Bayerischer VGH, Urteil vom 20.09.2011 - 1 B 11.1011
Fundstelle
openJur 2012, 117945
  • Rkr:
Tenor

I. Das Urteil des Verwaltungsgerichts München vom 6. November 2008 wird in Nr. I. Satz 1 und Nr. II. geändert.

Die Klage wird insgesamt abgewiesen.

II. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen.

III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf eine Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des zu vollstreckenden Betrags abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in derselben Höhe leistet.

IV. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Der Beklagte wendet sich gegen ein Urteil des Verwaltungsgerichts München, mit dem dieses zu Gunsten des Klägers eine Beseitigungsanordnung für das „Hauptgebäude“ auf dem Seeufergrundstück FlNr. 1359/3 Gemarkung E… aufgehoben hat.

Der Kläger ist Eigentümer des genannten Grundstücks, das er im Jahr 1999 von den Nachfahren des Kunstmalers Hans Beat Wieland (1867 - 1945) erworben hat. Der von 1894 bis 1918 in München wohnende Schweizer Kunstmaler errichtete hier im Jahr 1900 ein Haus im norwegischen Stil mit einem Riegelmauerwerk, einer Bretterverschalung außen und einem Betonunterbau. Das Haus hatte eine Küche, eine Wohnstube, zwei Schlafzimmer, eine Toilette und eine Veranda. Mit baupolizeilicher Verfügung vom 12. Juni 1900 wurde es als „Landhaus“ genehmigt. Mit baupolizeilichen Verfügungen vom 5. Juli 1902 bzw. 14. Mai 1904 wurden jeweils auf der Westseite ein Atelieranbau und ein weiterer Anbau genehmigt. Der mit baupolizeilicher Verfügung vom 27. August 1909 genehmigte Atelierbau wurde nicht verwirklicht. Mit Verfügung vom 29. April 1911 wurde ein unterkellerter Anbau an der Nordseite genehmigt, mit Verfügung vom 7. Mai 1913 ein Ausbau des Dachgeschosses auf der Westseite des Gebäudes.

Ab dem Jahr 2002 bemühte sich der Kläger um eine Genehmigung zur Sanierung und zum Umbau des unter Denkmalschutz stehenden Anwesens. Ein mit dem Landratsamt L… abgestimmter Vorschlag mit „bewusst moderner Gestaltung der Ostfassade in Glas, Stahl und Beton“ wurde vom Bayerischen Landesamt für Denkmalpflege abgelehnt. Daraufhin reichte der Kläger einen Eingabeplan zum Umbau und zur Sanierung der Kellerräume und zur Errichtung einer aufgeständerten Terrasse bzw. Balkons ein, der mit Bescheid des Landratsamts vom 25. April 2005 genehmigt wurde. Diese Genehmigung beinhaltet auch eine vollständige Unterkellerung des bislang nur teilweise unterkellerten Gebäudes. Mit weiterem Bescheid vom 29. August 2006 erteilte das Landratsamt dem Kläger auch die Baugenehmigung für die beantragte Sanierung des Daches und den Einbau von zwei zusätzlichen Dachgauben.

Bei einer Baukontrolle am 6. Dezember 2006 stellte das Landratsamt bei dem im Rohbau befindlichen Bauvorhaben zahlreiche Planabweichungen fest. So seien im Kellergeschoss die als Bestand gekennzeichneten Wände entfernt und teilweise neu wieder errichtet worden. Neue Fensteröffnungen seien hergestellt worden. Die Holzbalkendecken über Keller- und Erdgeschoss seien jeweils durch eine Ziegelbetondecke ersetzt worden. Im Erdgeschoss seien bis auf die Außenwandverkleidung (Holzschalung) alle Außen- und Zwischenwände neu errichtet worden. Die Raumhöhe sei mit 3,13 m vom Rohboden aus gemessen worden. Im Dachgeschoss sei der Kniestock an der Ost- und Nordseite von 1 m auf 1,20 m erhöht worden.

Mit Bescheid vom 7. Dezember 2006 bestätigte das Landratsamt die bereits am 6. Dezember 2006 wegen der planabweichenden Ausführung der Bauarbeiten mündlich verfügte Baueinstellung. Widerspruch und Klage gegen diesen Bescheid blieben erfolglos.

