Bayerischer VGH, Beschluss vom 16.09.2011 - 16b DC 11.1037
Fundstelle
openJur 2012, 117855
  • Rkr:
Tenor

I. Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

II. Der Antragsteller trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Gründe

I.

Der Antragsteller ist Polizeihauptmeister bei der Bundespolizei und seit längerer Zeit dienstunfähig erkrankt. Gegen den Antragsteller wurden seitens der Antragsgegnerin disziplinarrechtliche Ermittlungen in die Wege geleitet wegen des Verdachts, der Antragsteller gehe einer ungenehmigten Nebentätigkeit nach und verstoße gegen die Pflicht zur Gesunderhaltung. Auf Antrag der Antragsgegnerin ordnete der Bayerische Verwaltungsgerichtshof mit Beschluss vom 19. Oktober 2009 die Durchsuchung der Räumlichkeiten der Privatwohnung des Antragstellers sowie die Beschlagnahme von bei der Durchsuchung aufgefundenen Beweismitteln gemäß § 27 BDG an. Die Durchsuchung und Beschlagnahme fand am 27. November 2009 statt.

Mit Schriftsatz vom 25. August 2010 beantragte der Antragsteller beim Bayerischen Verwaltungsgerichtshof, der sich mit Beschluss vom 11. Oktober 2010 für unzuständig erklärte und den Rechtsstreit an das Verwaltungsgericht Ansbach verwies,

die Beschlagnahme der im Durchsuchungs- und Beschlagnahmeprotokoll der Bundespolizeidirektion … vom 27. November 2009 aufgeführten beweglichen Sachen und Datenträger aufzuheben und die beschlagnahmten Sachen und Datenträger unverzüglich an den Antragsteller herauszugeben.

Bei der Durchsuchungsaktion am 27. November 2009 seien acht Polizeibeamte der Bundespolizei sowie ein beigezogener Vertreter der Gemeinde St. in das Anwesen des Antragstellers eingedrungen und hätten diesem den Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 19. Oktober 2009 präsentiert und mehrere Stunden Unterlagen (Ordner und Schriftstücke) sowie Datenträger herausgesucht und beschlagnahmt. Diese Unterlagen hätten zu einem nicht unerheblichen Teil die gewerbliche Tätigkeit der Ehefrau des Antragstellers, nämlich die Firma … sowie die Firma … betroffen. Inhaberin der beiden genannten Firmen sei allein die Ehefrau des Antragstellers. Des Weiteren hätten sich auf beschlagnahmten Datenträgern Urlaubsbilder der Familie und privater Schriftverkehr befunden. Eine Duldungsanordnung gegenüber der Ehefrau des Antragstellers habe nicht vorgelegen. Die Aktion der Bundespolizei am 27. November 2009 sei rechtswidrig gewesen. Nach den einschlägigen Bestimmungen hätten die bezeichneten Maßnahmen nur durch die nach der StPO dazu berufenen Behörden durchgeführt werden dürfen. Da eine Durchsuchungs- und Beschlagnahmeanordnung des Vollzugs bedürfe, sei nach § 36 Abs. 2 Satz 1 StPO die Zuständigkeit der Staatsanwaltschaft gegeben. Die Bundespolizeidirektion M. sei keine Staatsanwaltschaft im Sinne der genannten Vorschrift. Es sei damit gegen elementare Vorschriften über die Durchführung der Durchsuchung und Beschlagnahme verstoßen worden. Ein derartiger elementarer Verstoß habe ein Verwertungsverbot hinsichtlich der beschlagnahmten Sachen zur Folge. Der Antragsteller habe sich bei der Durchsuchung seines Wohnhauses zwar kooperativ gezeigt, jedoch ausdrücklich zu Protokoll gegeben, dass er mit der Beschlagnahme und der Durchsicht der Unterlagen nicht einverstanden sei. Bedenken rechtlicher Art bestünden außerdem, weil nicht nur Sachen beschlagnahmt worden seien, die im Allein- und Mitgewahrsam des Antragstellers stünden, sondern auch Sachen, die allein die gewerbliche Tätigkeit der Ehefrau des Antragstellers beträfen bzw. den Familienbereich seiner Familie. Dasselbe gelte für die private Korrespondenz. Nach den einschlägigen Bestimmungen unterlägen derartige Sachen nicht der Beschlagnahme und hätten zumindest unverzüglich nach Feststellung des privaten Charakters zurückgegeben werden müssen.

