LAG Nürnberg, Beschluss vom 20.09.2011 - 6 TaBV 9/11
Fundstelle
openJur 2012, 117940
  • Rkr:
Tenor

I. Die Beschwerde der Beteiligten zu 5.) und 6.) gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Weiden vom 04.10.2010, Az. 3 BV 24/10, wird zurückgewiesen.

II. Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.

Gründe

I.

Die Beteiligten streiten über die Wirksamkeit einer Betriebsratswahl.

Die Beteiligte zu 6.) betreibt ein Einzelhandelsunternehmen mit bundesweit 17 Niederlassungen. Gemäß einem mit der Beteiligten zu 1.) abgeschlossenen Tarifvertrag sind sieben Betriebsratsregionen gebildet. Die Region Nr. 7 (Ost) umfasst drei Niederlassungsgebiete, in denen außer den Niederlassungsleitungen 805 Filialen mit über 15.200 Arbeitnehmern gelegen sind. Die Beteiligte zu 1.) ist die für die Einzelhandelsbranche zuständige Gewerkschaft; sie ist im Betrieb der Beteiligten zu 6.) vertreten. Die Antragsteller zu 2.) bis 4.) sind im Wahlbetrieb beschäftigte wahlberechtigte Arbeitnehmer. Beim Beteiligten zu 5.) handelt es sich um den im Mai 2010 gewählten Betriebsrat.

Der Wahlvorstand für die Betriebsratswahl leitete die Wahl mit Wahlausschreiben vom 10.03.2010 ein. Das Wahlausschreiben enthält, soweit vorliegend von Interesse, folgende Festlegungen (Anlage A 1 zur Antragsschrift, Bl. 27 ff. d.A.):

19.03.2010 (Datum des Aushangs)

Die Betriebsratswahl findet am 03.05./04.05.2010 von 07.00 Uhr bis 20.00 Uhr, am 05.05.2010 von 7.00 Uhr bis 12.00 Uhr in allen Filialen und den 3 Wahlbüros der NL G…, NL T… und NL C… statt.

Ausgenommen hiervon sind die folgenden Betriebsteile bzw. Kleinstbetriebe, für die schriftliche Stimmabgabe gemäß § 24 Abs. 3 WO beschlossen wurde: ./.

Äußerst wichtig ist, dass nur diejenigen Arbeitnehmer/innen wahlberechtigt und wählbar sind, die in die Wählerliste eingetragen sind. Die Wählerliste und die Wahlordnung liegen in den Wahlbüros der NL G…, NL T… und NL C… zur Einsicht aus und können zur Kenntnis genommen werden.

Sollten Sie der Auffassung sein, dass die Wählerliste fehlerhaft ist, so können Sie gegen diese schriftlich nur vor Ablauf von zwei Wochen seit dem Aushang des Wahlausschreibens Einspruch einlegen, eingehend beim Wahlvorstand unter der oben genannten Betriebsadresse bis spätestens zum 06.04.2010, 12.00 Uhr.

Ein verspätet oder nur mündlich eingelegter Einspruch kann nicht berücksichtigt werden.

Das Geschlecht, das in der Belegschaft in der Minderheit ist, muss mindestens entsprechend seinem zahlenmäßigen Verhältnis im Betriebsrat vertreten sein, wenn der Betriebsrat aus mindestens drei Mitgliedern besteht (§ 15 Bl. 2 BetrVG).

In unserem Betrieb sind 86,73% Frauen und 13,27% Männer beschäftigt.

Der Betriebsrat hat aus 39 Mitgliedern zu bestehen. Auf das Geschlecht in der Minderheit der Männer entfallen 5 Mindestsitze (§ 15 Bl. 2 BetrVG).

Gewählt werden können weiter nur diejenigen Arbeitnehmer/innen, die ordnungsgemäß zur Wahl vorgeschlagen wurden. Ein ordnungsgemäßer Wahlvorschlag setzt voraus, dass dieser gemäß § 14 Abs. 4 BetrVG von mindestens 50 wahlberechtigten Arbeitnehmern bzw. Arbeitnehmerinnen unterzeichnet worden ist (Stützunterschriften). Der Wahlvorschlag einer im Betrieb vertretenen Gewerkschaft muss von zwei Beauftragten unterzeichnet worden sein (§ 14 Abs. 5 BetrVG).

Die Stimmabgabe ist an die Wahlvorschläge gebunden. Die Wahlvorschläge müssen schriftlich in Form von Vorschlagslisten vor Ablauf von zwei Wochen seit dem Aushang dieses Wahlausschreibens beim Wahlvorstand unter der oben genannten Betriebsadresse des Wahlvorstandes eingereicht werden, wenn mehr als drei Betriebsratsmitglieder zu wählen sind.

Der letzte Tag für die Einreichung von Vorschlagslisten ist der 06.04.2010, 12.00 Uhr.

Bei der Aufstellung von Vorschlagslisten sollen das Geschlecht in der Minderheit, die einzelnen Organisationsbereiche und die verschiedenen Beschäftigungsarten berücksichtig werden.

Nicht fristgerecht eingereichte Wahlvorschläge können nicht berücksichtigt werden.

Die Wahlvorschläge hängen an folgenden Orten bis zum Abschluss der Stimmabgabe aus: alle Filialen der NL G…, NL T…, NL C… sowie in den 3 Wahlbüros der NL G…, NL T…, NO C… und können zur Kenntnis genommen werden.

Nach erfolgter Stimmabgabe erfolgt die öffentliche Stimmauszählung am 06.05.2010 ab 12.00 Uhr in der NL 04639 G…, N…-Marken-Discount, im Großen Sitzungszimmer.

Unter dem 09.04.2010 übersandte der Wahlvorstand ein Schreiben an alle Marktleiter, Filialverantwortlichen und Stellvertreter der Betriebsratsregion folgendes Schreiben (Anlage A 8 zur Antragsschrift, Bl. 34 d.A.):

Liebe Kollegen/innen,

zur BR-Wahl 2010 der Vertriebsregion 7 hat der Wahlvorstand (nach § 1, Absatz 2 WO) beschlossen, alle Filialverantwortlichen zur Unterstützung und Durchführung der Wahl als Wahlhelfer in Anspruch zu nehmen.

Diese Hilfe bezieht sich auf:

-die Verteilung der Wahlunterlagen an jeden Mitarbeiter/in nach Eingang des Wahlunterlagenkuverts in der Filiale-die Gewährleistung, dass bei der Wahl jeder Mitarbeiter/in seinen Stimmzettel unbeobachtet ausfüllen kann;-die Aufgabe, zu regeln, dass die Wahlunterlagen jedes/r Mitarbeiters/in (Kuvert mit Stimmumschlag und persönlicher Erklärung) in dem adressierten Wahlurnenkuvert über ein Lieferfahrzeug (Frische, TKK oder Troso) bis spätestens Mittwoch, den 05.05.2010 zurückgegeben werden; Wichtig ist herbei, dass Sie sowohl den Empfang Ihrer Unterlagen dem Fahrer quittieren als auch Ihre Abgabe durch die Gegenzeichnung des Fahrers belegen (2-fach – eine Kopie für die Filiale). Dieses Wahlurnenkuvert ist den Mitarbeitern für Ihre Stimmabgabe zu reichen, ansonsten hält der jeweilige Filialverantwortliche dieses unter Verschluss;-dafür Sorge zu tragen, dass alle aushangpflichtigen Wahlunterlagen (Wahlausschreiben, Kandidatenliste usw.) auch am „Schwarzen Brett“/“Pinnwand im Personalraum“ ausgehängt werden; Es besteht für diese Dinge eine gesetzliche Aushangpflicht;Ebenfalls unter dem 09.04.2010 übersandte der Wahlvorstand eine Information an die Mitarbeiter in den Filialen, in der unter anderem ausgeführt ist (Anlage A 7, ebenda, Bl. 33 d.A.):

Es werden die gesamten Wahlunterlagen in die Filialen geschickt; die Filialleitungen haben dafür Sorge zu tragen, dass Sie Ihre Wahlunterlagen erhalten und Ihre Stimmumschläge in einem an die Filialen versandten Umschlag gesammelt und zurückgesandt werden. Bitte beachten Sie das den Wahlunterlagen beiliegende Merkblatt! Sorgen Sie dafür, dass Ihr Stimmzettel nicht ungültig ist.

