OLG München, Beschluss vom 19.09.2011 - 1 W 1532/11
Fundstelle
openJur 2012, 118221
  • Rkr:
Tenor

I. Die sofortige Beschwerde des Klägers vom 10.08.2011 gegen den Beschluss des Landgerichts Traunstein vom 08.07.2011 wird zurückgewiesen.

II. Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

III. Der Beschwerdewert wird auf 7.000,00 EUR festgesetzt.

Gründe

I.

Der Kläger macht gegenüber den Beklagten wegen behaupteter unzureichender Aufklärung und behaupteter fehlerhafter Behandlung im Zusammenhang mit der Behandlung einer Oberarmquerfraktur Schmerzensgeld und Schadensersatzansprüche geltend. Mit Beweisbeschluss vom 08.11.2010 beauftragte das Landgericht den Sachverständigen Prof. Dr. W. mit der Erstellung eines Sachverständigengutachtens und zu den unter Ziffer II. und III. in dem Beweisbeschluss aufgeworfenen Behauptungen der Parteien Stellung zu nehmen. Unter Ziffer II. 1. ist aufgeführt, dass der Kläger der Auffassung ist, dass keine absolute Operationsindikation bestanden habe und hierüber der Kläger aufgeklärt hätte werden müssen.

Das vom Sachverständigen am 20.01.2011 erstellte Gutachten ging beim Landgericht Traunstein am 24.02.2011 ein. In seinem ausführlichen schriftlichen Gutachten kam der abgelehnte Sachverständige zu dem Ergebnis, dass ein Behandlungsfehler nicht festzustellen sei und dass die Aufklärung der Situation angemessen gewesen und sorgfältig dokumentiert worden sei.

Nach Erhalt des Sachverständigengutachtens lehnte der Kläger mit Schriftsatz vom 11.05.2011 den Sachverständigen wegen Befangenheit ab. Zur Begründung führte der Kläger an, der Gerichtsgutachter habe den Gutachtensauftrag überschritten, indem er allgemein zu der Aufklärung Stellung genommen habe. Im Beweisbeschluss sei der Sachverständige nicht allgemein danach gefragt worden, ob die Aufklärung ausreichend gewesen sei. Desweiteren habe der Gerichtsgutachter versucht, im Rahmen der Untersuchung und Befragung dem Kläger bestimmte Worte in den Mund zu legen.

Das Landgericht wies mit Beschluss vom 11.05.2011 den Antrag auf Ablehnung des Sachverständigen zurück. Zur Begründung führte das Landgericht aus, dass sachliche Mängel der Begutachtung nicht in einem Ablehnungsverfahren zu verfolgen sind sondern die Regeln des §§ 411 Abs. 3, 412 Abs. 1 ZPO zur Anwendung kämen. Soweit der Kläger der Auffassung sei, dass sich das Misstrauen gegen die Unparteilichkeit des Sachverständigen daraus ergebe, dass sich dieser zur Aufklärung geäußert habe, könne dem nicht gefolgt werden. Das Gericht habe mit dem Beweisbeschluss vom 08.11.2010 den Rahmen vorgegeben, wozu sich der Sachverständige zu äußern habe. Soweit der Kläger behauptet, der Sachverständige habe ihm Worte in den Mund gelegt, habe sich der Sachverständige dazu geäußert und dies in Abrede gestellt.

Gegen diesen Beschluss legte der Kläger mit Schriftsatz vom 08.08.2011 sofortige Beschwerde ein. Zur Begründung führte er aus, die Auffassung des Landgerichts, dass sich der Sachverständige auch zur Aufklärung habe äußern sollen, sei nicht nachvollziehbar. Der Sachverständige habe insoweit seinen Gutachtensauftrag überschritten.

II.

Die zulässige Beschwerde erwies sich als unbegründet.

Ein Sachverständiger kann wie ein Richter wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt werden, wenn vom Standpunkt der Partei aus objektiv und vernünftig betrachtet ein Grund vorliegt, der geeignet ist, Misstrauen gegen die Unparteilichkeit zu rechtfertigen. Als Befangenheitsgrund genügt jede Tatsache, die ein auch nur subjektives Misstrauen der Partei gegen die Unparteilichkeit des Sachverständigen vernünftiger Weise rechtfertigen kann.

8Es kann aus Sicht des Senats nicht die Besorgnis der Befangenheit begründen, wenn der Sachverständige, der mit der Klärung der Frage, ob dem Arzt ein Behandlungsfehler nachgewiesen werden kann und ob über etwaige Behandlungsalternativen aufgeklärt wurde, beauftragt wurde, auch die vom Kläger aufgeworfene Frage einer ordnungsgemäßen Aufklärung mitbehandelt. Dies mag eine Überschreitung des Gutachtensauftrags darstellen. Vor dem Hintergrund, dass zumindest bei der Darstellung des Streitstandes unter I. in der Sachverhaltsübersicht erwähnt wurde, dass der Kläger den Beklagten insgesamt eine unzureichende Aufklärung vorwirft, und von einem medizinischen Sachverständigen keine Detailkenntnisse des Arztrechts verlangt werden können, kann dies nicht zu einer Besorgnis der Befangenheit führen.

Ob eine Überschreitung oder auch nur eine Fehlinterpretation eines Gutachtensauftrags geeignet ist, bei einer vernünftigen Partei die Besorgnis der Befangenheit hervorzurufen, ist aufgrund des jeweiligen Einzelfalls zu entscheiden. Eine schematische Betrachtungsweise verbietet sich. Vorliegend war zu berücksichtigen, dass die Frage einer ordnungsgemäßen Aufklärung von dem Kläger aufgeworfen worden ist, die Gegenstand der Sachverhaltsübersicht in dem Beweisbeschluss war und der Sachverständige insoweit nicht von sich aus neue Aspekte in das Verfahren eingeführt hat. Desweiteren hat der Sachverständige darauf hingewiesen, dass er die Frage der ordnungsgemäßen Aufklärung aufgrund der ihm vorliegenden Dokumentation beantwortet hat. Es ist für den Senat nicht ersichtlich, inwieweit bei einer vernünftigen Partei die Vorgehensweise des Sachverständigen zu einer Besorgnis der Befangenheit führen kann.

Soweit der Kläger behauptet, der Sachverständige habe ihm Worte in den Mund gelegt, ist festzustellen, dass dieser Sachvortrag insoweit nicht glaubhaft gemacht worden ist. Der Sachverständige hat diesen Vorwurf in seiner Stellungnahme vom 24.05.2011 zurückgewiesen.

III.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 ZPO.

Der Wert des Beschwerdegegenstandes wurde mit 1/3 des vorläufig festgesetzten Gegenstandswertes bemessen.

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