Die Antragsgegnerin beantragte,

den Antrag abzulehnen.

Die Zuständigkeit der Bundespolizei ergebe sich aus §§ 105 StPO, 152 GVG und § 12 Abs. 5 BPolG. Ein Verstoß gegen § 27 Abs. 2 BDG liege damit nicht vor. Die Anwendbarkeit des § 36 Abs. 2 Satz 1 StPO lasse sich aus § 27 Abs. 1 Satz 3 BDG nicht zwingend herleiten. Er verweise hinsichtlich der Beschlagnahmedurchführung auf die Bestimmungen der StPO. Dies seien lediglich die §§ 94 ff. StPO. Ein etwaiger Zustellungsmangel nach § 36 Abs. 2 Satz 1 StPO wäre indes durch den tatsächlichen Zugang geheilt. Ein Verstoß gegen §§ 97 Abs. 1 Nr. 1 StPO i.V.m. § 52 StPO durch Beschlagnahme von Sachen, die im Mitgewahrsam der Ehefrau stünden, sei weder erfolgt noch ersichtlich. Der dezidierte Beschlagnahmebeschluss umfasse ausdrücklich Sachen, die im Allein- oder Mitgewahrsam des Antragstellers stünden. Private E-Mails seien, sobald sie von den Ermittlungsbeamten als solche erkannt worden seien, nicht weiter gelesen und unverzüglich aussortiert worden. Die Beschlagnahme des Notebooks des Antragstellers, auf dem sich in der Tat auch Urlaubsbilder befänden, sei von den Ermittlern beschlossen worden, da sich laut Aussage des Antragstellers alle wesentlichen Geschäftsunterlagen auch darauf befänden und sich dies im Rahmen der Verhältnismäßigkeit als die mildere Maßnahme gegenüber der einer Beschlagnahme aller (13) Betriebsrechner dargestellt habe. Vom Antragsteller und seiner Ehefrau dringend benötigte Unterlagen seien auf Wunsch sofort vor Ort kopiert bzw. bezüglich der Steuerbelege das Angebot gemacht worden, bei Bedarf alles in Kopie zuzusenden. Von diesem Angebot sei allerdings nie Gebrauch gemacht worden. Welche Sachen im Alleingewahrsam der Ehefrau des Antragstellers gestanden hätten, sei nicht dargelegt worden.

Mit Beschluss vom 28. März 2011 hat das Verwaltungsgericht den Antrag abgelehnt. Die Durchsuchungs- und Beschlagnahmeaktion der Bundespolizeidirektion M. am 27. November 2009 sei rechtmäßig gewesen. Nach § 27 Abs. 2 BDG dürften die in § 27 Abs. 1 BDG bezeichneten Maßnahmen nur durch die nach der StPO dazu berufenen Behörden durchgeführt werden. Dies sei im vorliegenden Fall die Bundespolizei gewesen, was sich aus den §§ 105 StPO, 152 GVG und § 12 Abs. 5 BPolG ergebe. Zwar gebiete die Bestimmung des § 27 Abs. 2 BDG, dass der Dienstherr den Beschluss des Verwaltungsgerichts durch die Polizeibehörden vollstrecken lassen müsse und dabei auch nach einem verwaltungsgerichtlichen Beschluss nicht durch eigenes Personal vorgehen könne. Eine Ausnahme ergebe sich allerdings dann, wenn die behördeninternen Ermittlungsstellen selbst den Status von Hilfsbeamten der Staatsanwaltschaft hätten. Dies sei vorliegend der Fall gewesen, wie sich aus der Vorschrift des § 12 Abs. 5 Satz 1 BPolG ergebe. Der Antrag bleibe auch ohne Erfolg, soweit mit ihm geltend gemacht werde, dass auch Sachen, die weder im Allein- oder Mitgewahrsam des Antragstellers stünden, beschlagnahmt worden seien. Dies gelte insbesondere für Sachen, die allein die gewerbliche Tätigkeit der Ehefrau des Antragstellers beträfen bzw. den Privatbereich seiner Familie und private Korrespondenz. Die insoweit angeführte Vorschrift des § 97 Abs. 1 Nr. 1 StPO könne keine Anwendung finden. Für einen solchen Bezug fehle im Vortrag des Antragstellers jeglicher Beleg. Im Übrigen weise die Antragsgegnerin zu Recht darauf hin, dass eindeutige Angaben dazu, um welche Sachen es sich insoweit handeln sollte, die zu Unrecht beschlagnahmt worden sein sollten, in den Antragschriftsätzen des Antragstellers nicht enthalten seien. Soweit es sich um die Beschlagnahme des Notebooks des Antragstellers handle, verweise die Antragsgegnerin zu Recht darauf, dass sich nach den eigenen Angaben des Antragstellers alle wesentlichen Geschäftsunterlagen darauf auch befänden.