Im beigefügten Merkblatt „Über die Art und Weise der schriftlichen Stimmabgabe“ (Anlage A 9, ebenda, Bl. 35 d.A.) heißt es unter anderem:

3. Unterschreiben Sie die vorgedruckte Erklärung, dass Sie den im beiliegenden verschlossenen Wahlumschlag befindlichen Stimmzettel persönlich gekennzeichnet haben. Legen Sie diese Erklärung bitte NICHT in den beigefügten Wahlumschlag.

4. Legen Sie nun den Wahlumschlag und die unterschriebene vorgedruckte Erklärung in den Rückumschlag und verschließen Sie diesen.

5. Geben Sie diesen Rückumschlag bitte rechtzeitig in die Briefwahlurne Ihrer Filiale ab. Sofern Ihr Wahlvorstand in ihrem Wahlbezirk die Rückantwort per Post vorgesehen hat, schicken Sie diesen bitte ebenfalls rechtzeitig an den Wahlvorstand zurück.

In den Filialen wurde entsprechend diesen Vorgaben des Wahlvorstandes verfahren. Die versiegelten Kuverts wurden den Fahrern mitgegeben und entsprechende Formulare ausgefüllt (vgl. das als Anlage A 12 vorgelegte Formular, ebenda, Bl. 39 d.A.).

Unter dem 20.04.2010 übersandte der Wahlvorstandsvorsitzende den Filialleitern ein Schreiben mit folgendem Wortlaut (Anlage A 4, ebenda, Bl. 30 d.A.):

Lieber Wahlhelfer,

anbei die Aufstellung der wahlberechtigten Mitarbeiter aus Ihrer Filiale, zwecks Abhaken (siehe Anleitung für Wahlhelfer) zur Betriebsratswahl.

Sollten Mitarbeiter/Pauschalkräfte auf der Liste stehen, die sich aber nicht mehr in Ihrer Filiale befinden, diese bitte durchstreichen.

Sind andererseits neue Mitarbeiter/Pauschalkräfte vorhanden, diese bitte namentlich auf die Liste setzen und wählen lassen.

Mitarbeiter, die im EZU sind, Langzeitkranke sowie Zivildienstleistende, die auf dieser Liste gekennzeichnet sind, werden von uns per Post angeschrieben.

Diesen Zettel dann bitte wieder mit zum Schluß in der Wahlurne an uns (BR-Wahlbüro) zurückschicken.

Unter dem 22.04.2010 übersandte der Wahlvorstand ein Schreiben an die Filialleiter und die anderen in den Filialen als Wahlhelfer bestellten Personen mit folgendem Wortlaut (Anlage A 5, Bl. 31 d.A.):

Sehr geehrte Damen und Herren,

in wenigen Tagen steht unsere BR-Wahl an.

Damit Euch die Wahl für den neuen Betriebsrat, Euren Interessenvertreter, leichter fällt, erhaltet Ihr heute Fotos zu Liste 2 (NL T…), Liste 3 (NL G…) und Liste 4 (NL C…).

Bitte hängt diese gut sichtbar an der PIN-Wand aus.

Wir wünschen Euch und uns einen erfolgreichen Verlauf und Abschluß der Wahl.

Auf den Stimmzetteln, auf denen die ersten drei Bewerber jeder Liste aufgeführt waren, war unter „Art der Beschäftigung im Betrieb“ zum Teil „BR-Vorsitzende“, „Stellv. BR-Vorsitzende“ oder „freigest. BR-Mitglied“ angegeben (Anlage A 6, ebenda, Bl. 32 d.A.).

Unter dem 10.05.2010 wurde das Ergebnis der Wahl – die Namen der Gewählten und die Vorschlagsliste, auf der diese kandidiert hatten – zum Aushang an die Filialen versandt (Anlagen A 2 und A 3, Bl. 20 bzw. 21 d.A.).

Mit am 20.05.2010 beim Arbeitsgericht Weiden eingegangenem Antrag haben die Beteiligten zu 1.) bis 4.) die Betriebsratswahl angefochten. Sie haben geltend gemacht, die Wahl habe unter einer Vielzahl von Verstößen gelitten, deren Auswirkung auf das Wahlergebnis nicht ausgeschlossen werden könne. Im einzelnen haben sie gerügt:

1. Das Wahlausschreiben habe nicht in allen Filialen ausgehangen. Dies hätten zahlreiche Mitarbeiter gegenüber dem Vertreter der Beteiligten zu 1.) gerügt. In der Filiale E… sei das Wahlausschreiben zwar ursprünglich ausgehängt worden; bereits am 17.04.2010 sei es jedoch nicht mehr ausgehangen.

2. Durch die Vorgabe des Wahlvorstandes an die als Wahlhelfer bestimmten Filialleiter, nicht beschäftigte Mitarbeiter von der Wählerliste zu streichen und neu hinzugekommene Mitarbeiter darin aufzunehmen, habe der Wahlvorstand gegen die Pflicht verstoßen, selbst über Änderungen der Wählerliste zu befinden. Hierdurch habe er auch die Überprüfung auf Richtigkeit und Vollständigkeit aus der Hand gegeben.

3. Durch die Versendung der Bewerberfotos der auf den Listen 2, 3 und 4 kandidierenden Bewerber an die Filialen mit der Bitte um Aushang dieser Fotos habe der Wahlvorstand gegen seine Neutralitätspflicht verstoßen; er habe die Listen 2, 3 und 4 hiermit gegenüber der Liste 1 bevorzugt und damit die Wahl beeinflusst.

4. Die Angabe der Funktion als Betriebsratsmitglieder anstatt der vertraglich geschuldeten Beschäftigung auf den Stimmzetteln habe zu einer Bevorzugung der betreffenden Listen geführt. Hierdurch habe bei den Wählern der Eindruck entstehen können, dass hiermit eine Empfehlung für die betroffenen Personen und Listen erfolge.

5. Die Art und Weise der Wahl in den Filialen sei fehlerhaft gewesen. Letztlich habe in den Filialen eine schriftliche Stimmabgabe stattgefunden, ohne dass der Wahlvorstand für diese Filialen die obligatorische schriftliche Stimmabgabe nach § 24 Abs. 3 der Wahlordnung beschlossen habe. Die Filialmitarbeiter hätten auch das Merkblatt zur schriftlichen Stimmabgabe ausgehändigt erhalten.

6. Der den Mitarbeitern überreichte Wahlumschlag sei nicht frankiert gewesen, so dass sie den Wahlumschlag wieder an den jeweiligen Filialleiter hätten zurückgeben müssen. Dies verstoße gegen § 24 Abs. 1 S. 5 WO. Wenn der Wähler seinen Wahlumschlag einem Boten anvertraue, sei dies nur dann akzeptabel, wenn dies wirklich freiwillig geschehe. Hier seien die Filialmitarbeiter zur Übergabe gezwungen gewesen.

