er zur Verwirklichung seiner Ziele für geeignet und erforderlich hält, ein Einschätzungs- und Prognosespielraum zu, der erst überschritten ist, wenn die Erwägungen so falsch sind, dass sie vernünftigerweise keine Grundlage für die streitige Maßnahme abgeben können (BVerfG vom 16.3.2004 NVwZ 2004, 597/599). Dies ist hier nicht der Fall.

5. Angesichts der festgestellten beträchtlichen Lärmimmissionen und Störungen der öffentlichen Sicherheit kann die Antragstellerin nicht mit Erfolg einwenden, die Sperrzeitverlängerung in ihrer konkreten Ausgestaltung sei nicht verhältnismäßig im engeren Sinn, belaste sie unzumutbar und bedrohe sogar ihre Existenz. Trifft der Gesetzgeber Regelungen, die in die Freiheit der Berufsausübung (Art. 12 Abs. 1 Satz 2 GG bei Deutschen, Art. 2 Abs. 1 GG bei Ausländern) eingreifen, so muss bei einer Gesamtabwägung zwischen der Schwere des Eingriffs und dem Gewicht der ihn rechtfertigenden Gründe die Grenze des Zumutbaren gewahrt bleiben (BVerfG vom 30.7.2008 NJW 2008, 2409/2415 m.w.N.). Vorliegend wird mit der strittigen Sperrzeitverlängerung insbesondere der Schutz der Nachtruhe und damit auch der Gesundheit der Anwohner, somit ein überragend wichtiger Gemeinwohlbelang, verfolgt. Auf der Grundlage des ihm zuzubilligenden Spielraums ist der Normgeber nicht gehindert, dem Gesundheitsschutz gegenüber den damit beeinträchtigten Freiheitsrechten, insbesondere der Berufsfreiheit der Gastwirte und der Verhaltensfreiheit der Gaststättenbesucher, den Vorrang einzuräumen (BVerfG vom 30.7.2008 NJW 2008, 2409/2414). Zudem ist der eingerichtete und ausgeübte Gewerbebetrieb - mag er als solcher auch der Bestandsgarantie des Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG unterliegen - von vornherein behaftet mit dem Risiko etwaiger nachträglicher Anordnungen (§ 5 GastG) sowie von Sperrzeitverlängerungen nach § 18 GastG, gegebenenfalls auch ohne Rücksicht auf die Wirtschaftlichkeit des Gaststättenbetriebs. Die Möglichkeit, einen gaststättenrechtlich zugelassenen Betrieb gewinnbringend zu betreiben, ist verfassungsrechtlich nicht geschützt; § 18 GastG ist insoweit eine inhaltsbestimmende Regelung im Sinn des § 14 Abs. 1 Satz 2 GG (vgl. BVerwG vom 5.11.1985 GewArch 1986, 96). Dass infolge der Sperrzeitverlängerung bei den betroffenen Gaststätten ein wesentliches Begriffsmerkmal der erlaubten Betriebsart nicht mehr erfüllt wäre (vgl. hierzu BVerwG vom 5.11.1985 a.a.O.), ist vorliegend nicht anzunehmen. Bei einem Sperrzeitbeginn um 2:00 Uhr bestehen hierfür keine Anhaltspunkte.

a) Die Sperrzeitverordnung ist vorliegend nicht unverhältnismäßig im engeren Sinn unter dem Gesichtspunkt, dass ihr Anwendungsbereich schon durch den Verordnungstext ungerechtfertigt eingeschränkt wäre. Unverhältnismäßig im engeren Sinn und damit rechtswidrig wäre eine Sperrzeitverordnung, deren - mittels einer Sperrzeitverlängerung verfolgtes - legitimes Ziel des Nachtruhe- und Gesundheitsschutzes dadurch stark relativiert wird, dass die Verordnung von vornherein nur für solche Betriebe gilt, von denen kein wesentlicher Beitrag zu den festgestellten unzumutbaren Lärmimmissionen oder Störungen der öffentlichen Sicherheit ausgeht, während die „Hauptstörer“ wie z.B. stark lärmverursachende Diskotheken von der Geltung der Sperrzeitverlängerung ausgenommen werden (vgl. BayVGH vom 25.1.2010 a.a.O.). An einem solchen Mangel leidet die vorliegende Sperrzeitverordnung nicht; sie gilt vielmehr für alle Schank- und Speisewirtschaften und öffentlichen Vergnügungsstätten in ihrem räumlichen Geltungsbereich.

b) Dass von der generellen Sperrzeitverlängerung durch Einzelfallentscheidungen Ausnahmen gewährt werden können, macht die Sperrzeitverordnung nicht unverhältnismäßig; im Gegenteil ist dies sogar geboten. Die konkrete Ausgestaltung dieser Ausnahmeregelung durch die Verordnung ist nicht zu beanstanden. Zu berücksichtigen ist hierbei, dass das der Sperrzeitverordnung zugrundeliegende und im Zusammenspiel von Sperrzeitverlängerung (§ 1 SperrzeitV) einerseits und Ausnahmemöglichkeiten (§ 2 SperrzeitV) andererseits regelungstechnisch umgesetzte Konzept vorsieht, dass Ausnahmen für einzelne Betriebe nur bei Vorliegen eines öffentlichen Bedürfnisses oder besonderer örtlicher Verhältnisse erteilt werden dürfen. Diese Regelung ist in jeder Hinsicht mit den Ermächtigungsnormen (§ 10 GastV, § 18 GastG) vereinbar.