Mit Schreiben vom 2. Mai 2007 teilte das Bayerische Landesamt für Denkmalpflege mit, man habe bei einem Ortstermin am 6. Februar 2007 festgestellt, dass die vor kurzem erfolgten baulichen Maßnahmen an dem Landhaus im Norwegerstil zu einer erheblichen Reduzierung des historischen Baubestands geführt hätten. Hinter der Holzverkleidung des Objekts sei ohne denkmalrechtliche Erlaubnis ein nahezu vollständiger Neubau errichtet worden. Lediglich im Dachwerk seien noch wenige, teilweise zusammenhanglose Reste des ursprünglichen Bestands vorhanden. Keller, Zwischendecken, Innen- und Außenwände seien erneuert worden. Hierdurch sei der historische Baubestand stark eingreifend verändert worden. Die gesamte, teilweise künstlerisch gestaltete Oberfläche sowie Ausstattungsdetails seien verloren gegangen. Das Anwesen erfülle damit nicht mehr die Kriterien nach Art. 1 DSchG und habe aus der Denkmalliste gestrichen werden müssen.

Mit Bescheid vom 25. September 2007 verpflichtete das Landratsamt nach Anhörung den Kläger, das „Hauptgebäude“ auf dem genannten Grundstück zu beseitigen, und drohte für den Fall der Nichterfüllung dieser Verpflichtung binnen vier Monaten ab Bestandskraft ein Zwangsgeld in Höhe von 15.000 Euro an. Die an dem Gebäude durchgeführten Bauarbeiten hätten der Genehmigung bedurft. Die nachträgliche Genehmigung könne jedoch nicht erteilt werden, weil das Vorhaben den bauplanungsrechtlichen Vorschriften widerspreche. Durch die Bauarbeiten sei so massiv in den Bestand eingegriffen worden, dass dies einem Neubau gleichkomme. Die Voraussetzungen für einen Ersatzbau gemäß § 35 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 BauGB lägen nicht vor. Nach Kenntnis des Landratsamts habe es sich bei dem im Jahr 1900 genehmigten Gebäude um ein Wochenend- und Ferienhaus gehandelt. Dies könne jedoch dahingestellt bleiben, weil es vom Kläger und dessen Familie so genutzt worden sei. Als sonstiges Vorhaben seien die durchgeführten Baumaßnahmen nicht zulässig, weil in mehrfacher Hinsicht öffentliche Belange beeinträchtigt würden. Das Gebäude widerspreche den Darstellungen des Flächennutzungsplans, der hier eine Fläche für die Landwirtschaft vorsehe. Zudem sei das Vorhaben geeignet, die natürliche Eigenart der Landschaft und ihre Aufgabe als Erholungsgebiet für die Allgemeinheit zu beeinträchtigen. Dabei sei zu berücksichtigen, dass das Vorhaben in der landschaftlich äußerst reizvollen und damit schützenswerten Gegend des Ammersees liege. Besonders schwer wiege, dass das errichtete Gebäude im Fall der Genehmigung einen Bezugsfall darstellen würde, der dazu führen könne, dass weitere Eigentümer Baurecht in dem betreffenden Gebiet einforderten. Die Anordnung zur Beseitigung erfolge nach pflichtgemäßem Ermessen. Das Interesse des Klägers am Erhalt des Gebäudes müsse hinter dem Interesse der Allgemeinheit an der Wiederherstellung rechtmäßiger Zustände zurückstehen.

Mit Bescheid vom 17. Januar 2008 lehnte das Landratsamt einen dort am 28. Dezember 2007 eingegangenen Antrag des Klägers auf Erteilung einer Baugenehmigung zum „Rückbau/Entfernung von gesundheitsschädlichen Baumaterialien (kontaminierte Innenwände und Decken im best. Wohnhaus); ersatzweise Einbau von Innenwänden und Decken mit Ton-Ziegelsteinen/Naturbaustoffen“ als bauplanungsrechtlich unzulässig ab.

Mit Urteil vom 6. November 2008 wies das Verwaltungsgericht München die auf Erteilung dieser Baugenehmigung gerichtete Verpflichtungsklage des Klägers ab, seiner Anfechtungsklage gegen den Bescheid vom 25. September 2007 gab es jedoch statt.