7. Die Beteiligten zu 3.) und 4.) hätten in der Filiale E… am Morgen des 03.05.2010 wählen wollen. Die Marktleiterin sowie deren Stellvertreterin hätten diesen Beteiligten mitgeteilt, dass eine Aushändigung der Wahlunterlagen und eine Rückgabe des Umschlags am 03.05.2010 nicht möglich seien. Sie hätten die Unterlagen auch nicht am 04.05. morgens, sondern erst nach Dienstschluss erhalten. Eine Registrierung der Aushändigung sei nicht erfolgt. Gegen 15.50 Uhr habe der Beteiligte zu 4.) seine Wahlunterlagen bei der Filialleitung in einen großen Briefumschlag einstecken können. Eine Registrierung der Stimmabgabe sei nicht erfolgt. Die Beteiligte zu 3.) habe ihre Wahlunterlagen am 05.05. gegen 10.30 Uhr in der Filiale abgeben wollen. Dort sei ihr mitgeteilt worden, dass der Lkw mit den Wahlunterlagen bereits weggefahren sei. Die stellvertretende Marktleiterin habe den Wahlumschlag daraufhin in eine normale Posttasche gesteckt, und zwar ebenfalls, ohne die Stimmabgabe zu registrieren. Eine andere Kollegin habe berichtet, dass sie die Unterlagen am 05.05. vor 12.00 Uhr nicht mehr habe abgeben können, da der Fahrer bereits weggefahren sei. Die Mitarbeiterin G… sei hingegen bereits am 30.04.2010 aufgefordert worden, in der Filiale S…-G… zu wählen. Damit seien die Wahlzeiten nicht eingehalten worden.

8. Die Wahlurnen seien nicht ausreichend gesichert gewesen. Es seien Pappkartons als Urnen verwendet worden, die lediglich mit einem Klebeband verschlossen gewesen seien; der Einwurfschlitz sei mehrere Zentimeter breit gewesen. Es sei nicht bekannt, wo diese Kartons während der Wahltage aufbewahrt worden seien. Eine gesonderte Versiegelung der Wahlurnen zwischen den Wahltagen sei jedenfalls nicht erfolgt.

9. Die großen Briefumschläge, in denen in den Filialen die Briefwahlunterlagen gesammelt worden seien, seien während der gesamten Wahlzeit von den Filialleitern aufbewahrt worden; soweit sie überhaupt verschlossen worden seien, sei dies erst nach Abgabe sämtlicher Stimmen der Filiale direkt vor der Versendung an den Wahlvorstand, die durch Übergabe an den Betriebsfahrer verwirklicht worden sei, erfolgt.

10. Bei der Auszählung der Stimmen sei nicht geprüft worden, ob die als „Wahlurnen“ bezeichneten großen Briefumschläge unversehrt gewesen seien. Einige dieser Briefumschläge seien gänzlich unverschlossen gewesen.

11. Die Stimmauszählung sei fehlerhaft erfolgt. Zunächst seien die großen Briefumschläge aus einem Nebenraum herbeigebracht worden. Diesen seien die Außenumschläge entnommen worden; sie seien geöffnet worden. Soweit enthalten, seien die Erklärungen über die persönliche Stimmabgabe entnommen worden, ohne dass eine Registrierung oder ein Abgleich mit der Wählerliste erfolgt sei. Gleichzeitig mit den Erklärungen seien auch die Wahlumschläge aus den Kuverts entnommen und unmittelbar geöffnet worden. Aus ihnen seien die Stimmzettel entnommen worden; dies sei auch mit denjenigen Wahlumschlägen geschehen, bei denen die Erklärung über die Stimmabgabe nicht beigefügt gewesen sei. Die Stimmzettel seien gesammelt und den Zählgruppen übergeben worden. Auf den Hinweis eines anwesenden Beobachters, dass Stimmen ohne die Erklärung über die persönliche Stimmabgabe ungültig seien, habe die Vorsitzende des Wahlvorstandes erklärt, dass einige Mitarbeiter diese Erklärung wohl deswegen nicht beigefügt hätten, um eine Nachvollziehbarkeit der Stimmabgabe zu verhindern. Nach der Auszählung der Briefwahlstimmen seien die als Wahlurnen verwendeten nicht versiegelten Pappkartons hereingebracht und geöffnet worden. Eine Registrierung eingegangener Erklärungen oder ein Abgleich mit der Wählerliste sei zu keinem Zeitpunkt erfolgt.

12. Stimmzettel, bei denen Zweifel über die Gültigkeit bestanden hätten, seien von der Vorsitzenden des Wahlvorstandes gesammelt worden. Während der Stimmenauszählung seien gegen 16.40 Uhr alle Anwesenden, die nicht dem Wahlvorstand angehörten, des Raumes verwiesen worden, damit der Wahlvorstand über die Gültigkeit derjenigen Stimmen entscheiden konnte, bei denen Zweifel bestanden. Nachdem die Öffentlichkeit gegen 17.25 Uhr wieder zugelassen worden sei, habe der Wahlvorstand die Erschienenen über das Ergebnis seiner Beratungen unterrichtet. Von den 523 nicht offensichtlich gültigen oder ungültigen Stimmen seien 111 Stimmen für ungültig erklärt worden. Damit habe der Wahlvorstand gegen die Öffentlichkeit der Stimmauszählung verstoßen.

Die Beteiligten zu 1.) bis 4.) sind der Auffassung, es lägen erhebliche Verstöße gegen das Wahlverfahren vor, dass der Anschein einer dem Gesetz entsprechenden Wahl nicht mehr gegeben sei. Die Wahl sei als nichtig, zumindest aber als anfechtbar anzusehen.

Die Beteiligten zu 1.) bis 4.) haben vor dem Arbeitsgericht beantragt:

Die Betriebsratswahl vom 03. bis 05. Mai 2010 in der Betriebsratsregion 7 (Vertriebsgebiet Ost) der Beteiligten zu 6.) wird für unwirksam erklärt.

Die Beteiligten zu 5.) und 6.) haben beantragt,

die Anträge zurückzuweisen.

Die Beteiligten zu 5.) und 6.) haben die Auffassung vertreten, relevante und das Wahlergebnis tangierende Fehler lägen nicht vor. Im einzelnen haben sie geltend gemacht:

1. Zwar sei zutreffend, dass in der Filiale E… das Wahlausschreiben kurzzeitig von Mitarbeitern abgenommen und in den Pausenraum gelegt worden sei. Die Unterlagen seien aber dann wieder an der Pinnwand angebracht worden. Auch in den anderen Filialen sei der Aushang ordnungsgemäß und durchgehend erfolgt.

2. Es lägen keine Kenntnisse darüber vor, dass die Wählerlisten von den Filialleitern tatsächlich verändert worden seien. Es sei davon auszugehen, dass die Wählerlisten vollständig und richtig gewesen seien. Auch sei ein Einspruch gegen die Richtigkeit der Wählerlisten nicht erfolgt.

3. In der Versendung der Bewerberfotos liege schon deswegen keine Wahlbeeinflussung, weil die Beteiligte zu 1.) ihre Werbung und auch die Fotos der Bewerber auf ihrer Liste selbst in den Filialen verteilt habe (Werbeflyer AG 2, Bl. 71 ff. d.A.). Die Listenführer der Listen 2, 3 und 4 hätten den Wahlvorstand gebeten, die Aushängung der Fotolisten in den Filialen zu veranlassen. Ein entsprechender Wunsch sei von Vertretern der Liste 1 nicht an den Wahlvorstand herangetragen worden.

4. Gegen die Angabe der Funktion als freigestellte Betriebsräte beständen keine Bedenken. Diese Angabe diene der Identifizierung der Bewerber am besten.

5. Die Art und Weise der Stimmabgabe in den Filialen sei nicht zu beanstanden. Die Filialleiter seien förmlich durch Beschluss als Wahlhelfer bestellt worden. Sie hätten, wie in der Information vom 09.04.2010 beschrieben, unterstützende Tätigkeit für den Wahlvorstand geleistet.