Mit seiner Beschwerde vom 19. April 2011 verfolgt der Antragsteller sein Begehren weiter. Die Anordnung nach § 27 Abs. 1 BDG bedürfe als Entscheidung der Vollstreckung i.S. des § 36 Abs. 2 Satz 1 StPO. Folglich sei eine Anordnung i.S. des § 27 Abs. 1 BDG nach § 36 Abs. 2 Satz 1 StPO der jeweils zuständigen Staatsanwaltschaft zu übergeben, die das Erforderliche veranlasse. Insofern habe sich die Gesetzeslage gegenüber § 58 BDO geändert, als dort der Untersuchungsführer derartige Maßnahmen habe selbst vollziehen dürfen. Die vom Verwaltungsgericht zitierte Auffassung von Hummel/Köhler/Mayer lasse sich nur insofern aufrechterhalten, als nach Übergabe der Anordnung i.S. des § 27 Abs. 1 BDG an die Staatsanwaltschaft diese die Ermittlungstellen - sofern sie den Status vom Hilfsbeamten der Staatsanwaltschaft hätten - mit der Vollziehung betrauen würden. Ansonsten würde gegen die ausschließliche Vollziehungszuständigkeit der Staatsanwaltschaft verstoßen, was angesichts des durch § 27 BDG betroffenen Grundrechts der Unverletzlichkeit der Wohnung nicht hinnehmbar sei.

Die Antragsgegnerin beantragte, die Beschwerde abzuweisen und hält die Entscheidung des Verwaltungsgerichts für richtig.

II.

Die zulässige Beschwerde ist unbegründet.

Der Antragsteller begehrt mit dem Antrag die Aufhebung der Beschlagnahme und die Herausgabe der im Durchsuchungs- und Beschlagnahmeprotokoll der Bundespolizeidirektion M. vom 27. November 2009 aufgeführten beweglichen Sachen und Datenträger.

Auf Antrag der Antragsgegnerin ordnete der Bayerische Verwaltungsgerichtshof mit Beschluss vom 19. Oktober 2009 gemäß § 27 Abs. 1 BDG die Durchsuchung der Räumlichkeiten der Privatwohnung des Antragstellers sowie die Beschlagnahme von bei der Untersuchung aufgefundenen Beweismitteln an.