Der Senat hat die Berufung gegen den stattgebenden Teil des Urteils auf Antrag des Beklagten mit Beschluss vom 27. April 2011 wegen ernstlicher Zweifel an dessen Richtigkeit zugelassen, weil das Verwaltungsgericht die Anwendbarkeit der in § 35 Abs. 4 Satz 1 Nrn. 2 und 4 BauGB geregelten Begünstigungstatbestände wohl zu Unrecht angenommen habe.

Zur Begründung der Berufung macht der Beklagte geltend, die durchgeführten Baumaßnahmen seien nicht genehmigungsfähig. Die Tatbestandsvoraussetzungen für eine Genehmigung nach § 35 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 BauGB oder alternativ § 35 Abs. 4 Satz 1 Nr. 4 BauGB seien nicht erfüllt und das Vorhaben beeinträchtige öffentliche Belange im Sinn von § 35 Abs. 3 BauGB. Die Baumaßnahmen des Klägers kämen in ihrem Umfang einer Neuerrichtung des Gebäudes gleich. Das vom Kläger durch seine Baumaßnahmen ersetzte Gebäude sei kein zulässigerweise errichtetes Wohngebäude gewesen. Den vorhandenen Genehmigungen aus der Zeit von 1900 bis 1911 könne die Genehmigung einer Dauerwohnnutzung nicht entnommen werden. Zwar sei der Begriff „Landhaus“ verwendet worden, doch habe dieser Begriff damals wohl nicht ein villenartiges Wohngebäude, sondern nur eine Behausung auf dem Land indiziert. Für eine Ferienhütte sprächen der Wohnsitz des Bauherrn Wieland in München, die reduzierten Dimensionen der Zimmer und das Fehlen jeglichen Komforts. Zudem könne nicht belegt werden, dass das Gebäude, wie es sich vor den Baumaßnahmen des Klägers dargestellt habe, von Baugenehmigungen abgedeckt worden sei. Abgesehen davon scheitere die Legalisierung des Vorhabens eindeutig am kumulativ zu fordernden Tatbestandsmerkmal des § 35 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. c BauGB, wonach das zu ersetzende Gebäude vom Eigentümer über längere Zeit selbst genutzt worden sein müsse. Diese Voraussetzung sei nicht erfüllt, wenn der Eigentümer das vorhandene Gebäude nicht ununterbrochen zur dauerhaften Versorgung mit dem notwendigen Wohnraum genutzt habe. Die Neuerrichtung eines Wohnhauses anstelle eines Ferienhauses komme deshalb nach dieser Vorschrift auch dann nicht in Frage, wenn sich der Eigentümer über viele Wochen im Ferienhaus aufhalte. Mit der Anforderung einer längeren Dauerwohnnutzung durch den Eigentümer solle gerade verhindert werden, dass – wie hier – „abgängige“ Wohngebäude im Außenbereich gezielt von Dritten erworben und durch Neubauten ersetzt würden. Zudem beeinträchtige das Vorhaben des Klägers den auch für die teilprivilegierten Tatbestände des § 35 Abs. 4 BauGB stets beachtlichen Belang des Denkmalschutzes. Dies gelte auch unter Berücksichtigung der Tatsache, dass das Gebäude die Denkmaleigenschaft bereits verloren habe. Bei der Prüfung einer nachträglichen Legalisierung von Vorhaben nach § 35 Abs. 4 Satz 1 BauGB müsse die zu genehmigende Baumaßnahme so betrachtet werden, als wäre sie noch nicht ausgeführt worden, denn alle teilprivilegierten Tatbestände hätten die Besonderheit, dass sie Anforderungen an den Bestand vor der Maßnahme stellten. Dieser notwendigerweise fiktive Blick auf eine noch zu vollziehende Baumaßnahme führe zu dem Ergebnis, dass die Baumaßnahmen Belange des Denkmalschutzes beeinträchtigten, denn sie führten zum Verlust derjenigen Bauelemente, die die Denkmaleigenschaft des Gebäudes begründet hätten. Die Ausübung des Ermessens hin zu einer vollständigen Beseitigung des Gebäudes begegne keinen Bedenken. Es seien keine im Hinblick auf Art. 3 GG vergleichbaren Präzedenzfälle zu berücksichtigen. Das Gebäude auf dem südlich angrenzenden Grundstück sei im Jahr 2002 nach § 35 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 BauGB genehmigt worden, wobei das zu ersetzende Gebäude nachweislich für längere Zeit vom Eigentümer bewohnt worden sei. Das Wohngebäude auf dem nördlich angrenzenden Grundstück sei bereits 1907 in der bestehenden Form genehmigt worden und seitdem im Familienbesitz geblieben. Dem Landratsamt lägen nur Vorgänge über die Erteilung von denkmalschutzrechtlichen Erlaubnissen, etwa zur Dachsanierung vor. Das nordwestlich gelegene Gebäude auf FlNr. 1359/6 sei nach Auskunft des Landratsamts in den 1970iger oder 1980iger Jahren genehmigt worden. Die erheblichen Investitionen des Bauherrn in das Vorhaben seien bei der Ausübung des Beseitigungsermessens nicht zu berücksichtigen.