6. Es sei nicht zutreffend, dass in den Filialen eine obligatorische schriftliche Stimmabgabe stattgefunden habe. Vielmehr hätten die Wahlhelfer in den einzelnen Filialen als Boten der Wähler fungiert, weil den Mitarbeitern nicht habe zugemutet werden können, sich persönlich in eines der drei weit entfernt liegenden Wahlbüros zu begeben. Jeder Wähler habe seinen Umschlag den Wahlhelfern freiwillig anvertraut; eine zwangsweise Übergabe an den jeweiligen Wahlhelfer liege nicht vor.

7. Es sei falsch, dass den Beteiligten zu 3.) und 4.) mitgeteilt worden sei, dass sie am 03.05. oder am 04.05. tagsüber nicht wählen dürften. Richtig sei, dass die Beteiligte zu 3.) die Wahlunterlagen am 04.05. mit nach Hause genommen habe. Richtig sei auch, dass sie die Unterlagen am 05.05. gegen 11.00 Uhr an die Wahlhelferin übergeben habe. Die Unterlagen seien am 06.05.2010 gegen 7.30 Uhr mitgenommen und zum Wahlvorstand gebracht worden. Damit stehe fest, dass die Stimme bei der Auszählung berücksichtigt worden sei. Es sei zudem nicht schlüssig, dass diese eine Stimme das Wahlergebnis habe beeinflussen können. Die Mitteilung an die Mitarbeiterin G… habe nur den Zeitpunkt betroffen, ab dem sie wählen könne.

8. Die Wahlurnen in den Niederlassungen G…, T… und C… seien ausreichend durch vielfaches Verkleben gesichert gewesen. Die Wahlbüros seien durchweg mit zwei Wahlvorstandsmitgliedern besetzt gewesen. Die Wahlbüros seien jeweils nach dem Ende der für die Stimmabgabe maßgeblichen Zeiträume verschlossen worden. Die Wahlurnen seien zugeklebt und mit dem Filialstempel als Siegel versehen worden. Vor dem Verbringen der Urnen aus dem Wahlbüro in den Auszählungsraum durch zwei Wahlvorstandsmitglieder seien die Abdeckungen des Schlitzes von diesen beiden Mitgliedern des Wahlvorstandes beseitigt worden.

9. Die Wahlhelfer in den Filialen hätten die Anweisung gehabt, dafür Sorge zu tragen, dass die Mitarbeiter ihre Wahlunterlagen in dem Adressatenkuvert bis 05.05. zurückgeben würden, dass die großen versiegelten Kuverts mit den Stimmen der Filialmitarbeiter dem jeweiligen Betriebsfahrer übergeben würden und dass dies mit zweifachem Beleg quittiert würde.

10. Es sei falsch, dass bei der Auszählung der Stimmen nicht geprüft worden sei, ob die Umschläge unversehrt gewesen seien. Es treffe auch nicht zu, dass einige Umschläge gänzlich unverschlossen gewesen seien.

11. Bei der Auszählung seien zwölf Zählgruppen gebildet worden. Daneben habe es vier weitere Gruppen gegeben, die aus Mitgliedern des Wahlvorstands bestanden hätten. Diese hätten die Großkartons geöffnet, in denen sich die großen von den Fahrern gebrachten Umschläge befunden hätten. Sie hätten die Großumschläge herausgenommen und geöffnet, die Wahlbriefumschläge herausgenommen und geöffnet. Nach erfolgter Registrierung hätten nur vier Erklärungen über die persönliche Stimmabgabe gefehlt. Falsch sei, dass auch gleichzeitig die Wahlumschläge geöffnet worden seien.

12. Die vorübergehende Beratung des Wahlvorstands über das Vorgehen bei der Entscheidung über die Gültigkeit von Stimmen verstoße nicht gegen das Gebot der Öffentlichkeit der Stimmenauszählung. Die Auszählung als solche sei lückenlos öffentlich vorgenommen worden.

Die Beteiligten zu 5.) und 6.) haben die Auffassung vertreten, die Anfechtung rechtfertigende Verstöße lägen nach alldem nicht vor.

Die Beteiligten zu 1.) bis 4.) haben darauf hingewiesen, dass ein Nachweis dafür, dass ein Fehler für das Wahlergebnis kausal gewesen sei, nicht geführt werden müsse. Die Anfechtbarkeit sei schon dann gegeben, wenn nicht ausgeschlossen werden könne, dass sich der Fehler auf das Wahlergebnis ausgewirkt haben könne. Eine Verletzung der Grundsätze der geheimen Wahl, der Öffentlichkeit und der Chancengleichheit lasse immer eine Beeinflussung auch des Wahlergebnisses vermuten. Sie blieben dabei, dass in einigen Filialen das Wahlausschreiben nicht dauerhaft ausgehängt gewesen sei. Es genüge, dass nicht auszuschließen sei, dass Wählerlisten korrigiert worden seien. Es sei falsch, dass der Fahrer die Wahlunterlagen der Beteiligten zu 3.) noch am Donnerstag mit zum Wahlbüro genommen habe; die Posttasche habe sich am Donnerstag tagsüber noch in der Filiale befunden. Der Vortrag der Beteiligten zu 5.) und 6.) belege nicht, dass die Wahlurnen ausreichend gesichert worden seien. Die an die Betriebsfahrer übergebenen großen Umschläge seien durchweg nicht ausreichend gesichert gewesen. Schließlich stelle der Ausschluss der Öffentlichkeit während der Stimmauszählung als Verstoß gegen den Öffentlichkeitsgrundsatz eine die Anfechtung rechtfertigende Handhabung dar.

Das Arbeitsgericht Weiden hat mit Beschluss vom 04.10.2010 wie folgt entschieden:

Die Betriebsratswahl vom 03. Mai 2010 bis 05. Mai 2010 in der Betriebsregion 7 (Vertriebsgebiet Ost) der Firma N… Marken-Discount AG & Co. KG, I…, xxx M… wird für unwirksam erklärt.

Das Arbeitsgericht hat seine Entscheidung im wesentlichen damit begründet, Nichtigkeit der Wahl sei nicht gegeben. Diese liege nur vor, wenn nicht einmal der Anschein einer dem Gesetz entsprechenden Wahl gegeben sei. Dies sei vorliegend nicht erkennbar. Auch die Addition von Fehlern oder die Gesamtwürdigung einzelner Verstöße führe nach neuerer Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts nicht zur Nichtigkeit. Die Wahlanfechtung sei dagegen aufgrund von Verstößen gegen wesentliche Wahlvorschriften begründet. Das Verfahren der schriftlichen Stimmabgabe weise solche Mängel auf. Der Wahlumschlag und die unterschriebene vorgedruckte Erklärung im Freiumschlag dürften nur an den Wahlvorstand gesendet werden. Die Postsendung dürfe nicht in den Machtbereich des Arbeitgebers gelangen. Zulässig sei allenfalls die Übergabe an eine betriebliche Poststelle oder die persönliche Abgabe beim Wahlvorstand. Nicht zulässig sei die Übergabe an den Filialleiter. Die gewählte Handhabung habe nicht gewährleistet, dass die Wahlumschläge und die unterschriebenen vorgedruckten Erklärungen in Freiumschlägen verschlossen an den Wahlvorstand geschickt worden seien. Stattdessen seien diese dem Arbeitgeber bzw. seinen Repräsentanten ausgehändigt worden. Einzelheiten zu den tatsächlichen Auswirkungen auf das Wahlergebnis hätten sich nicht aufklären lassen. Es sei daher von einer Beeinflussung des Wahlergebnisses auszugehen. Die Wahl sei allein aus diesem Grund anfechtbar; auf die weiteren gerügten Verstöße komme es nicht an.