Nach § 27 Abs. 2 BDG dürfen die Maßnahmen nach Abs. 1 - hier Durchsuchungs- und Beschlagnahmebeschluss vom 19. Oktober 2009 - nur durch die nach der Strafprozessordnung dazu berufenen Behörden durchgeführt werden. Für die Durchführung einer richterlichen Durchsuchungs- und Beschlagnahmeanordnung gilt § 36 Abs. 2 Satz 1 StPO (vergl. Lutz Meyer-Goßner StPO, 57. Auflage, RdNr. 8 zu § 105 StPO). Da die Durchsuchungs- und Beschlagnahmeanordnung der Vollstreckung i.S.v. § 36 Abs. 2 Satz 1 StPO bedarf, ist der Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 19. Oktober 2009 der Staatsanwaltschaft zu übergeben, die das Erforderliche veranlasst (vgl. GKÖD, Disziplinarrecht des Bundes und der Länder, RdNr. 52 zu § 27; Zängl, Bayerisches Disziplinarrecht, RdNr. 31 zu Art. 29 zur gleichlautenden landesrechtlichen Vorschrift; Müller, Grundzüge des Disziplinarrechts, RdNr. 333). Dagegen vertritt Hummel in Köhler/Ratz (Disziplinargesetz 3. Auflage RdNr. 9 zu § 27) die Auffassung, für den Fall, dass die behördeninternen Ermittlungsstellen selbst den Status von Hilfsbeamten (Ermittlungsbeamten) der Staatsanwaltschaft haben - wie hier gemäß § 152 GVG, § 12 Abs. 5 BPolG die Bundespolizei - § 36 Abs. 2 Satz 1 StPO nicht anzuwenden ist, mit der Folge, dass es der Einschaltung der Staatsanwaltschaft nicht bedurft hätte. So sieht es auch das OVG Rheinland-Pfalz, das die Auffassung vertritt, zuständig seien für die Ausführung einer Durchsuchungs- und Beschlagnahmeanordnung des Disziplinargerichts die nach der Strafprozessordnung dazu berufenen Behörden. Dies seien neben der Staatsanwaltschaft selbst auch deren Ermittlungspersonen (vergl. OVG Rheinland-Pfalz Beschluss v. 12.1.2007 Az. 3 B 11367/06, eine Verfassungsbeschwerde hiergegen wurde nicht zur Entscheidung angenommen, BVerfG v. 14.11.2007 Az. 2 BvR 371/07). Geht man von der erstgenannten Auffassung aus, hätte die Staatsanwaltschaft nach Übergabe des Beschlusses vom 19. Oktober 2009 das Erforderliche veranlassen müssen und die Bundespolizei als Ermittlungsperson der Staatsanwaltschaft beauftragen können und wohl auch beauftragt (§ 152 GVG, § 12 Abs. 5 BPolG). Unter Berücksichtigung der Tatsache, dass es sich lediglich um einen formalen Mangel handelt, der von Teilen der Literatur und Rechtsprechung sogar verneint wird, falls die behördeninternen Ermittlungsstellen selbst den Status von Ermittlungspersonen der Staatsanwaltschaft haben, sieht der Senat im konkreten Fall den Verstoß nicht als so gravierend an, dass er zur Aufhebung der Beschlagnahme führt. Die Beschlagnahme selbst wurde durch Ermittlungsbeamte der Staatsanwaltschaft vorgenommen, die auch für Beschlagnahmen zuständig sind. Weitere Fehler im Rahmen der Beschlagnahme sind weder ersichtlich noch im Beschwerdeverfahren vom Antragsteller geltend gemacht. Soweit im Verfahren vor dem Verwaltungsgericht noch geltend gemacht wurde, dass auch Sachen, die weder im Allein- oder Mitgewahrsam des Antragstellers stünden, beschlagnahmt worden seien, hat der Antragsteller diesen Einwand im Beschwerdeverfahren nicht mehr vorgebracht. Im übrigen wurden die nach Ansicht des Antragstellers zu Unrecht beschlagnahmten Sachen auch nie konkret benannt.

Hat der Antragsteller keinen Anspruch auf Aufhebung der Beschlagnahme, hat er aus diesem Grund auch keinen Anspruch auf Herausgabe der beschlagnahmten Gegenstände und Datenträger. Ergänzend weist das Gericht jedoch darauf hin, dass die beschlagnahmten Gegenstände herauszugeben sind, wenn die Beweise gesichert sind und die beschlagnahmten Gegenstände schon vor Verfahrensbeendigung nicht mehr zu Beweiszwecken gebraucht werden.