Der Beklagte beantragt,

das Urteil des Verwaltungsgerichts München vom 6. November 2008 in Ziffer I. Satz 1 und Ziffer II. aufzuheben und die Klage insgesamt abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Das Anwesen des Klägers sei ein zulässigerweise errichtetes Wohngebäude, das für eine Dauerwohnnutzung geeignet sei und auch tatsächlich für diese Zwecke genutzt worden sei. Es stelle auch kein „Aliud“ gegenüber den historischen Genehmigungsdokumenten dar. Vor allem die Plan-Nr. 1911/142 und der weitere Genehmigungsakt 142/13 zeigten das Gebäude in seiner heutigen Größe und dem heutigen Zuschnitt. Der Plan zum Ausbau des Dachgeschosses von 1913 zeige ein „vollwertiges“ Landhaus mit Wohn- und Schlafräumen, großer Küche mit Speise und einem Badezimmer. In den Ansichtszeichnungen seien auch zwei Kamine erkennbar, so dass daraus geschlossen werden könne, dass das Anwesen auch voll beheizbar gewesen und damit nicht mehr nur als „Hütte“ genutzt worden sei. Deshalb möge vielleicht die Annahme des Beklagten richtig sein, dass das im Jahr 1900 errichtete Gebäude noch eher einer Hütte als einem Landhaus entsprochen habe, bereits im Jahr 1913 müsse jedoch objektiv das Gegenteil festgestellt werden. Da das Gebäude bereits vor Ausbruch des Ersten Weltkriegs seine heutige Form und Größe erreicht habe, sei auch verständlich, dass in der Folgezeit kaum noch weitere Baudokumente zu finden seien. Wie das Melderegister der Gemeinde belege, seien für das Anwesen ... Straße 49 ab dem Jahr 1929 mehrere Personen mit Hauptwohnsitz gemeldet gewesen. Da es für die Familie des Bauherrn Wieland nicht möglich gewesen sei, während der Kriegswirren und in der Zeit zwischen den beiden Weltkriegen das Wohnhaus selbst zu nutzen, seien die Räume an „Hausmeister-Familien“ vermietet worden. Das Verwaltungsgericht habe zu Recht die Voraussetzungen des § 35 Abs. 4 Satz 1 Nr. 4 BauGB als gegeben erachtet. Die mit Bescheiden vom 25. April 2005 und 29. August 2006 erteilten Baugenehmigungen ermöglichten bereits Änderungen, die die Substanz des Altbestands nicht unberührt ließen. So beinhalte die Baugenehmigung vom 25. April 2005 die Tieferlegung von vorhandenen Kellerbereichen auf eine einheitliche Tiefe von 2,65 m sowie einen zusätzlichen Neubau im Kellerbereich. Um diese Maßnahme durchzuführen, hätten zwingend neue Kellerfundamente und entsprechende Außenwände entstehen müssen. Die im genehmigten Bauplan Nr. 142/11 von 1911 dargestellte Kellergeschossdecke sei nicht vom Kläger ersetzt worden, sondern weiterhin original vorhanden. Die Ziegelbetondecke sei zum einen in Übereinstimmung mit der Baugenehmigung vom 25. April 2005 und zu einem kleinen Teil als Ersatz nicht mehr statisch sicherer Deckenabschnitte neu eingebracht worden. Rechtlich müssten diese Änderungen somit bei der Frage völlig ausgeklammert werden, ob eine den Bestandsschutz in Frage stellende Änderung vorliege. Nicht ausgeklammert werden könne selbstverständlich die Änderung der Bausubstanz insoweit, als der Kläger die extrem mit polycyclischen aromatischen Kohlenwasserstoffen (PAK) belasteten Dämmmaterialien im Rahmen der Sanierung des Gebäudes entfernt habe. Die historische Bauweise des