Der Beschluss des Arbeitsgerichts ist den Prozessvertretern der Beteiligten zu 5.) und 6.) ausweislich deren Empfangsbekenntnisses am 18.01.2011 zugestellt worden. Diese haben namens der Beteiligten zu 5.) und 6.) mit Schriftsatz vom 08.02.2011, beim Landesarbeitsgericht eingegangen am 11.02.2011, Beschwerde gegen den Beschluss eingelegt. Sie haben die Beschwerde – nach Verlängerung der Begründungsfrist aufgrund am 18.03.2011 beim Landesarbeitsgericht eingegangenen Antrags bis 18.04.2011 – mit am 18.04.2011 eingegangenem Antrag begründet.

Zur Begründung ihrer Beschwerde führen die Beteiligten zu 5.) und 6.) aus, das Arbeitsgericht habe fehlerhaft angenommen, in den Filialen sei eine schriftliche Stimmabgabe erfolgt. Dies sei aber nicht der Fall. Vielmehr hätten in den Filialen die Filialleiter, Marktleiter und stellvertretenden Marktleiter als Wahlhelfer fungiert. Sie seien hierzu offiziell durch Wahlvorstandsbeschluss bestellt worden. Es sei falsch, dass es sich bei diesem Personenkreis um „Repräsentanten des Arbeitgebers“ handele; vielmehr hätten diese Personen keine leitenden Funktionen und seien in den Filialen auch wahlberechtigt. Es verstehe sich von selbst, dass diese Wahlhelfer zur Entgegennahme von verschlossenen Wahlumschlägen befugt gewesen seien. Die Antragsteller hätten auch nicht vorgetragen, dass es bei der Übernahme der Wahlumschläge und deren Weiterleitung zu Unstimmigkeiten gekommen sei. Motiv für den Einsatz der Filialleiter als Wahlhelfer sei insbesondere gewesen, den Wahlberechtigten die Stimmabgabe zu erleichtern, indem ihnen die Unterlagen in den Filialen ausgehändigt oder von dort per Post zugeleitet worden sei, um damit eine hohe Wahlbeteiligung zu erreichen. Wahlberechtigten, die sich aus der Natur der Sache nicht in den Filialen aufgehalten hätten, seien die Unterlagen mit frankiertem Rückumschlag zugeleitet worden. Dies habe Mitarbeiter im Erziehungsurlaub, im Schwangerschaftsurlaub, im Zivil- und Wehrdienst, im Krankenstand sowie in der Kündigung betroffen.

Die Beteiligten zu 5.) und 6.) und Beschwerdeführer stellen im Beschwerdeverfahren folgende Anträge:

1.Der Beschluss des Arbeitsgerichts Weiden, Kammer Schwandorf, vom 04.10.2010, AZ: 3 BV 24/10 wird abgeändert.2.Der Antrag, die Betriebsratswahl vom 03.05.2010 – 05.05.2010 in der Betriebsratsregion 7 (Vertriebsgebiet Ost) der Beteiligten zu 6) für unwirksam zu erklären, wird abgewiesen.Die Beteiligten zu 1.) bis 4.) und Beschwerdegegner beantragen dagegen:

Die Beschwerde der Beteiligten zu 5) und 6) gegen den Beschluss des Arbeitsgerichtes Weiden, Kammer Schwandorf, vom 04. Oktober 2010, Az. 3 BV 24/10 wird zurückgewiesen.

Die Beteiligten zu 1.) bis 4.) schließen sich der Begründung des Arbeitsgerichts an. Sie sind der Auffassung, schon daraus, dass der Wahlvorstand den Filialmitarbeitern ein Merkblatt über die schriftliche Stimmabgabe ausgehändigt habe, ergebe sich, dass es sich hierbei um Briefwahl gehandelt habe. Im übrigen hätten die großen Kuverts, in denen die Wahlumschläge eingesammelt worden seien, die Merkmale von Wahlurnen nicht erfüllt. Sie wiederholen im übrigen ihre bereits erstinstanzlich vorgetragenen weiteren Fehler und Anfechtungsgründe.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf die Darstellung des Sachverhalts im Beschluss des Arbeitsgerichts, auf die Niederschrift über die Anhörung vor dem Landesarbeitsgericht vom 20.09.2011 und auf die zwischen den Beteiligten gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

II.

Die zulässige, insbesondere frist- und formgerecht eingereichte und auch begründete Beschwerde ist nicht begründet. Das Arbeitsgericht hat die Betriebsratswahl in der Betriebsratsregion 7 – Vertriebsgebiet Ost – bei der Beteiligten zu 6.) zu Recht für unwirksam erklärt. Die Beschwerdekammer folgt dem Arbeitsgericht auch darin, dass die Handhabung der Stimmabgabe in den Filialen gegen wesentliche Vorschriften des Wahlverfahrens verstoßen hat und dass nicht ausgeschlossen werden kann, dass sich diese Verstöße auf das Stimmergebnis ausgewirkt haben können. Im Hinblick auf die von den Beteiligten zu 5.) und 6.) aufgeführten Argumente ist folgendes auszuführen:

1. Frist und Form der Anfechtung sind gewahrt. Dabei kann dahinstehen, ob und wann der Aushang des Wahlergebnisses in welchen Filialen erfolgt ist. Die von der Wahlvorstandsvorsitzenden und dem Schriftführer des Wahlvorstandes unterzeichnete Bekanntmachung trägt das Datum 07.05.2010 (Anlage A 2, Bl. 20 d.A.). Der von drei wahlberechtigten Arbeitnehmern und der im Betrieb vertretenen Gewerkschaft eingereichte begründete Anfechtungsantrag ist ausweislich des Eingangsstempels am 20.05.2010 und damit vor Ablauf der Zwei-Wochen-Frist des § 19 Abs. 2 BetrVG beim Arbeitsgericht eingegangen. Die im Anfechtungsantrag aufgeführten Abweichungen vom gesetzlich vorgeschriebenen Wahlverfahren waren – soweit die Sachverhalte sich so zugetragen haben, wie von den Anfechtenden behauptet wurde – geeignet, die Anfechtung zu begründen und die Wahl für ungültig zu erklären.

2. Die Wahl ist schon deswegen für unwirksam zu erklären, weil der Wahlvorstand für die Wahl in den Filialen – außerhalb der Niederlassungen G…, T… und C… – eine Mischform aus persönlicher Wahl und Briefwahl vorgesehen hat, die von BetrVG und Wahlordnung in dieser Form nicht gedeckt ist.

a. Die Wahlordnung kennt nur zwei Möglichkeiten, wie die Stimmabgabe stattfinden kann: Zum einen die persönliche Stimmabgabe gemäß § 12 der WO, zum anderen die schriftliche Stimmabgabe nach § 24 der WO. Die persönliche Stimmabgabe kann nur im „Wahlraum“ erfolgen (§ 12 Abs. 2 WO). In diesem Wahlraum müssen immer mindestens zwei stimmberechtigte Mitglieder des Wahlvorstandes oder ein stimmberechtigtes Mitglied und ein Wahlhelfer durchgehend anwesend sein (§ 12 Abs. 2 S. 1 und S. 2 WO). Die Wahlumschläge müssen in eine Wahlurne eingeworfen werden (§ 12 Abs. 1 und Abs. 3 WO). Die schriftliche Stimmabgabe erfolgt dergestalt, dass diejenigen Wahlberechtigten, die wegen der Eigenart ihres Beschäftigungsverhältnisses am Wahltag voraussichtlich nicht im Betrieb sein werden, die in § 24 Abs. 1 WO aufgeführten Dokumente ausgehändigt bekommen. Für Betriebsteile und Kleinstbetriebe, die räumlich weit vom Hauptbetrieb entfernt sind, kann der Wahlvorstand die – dann obligatorische – schriftliche Stimmabgabe beschließen (§ 24 Abs. 3 WO).