c) Auch die Praxis der Antragsgegnerin beim Vollzug der Sperrzeitverordnung führt nicht dazu, dass die Verordnung unverhältnismäßig (geworden) ist. Prüfungsgegenstand im Normenkontrollverfahren ist grundsätzlich nur die Norm, wie sie vom Normgeber beschlossen und in Kraft gesetzt worden ist. Nur ausnahmsweise kann aufgrund von konkreten Anhaltspunkten angenommen werden, dass - ungeachtet des eigentlich entgegenstehenden Normtextes - die zu erwartende Normanwendung in der Praxis von vornherein dem Verhältnismäßigkeitsgebot nicht wird Rechnung tragen können oder dass die bereits geübte Vollzugspraxis die Sperrzeitverordnung insgesamt entwertet hat, mit der Folge, dass - ähnlich wie im Fall eines funktionslos gewordenen Bebauungsplans - die Sperrzeitverordnung das mit ihr verfolgte Ziel auf Dauer nicht (mehr) erreichen kann. Ein solcher Fall liegt hier nicht vor.

Zwar mag die Antragsgegnerin - wie der Beschlussvorlage vom 28. März 2011 und der Antragserwiderung vom 30. Mai 2011 entnommen werden könnte - der Ansicht sein, dass ein besonderes öffentliches Bedürfnis im Sinn von § 2 SperrzeitV bei solchen Lokalitäten grundsätzlich bejaht werden kann, die Tanzgelegenheiten anbieten. Dies trifft zwar in dieser Allgemeinheit nicht zu. Es ändert aber nichts daran, dass § 2 SperrzeitV einen gesetzeskonformen Vollzug ermöglicht und verlangt. Dieser hat sich daran zu orientieren, dass ein öffentliches Bedürfnis dort nicht mehr zur Rechtfertigung einer Sperrzeitverkürzung (bzw. zur Ausnahme von einer im Verordnungsweg herbeigeführten allgemeinen Sperrzeitverlängerung) dienen kann, wo infolge der Sperrzeitverkürzung gesundheitsschädliche Lärmbeeinträchtigungen für die Nachbarschaft zu besorgen sind; denn Verstöße gegen die Gemeinwohlverträglichkeit stehen einer Sperrzeitverkürzung unter jedem Gesichtspunkt entgegen (vgl. Metzner, GastG, 6. Aufl. 2002, RdNr. 26 zu § 18 m.w.N.). Zudem sind im Vollzug der Sperrzeitverordnung nicht nur das Bedürfnis insbesondere der jugendlichen Bevölkerung an Tanzgelegenheiten, sondern im selben Maß auch die berechtigten, insbesondere auf den Schutz ihrer Gesundheit vor schädlichem Lärm gerichteten Interessen der Anwohnerschaft sowie das Gleichbehandlungsgebot zu beachten. Unzulässig dürfte es daher sein, einer Gaststätte wegen eines öffentlichen Bedürfnisses (Tanzgelegenheit) trotz der dem Lokal zurechenbaren gesundheitsschädigenden und damit gemeinwohlunverträglichen Lärmbeeinträchtigungen oder anderer mit der Sperrzeitverordnung bekämpfter Störungen eine Ausnahme nach § 2 SperrzeitV zu gewähren.

Es kann vorliegend aber nicht von vornherein angenommen werden, dass diese Rechtslage sich nicht durchsetzen wird; auch liegen keine verfestigten Verhältnisse dergestalt vor, dass die Sperrzeitverordnung ihr Ziel dauerhaft nicht mehr erreichen könnte. Denn gemäß § 2 SperrzeitV dürfen die Ausnahmen von der verlängerten Sperrzeit nur befristet und widerruflich gewährt werden; so ist die Antragsgegnerin auch bisher bei der Erteilung von Ausnahmegenehmigungen verfahren. Zudem hat der Stadtrat der Antragsgegnerin am 28. März 2011 beschlossen, bereits nach Ablauf eines Jahres die Effektivität der Sperrzeitverordnung anhand eines Erfahrungsberichts zu überprüfen. Selbst wenn die Antragsgegnerin die Rechtslage nicht beachten wollte und wenn das Ziel der Verordnung insbesondere durch die Gewährung von (rechtswidrigen) Ausnahmen von der Sperrzeitverlängerung gefährdet würde, könnte das Verordnungsziel durch rechtsaufsichtliche Maßnahmen (vgl. Art. 110 S. 1 und 3, Art. 111 bis 114 GO) oder infolge von Nachbarklagen wegen rechtswidrig erteilter Ausnahmen nach § 2 SperrzeitV durchgesetzt werden. Zumindest derzeit kann somit die strittige Verordnung nicht als unverhältnismäßig im engeren Sinn angesehen werden.

Kosten: § 154 Abs. 1, § 155 Abs. 1 Satz 3 VwGO.

Vorläufige Vollstreckbarkeit: § 167 Abs. 2 VwGO, § 708 Nr. 10, § 711 ZPO.

Nichtzulassung der Revision: § 132 Abs. 2 VwGO.

Beschluss

Der Streitwert wird auf 15.000 Euro festgesetzt (§ 52 Abs. 1 GKG).