Gebäudes kennzeichne sich als Holzriegelwerk mit tragenden und aussteifenden Bauelementen. Als Wärmeisolierung seien in die Holzkonstruktion steiniges Verbundmaterial und Teerkorkplatten eingelegt worden. Daran habe sich die eigentliche Innenverkleidung aus Holz angeschlossen. Ebenso sei auch die Decke über dem Erdgeschoss als Holzkonstruktion unter Verwendung gleicher Isoliermaterialien ausgeführt worden. Unstreitig sei, dass dieses Isoliermaterial den heute als krebserregend bekannten Wirkstoff Benzo(a)pyren enthalten habe. Eine spätere Untersuchung dieses Dämmmaterials habe ergeben, dass es als Sondermüll habe entsorgt werden müssen, weil es den einschlägigen Grenzwert um den Faktor 4.250 überschritten habe. Der Kläger sei weiterhin der Auffassung, dass auch diese Vorgehensweise nur als Änderung des Gebäudes und nicht als Neuerrichtung einzuordnen sei. Bei Denkmalgebäuden sei für die Entfernung gesundheitsschädlicher Baustoffe die Erlaubnis nach Art. 6 Abs. 1 Nr. 1 DSchG zu erteilen. Demnach sei die Entnahme dieser Dämmmaterialien durch den Kläger wenigstens im Nachhinein genehmigungsfähig und könne allenfalls als Änderung eines die Kulturlandschaft prägenden Gebäudes gewertet werden. Durch diese Maßnahme habe sich das charakteristische Erscheinungsbild des Gebäudes als eigenwillig gestaltete Künstlervilla nicht verändert, was vom Beklagten nicht bestritten werde. Ebenso wenig sei strittig, dass die Beseitigung dieser Dämmmaterialien aus dem Gesichtspunkt der Gesundheitsvorsorge notwendig gewesen sei. Wenn dies unterstellt werde, dann könne insoweit auch nicht von einem „unwiederbringlichen Verlust“ eines Baudenkmals gesprochen werden. Damit liege auch eine Beeinträchtigung des öffentlichen Belangs der Denkmalpflege im Sinn von § 35 Abs. 3 Nr. 5 BauGB nicht vor, weil sich die Denkmaleigenschaft im vorliegenden Fall nicht auf die Erhaltung oder Konservierung dieser speziellen Baumaterialien bezogen habe, sondern ausschließlich auf das äußere Erscheinungsbild des Gebäudes als Ausdruck des Lebens und Wirkens des Malers Wieland. Die zwischenzeitlich erfolgte Streichung des Gebäudes aus der Denkmalliste sei im Widerspruch zur gesetzlichen Definition erfolgt; aufgrund der ausschließlich deklaratorischen Bedeutung der Denkmalliste sei diese für die Entscheidung des Rechtsstreits ohne Auswirkung. Entgegen der Auffassung des Beklagten sei deshalb festzustellen, dass weiterhin ein Baudenkmal vorliege und dass die für die Erhaltung dieses Baudenkmals durchgeführten Änderungen mit den Voraussetzungen einer begünstigten Zulassung nach § 35 Abs. 4 Satz 1 Nr. 4 BauGB in Einklang stünden.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten beider Instanzen, die vom Beklagten vorgelegten Behördenakten und die Niederschrift über die mündliche Verhandlung Bezug genommen.

Gründe

Die Berufung des Beklagten hat Erfolg.

Das Verwaltungsgericht hat der Anfechtungsklage zu Unrecht stattgegeben. Es hätte die Klage abweisen müssen, weil die angefochtene Beseitigungsanordnung und die mit ihr verbundene Zwangsgeldandrohung rechtmäßig sind und somit den Kläger nicht in seinen Rechten verletzen (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).