100b. Vorliegend hat der Wahlvorstand keinen Beschluss gefasst, für die Filialen eine obligatorische schriftliche Stimmabgabe nach § 24 Abs. 3 WO durchzuführen. Aus diesem Grund kann dahinstehen, ob eine obligatorische schriftliche Stimmabgabe, die dazu führen würde, dass der weit überwiegende Teil der Wahlberechtigten auf Briefwahl verwiesen wird, im Hinblick darauf, dass der Gesetzgeber von der persönlichen Urnenwahl als Regel ausgegangen ist, überhaupt zulässig wäre (Einzelheiten vgl. z.B. bei Vetter in Berscheid u.a., Fachanwaltsbuch Arbeitsrecht, 3. Aufl. 2010, Teil 9, Buchstabe A, Rn. 127 ff.; Fitting u.a., BetrVG, 25. Aufl. 2010, § 24 WO 2001 Rn. 18 f.; Kreutz in Gemeinschaftskommentar zum BetrVG, 9. Aufl. 2010, § 24 WO Rn. 12).

101c. Geht man – wie offenbar der Wahlvorstand und jedenfalls die Beteiligten zu 5.) und 6.) – davon aus, dass die Handhabung als persönliche Stimmabgabe zu werten wäre, würde hierdurch in mehrfacher Hinsicht gegen die Bestimmung des § 12 WO verstoßen. Zum einen fehlt es an einem Wahlraum, in dem die Mitarbeiter der jeweiligen Filiale ihre Stimme abgeben konnten. Zum zweiten fehlt es an der Anwesenheit mindestens eines Wahlvorstandsmitglieds und eines Wahlhelfers während der Öffnung des Wahlraums und bei der Stimmabgabe. Zum dritten ist keine Wahlurne verwendet worden, in der die Wahlumschläge eingeworfen werden konnten. Zum vierten hat der Wahlvorstand die letztlich gewählte Vorgehensweise nicht in das Wahlausschreiben aufgenommen, so dass von vornherein für alle Mitarbeiter klar gewesen wäre, auf welche Weise sie ihre Stimme abgeben könnten.

102Die Verstöße gegen diese Vorschriften sind erheblich und können sich auf das Wahlergebnis ausgewirkt haben. Der Wahlvorstand hat keine Erkenntnisse darüber, ob und welche Wahlberechtigten von dieser Möglichkeit, sich die Wahlunterlagen vom Filialleiter geben zu lassen und sie an diese zurückzugeben, überhaupt Kenntnis erlangt haben. Er hat weiter keine Kenntnisse darüber, ob die Filialleiter aktiv auf die Filialmitarbeiter zugegangen sind, um ihnen die Wahlunterlagen auszuhändigen, oder ob sie diese nur auf Anforderung herausgegeben haben – insoweit ist der Aushang vom 09.04.2010 (Anlagen A 7 und A 8, Bl. 33 und Bl. 34 d.A.) nicht eindeutig. Er hat weiter keine Kenntnis, ob die Wahlberechtigten die Stimmzettel unbeobachtet gekennzeichnet haben und ob sämtliche an die Filialleiter zurückgereichten Wahlumschläge tatsächlich zum Wahlvorstand gelangt sind. Es liegt auf der Hand, dass es für die Wahlbeteiligung und daher auch für das Wahlergebnis einen Unterschied machen kann, ob der Filialleiter die Wahlunterlagen von sich aus an jeden wahlberechtigten Arbeitnehmer aushändigt oder ob er dies nur auf konkrete Anforderung hin tut. Dasselbe gilt für die Unklarheit darüber, ob alle ausgehändigten Wahlumschläge zum Wahlvorstand gelangt sind. Die Argumentation der Beteiligten zu 5.) und 6.), das Verfahren sei gewählt worden, um für eine hohe Wahlbeteiligung zu sorgen, zeigt, dass ein Einfluss auf die Wahlbeteiligung – und damit logisch zwingend – auch ein Einfluss auf das Wahlergebnis stattgefunden hat. Der Wahlvorstand ist außerhalb der gesetzlichen Regeln nicht befugt, einen solchen Einfluss durch eine besondere Ausgestaltung der Ansprache der Mitarbeiter auszuüben.

d. Mit Recht führt das Arbeitsgericht aus, dass die gewählte Vorgehensweise auch den Anforderungen an die schriftliche Stimmabgabe nicht genügt. Zum einen hat der Wahlvorstand den als Wahlhelfern eingesetzten Filialleitern nach den vorgelegten Schreiben und Unterlagen nicht aufgegeben, im einzelnen zu vermerken, welcher Wahlberechtigte die Wahlunterlagen erhalten (§ 24 Abs. 1 S. 3 WO) und welcher sie bei wem wieder abgegeben hat. Nach dem Wahlausschreiben war jedoch jedem auch in den Filialen beschäftigten Mitarbeiter das Recht eingeräumt, in den Niederlassungen persönlich zu wählen. Es kann bei dieser Handhabung nicht ausgeschlossen werden, dass eine doppelte Stimmabgabe der Wähler erfolgt sein könnte. Dasselbe gilt angesichts der Möglichkeit, dass Mitarbeiter der Filialen die Wahlunterlagen zweifach bekommen haben – etwa vom Filialleiter und später von dessen Stellvertreter – und daher auch ihre Stimmen zweifach abgeben konnten. Dasselbe Problem ergibt sich dadurch, dass auch der Wahlvorstand Briefwahlunterlagen, nämlich an in Elternzeit befindliche und andere abwesende Personen, nach der Darstellung der Beteiligten zu 5.) und 6.) automatisch versandt, und zwar auch an „im Krankenstand“ befindliche Personen. Da der Wahlvorstand den Filialleitern offensichtlich nicht jeweils mitgeteilt hat, an welche Personen er diese Wahlunterlagen versandt hat, liegt die Möglichkeit, dass auch solche Arbeitnehmer die Unterlagen nochmals persönlich in der Filiale erhalten haben können, auf der Hand. Auch hierdurch könnte das Wahlergebnis beeinflusst worden sein. Auch diese Überlegung, warum es zwingend notwendig ist, dass der Wahlvorstand sowohl die Frage, wer die Unterlagen wann bekommt und wer die Stimme abgibt, einschließlich der entsprechenden Vermerke zwingend in eigener Verantwortung behalten muss.

Zum anderen waren die größeren Kuverts, in die Wahlumschlag und Erklärung über die persönliche Stimmabgabe einlegen waren, entgegen der ausdrücklichen gesetzlichen Vorgabe (§ 24 Abs. 1 S. 1 Nr. 5 WO) nicht frankiert. Die Wahlberechtigten waren also, wenn sie kein Vertrauen zur ordnungsgemäßen Rücksendung durch die als Wahlhelfer bestellten Filialleiter oder die Lieferfahrer hatten, gezwungen, diese Umschläge selbst zu adressieren und zu frankieren. Sie konnten hierdurch an der Rücksendung gehindert worden sein. Letzteres kann zumindest nicht ausgeschlossen werden; auch hierdurch kann das Wahlergebnis beeinflusst worden sein.

