AG Freising, Beschluss vom 27.10.2011 - XVII 319/04
Fundstelle
openJur 2012, 118490
  • Rkr:
Tenor

Der Antrag des Betreuers vom 21.10.2011 auf Genehmigung der Zuführung zu einer stationären, ärztlichen Behandlung des Betreuen wird abgelehnt.

Gründe

I.

Mit Antrag vom 21.10.2011, bei Gericht am 25.10.20011 eingegangen, beantragte der Betreuer die Zuführung des Betreuten zu einem ca. einwöchigem Krankenhausaufenthalt im Krankenhaus F. (offene Station), verbunden mit der Behandlung von Rissen in den Zehen des Betreuten. Ohne ärztliche Behandlung drohe nach der Mitteilung des Betreuers die Vorfußamputation. Der Betreuer legte insofern ein ärztliches Attest des behandelnden Hausarztes vom 21.10.2011 bei, in welchem die Angaben des Betreuers bestätigt werden. Der Betreute lehnt die stationäre Behandlung, nach Aufklärung über die geplante Behandlungsmaßnahme, strikt ab.

II.

Der Antrag war aus Rechtsgründen abzulehnen.

Insofern keiner weiteren Ausführung bedarf der Fall, falls der Betreute selbstbestimmungsfähig über die Entscheidung zur Einwilligung in eine ärztliche Maßnahme ist. Es versteht sich von selbst, dass insofern kein Zwang angewendet werden darf.

Aber auch im Fall der fehlenden Einwilligungsfähigkeit dürfen für einen medizinischen stationären Eingriff keine Zwangsmaßnahmen zur Durchsetzung der ärztlichen Behandlung ergriffen werden.

Es ist nach dem ärztlichen Attest zwar tatsächlich davon auszugehen, dass im Fall der Nichtbehandlung der körperlichen Erkrankung die Gefahr einer Vorfußamputation besteht. Es fehlt jedoch für die Genehmigung der Zwangsbehandlung die erforderliche gesetzliche Grundlage.

Nach Auffassung des BGH (vgl.FamRZ 2001, 149, 151) ist die medizinische Behandlung eines einwilligungsunfähigen Betreuten gegen dessen natürlichen Willen derzeit unzulässig, da es an der erforderlichen Rechtsgrundlage fehlt. Die Zwangsbehandlung stellt insofern eine Freiheitsbeschränkung nicht nur vorübergehender Art dar und unterliegt insofern dem Gesetzesvorbehalt nach Art. 2 Abs.2 GG, Art. 104 Abs. 1 GG; dies bedeutet, dass für die Vornahme einer Zwangsbehandlung gegen den Widerstand des Betreuten ein formelles Gesetz vorliegen müsste, welches zu dieser Maßnahmen berechtigt. Der BGH führt insofern aus, dass der Betreuer zwar nach § 1902 BGB der gesetzliche Vertreter des Betreuten ist und deshalb im Rahmen der Aufgabenkreise die Rechtsmacht hat den Betreuten nach außen zu vertreten. Allerdings, so der BGH weiter, ist nach heutigem Verständnis die Einräumung einer Rechtsmacht nicht zwingend mit der Macht zur Durchsetzung der getroffenen Entscheidung verbunden. Dies gilt nach Auffassung des BGH insbesondere im grundrechtsrelevanten Bereich, bei dem die Rechtsmacht des gesetzlichen Vertreters beschränkt ist. So bestimmt etwa bei einem Minderjährigen § 1631 BGB, dass Anweisungen der Eltern durchgesetzt werden können, ggf. nach § 1631 III BGB mit Hilfe der Behörden. Auf diese Bestimmung wird jedoch im Betreuungsrecht unter § 1908i I BGB gerade nicht verwiesen. Die Funktion des Betreuers für die Personensorge ist mit derjenigen der sorge- und erziehungsberechtigten Eltern gerade nicht vergleichbar.

7Aus § 326 I FGG kann eine solche Befugnis nicht hergeleitet werden, da der Betreuer insofern nur befugt ist, die Zuführung zur Unterbringung zu erreichen, nicht jedoch auch zur Durchführung der Behandlung selbst ermächtigt.

8Die Bestimmung des § 1906 BGB ist für die Genehmigung einer Zwangsbehandlung nicht ausreichend, da entsprechend dem Gesetzesvorbehalt, nur die dort ausdrücklich genannten Fälle geregelt bzw. durchgeführt werden können. Eine offene stationäre Zwangsbehandlung ist darin jedoch gerade nicht aufgeführt. § 1906 BGB enthält nur die Befugnis zur Unterbringung oder zu unterbringungsähnlichen Maßnahmen, nicht jedoch, die u.U. schwerwiegendere medizinische Zwangsbehandlung.

Insofern ist der Wille des Gesetzgebers dahingehend ausgeübt worden, dass ambulante bzw. offene stationäre Behandlungen des Betreuten nicht erzwungen werden können. Deshalb sind klare Grenzziehungen zwischen (gesetzlichen geregelten) Unterbringungsmaßnahmen und anderen Zwangsmaßnahmen von Nöten. Die hier beantragte Maßnahme fällt nicht unter die gesetzlichen Regelungen und war daher abzulehnen.

Eine andere Sachlage würde sich ggf. ergeben, falls der Betroffene wegen seiner Erkrankung einer geschlossenen Unterbringung (nach Vorlage eines Gutachten) in einem psychiatrischen Krankenhaus bedürfe. Dieser Fall liegt aber hier nicht vor. Nach dem Antrag des Betreuers geht es von dem Zweck der beantragten Maßnahme her nicht um eine Unterbringung, sondern darum, den Betroffenen in der offenen Station eines Krankenhauses einer medizinischen Behandlung gegen seinen Willen zuzuführen.

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