Rechtsgrundlage für die Beseitigungsanordnung ist Art. 82 Satz 1 BayBO 1998 (= Art. 76 Satz 1 BayBO). Nach dieser Vorschrift kann die Bauaufsichtsbehörde die teilweise oder vollständige Beseitigung von im Widerspruch zu öffentlich-rechtlichen Vorschriften errichteten oder geänderten Anlagen anordnen, wenn nicht auf andere Weise rechtmäßige Zustände hergestellt werden können. Diese Voraussetzungen sind erfüllt. Die vom Kläger im Außenbereich abweichend von den ihm erteilten Baugenehmigungen durchgeführten baulichen Maßnahmen (§ 29 Abs. 1 BauGB) widersprechen bauplanungsrechtlichen Vorschriften. Sie sind schon deshalb nicht genehmigungsfähig, weil durch sie die selbst bei den gemäß § 35 Abs. 4 BauGB begünstigten Vorhaben stets beachtlichen Belange des Denkmalschutzes (§ 35 Abs. 2 und Abs. 3 Satz 1 Nr. 5 BauGB) beeinträchtigt werden (1.). Ob das im Außenbereich verwirklichte, nicht privilegierte Vorhaben auch deshalb rechtlich unzulässig ist, weil es auch andere öffentliche Belange beeinträchtigt, kann damit offen bleiben. Abgesehen davon liegen die Voraussetzungen für ein gemäß § 35 Abs. 4 BauGB begünstigtes Vorhaben nicht vor (2.). Zudem sind die behördlichen Ermessenserwägungen nicht zu beanstanden (3.).

1. Das Vorhaben beeinträchtigt Belange des Denkmalschutzes.

Bei dem Anfang der 1980iger Jahre in die Denkmalliste aufgenommenen „Eingeschossigen Landhaus im Norwegerstil, mit Grassoden-Dach, erbaut 1900“ handelte es sich bis zu den vom Kläger durchgeführten Baumaßnahmen um ein Baudenkmal im Sinn von Art. 1 Abs. 2 Satz 1 DSchG, also um eine bauliche Anlage aus vergangener Zeit, deren Erhaltung wegen ihrer geschichtlichen und künstlerischen Bedeutung im Interesse der Allgemeinheit lag. Entgegen den Behauptungen des Klägers war dabei nicht nur das äußere Erscheinungsbild maßgeblich, sondern der weitgehend unverfälscht erhaltene Bestand einschließlich verschiedener Ausbau- und Zierelemente im Innern als authentisches Zeugnis aus dem Leben und Schaffen des Künstlers Hans Beat Wieland (vgl. Schreiben des Bayer. Landesamts für Denkmalpflege vom 5.8.2004 an das Landratsamt L… - Untere Denkmalschutzbehörde -, dem eine Ortseinsicht vorausgegangen war).

Diesen Bestand einschließlich der „bis ins kleinste Detail künstlerisch überlegt“ vorgenommenen Raumgestaltung (vgl. S. 2 des genannten Schreibens des Bayer. Landesamts für Denkmalpflege vom 5.8.2004) hat der Kläger nahezu vollständig beseitigt, indem er ohne Genehmigung unter anderem mehrere Kellerwände, alle Außen- und Zwischenwände des Erdgeschosses sowie die Holzbalkendecken über dem Keller und Erdgeschoss entfernt hat (vgl. Aufnahmeprotokoll des Baukontrolleurs über ungenehmigte/planabweichende Bauarbeiten vom 7.12.2006). Entgegen der Behauptung des Klägers umfasst die Baugenehmigung vom 25. April 2005 nicht den Einbau einer Ziegelbetondecke über dem Kellergeschoss, weil in der Baubeschreibung „Bestand“ bei „Decken“ eingetragen ist. Durch die fast vollständige Beseitigung der vorhandenen Bausubstanz hat das Gebäude seine geschichtliche und künstlerische Bedeutung und damit seine Denkmaleigenschaft verloren, so dass es vom Bayerischen Landesamt für Denkmalpflege zu Recht aus der Denkmalliste gestrichen wurde. Dagegen hätten die Baumaßnahmen, die mit den Bescheiden vom 25. April 2005 und 29. August 2006 im Keller und Dachgeschoss genehmigt wurden, die geschichtliche und künstlerische Bedeutung des Gebäudes im wesentlichen unberührt gelassen, zumal das Erdgeschoss als Kern des Baudenkmals völlig unangetastet geblieben wäre.