Auf die vom Arbeitsgericht problematisierte Frage, ob es sinnwidrig oder unzulässig war, die Filialleiter – einerseits Repräsentanten des Arbeitgebers vor Ort, andererseits selbst wahlberechtigte Arbeitnehmer – als Wahlhelfer zu bestellen, kommt es nach alldem nicht an. Grundlegende Bedenken gegen eine solche Bestellung hat die Beschwerdekammer allerdings angesichts der konkreten Befugnisse der Filialleiter in den Filialen der Beteiligten zu 6.) und der Größe des zu wählenden Betriebsrats – bei im übrigen ordnungsgemäßer Handhabung – allerdings nicht.

e. Die vom Wahlvorstand gewählte Handhabung gewährleistet auch nicht mit ausreichender Sicherheit, dass alle an die Lieferfahrer übergebenen versiegelten großen Umschläge mit den Rückkuverts wirklich beim Wahlvorstand eingetroffen und dass daher alle abgegebenen Stimmen berücksichtigt worden sind. Der Wahlvorstand kann dies nicht gewährleisten, wenn er nicht den vollständigen Eingang sämtlicher großen Umschläge kontrolliert. Schon der in der Filiale E… geschilderte, von den Beteiligten zu 5.) und 6.) nicht bestrittene Vorgang – Nachreichung eines Wahlumschlags durch einen weiteren Fahrer – schließt aus, dass dem Wahlvorstand wirklich mit Sicherheit bekannt sein konnte, dass alle Lieferfahrer die Stimmen rechtzeitig und ordnungsgemäß abgeliefert haben. Hierzu hätte es sowohl einer Registrierung der abgegebenen Stimmen beim Wahlhelfer als auch eine entsprechende Überprüfung bei der Abgabe im Büro des Wahlvorstandes bedurft. Auch insoweit kann ein Einfluss auf das Wahlergebnis nicht ausgeschlossen werden. Es kann nicht nachvollzogen werden, ob alle abgegebenen Wahlumschläge wirklich zur Auszählung gelangt sind.

f. Ähnliches gilt für die Unklarheiten über den Wahlzeitraum. Nach der Mitteilung an die als Wahlhelfer eingesetzten Filialleiter (Anlage A 8, Bl. 34 d.A.) sollten die eingesammelten Wahlunterlagen bis spätestens „Mittwoch, den 05.05.2010 zurückgegeben“ werden. In der Information an die Wahlberechtigten (Anlage A 7, Bl. 33 d.A.) fehlt ein genaues Datum, bis wann die Übergabe ihrer Stimme an den jeweiligen Filialleiter möglich war. Damit konnte – entgegen den Angaben im Wahlausschreiben, in dem eine Öffnung der Wahllokale bis Mittwoch, 12.00 Uhr angeführt war – unklar sein, bis wann die Mitarbeiter ihre Stimmen auf dem Weg über die Filialleiter abgeben konnten. Wenn der Wahlvorstand die Möglichkeit eröffnet, den außerhalb der Orte, in denen Wahlräume geöffnet sind, beschäftigten Mitarbeitern eine Abgabe ihrer Wahlumschläge zu ermöglichen – was der Gesetzgeber nicht vorgesehen hat, so dass die Zulässigkeit einer solchen Handhabung insgesamt als zweifelhaft erscheint –, dann übernimmt er zumindest auch die Verantwortung dafür, dass dies auf rechtssichere und den Anforderungen der schriftlichen Stimmabgabe hinsichtlich der Geheimhaltung und der Rücksendung an den Wahlvorstand so weit wie möglich nahe kommende Weise geschieht. Dies war hier nicht der Fall. Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass Wahlberechtigte durch die Unklarheiten über den Zeitablauf ihre Stimme doch nicht rechtzeitig an den Wahlvorstand zurückgesendet haben. Auch dies konnte das Wahlergebnis beeinflussen.

1083. Die Wahl ist auch deswegen für unwirksam zu erklären, weil nicht ausgeschlossen werden kann, dass die als Wahlhelfer bestellten Filialleiter Mitarbeiter von der Wählerliste gestrichen oder solche in die Wählerliste aufgenommen haben. Der Wahlvorstand hat den Wahlhelfern diese Aufgabe – und damit die Prüfung, welche Mitarbeiter wählen durften und welche nicht – übertragen. Zu einer solchen Übertragung ist er nicht befugt. Er muss selbst entscheiden, welche Mitarbeiter in die Wählerliste aufgenommen werden, welche nachträglich hinzugefügt werden und welche zu streichen sind. Der Einwand der Beteiligten zu 5.) und 6.), es sei nicht zu nachträglichen Änderungen gekommen, ist nicht nachvollziehbar. Der Wahlvorstand hat den als Wahlhelfer bestellten Filialleitern mit Schreiben vom 20.04.2010 ausdrücklich die Befugnis zu solchen Änderungen gegeben – und dies, ohne genaue Handlungsanleitungen zu geben, wann und unter welchen Umständen solche Änderungen möglich und zulässig seien. Die nunmehrige Behauptung, Änderungen seien nicht erfolgt, ist nicht nachvollziehbar. Da der Wahlvorstand die Wählerliste nicht selbst ergänzt hat, hätte die Wahl nur dann ordnungsgemäß verlaufen sein können, wenn es zwischen Erlass der Wählerliste spätestens am 19.03.2010 und dem letzten Wahltag, dem 05.05.2010, in den 805 Filialen keinerlei Fluktuation gegeben hätte. Dies ist schwer vorstellbar. Bei der gewählten Methode und den gegebenen Anweisungen an die Wahlhelfer erscheint das Bestreiten jeglicher Änderungen als nicht zu beachtende Behauptung „ins Blaue hinein“. Sie wäre zudem nur nachvollziehbar, wenn der Wahlvorstand – oder die Beteiligten zu 5.) und 6.) – in allen 805 Filialen nachgefragt hätten, ob solche Änderungen vorgekommen sind, und wenn er dargelegt hätte, dass es solcher Änderungen auch nicht bedurfte. Dies ist ersichtlich nicht der Fall. Es kann also nicht ausgeschlossen werden, dass Wahlberechtigte an der Ausübung ihres Wahlrechts gehindert worden sind oder dass nicht Wahlberechtigte ihre Stimme abgeben konnten. Da nicht nachvollzogen werden kann, in welchen Fällen dies der Fall gewesen sein könnte, kann eine Beeinflussung des Wahlergebnisses ebenfalls nicht ausgeschlossen werden.

1094. Die Wahl ist unabhängig hiervon auch deswegen für unwirksam zu erklären, weil der Wahlvorstand seine Neutralitätspflicht dadurch verletzt hat, dass er die Bilder der Kandidaten der Listen 2, 3 und 4 von den Wahlhelfern in den Filialen hat aushängen lassen, diejenigen der Liste 1 jedoch nicht. Ein „offizieller“ Aushang an der Pinnwand oder am „Schwarzen Brett“ kann ein anderes Gewicht haben als von der Gewerkschaft verteiltes Informationsmaterial. Der Wahlvorstand ist verpflichtet, die Wahlvorschläge und die darauf kandidierenden Bewerber neutral und gleich zu behandeln. Er ist auch nicht befugt, tatsächliche oder vermeintliche Defizite, die einzelne Listen gegenüber anderen in ihrer Werbemöglichkeit haben, durch eigene Handlungen auszugleichen. Der Wahlvorstand hätte die Bilder der Bewerber daher allenfalls dann zum Zweck des Aushangs versenden dürfen, wenn er dies gleichmäßig für alle Listen getan hätte.

Der Einwand der Beteiligten zu 5.) und 6.), die Vertreter der Liste 1 hätten den Wahlvorstand nicht um die Versendung gebeten, trägt ebenfalls nicht. Offensichtlich hat der Wahlvorstand die Vertreter der Liste 1 nicht darauf hingewiesen, dass er diesen Service für die anderen Listen übernehme. Aus diesem Grund kann dahinstehen, ob in diesem Fall – Angebot an alle, nur teilweise Eingehen auf das Angebot durch die Listenvertreter – dem Neutralitätsgebot Genüge geleistet wäre.

Auch insoweit kann nicht ausgeschlossen werden, dass die Filialmitarbeiter sich davon beeinflussen ließen, dass die Listen 2, 3 und 4 durch den Wahlvorstand „lebendiger“ gestaltet worden waren.

1125. Ein weiterer, die Anfechtung schon für sich tragender Verstoß gegen Wahlgrundsätze liegt darin, dass der Wahlvorstand die Öffentlichkeit zur Beratung über die Ungültigkeit von Stimmen ausgeschlossen hat. Das Gebot, die Auszählung in öffentlicher Sitzung vorzunehmen, soll gewährleisten, dass selbst der Anschein von Manipulationen vermieden wird. Die „Öffentlichkeit“ soll daher den gesamten Vorgang der Stimmauszählung – beginnend mit dem Überprüfen und Öffnen der Umschläge der Briefwähler, über das Überprüfen der Wahlberechtigung in der Wählerliste, das Überprüfen der Erklärung über die persönliche Stimmabgabe, das Einwerfen des Wahlumschlags in eine Wahlurne und das Abhaken der Stimmabgabe in der Wählerliste, das Öffnen der Wahlurnen mit den Wahlumschlägen derjenigen Wähler, die persönlich gewählt haben, bis hin zum Auszählen der Stimmen, der Entscheidung über die Gültigkeit von Stimmen und der Feststellung des Stimmergebnisses – begleiten und beobachten können. Solange das Stimmergebnis nicht offiziell festgestellt ist, soll eine Manipulationsmöglichkeit durch Mitglieder des Wahlvorstandes über die Beobachtung durch die Öffentlichkeit von vornherein ausgeschaltet sein. Dieser wesentliche Wahlgrundsatz ist verletzt, wenn der Wahlvorstand die Öffentlichkeit vor Feststellung des Stimmergebnisses ausschließt. Auch dies führt zur Anfechtbarkeit der Wahl, und zwar unabhängig davon, ob eine solche Manipulation durchgeführt wurde oder ob auch nur ein begründeter Verdacht auf eine solche besteht.

6. Die Beschwerdekammer hat erhebliche Bedenken an der Gültigkeit der Wahl auch deswegen, weil der Wahlvorstand die gesetzlichen Fristen nicht eingehalten hat. Auf dem Wahlausschreiben ist vermerkt, dass dieses am 19.03.2010 ausgehängt worden sei. Ob der Wahlvorstand sich vergewissert hat, dass dies an diesem Tag in allen Filialen geschehen ist, musste angesichts der ohnehin die Anfechtung begründenden Verstöße nicht geprüft werden. Aber: Die Frist zur Einreichung von Wahlvorschlägen wurde gesetzt auf 06.04.2010, 12.00 Uhr. Da der 19.03. nach §§ 41 WO, 187 Abs. 1 BGB für die Berechnung der Zwei-Wochen-Frist des § 3 Abs. 2 Nr. 8 WO, innerhalb derer die Einreichung von Wahlvorschlägen möglich ist, nicht zu berücksichtigen ist, endete diese Frist – der 02.04.2010 war Karfreitag und gesetzlicher Feiertag, der 05.04.2010 Ostermontag – gemäß § 193 BGB am Dienstag, den 06.04.2010, 24.00 Uhr. Der Wahlvorstand hat diese Frist auf 12.00 Uhr verkürzt. Eine solche Verkürzung ist unzulässig jedenfalls dann, soweit das vom Wahlvorstand gewählte Fristende innerhalb der Regelarbeitszeit liegt (BAG vom 09.12.1992, 7 ABR 27/92; LAG Hessen vom 31.08.2006, 9 TaBV 16/06; LAG München vom 18.07.2007, 7 TaBV 79/07, jeweils zitiert nach juris; LAG Nürnberg vom 11.05.2010, 6 TaBVGa 6/10, nicht veröffentlicht). Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass zwischen 12.00 Uhr und 18.00 oder 20.00 Uhr – je nach Ende der Normalarbeitszeit – noch Wahlvorschläge eingereicht worden wären. Auch dies begründet die Anfechtbarkeit der Wahl.

7. Auch weitere von den Beteiligten zu 1.) bis 4.) aufgeführten Umstände könnten, wenn sie vorgelegen haben sollten, die Anfechtung der Wahl begründen. Dies gilt insbesondere für eine Entfernung des Wahlausschreibens über einen längeren Zeitraum hinweg, für die unzureichende Sicherung von Wahlurnen, für die Prüfung der Unversehrtheit von zurückgereichten Briefwahlunterlagen, für die fehlende Registrierung von Stimmen der Briefwähler, für die fehlende Berücksichtigung des Fehlens der Erklärungen über die persönliche Stimmabgabe und für die Nichteinlegung der Wahlumschläge der Briefwähler in Urnen. Gerade durch letzteres soll gewährleistet werden, dass ein Rückschluss auf den Wahlumschlag und die hierin enthaltene Stimme des Briefwählers – der sich aus dem zurückgereichten größeren Umschlag und der Erklärung über die persönliche Stimmabgabe ergeben könnte – ausgeschlossen ist. Damit ist der Einwurf der Wahlumschläge in eine Wahlurne, in der sich außerdem Stimmen von Wählern befinden, die ihre Stimme persönlich abgegeben haben, zwingend (§ 26 Abs. 1 WO). Die Kammer hat angesichts der dargestellten Verstöße, die ohnehin zur Ungültigkeit der Wahl führen, von einer Ermittlung der genauen Umstände, ob auch diese gerügten Verstöße vorgelegen haben, abgesehen.

Nicht verständlich ist der Kammer, warum der Wahlvorstand gegen § 11 Abs. 2 S. 1 WO verstoßen hat, indem er nicht nur die ersten beiden, sondern die ersten drei Bewerber der Listen auf den Stimmzetteln aufgeführt hat. Es kann dahinstehen, ob dieser Verstoß sich auf das Wahlergebnis ausgewirkt haben kann und daher für sich ebenfalls zur Anfechtbarkeit führen würde.

Nach Auffassung der Beschwerdekammer hat der Wahlvorstand allerdings nicht dadurch fehlerhaft gehandelt, dass er die bisherigen freigestellten Betriebsratsmitglieder – auch in etwaiger Funktion als Betriebsratsvorsitzender oder Stellvertreter – auf den Vorschlagslisten in ihrer diesbezüglichen Bezeichnung akzeptiert und diese Bezeichnung auch auf den Stimmzetteln übernommen hat. Die Aufnahme der „Art der Beschäftigung“ dient, wie die Beteiligten zu 5.) und 6.) zu Recht aufgeführt haben, der Identifizierung der Bewerber. Insbesondere bei langjährigen freigestellten Betriebsratsmitgliedern könnte eine andere Bezeichnung etwa mit ihrer früheren Tätigkeit bei den Wählern eher zur Verwirrung führen. Die Beschwerdekammer hält die diesbezügliche Rüge der Beteiligten zu 1.) bis 4.) daher zumindest dann, wenn der Wahlvorstand diese Art der Bezeichnung gleichmäßig aus allen Wahlvorschlägen übernommen und auf die zuletzt freigestellten Betriebsratsmitglieder beschränkt hat, für unbegründet.

8. Die Wahl ist trotz der Vielzahl der vorhandenen Fehler nicht als nichtig anzusehen. Insoweit folgt die Beschwerdekammer den Ausführungen des Arbeitsgerichts und der in der Entscheidung vom 19.11.2003 (7 ABR 24/03, zitiert nach juris) deutlichen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts. Nichtigkeit einer Wahl könnte nur angenommen werden, wenn einer der vorhandenen Verstöße für sich genommen die Nichtigkeit begründen würde. Dies wäre nur in ganz besonderen Ausnahmenfällen gegeben, wenn gegen allgemeine Grundsätze jeder ordnungsgemäßen Wahl in so hohem Ausmaß verstoßen worden wäre, dass auch der Anschein einer dem Gesetz entsprechenden Wahl nicht mehr vorläge (so BAG vom 19.11.2003, a.a.O.). Diese Voraussetzungen sind vorliegend nicht gegeben.

9. Nach alldem ist die Betriebsratswahl für unwirksam zu erklären. Das Arbeitsgericht hat zutreffend entschieden, so dass die Beschwerde zurückzuweisen ist.

10. Für die Zulassung der Rechtsbeschwerde besteht kein sachlich begründeter Anlass.