Der Kläger kann sich nicht mit Erfolg darauf berufen, er habe nur stark gesundheitsgefährdende Baumaterialien ersetzt, so dass er für diese Sanierungsmaßnahmen eine denkmalschutzrechtliche Erlaubnis beanspruchen könne. Die am 10. November 2006 entnommenen Proben von Teerkorkplatten, deren Untersuchung einen hohen Anteil an gesundheitsgefährdenden Stoffen ergeben hat, betrafen ausschließlich das Dachgeschoss und dort ganz überwiegend den Dachbereich (vgl. Protokoll über die Entnahme einer Feststoffprobe vom 10.11.2006). Demgegenüber wurden im Erdgeschoss und im Keller einschließlich der jeweils darüber liegenden Holzbalkendecke keine Proben entnommen. Dementsprechend führt der Kläger in dem an das Bayerische Landesamt für Denkmalpflege gerichteten Schreiben vom 10. November 2003, das den „Istzustand“ des Gebäudes beschreibt, aus, das Blechdach sei mit Teerplatten unterlegt, welche als äußerst gesundheitsgefährdend einzustufen seien. Im Übrigen ist von Teerplatten oder einer Gesundheitsgefährdung keine Rede. Vielmehr heißt es unter anderem, zwischen dem (tragenden) Holzständerwerk befänden sich verputzte Strohmatten, die durch hochwertige Wärmeisolierungen ersetzt werden müssten. Stattdessen wird nun vorgetragen, als Wärmeisolierung seien Teerkorkplatten eingelegt worden. Zumindest missverständlich ist in diesem Zusammenhang die Verwendung des Wortes Holzriegelwerk, weil die Wände des Erdgeschosses aus einem Riegelmauerwerk bestanden (vgl. die genehmigten Baupläne von 1900 und 1902). Zudem kann der „Orientierenden Bestandsaufnahme“ vom 4. Dezember 2006 entnommen werden, dass der Teerkork im Dachgeschoss abschnittsweise an den Wänden vorgefunden wurde. Für einen Einbau von Teerkorkplatten in den Wänden oder sogar Geschossdecken gibt es dagegen keine Anhaltpunkte. Demnach hat der Kläger eine geschossübergreifende Gesundheitsgefahr durch Teerkork(platten) konstruiert, um sein Anwesen vor dem Abriss zu bewahren.

Eine Beeinträchtigung des Belangs des Denkmalschutzes entfällt nicht etwa deswegen, weil das Baudenkmal bereits beseitigt wurde. Bei der Prüfung der Genehmigungsfähigkeit einer bereits ausgeführten Baumaßnahme ist auf den Zeitpunkt unmittelbar vor Beginn dieser Maßnahme abzustellen. Andernfalls würde das gesetzgeberische Anliegen des Denkmalschutzes weitgehend leerlaufen, weil die eigenmächtige Beseitigung eines Baudenkmals stets dazu führen würde, dass dieser öffentliche Belang einem Bauvorhaben nicht mehr entgegengehalten werden könnte.

2. Im Übrigen liegen die Voraussetzungen für ein gemäß § 35 Abs. 4 BauGB begünstigtes Vorhaben nicht vor.

§ 35 Abs. 4 Satz 1 Nr. 4 BauGB scheidet bereits aus, weil die Baumaßnahmen des Klägers angesichts des weitgehenden Verlusts der alten Bausubstanz (nahezu vollständige Entkernung, Neuerrichtung aller Außenwände des Erdgeschosses u.a.) einem Neubau gleichkommen (vgl. BVerwG vom 18.10.1993 DVBl 1994, 292). Entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts und des Klägers sind bei der Abgrenzung zwischen Neuerrichtung und Änderung auch die von den erteilten Baugenehmigungen gedeckten Änderungen mit einzubeziehen. Anderenfalls könnte ein Bauherr durch Aufteilung eines de facto einheitlichen Bauvorhabens nach taktischen Gesichtspunkten die Anwendbarkeit des § 35 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 BauGB umgehen, indem er sich beispielsweise in einem ersten Schritt unter Berufung auf § 35 Abs. 4 Satz 1 Nr. 4 BauGB weitgehende Änderungen genehmigen lässt, die gerade noch keine Neuerrichtung darstellen, dann aber in einem zweiten Schritt die Genehmigung für weitere Baumaßnahmen beantragt.

Die Voraussetzungen des § 35 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 BauGB sind ebenfalls nicht gegeben. Zwar kann angesichts der in den Jahren 1900 bis 1913 erteilten Baugenehmigungen im Hinblick auf die Größe und Bauweise (Riegelmauerwerk) des genehmigten „Landhauses“ von einem zulässigerweise errichteten Wohngebäude im Sinn von § 35 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a ausgegangen werden, doch wurde das Gebäude nicht im Sinn von § 35 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. c seit längerer Zeit vom Kläger als Eigentümer zu Wohnzwecken selbst genutzt (vgl. BVerwG vom 25.6.2001 BauR 2002, 1059). Dies hat er in der mündlichen Verhandlung selbst eingeräumt (vgl. auch S. 2 des Schreibens des Bayer. Landesamts für Denkmalpflege vom 5.8.2004). Dementsprechend waren er und seine Familienangehörigen unter der Adresse „...straße 49“ nie mit Haupt- oder Nebenwohnsitz gemeldet.

3. Die Beseitigungsanordnung ist nicht ermessensfehlerhaft.

Das Landratsamt hat insbesondere nicht gegen seine Verpflichtung aus Art. 3 GG verstoßen, gleichgelagerte Sachverhalte gleich zu behandeln. Mit Ausnahme des Wohngebäudes auf dem nördlich angrenzenden Grundstück FlNr. 1359/4 handelt es sich bei den Gebäuden in der Nachbarschaft nicht um Baudenkmäler. Der Kläger macht selbst nicht geltend, dass das Wohngebäude auf FlNr. 1359/4 seine Denkmaleigenschaft durch Eingriffe des Eigentümers verloren habe. Hierfür gibt es auch keine Anhaltspunkte.

Soweit der Kläger einen Ermessensfehler darin sieht, dass das Landratsamt zu Unrecht die Beeinträchtigung bestimmter öffentlicher Belange (Darstellungen des Flächennutzungsplans, natürliche Eigenart der Landschaft und ihr Erholungswert für die Allgemeinheit, (Nicht-)Erweiterung einer Splittersiedlung) bejaht habe, verkennt er, dass sich das Landratsamt mit diesen Belangen nur bei der Prüfung der Tatbestandsvoraussetzungen, nicht aber im Rahmen seiner Ermessenserwägungen befasst hat. Maßgeblich für die vom Landratsamt getroffene Ermessensentscheidung war das Bestreben, rechtmäßige Zustände wiederherzustellen bzw. einen rechtswidrigen Zustand zu beseitigen (vgl. BVerwG vom 18.4.1996 BVerwGE 101, 58/64). Der Grund für die Rechtswidrigkeit des bestehenden Zustands war insoweit unerheblich (vgl. S. 4 des angefochtenen Bescheids). Demnach kann dahingestellt bleiben, ob die genannten weiteren öffentlichen Belange zusätzlich zu dem Belang des Denkmalschutzes beeinträchtigt sind.

Das Landratsamt musste bei seiner Entscheidung nicht erwägen, den Keller von der Beseitigungsanordnung auszunehmen. Dieser würde seine Eigenschaft bzw. Funktion als Keller verlieren, wenn er isoliert stehenbleiben würde (vgl. BayVGH vom 24.2.2005 Az. 1 ZB 04.276 <juris>). Da die Holzbalkendecke über dem Keller ohne Genehmigung durch eine Ziegelbetondecke ersetzt wurde, würden die von der Baugenehmigung vom 25. April 2005 gedeckten Gebäudeteile ohnehin einen Torso bilden.

4. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens, weil er unterlegen ist (§ 154 Abs. 1 VwGO).

Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung beruht auf § 167 Abs. 1 Satz 1 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.

Gründe für die Zulassung der Revision (§ 132 Abs. 2 VwGO) liegen nicht vor.

 

Beschluss

Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 40.000,- Euro festgesetzt.

Gründe

Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf § 47 Abs. 1 Satz 1 und § 52 Abs. 1 GKG.